1848 / 61 p. 1 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

Auf dem Platze des Palais Royal wurden 14 Hof⸗Equipagen t.

verde n, nach der Einnahme der Tuilerieen wurden eini e Meubel, einige Vorhänge verbrannt; allein als ein Ueberwachunge - Dienst von einigen Personen organisirt worden, wurden die , die Gemälde, die Werke von Meistern gewissenhaft geschont. Die Menge gehorchte willig der Consigne, welche von einem Schüler der polytechnischen Schule gegeben war.

Das Weichbild von Paris war sichtlich von demselben Geiste beseelt, wie die Hauptstadt. Auf fast allen Fahnen der National⸗ Garde, welche am 24. Februar herbeieilte, las man: „Reformistisches Weichbild !.

Dreitausend Bewohner von Rouen und Havre, die einen großen Vorrath von Kriegs -Munition mitbrachten, sind nach der Patrie am Morgen des 24. Februar mit der Eisenbahn von Rouen ange⸗ kommen. Sie nahmen an den Kämpfen und den Siegen der pariser Bevölkerung Theil.

Eine ungeheure Volksmasse verweilt auf dem Schauplatze der Metzelei des Hotel des Capucins. Es stehen dort ganze Pfützen Blut; die öffentliche Entrüstung hat den höchsten Grad erreicht. Das erwähnte Hotel ist von den Truppen verlassen; einige National-Gar⸗ disten halten die Ordnung aufrecht, die übrigens Niemand zu stören gedenkt. Nachstehende Inschriften fanden sich auf dem Thore von Guizot's Hotel verzeichnet: „Hotel des Volkes! National-Eigenthum! Ambulanz!“ In der Masse schrie man, auf das Hotel deutend: „Eine Boutique zu vermiethen.“ ö

Das Schuldengefängniß ist geöffnet, und alle Gefangenen sind freigegeben worden. .

Bekanntlich steht dem Tuilerieen-Schlosse gegenüber die Statue des Spartacus. Diese Statue ist vom Volke mit einer rothen Mütze bekrönt worden, welche aus Zeugen von dem zerrissenen Throne Lud⸗ wig Philipp's zusammengesetzt worden war.“

Der Precurseur d Anvers vom 26. Februar giebt folgende telegraphische Depesche aus Brüssel:

„Valenciennes hat die Republik proklamirt. hof ist eingeäschert worden.

Lille ist in großer Aufregung.

Cambrai ist in Insurection.“

Einer Nachschrift desselben Blattes zufolge steht das Hotel der Präfektur zu Lille in Flammen und besteht zwischen Lille und Mous— cron keine Verbindung mehr.

Im Echo de Bruxelles liest man, daß auf die Herzogin von Orleans mehrere Pistolenschüsse abgefeuert worden seien, ohne sie je doch zu treffen; sie und der Graf von Paris hätten sich nur mit größter Noth der Volkswuth entziehen können. Es heißt, daß Gui⸗ zot verhaftet worden sei; mehrere Hotels und eine große Anzahl Häuser seien geplündert worden. Auch die brüsseler Blätter, Poli⸗ tigue und Observateur, bestätigen die entsetzliche Weise, wie die Herzogin vom Volke empfangen wurde.

Der Commerce belge meldet über die Begegnung, die der Herzogin von Orleans widerfahren, und über die Flucht des Königs

Folgendes: „Als die Herzogin von Orleans im Saale der Depu— tirten⸗Kammer eintraf, hatte sich das Volk bereits in denselben ein— gedrängt. Ihr und ihres Sohnes Eintritt bewirkte augenblickliche Ruhe und Betäubung, der jedoch bald ein beklagenswerthes Schau— spiel folgte, auf dessen Beschreibung wir verzichten. Die Herzogin von Orleans, die keinen Augenblick ihre Bewegung durch irgend eine Schwäche verrieth und ihren Sohn keine Sekunde von ihrer Hand ließ, trat gegen die Tribüne vor, von welcher herab sie das Wort nehmen wollte, Es war ihr unmöglich, sich Gehör zu verschaffen. Pisto⸗ lenschüsse, von denen wir nicht glauben wollen, daß sie gegen sie gerichtet waren, und das Erscheinen von Männern mit nackten und blutigen Armen bestimmten die ganze Versammlung, sich um sie zu gruppiren, um ihr als Schntzwehr zu dienen. Von den sie rings Umgebenden in den Armen getragen, verließ sie, ohne sich einen Augenblick von ihrem Sohne getrennt zu haben, den Palast durch ein Fenster; der Herzog von Nemours folgte ihr. Die Herzogin wurde in diesem Augenblicke, wie man glaubt, mit dem Grafen von Paris nach den Invaliden geführt; der Herzog von Nemours verließ mit zwei Regimentern Paris. Während dies im Palaste der Deputirten⸗Kammer vorging, bemächtigte sich das Volk mit Gewalt der Tuilerieen. Es war 4 Uhr; Ludwig Philipp, die Königin, ihre Kinder waren noch dort, als bereits die Insurgenten einen Theil des Schlosses inne hatten. Die Königliche Familie mußte den Palast verlassen. Der König nahm den Arm der Königin; ihre Kinder folgten ihnen. Sie gingen sämmtlich zu Fuße durch den Tuilerieengarten. Auf dem Eintrachtsplatze angelangt, wollte der König einen Augen⸗ blick bei dem Obelisken von Luror stehen bleiben, um die Blicke auf die Menge zu richten, welche den Platz bedeckte. Hier war sein Le— ben in Gefahr; ein Mitglied der Kammer, Herr Delebecque, beschützte dasselbe. Man konnte einen Fiaker herbeifahren lassen, in welchen die Königliche Familie einstieg. Von einer zugleich schützenden und dro⸗ henden Menge umgeben, fuhr sie nach Neuill)». Man vermuthet, daß ö. ö wenige Stunden nachher den Weg nach Eu einschlagen onnte.“ .

„Wir geben nachstehend“, sagt die Kölnische 3g. ferner, „ei nen ausführlicheren Bericht über die merkwürdige Sitzung der De putirten-Kammer am 24. Februar. Der Präsident Sauzet eröffnete um 1 Uhr die Sitzung; etwa 309 Deputirte waren anwe—⸗ send. Die Versammlung erklärte sich in Permanenz. Bald darauf vernahm man die Abdankung Ludwig Philipp's. Um 1 Uhr ver— breitete sich das Gerücht, daß die Herzogin von Orleans mit ihren beiden Söhnen im Schooße der Kammer erscheinen werde. Einen Augen— blick nachher zeigte sie sich wirklich in Begleitung ihrer zwei Söhne und des Herzogs von Nemours. Der junge Graf von Paris zeigte sich zuerst, von einer Person geführt, welche ihn an der Hand hielt. Mit Mühe drang er bis in den mit Offizieren und Soldaten der Na— tionalgarde angefüllten Halbkreis durch. Seine Anwesenheit rief in der Versammlung eine lebhafte Bewegung hervor. Zur nämlichen Zeit entstand lautes Geräusch an der . der Linken. Man hörte die Rufe: „Sie dürfen nicht eintreten, Sie haben nicht das Recht dazu!“ Dennoch traten mehrere nicht zur Kammer gehörige Per— sonen in den Saal und stellten sich an den Fuß der Tribune. Einen Augenblick nachher trat die Herzogin von Orleans in den Saal und setzte sich, ihre zwei Söhne neben sich, in einen Sessel. Fast augen— blicklich füllten sich die Corridors mit einer großen Anzahl von Män— nern aus dem Volke und Nationalgardisten. Die Prinzessin und ihre Kinder verließen hierauf den Halbkreis und zogen sich auf eine der Bänke oben am Centrum, dem Bureau des Präsibenten gegenüber, zurück. Eine lebhafte Aufregung herrschte im Saale. Hr. Dupin: „In der Lage der Hauptstadt und in den schwierigen Umständen, worin sich das Land versetzt findet, hat die Kammer sich unverzüglich versammeln müssen. Der König hat abgedankt. (Sensation.) Er hat über die Krone zu Gunsten seines Enkels verfügt und die 6 der Frau Herzogin von Orleans übertragen. (Bravo's auf fast allen Bänken und auf einigen Tribunen. Eine Stimme auf Len Tribunen: Es ist zu spät!) Eine unbeschreibliche Aufregung herrschte jetzt in der Kammer. Die Herzogin von Orleans und ihre Kinder befanden sich inmitten einer zahlreichen Gruppe von Depu⸗ tirten. Nationalgardisten stellten sich um die königl. Familie auf;

Der dortige Bahn⸗

ber Herzog von Nemours setzte sich hinter die jungen Prinzen und ihre Mutter. Hr. Marie war lange auf der Tribune, bevor er sich Gehör verschaffen konnte; endlich Jzelang ihm dies, und er sagte: „Meine Herren! In der Lage, worin sich Paris befindet, ist es für uns dringende Pflicht, eine 3 zu ergreifen, welche einige Autorität auf die Bevölferung üben kann. Seit diesem Morgen hat das Uebel un⸗ geheuere Fortschritte gemacht. Welche Partei ergreifen Sie? So eben proclamirke man die Herzogin von Orleans als Regentin, aber ein Gesetz giebt die Regentschaft dem Herzoge von Nemours, und Sie können in diesem Augenblicke kein Gesez machen. Was jetzt zu thun, ist die Ernennung einer provisorischen Regierung (Sehr gut! sehr gut!, nicht um Institutionen zu geben, sondern um mit den zwei Kammern über die Nothwendigkeit zu berathen, die Wünsche des Landes zu befriedigen.“ Herr de Genoude; Ich verlange das Wort. Herr Cremieur: Im Interesse des öffentlichen Wohles ist eine große Maßregel nothwendig, Es liegt daran, daß alle Welt einverstanden sei, einen großen Grundsatz zu proclamiren und dim siegreichen Volke ernstliche Garantieen zu sichern. Lassen Sie uns nicht handeln, wie im J. 1830, weil das, was damals geschah, im J. 1848 von, Neuem angefangen werden müßte. [Sehr gut! Beifall der Tribunen.) Setzen wir eine provisorische

Regierung ein, nicht um die Zukunft, sondern um die Ordnung zu re⸗ gen. Mehr können wir in diesem Augenblicke nicht thun. (Nein! Nein!) Ich hege die größte Achtung für die Herzogin von Orleans, und ich habe so eben die Königl. Familie in den Wagen geleitet, der sie wegführte. (Eine Stimme: Glückliche Reise! Murren.) Die pari⸗ ser Bevölkerung hat die innigste Achtung für das Unglück des Königs bewiesen, aber wir, die früher gesandt wurden, um Gesetze zu geben, wir können sie nicht verletzen. Ein bereits angenommenes Gesetz verfügt über die Regentschaft, und ich räume nicht ein, daß es in diesem Augenblicke aufgehoben werden kann. Da wir auf den Punkt gelangt sind, eine Revolution zu haben, während wir nur eine einfache Aenderung der Politik wollten, so lassen Sie uns dem Lande vertrauen. Ich schlage eine provisorische Regierung von fünf Mitgliedern vor. (Zahlreiche Stimmen auf den Tribunen: Unterstützt! Unterstützt! Herr de Genoude bestieg die Tribune. In diesem Augenblicke trat Odilon Barrot in den Saal. Zahlreiche Stimmen: „Odilon Barrot! Auf die Tribüne. Laßt Odilon Barrot reden!“ Herr de Genoude be⸗ hauptete, daß die Reihe, zu reden, an ihm sei, und sagte, nachdem Odilon Barrot ihm beigepflichtet hatte: „Sie werden nichts Mögliches, nichts Dauerhaftes ohne die Mitwirkung des Volkes thun können. Sie haben es im Jahre 1830 versucht, Sie sehen, was daraus geworden ist. Odllon Barrot: „Nie haben wir des kalten Blutes und der Vaterlandsliebe nöthiger bedurft. Könnten wir uns doch alle einigen in der nämlichen Gesinnung, das Land vor der scheußlichsten Geißel, dem Bürgerkriege, zu bewahren! Die Nationen sterben nicht, ich weiß es; aber sie schwächen sich durch innere Spaltungen, und nie hat Frankreich aller seiner lebendigen Kräfte, der Mitwirkung aller seiner Kinder mehr bedurft. Unsere Pflicht ist uns genau vorgezeich⸗ net. Sie ladet uns ein, dem Hochherzigsten im Herzen der Nation uns anzuschließen. Die Juli - Revolution ruht auf dem Haupte eines Kindes und einer Frau. (Lebhafte Zustimmung im größten Theile der Kammer; Protestationen auf den Tribünen.) Eine Stimme. Es ist zu spät. Im J. 1830 gab es auch Frauen und ein Kind.“ Die Herzogin von Orleans erhob sich und sprach einige unverständ— liche Worte. Die sie umgebenden Personen luden sie zum Nieder sitzen ein. Odilon Barrot: Im Namen der politischen Frei⸗ heit in unserem Lande, der von allen Gemüthern anerkannten Be⸗ dürfnisse der Ordnung, der Eintracht und Uebereinstimmung, welche zwischen allen guten Bürgern herrschen muß, ersuche ich alle meine Kollegen, sich um diese doppelte Vertretung der Juli-Revolution zu scharen. (Neue Zustimmung und neue Protestationen.) Ich würde tausend⸗ mal mein Leben geben, um diese Sache triumphiren zu machen, weil sie die Sache der Freiheit in meinem Lande ist. Sollte man etwa glauben, dasjenige in Frage stellen zu können, was durch die Juli⸗ Revolution entschieben wurde? (Bewegung in verschiedenem Sinne; lebhafte Aufregung Meine Herren! das Werk ist schwierig; ich gebe es zu; aber es giebt in junserem Lande solche Elemente von Größe, Hochherzigkeit und gesundem Verstande, daß es hinreicht, einen Auf⸗ ruf an dieselben zu richten, um die ganze Bevölkerung sich um diese Fahne scharen zu sehen. (Murren auf den Tribunen.) Dort vereinigen sich alle Mittel, die Freiheit und die Rechte des Landes nebst den Be— dürfnissen der Ordnung zu sichern. Vereinigen wir daher alle unsere Kräfte, um an diesem großen Versuche zu arbeiten! Unsere Pflicht ist einfach; die Gesetze und die Ehre zeichnen sie vor. Wenn wir sie nicht mit Kraft und Muth erfüllen, so weiß ich nicht, was die Folgen sein können. Seien sie überzeugt, daß derjenige, welcher den Muth hätte, die Verantwortlichkeit eines Bürgerkrieges im Lande auf sich zu nehmen, vor Allem strafbar und ein Verbrecher an seinem Lande wäre. Was mich angeht, so will ich eine solche Bürde nicht trageu. Die Ne⸗ gentschaft der Herzogin von Orleans, ein Fus den bewährtesten Ansichten entnommenes Ministerium, und sodaun eine Berufung an das Land, welches sich mit voller Freiheit im gesetzlichen Bereiche aussprechen wird dies ist es, was der Lage geziemt. Dies ist wenigstens meine An⸗ sicht, und ich werde, was mich angeht, die Verantwortlichkeit einer anderen Lage nicht übernehmen.“ Herr de Larochejacquelin: „Ich achte innig, was Peinliches in gewissen Stellungen liegt. Ich bin vielleicht mehr als ein Anderer berufen, hier das Volk und die Freiheit zu vertheidigen; aber ich antworte Herrn Odilon Barrot, daß ich micht die Absicht haben kann, eine Ansicht aufrecht zu halten. Herr Odilon Barrot hat das Gefühl, welches mich beseelt, nicht be— griffen. Meine Herren! Hier sind sie nichts.... (Einmüthiger Ruf; Zur Ordnung! Der Präsident wiederholte denselben, Wenn ich sage, daß Sie nichts sind, so bin ich nicht so anmaßend, sagen zu wollen, daß die Kammer annullirt sei.“ In diesem Augen—

blicke drang eine zahlreiche Menge in den Saal; bewaffnete Nationalgardisten, Bürger in Civilkleidung und in Blousen, zum Theile mit Helmen, Tschako's auf dem Kopfe und mit Säbeln, Degen, Flinten bewaffnet, traten in den Saal, in welchem dreifarbige Fahnen entfaltet wurden. Die Tribünen füllten Leute an, die der Kammer fremd waren. Der Präsident bedeckte sich; alsbald erscholl das Geschrei: „Ven Hut ab, Präsident!“ Inmitten dieses Tumultes bemächtigten sich Nationalgardisten und Zöglinge der polytechnischen Schule der Tribune. Ledru Rollin, den Lärm übertönend: „Meine Herren! Im Namen des Volkes verlange ich Schweigen.“ Die Deputirten zogen sic zurück; die Menge nahm die Bänke der Deputirten ein; der Lärm stieg aufs Höchste. Ledru Rollin: „Im Namen des Volkes protestire ich gegen die Art von Regierung, welche man Ihnen vor— Lschlagen hat. Ja! Ja! Bravo! Tumultarisches Geschrei. Man hat Ihnen so eben von der Constitution von 1789 gesprochen; ich fürchte sehr,

daß man diese Constitutign und insbesonders jene von 1791 vergessen hat, Dies ist, nicht das erste Mal, daß ich protestire; ich habe bereits im J. 1842 die, Constitution von 1791 zurückgefordert. (Sehr gut!) Die se Constitution verordnete, daß eine Berufung an das Volk stattsin⸗ den müsse, wenn man ein Regentschaftsgesetz geben wolle. (Cärmender Beifall. Ich protestire daher gegen die Regierung, welche man er— richten will; ich thue es im Namen der Bürger, welche hier sind, welche sich seit zwei Tagen schlagen, welche sich noch heute Abend schlagen werden.“ (Von allen Seiten schrie man, die Waffen schwin⸗ gend: Ja! Ja!) Langer Tumult. Die Tribune war jetzt voll

von Personen, welche inmitten des Lärms alle zugleich sprachen und schrieen. Ledru Rollin: „Ich verlange im Namen des Volkes, daß eine provisorische Regierung ernannt werde.“ (Ja! Ja! Lamartine: „Meine Herren! Ich habe die schmerzlichen Gefühle getheilt, welche so eben diese Versammlung bewegten, in— dem ich das traurigste Schauspiel sah, welches die menschlichen Jahr bücher darbieten können, das Schauspiel einer Prinzessin, die mit ihren unschuldigen Söhnen ihren öden Palast verließ, um sich unter den Schutz der Nation zu stellen. Wenn ich aber diese Achtung vor einem großen Unglück theile, so theile ich auch die Theilnahme und die Bewunderung, welche dieses Volk einflößen muß, welches seit zwei Tagen gegen eine treulose Regierung kämpft, um das Reich der Ordnung und der Freiheit herzustellen. (Bravos auf den Tribünen.) Geben Sie sich keiner Täuschung hin. Glau⸗ ben Sie nur nicht, daß ein Beifallsruf in diesem Saale die Mit- wirkung des Willens von 25 Millionen Menschen ersetzen kann. Es bedarf eines anderen Beifallsrufes, und was für eine Regierung sich das Land auch geben mag sie muß durch dauerhafte, definitive Gewährleistungen festgekittet werden. Wie werden Sie dies thun? Wie werden Sie die nothwendigen Bedingungen einer solchen Regierung auffinden, inmitten der uns umgebenden schwankenden Elemente? Etwa dadurch, daß Sie in das Innerste des Landes selbst hinabsteigen und dieses große Geheimniß, das Recht der Nationen, kühn sondiren? Statt zu diesen Ausflüchten zu greisen, um eine jener Fictionen aufrecht zu halten, die nichts Dauerhaftes haben, verlange ich von Ihnen zuerst, daß Sie nicht eine desini⸗ tive, sondern eine provisorische Regierung, eine mit Stillung des Blutes, welches fließt, und mit Hemmung des Bürgerkrieges be— auftragte Regierung einsetzen.“ (Beifallsrufe aus einem Theile der Kam⸗ mer. In dit sem Augenblicke donnerte man heftig und wiederholt an die Thür einer oberen Tribüne, in welche bald eine große Anzahl bewaffneter Männer drang, welche ihre Flinten über die Versammlung hielten. Man ließ sofort die Herzogin von Orleans, ihre Kinder und die Per« sonen ihrer Begleitung durch eine Thüre oben an den Bänken der äußersten Linken sich entfernen. Herr Sauzet verließ den Präsiden⸗ tenstuhl, und eine große Anzahl Deputirte entfernte sich, von ihren Sitzen. Die Unordnung stieg aufs höchste. Einen Augen⸗ blick nachher betrat Herr Dupont (de l'FEure) den Präsi⸗ dentenstuhl, Lamartine und Ledru Rollin erschienen auf der Tribüne, das Schweigen wollte aber nicht wiederkehren! Einige Natio— nalgardisten und sonstige der Kammer fremde Personen versuchten um— sonst, sich Gehör zu verschaffen. Geschrei auf den Tribünen: „Lamar— tine! Laßt Lamartine reden!“) Herr von Lamartine: „Eine provisorische Regierung wird proclamirt werden.“ (Ruf: Es lebe Lamartine! Andere Stimmen: Die Namen! die Namen!) Herr Cremieur auf der Tribüne, welche eine Menge Bürger sich streitig machen: „Es ist wesentlich, daß man schweigt, damit unser verehrter Kollege, Herr Dupont (de l'Eure) die Namen der Mitglieder der provisorischen Re⸗ gierung verlesen kann.“ (Da der Lärm nicht nachließ, so schrieb man die Namen dieser Mitglieder auf ein Stück Papier und reichte es auf dem Bayonnet einer Flinte in der Versammlung umher.) Herr Ledru Rollin inmitten des Lärms: „Eine provisorische Regierung läßt sich nicht auf eine leichte Weise organisiren. Ich will die Namen verlesen und Sie werden dieselben gutheißen oder verwerfen.“ (Inmitten des Lärms verlas der Redner die Namen. Der Tumult erreichte seinen Gipfel; alle Deputirten waren wegge⸗ gangen; das Volk und die National-Garde hatten den Saal inne.) Herr Ledru Rollin: „Wir sind genöthigt, die Sitzung aufzuheben, um uns zum Sitze der Regierung zu verfügen.“ Ruf von allen Sei ten: „Zum Stadthause! Es lebe die Republik!“ Unter tumultuari schem Lärm wurde die Sitzung um 4 Uhr aufgehoben und die Menge zerstreute sich.

Die Pairssitzung am 24. Februar bot im Vergleiche mit jener der Deputirten⸗-Kammer nur ein untergeordnetes Interesse dar. Herr von Boissy brachte eine nach seiner Behauptung in der Sitzung des vorigen Tages begangene Verletzung des Reglements zur Sprache, was lange Erörterungen veranlaßte. Nach Beendigung derselben wurde die Berathung des Gesetz- Entwurfs über die Kolonieen fortgesetzt, mußte aber wegen ungenügender Mitglie— der- Zahl und der Abwesenheit aller Minister bald aufgegeben werden. Die Ankunft des Königs und der Herzogin von Orleaus wurde der Kammer als bevorstehend angekündigt; sie erschienen aber nicht, und die Sitzung wurde um 4 Uhr aufgehoben.

Von Abends 95 Uhr fügt die Köln. Ztg. dem Obigen noch hinzu: „Der zweite brüsseler Zug ist eben eingetroffen, bringt aber weder dle pariser Post vom 25sten, noch vom 26. Februar. In Belgien sind direkte Nachrichten aus Paris eingegangen, jedoch rei— chen dieselben auch nur bis zur Nacht vom Freitag zum Sonnabend. Vier Journale, die in halben Bogen erschienen, sind dort eingetrof⸗ fen: das Sicle, liberales Blatt, das Journal des Débats, Blatt des gestürzten Ministeriums, die Union monarchige, legi—⸗ timistisches, und die Patrie, republikanisches Blatt.

Nach der Versicherung von Reisenden befindet sich die Herzagin von Orleans zu Paris in dem Hotel der Invaliden, unter dem Schutze der Letzteren.

Vier zu Lüttich garnisonirende Batterien des Artillerie -Regi ments haben, der dortigen Zeitung gemäß, Befehl zum Aufbruch erhalten. ; .

Von der belgischen Eisenbahn-Verwaltung ist der rheinischen Bahn der Befehl zugegangen, keine Billets nach Brüssel mehr aus⸗ zugeben.

Der General-AUgent der rheinisch-belgischen und der Nordbahn, Herr Hauchecorne, hat sich heute Abend eiligst auf den Weg nach Paris begeben, um für die Sicherheit der nach Paris und Havre unterweges befindlichen Güter zu sorgen.“

London, 26. Febr. Heute Abends langte in London die Nachricht an, daß Ludwig Philipp am Nachmittage desselben Tages in Folkestone gelandet sei.

„Unser londoner Korrespondent meldet uns noch in einer Nach schrift vom 25sten, 10 Uhr Abends, daß ein Courier des 4n dem sel ben Tage in Folkestone angekommenen Königs in London eingetroffen um in „, Mivart's Hotel“, Lower Brook St. Grosvend; ig le immer fur den König, der am 2bsten, Mittags 13 ihr, in London erwartet würde, zu bestellen. Der 25ste war . . der Stocksbörse ein feeberischer Tag, die Consols, die an & urgen 386 eröffnet, hatten freilich den ganzen Tag Nieig h gib m 3 allein sielen auf die Nachricht von der Abdankung plötzlich auf 8s, schlossen indeß zu 8653 bis 86.“

; . . . Verantwortlicher NRedackeur Lr. 8 W. Zin leisen. Im Selbstverlage der Expedition.

Gedruckt in der Deckerschen Geheimen Ober-Hofbuchdruckerei.

Das Abonnement beträgt: 2 Rthlr. für Jahr. 4 Rthlr. Jahr. 8 Rthlr.⸗ 1 Jahr. in allen Theilen der Monarchie ohne Preis⸗Erhöhung. Bei einzelnen Nummern wird der Bogen mit 23 Sgr. berechnet.

M 61.

3nhalt.

ĩ . eil. ; * ,. , Westfalen. Barmherzige Schwestern nach Ober

Schlesien. . . ; . der. Bundesstaaten. Königreich Bavern. Fallmeraver an die münchener Universität berufen. Ankunft des Erbgroßherzogs und Vermischtes. Er⸗

ber Erbgroßherzogin von Hessen und bei Rhein. flärung des Grafen Arco⸗-Valley.

Oesterreichische Monarchie. Stimmung; Vermischtes.)

Frankreich. Paris. Gerüchte vom Mittwoch. Weitere Berichte über den Verlauf der Unruhen am Mittwoch und am Donnerstag. Thiers und Odilon Barrot sollen ein Ministerium bilden Marschall Bugeaud. Revolutionaire Dokumente. Vermischtes. Köln. Privat- briefe aus Paris vom Donnerstag: Der Vorfall vor Guizot's Hotel. Auf⸗ forderungen im Namen Bugegud's. Geschrei gegen den König. Pro- clamation aus den Tuilerieen. Sturm auf das Palais Royal. Abdankung Ludwig Philipp's zu Gunsten des Grafen von Paris. Die Herzogin von Orleans in der Deputirten Kammer. Verwerfung ihrer Regentschaft. Flucht der Königlichen Familie. Verwüstung der Tusilerieen. Provisorische Regierung. Frankfurt a. M. Telegra—⸗ phische Depeschen aus Paris: Vertheilung der Regierungs-Departements.

Erlaß des Kriegs-Ministers an die Armee. Berlin. Ankunft Ludwig Philipp's in England.

Großbritanien und Irland. London. Parlaments-Verhandlun⸗= gen. Angriff gegen Lord Palmerston's Politik. Die pariser Ereig- nisse. Vermischtes. Schreiben aus London. (Eindruck der pariser Ereignisse in London.)

Belgien. Brüssel. Annahme der Gesetz- Entwürfe über die Bürger— meister⸗ Ernennung und gegen die Theilung der Gemeinde⸗Wähler in großen Städten.

Handels- und Börsen-Nachrichten.

Die wissenschaftlichen Vorlesungen in der Sing-Akademie. Konzert⸗Revue.

Schreiben aus Wien. (Allgemeine

Beilagen.

* 0. Amtlicher Theil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht:

Dem evangelischen Pfarrer Bremer zu Lünen, in der Graf⸗ schaft Mark, den Rothen Adler-Orden vierter Klasse zu verleihen; und

Den Professor Dr. Planck zu Greifswald, unter Beibehaltung seiner Professur bei der dortigen Universität, zum Ober⸗Appellations⸗ gerichts Rath daselbst zu ernennen.

Bei der heute angefangenen Ziehung der 2ten Klasse 97ster Kö⸗ niglicher Klassen⸗Lotterie fiel der Haupt-Gewinn von 10,000 Rthlr. auf Nr. 64,694, 1 Gewinn von 100 Rthlr, auf Nr. 75,800, 3 Gewinne zu 500 Rthlr. sielen auf 11,497. 44,808 und 69,748, 3 Gewinne zu 200 Rthlr. auf 8304. 38,676 und 51,744, und 1 Gewinn von 100 Rthlr. fiel auf Nr. 25,669.

Berlin, den 29. Februar 1848.

Königl. General⸗Lotterie-Direction.

Königliche Bibliothek. ö In der nächsten Woche vom 6. bis 11. März c. sindet, dem

§. 24 des gedruckten Auszugs aus der Bibliothek⸗-Ordnung gemäß, ͤ die allgemeine Zurücklieferung aller aus der Königlichen Bibliothek

Allgemeine

Berlin, LRen

Mitt woch den

entliehenen Bücher statt. Es werden daher alle diejenigen, welche Bücher der Königlichen Bibliothek in Händen haben, hierdurch auf⸗— gefordert, solche während dieser Zeit in den Vormittagsstunden zwi⸗ schen 9 und 12 Uhr gegen die darüber ausgestellten Em— pfangscheine zurückzulsefern. Die Zurücknahme der Bücher erfolgt nach alphabetischer Ordnung der Namen der Entleiher, und zwar von A—ll am Montag und Dienstag, von 1 = R am Mittwoch und Don— nerstag und von 8S— * am Freitag und Sonnabend. Berlin, den 28. Februar 1848. Der Königliche Gehe me Regierungs⸗Rath und Ober-Bibliothekar Pertz.

Dem Inhaber eines Mode⸗Magazins für Herren, H. Som⸗ merfeld zu Berlin, ist unter dem 24. Februar 1848 ein Patent auf die Anfertigung einer neuen Art Westen, nach den . davon vorgelegten Probe⸗-Exemplaren, auf fünf Jahre, von jenem Tage an gerechnet, und für den Umfang des preußischen Staats ertheilt worden.

ö

Abgereist: Der General-Major und zweite Kommandant von Erfurt, von Klaß, nach Erfurt.

lichtamtlicher Theil.

Jnland.

Provinz Westfalen. Der Westf. Merk. meldet aus Münster vom 21. Februar: „Sicherem Vernehmen nach, haben sich vier der zu Telgte befindlichen barmherzigen Schwestern aus freiem eigenen Antriebe entschlossen, schleunigst nach Rybnik und Pleß zu reisen, um die dortigen hartbedrängten Typhus-Kranken zu pflegen. Das hochherzige Anerbieten ist von Seiten unseres Ober⸗-Präsidenten, Geheimen Staats-Ministers Flottwell, auf das günstigste aufgenom⸗ men und die Zusage einer Verwendung bei dem General-Postmeister wegen freier Beförderung auf der Königl. Post ertheilt worden.“

Deutsche Bundesstaaten.

Königreich Bayern. (A. 3.) Se. Majestät der König hat den Akademiker J. Ph. Fallmerayer zum ordentlichen Professor der Geschichte an der Hochschule in München ernannt.

Am 25. Februar Vormittags sind Ihre Königl. Hoheiten der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Hessen und bei Rhein in München eingetroffen, im Eisenbahn-Hofe von Ihren Majestäten dem Könige und der Königin empfangen und in die Königliche Resi⸗ denz begleitet.

Dem Vernehmen nach, ist der ehemalige Finanz- Minister und seitherige Staatsrath im ordentlichen Dienst, Graf v. Seinsheim, in den Ruͤhestand und der Ministerialrath und Voistand der Staats— schulden⸗Tilgungs-Kommission, v. Weigand, zum Staatsrath im or⸗ dentlichen Bienst ernannt worden. Der Nürnb. Korr. bemerkt über den Eisteren: „Bekanntlich war Graf Seinsheim der ergebenste Freund des Hrn. v. Abel und während des Landtags von 1846 in der Kammer der Reichsräthe der wärmste Vertheidiger der nun auf—

März

Alle Ppost⸗Anstalten des In⸗ und Auslandes nehmen Bestellung auf dieses Blatt an, für Berlin die Expedition der Allgem. Preuß. Zeitung: Behren⸗Straße Nr. 57.

; 1 6 U ⸗— J Insertions⸗Gebühr für den 9 Raum einer Zeile des Allg. Anzeigers 2 Sgr.

1846.

gelösten Redemptoristen⸗-Congregation, wie er denn auch zur Zeit, als er noch Finanz-Minister war, eine Petition um Einführung der Je⸗ suiten unterzeichnete. Graf Seinsheim scheidet indessen, wie früher aus dem Ministerium, so jetzt aus dem Staats -Nathe, als ein Eh—⸗ renmann, der seinen einmal gewonnenen Ansichten und Ueberzeugun⸗ gen treu blieb, wie er denn auch als Privatmann die allgemeinste Achtung genießt.“ .

Die Zahl der Redemptoristen in Altötting soll gegenwärtig, die Novizen und Laienbrüder ungerechnet, etliche 40 betragen. Im Jahre 1845 betrug ihre Zahl nach amtlichen Angaben nur 20 Patres, 13 Nevizen und 6 Laienbrüder.

Die Allg. Ztg. sagt, sie sei um die Aufnahme folgender Er⸗ klärung ersucht worden:

„Da die in der gestrigen Allgem. Zeitung enthaltene, mich betref- fende Veröffentlichung (s. das gestrige Blatt der Allg. Preuß. 3tg.) Anlaß mannichfacher Deutung zu werden geeignet ist, so finde ich mich be— stimmt, derselben erläuternd nachzutragen, daß mir der Grund der unerwar- teten Allerhöchsten Verfügung weder eröffnet noch irgendwie bekannt gewor- den ist. Ich habe mich daher gedrungen gefühlt, mir geeigneten Oris die Eröffnung der Beweggründe zu dieser Verfügung zu erbitten.

München, 24. Febr. 1848. Graf von Arco auf Valley.“

Oesterreichische Monarchie.

R Wien, 27. Febr. Die Stimmung unter allen Klassen wird immer beflommener, Jeden beschäftigen die Tages ⸗Ereignisse, schwer bekümmert, welchen Ausgang diese nehmen werden, dabei ge⸗ steht sich Jeder, daß eine richtige Lösung der wichtigsten Lebensfra⸗ gen sehr eine schwierige geworden, daß die bestehenden Hindernisse ausgebeutet werden, um größere Störungen in den sittlich sozia⸗ len Verhältnissen herbeizuführen. Der Einfluß der politischen Constellationen auf alle Geschäfte wird täglich empfindlicher, eine matte Stimmung beherrscht den Geldmarkt, er lähmt alle Thä⸗ tigkeit der Kapitalisten und Industriellen, die immer zweifelhafter werden, welche Wendung die Dinge nehmen und ob es überhaupt noch möglich sein wird, den Frieden zu erhalten. Die verworren sten Berichte aus unserem Italien beherrschen die Börse und bewirken, daß alle Fonds bei dem vermehrten Angebote und der geringen Nachfrage, welche eben anfängt, sich auf Null zu reduziren, in fortwährendem Weichen begriffen sind. Die sproz. Metalliques unter al pari finden fast keine Abnehmer, nicht aus Mangel an Vertrauen zu diesen Fonds, sondern aus Besorgniß vor dem gewiß weiteren Zurückweichen, so lange dieser Zu= stand der Dinge und der panische Schrecken, der sich verbreitet hat, fortdauern wird.

Se. Kaiserl. Hoheit der Erzherzog Johann hat Wien ver- lassen, wird jedoch nach kurzer Abwesenhelt wieder hier erwartet.

Dem dritten Vicepräsidenten der allgemeinen Hofkammer, Frhrn. An⸗ ton Münch-Bellinghausen, hat Se. Maj. die Geh. Rathswürde verliehen. Die von uns schon früher angedeutete Beförderung des Kreis⸗-Haupt⸗ manns von Salzburg, Grafen von Chorinsky, zum Wirklichen Hofrathe bei der ob der ennsischen Landesregierung ist erfolgt.

Der Podesta von Venedig, Graf von Correra, mit mehreren anderen Deputirten aus dem Venetianischen befindet sich seit mehr als 8 Tagen in Wien, der Podesta von Mailand mit mehreren lom⸗ bardischen Deputirten wurde bisher vergeblich erwartet.

Gestern verbreitete sich unter den niederen Volksklassen das Ge⸗ rücht, daß die Sparkasse ihre Zahlungen einstelle, was zur Folge hatte, daß viele Einleger sogleich ihre Sparkassenbücher realisiren

Die wissenschaftlichen Vorlesungen in der Sing⸗ Akademie. A cht 4 (Den 26. Februar.)

Die heutige Vorlesung reiht sich den besten des diesjährigen Coklus an. Herr Professor Dove las über Elektrizität; sein Vortrag, war voller Laune und Witz, unterhaltend und belehrend, populair und doch streng wissenschaftlich. Mit bewunderungswürdiger Geschicklichkeit löste er, die schwierige Aufgabe, durch eine Beschreibung der Experimente dem Zuhörer die Anschauung derselben zu ersetzen. Der Nedner gab eine historische

Uebersicht der Fortschritte, welche dle Wissenschaft auf dem Gebiete der Elekl=

trizität gemacht hat, und erläuterte dieselben in ihren verschiedenen Entwik— kelungsstadien durch die Beschreibung älterer und neuerer, unvollkommener und vollkommener Experimente. Die Alten kannten die Eigenschaft der Elektrizität nur am Bernstein, woher auch der Name, und zweitausend Jahre, von Thales bis zum Anfang des 17ten Jahrhunderts, mußten ver— gehen, ehe man fand, daß auch andere Körper diese Eigenschaft besäßen. W. Gilbert, um das Jahr 1600, gab ein Verzeichniß der Körper, welche elektrische Erscheinungen geben, heraus, brachte besonders Glas, Siegellack., Alaun u. s. w. zu denselben und gab das Reiben als ein Mittel an, die Elektrizität zu eiregen. Otto von Guericke vermehrte die Entdeckungen und fand die Mittheilung der Elektrizität und die Erklä— rung des Gewitters, während andere Naturforscher des achtzehnten Jahr— hunderts die elektrischen Leiter und Nichtleiter fanden und die Elektrisirma— schine heistellten. Siebzig Jahre, nachdem Otto von Guericke in Mag— deburg das elektrische Licht gefunden, zündete dasselbe zuerst zu Berlin in der ersten Sitzung der durch Friedrich II. wiederhergestellten Akademie der Wissenschaften, in welcher Br. Ludolf Schwefel-AUether durch Elektrizität mit- telst eines Offizier⸗Degens, den Jemand aus der glänzenden Versamm— lung dazu hergab, ansteckte. Weitere wichtige Entdeckungen guf dem Gebiete der Elektrizität machte Franklin, als er die ableitende Kraft der Spitze er= kannte und auf den Blitz anwandte. Seine Erfindung des Blitzableiters aber gewann zuerst in Deutschland die praktische Ausführung, da die Amerikaner durch religiöse Skrupel behindert wurden, sich gegen den Himmel zu schützen. Den folgenden historischen Entwickelungs- Momenten der Elektrizi⸗ its - Lehre, wie der Ersindung der Leodener Flasche von v. Kleist in Kamin 1745, den Entdeckungen des Galvanismus durch Professor Gal— vani in Bologna 1762, der Construction der Volta'schen Säule, bis zu der Ausbildung der Lehre des Elektromagnetismus durch Oerstedt und Faraday, welchen Letzteren Herr Professor Dove den größten Physiher unseres Jahrhunderts nannte, fügte der Redner eine überaus klare und all= gemein verständliche Erklärung der verschiedenen Theorieen über das Wesen der Eleltrizität in den Körpern bei und schloß dann mit der Darlegung einiger Vortheile, welche die Elektrizität, besonders in den Erscheinungen des Galvanismus, dem praktischen Leben gewährt. Die Galvanoplastik und be—

m. der elektrische Telegraph wurden in anziehender Ausführlichkeit be⸗

Konzert⸗Revue.

Der Raum dieser Zeitung, der jetzt anderweitig stark beausprucht wird, gestattet uns nur eine sehr gedrängte Uebersicht der in letzter Zeit gebotenen Ronzert-Aufführungen. Nächst der Somphonie-Soiree am Mittwoch (den 23sten), deren Programm lauter klassische und bekannte Werke enthielt, war es besonders das im Konzertsaale des Schauspielhauses durch Herrn Hof— Musikhändler Bock für die bedrängten Oberschlesier veranstaltete Konzert am Sonnabend (den 2oösten), das nicht nur des wohlthätigen Zweckes, sondern auch der Qualität der mitwirkenden Kräfte und des Programmes wegen das allgemeinste Interesse erregte. Cherubini's Ouvertüre zum „Wasserträger“, von der Königlichen Kapelle unter Taubert's Leitung schwungvoll ausgeführt, eröffnete den reich ausgestatteten Abend, Beetho⸗ ven's berühmté Arie: „Ah perfide“, von Madame Köster gesun— gen, schloß sich in würdigster Weise an. Die geschätzte Sängerin bethätigte durch Wahl und Vortrag dieses klassischen Musitstückes ihren ge— läuterten Kunstgeschmack aufs neue und rief, durch die seltene Schönheit ihrer Stimmmittel, so wie durch deren künstlerische Verwendung, den wohl⸗ thuendsten Eindruck auf alle Hörer hervor. Wir sehen dem Wiederauftreten der verehrten Künstlerin in der Oper mit aufrichtiger Freude entgegen. Der Beethovenschen Arie folgte ein neues Werk, ein Quartett-Konzert von Spohr, von den Herren Ries, H. Henning, Richter und M Ganz vortrefflich exekutirt. Der Compositions Gattung (Qugrtett mit Orchester) können wir, als einer Zwitter-Gattung, das Wort nicht reden. Das Werk selbst betreffend, so trägt es, die Phvsiognomie aller Spohrschen Musik. Edle Gedanken formiren ein schönes Ganzes, das, obwohl durch ein überall vorherrschend elegisches Kolo⸗ rit in der Totalwirkung beeinträchtigt, dennoch durch meisterhafte Anlage und Ausarbeitung ein bedeutendes künstlerisches Interesse gewährt. Nach diesem Quartett-Konzert erfreute Mad. Gaxreig durch brillante Aus— führung der allbekannten AÄrie aus, „Semiramis“: „Bel ragsio“ in Folge dessen reichen Beifall ärndtend. Ein ebenfalls höchst beifällig aufgenomme— ner Lie dervortrag der Mad. Köster bildete den Schluß des ersten Thei⸗ les. Den zweiten Theil des Konzerts füllten: die Ouvertüre zur „Ve—= stalin“, das Blumen- Duett aus „Nurmahal“, von den Damen Köster und Garcia gesungen, ein „Bachanale“ für Piano und Orchester von Taubert, von Herin Schlottmann gespielt, eine Romanze von Spohr, von Mad. Köster gesungen, und spanische Lieder, von Mad. Garcia vorgetragen. Sämmiliche Leistungen des Abends fanden lebhaften Anklang. Der gefüllte Saal bot den erfreulichsten Anblick, so daß auch der äußer«— liche Zweck des Konzertes für dessen Veranstaltung Herrn Hof-Musik⸗= händler Bock, so wie allen Mitwirkenden, hiermit Dank gezollt wird augenscheinlich in hohem Grade erreicht worden ist.

Zunächst erwähnen wir einer musikalischen Abend- Unterhaltung, die der philharmonische Verein am Donnerstag (den 24sten) im Saale des Eng- lischen Hauses veranstaltet hatte, und die besonders dadurch bemerkenswerth war, daß fast ausschließlich Mitglieder unserer hiesigen italienischen Opern-Gesellschaft mitwirkten. Das Ganze stand unter Leitung des Kapellmeisters Barbieri und gewährte mannigfachen Genuß. Wir hörten

zuerst ein Duett aus „Lucia“, dann eine Arie aus „Lucrezia“. Ersteres

wurde von Sgr. Pardini und Pignoli, letztere von Sgr. Lu isia ausgeführt. Die kräftigen und wohlklingenden Stimmen dieser Sänger machten sich auch hier, wie zu erwarten stand, mit Erfolg geltend.

Die Vorträge der Genannten fanden gebührende Anerkennung. Auch das solgende Duett aus „Belisario“, von Sgrg. Do gliotti und Sgr. Pig noli gelungen vorgetragen, erfreute sich allgemeinen Anklanges. In Be⸗ treff der Sgra. Dogliotti können wir unsere schon früher in diesen Blät⸗ tern ausgesprochene Bemerkung nur bestätigen. Die mit frischer und wohl- lautender Stimme begabte anmuthige Sängerin ist sichtlich auf der Bahn des Fortschritts begriffen. Dies erwies sich namentlich in der später von ihr vorgetragenen Arie aus der „Regiments Tochter“, eine Partie, die uns Sgra. Dogliotti übrigens (wie verlautet) auch auf der Bühne vorzuführen gedenkt. Außer den italienischen Sän— gern wirkten noch Dlle. Unzelmann, Herr Schneider und ein dreizehnjähriger Violin -Virtußse, Eduard Braun (aus Anhalt—⸗ Zerbst, mit. Letzterer bekundete sich in Variationen von Beriot als ein sehr talentreicher Knabe. Mit einer ungemein ökonomischen, daher gesangreichen Bogenführung, verbindet der jugendliche Virtuos bereits die Fertigkeit, Sicherheit und Ruhe eines gereiften Künstlers, so daß sein Spiel eine überraschende Wirkung auf die ganze Versammlung ausübte und ein Auftreten in einem öffentlichen Konzerte wünschenswerth erscheint.

Am Sonntag (den 27sten) fanden zwei masikalische Anfführungen statt, die eine Mutags, die andere Abends. Der Quartett Verein des Herrn Birnbach gab eine Matinée im Stöckerschen Saale, der Cäcilien⸗ Verein ein geistliches Konzert in der Jalobi- Kirche. Ein Streich Quartett von Ha5dn (aus B-dur), ein Piano-Trio von Ons low (aus Cn roll) und ein Streich⸗Quartett von Beethoven (aus E-lur) bildeten die Gaben der Malin ee. Das geistliche Konzert brachte sowehl Werte don alteren als neueren Kirchen ⸗Komponisten. Zum Besten der Nothleidenden in Schlesien veranstaltet, war es indeß nicht so zahlreich besucht, als zu wünschen gewe⸗ sen wäre.

Am Montag (den 28sten) endlich fand im Saale des Hotel de Russie

ie srch st? Trio? Sosrce statt, womit die Herren Lölchh enn und Gebr. 1 ( . * n 1 ir h nnn Collus aufs würdigste beschlossen. Ein sehr ausprechendes Trio von Ferk— Ries in Camoll ein etwas unstät mo bulirendis Trio von Spohr in Ermoll und eines der herrlichsten Trio's von Beethoven, das in D-dur mit dem wundervollen Adagio in Demall. bildeten den Inhalt des dies maligen Progr amm Die trefflichen Spieler frönten den Schluß dieser genußreichen Musil Abende durch höchst exaktes und ineinandergreifendes Spiel, indem sie ihre Aufgaben überhaupt mit je nem künstlerischen Geschick lösten, das wir ihnen nachzurühmen im Laufe dieses Winters mehrfach Anlaß genommen haben. Wir scheiden von dem wackeren Künstler-Kleebatte mit Dank und der Aussicht auf e,.

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begegnen in der kommenden Saison.

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