1848 / 62 p. 5 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

„der Rheder sich aber in allen Fällen, wo dies nicht sorgsam 2 3 7 selbst beizumessen habe. Zur Verthei⸗ digung des Paragraphen ward angeführt, daß derselbe durch das oft erkannte und häusig ausgesprochene Bedürfniß des handeltreibenden Publikums in den Ser⸗ und Hafenstädten sich als unentbehrlich er— wiesen.

Den Antrag,

den Paragraphen zu streichen, hat die Abtheilung mit 11 gegen 3 Stimmen abgelehnt.“ Marschall: 8. 340. Referent Abgeordn. Freiherr 9 Mylius l(iest vor): „8. 340.

Wer versiegelte Briefe oder andere versiegelte Urkunden, die nicht zu seiner Kenntnißnahme bestimmt sind, vorsätzlich und unbefug⸗ terweise eröffnet, soll auf den Antrag des Verletzten mit Gefängniß oder in leichteren Fällen mit Geldbuße bis zu einhundert Thalern bestraft werden.“

Das Gutachten lautet:

„Zu §. 340.

Es ist die Erinnerung gemacht, daß bei demselben, wie aus der eigenen Begriffsbestimmung hervorgehe, nicht die Verletzung fremder Rechte, sondern nur Handlungen leichtfertiger Neugier unter Strafe gestellt worden, und daher höchstens die Strafe der Polizeivergehen zur Anwendung zu bringen.

Die Abtheilung hat jedoch berücksichtigt, daß jede Verletzung eines fremden Siegels, sobald sie unbefugt und vorsätzlich geschehen, auch schon als eine Verletzung des fremden Rechtes angesehen wer- den müsse und die Strafe rechtfertige.

Der Antrag,

den Paragraphen zu streichen, ist daher von ihr mit 11 gegen 3 Stimmen abgelehnt.“

Abgeordn. Graf von Gneisenau: Bevor wir zu einem ande ren Titeel übergehen, bitte ich um Erlaubniß, etwas in Anregung zu bringen, was, glaube ich, im vorigen Titel übergangen worden ist. Wenn ich es nicht zu seiner Zeit gethan habe bei dem betref— fenden Paragraphen, so habe ich es blos unterlassen, weil ich bei dem Mangel an Jurisprudenz stets Bedenken trage, in das Detail der Verhandlungen mich einzulassen. Ich glaube nämlich, daß in dem vorigen Titel das falsche Spiel gar nicht mit Strafe belegt ist. Man wird mir erwiedern, daß der Paragraph, welcher vom Betrug han— delt, das falsche Spiel mit einschließe; mir scheint das aber in der Desinition dieses Paragraphen nicht zu liegen; ich erlaube mir, den §. 293 der Versammlung vorzutragen:

„Wer in gewinnsüchtiger Absicht das Vermögen eines Anderen da— durch beschädigt, daß er durch Vorbringen falscher oder durch Ent— stellen oder Unterdrücken wahrer Thatsachen einen Irrthum er— regt, begeht einen Betrug und ist mit dem Verluste der Ehren— Rechte, so wie mit Gefängniß nicht unter sechs Wochen oder mit Strafarbeit bis zu fünf Jahren und zugleich neben der Freiheits⸗ strafe mit Geldbuße bis zu eintausend Thalern, zu bestrafen.“

Ich weiß nicht, ob man salsche Karten oder falsche Manipula— tion der Karten als Vorbringen falscher Thatsachen betrachten kann; ich zweifle, daß ein Gericht geneigt sein würde, diese Definition des Betruges, als auf falsches Spiel anwendbar, anzuerkennen. Ich er laube mir aber noch eine Bemerkung. Das Spiel theilt sich in zweierlei Arten, 1) erlaubte Spiele und 2) verbotene Hazardspiele; es kann also ein Betrug stattfinden einmal bei den erlaubten Spie⸗ len, es kann aber auch ein Betrug stattfinden bei den verbotenen Hazardspielen. Wir haben jetzt die Hazardspiele aus dem Kriminal— recht in das Polizei⸗Strafgesetzbuch verwiesen; ich glaube aber, daß das falsche Hazardspiel ein Verbrechen ist, welches mit einer härte—⸗ ren, als einer bloßen Polizeistrafe, belegt werden muß; da aber jedes Hazardspiel überhaupt verboten ist und aus einer verbotenen Hand— lung überhaupt ein Anspruch an einen Anderen nicht hergeleitet wer⸗ den kann, so könnte von den Gerichten möglicherweise gefolgert wer— den, daß überhaupt eine Klage aus einem Vorfalle, der sich bei ei nem Hazardspiele ereignet hat, gar nicht zulässig wäre; daß also eine Klage auf Betrug bei einem solchen Spiele von dem Gerichte gar nicht angenommen werden und straflos bleiben würde. Ich habe blos, von meinem Standpunkte als Laie, diese Erinnerung zu machen mir erlaubt.

Justiz-Minister Uhden: Ich bin völlig zweifellos, daß, wenn ein Betrug bei einem erlaubten oder unerlaubten Spiele stattsindet, dieser immer strafbar bleibt. Betrug bei dem verbotenen Hazardspiel wird der Richter vielleicht als einen Zumessungsgrund erachten. Be trügliches Spiel wird man daher unter allen Umständen als Betrug ansehen müssen.

Regierungs Kommissar Bischoff; Das Allgemeine Landrecht, welches die Bestimmungen über das Hazardspiel im §. 1298 u. f. zusammenstellt, hat es dort nicht erforderlich erachtet, das falsche Spiel besonders zu erwähnen. Es hat dasselbe unter den Begriff des Betrugs gestellt, welcher letztere im Allgemeinen Landrechte in ähnlicher Art, wie im Eniwurfe, desinirt worden ist. Ich glaube nicht, daß die Gerichte darüber in Zweifel sein werden, daß das falsche Spiel unter den Betrug fällt.

Marschall: Ein Antrag ist nicht gestellt worden; wir kommen also, wenn keine weitere Bemerkung erfolgt, zu 8. 341.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius l(liest vor):

„5. 341.

Wer vorsätzlich und rechtswidrig fremde Sachen beschädigt oder zerstört, soll auf den Antrag des gc hren oder der die AÄufsicht über die beschädigte Sache führenden öffentlichen Behörde mit Ge⸗ fängniß oder mit Strafarbeit bis zu fünf Jahren bestraft und nach Bewandtniß der Umstände unter besondere Polizei Aufsicht gestellt werden.

Bei geringfügigen Beschädigungen oder unter besonders mildern den Umständen kann auf Geldbuße bis zu funfzig Thalern erkannt werden.“

Das Gutachten lautet:

„Zu §. 341.

Der §. 341 bestimmt die Strafe des vorsätzlich und rechtswidrig an fremdem Eigenthume durch Beschädigung oder Zerstörung herbei⸗ geführten Schadens. Es ward zunächst erinnert, daß es nicht zweck mäßig erscheine, die Strafe vom Antrage des Beschädigten abhängig zu machen; da, wo es sich um Verletzungen der Pflichten gegen die Gesellschaft handle, müsse dem Staate die Befugniß, die Strafe ein⸗ treten zu lassen, wenigstens dann vorbehalten bleiben, wenn so hohe Strafdrohungen, wie die vorliegende, gerechtfertigt. Dann aber auch sei zu berücksichtigen, daß, wenn die estimmung des Entwurfs bei⸗ behalten werde, die frechste Rohheit in vielen Fällen straflos sei, in⸗ dem die Furcht davon abhalte, den Antrag auf Strafe zu stellen.

Wenn auch andererseits erwähnt ward, daß oft Beschädigungen so geringfügig sein können, daß ein jedes Strafverfahren be un⸗ terbleibe, so hal die Abtheilung jedoch mit 13 gegen ? Stimmen den Beschluß gefaßt,

die Worte des Paragraphen: „auf den Antrag des Beschädigten

oder einer öffentlichen Behörde“, zur Streichung zu empfehlen.

Es ward serner bestritten, daß in Fällen der uch tl eu ng wie sie der Paragraph bestrafe, überhaupt die Polizei-Aussicht gerechtfer⸗ ligt, da diese Strafe, namentlich in der Härte, wie sie der Entwurf

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enthalte, nur in den äußersten Fällen als das letzte Mittel, die Ge⸗ f

sellschaft zu schützen, gebilligt werden könne. Für Aufrechthaltung dieser Strafart gerade bei dem hier gedachten Vergehen ward ande⸗ rerseits angeführt, daß gerade hier eine Neigung zu fortgesetzten Exzessen die Lu ersien und kräftigsten Schutzmittel in, der Regel noth— wendig mache und in dem Umstande, daß der Richter befugt sei, dieselbe auszusprechen oder nicht auszusprechen, genügende Garantie dafür liege, daß diese Strafe in ungeeigneten Fällen nicht erkannt werde.

Aus diesen Gründen hat die Abtheilung den Antrag,

den letzten Satz, bezüglich die Stellung unter Polizei-⸗Aufsicht im ersten Abschnitte des Paragraphen, ganz zu streichen,

mit 190 gegen 5 Stimmen und einen zweiten Antrag, diese Strafe nur für den Rückfall anzudrohen,

mit 9 gegen 6 Stimmen abgelehnt.“

Justiz⸗Minister von Savigny: Es ist den Behörden ost der Vorwurf gemacht worden, daß sie sich auf übertriebene Weise in die Privat-Verhältnisse einmischen, und gerade dagegen soll der Theil des Paragraphen Schutz gewähren, auf dessen Wegfall die Abtheilung anträgt. Diese Beschädigungen des fremden Eigenthums können von so geringfügiger Natur sein, daß kein Richter dafür Strafe zur Anwen= dung wird bringen wollen. Ob sie indessen geringfügig sind, kann am sichersten der Beschädigte selbst beurtheilen. Wenn nun ein Nich⸗ ter sehr ängstlich ist, und es fällt der Paragraph weg, so wird er auf den Gedanken kommen, selbst für die geringste Beschädigung Strafe anzuordnen. Ich glaube, dieser übertriebenen Aufsicht kann am besten vorgebeugt werden, wenn man es dem Beschädigten selbst überläßt, zu beurtheilen, ob die Beschädigung wichtig genug ist, um bestraft zu werden. Ich glaube, daß dieser Antrag als Bedingung der Strafe gerade hier recht angemessen erscheint und Schutz gegen übermäßige Eingriffe der Polizei in genügender Weise gewährt. Auch das gemeine Recht hat diese Bestimmung, welche der actio legis Aquisiae (einer bloßen Privatklage) zum Grunde liegt.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich bin ebenfalls in der Mi⸗ noörität, die es nicht für gerechtfertigt gehalten hat, diese Worte weg⸗ fallen zu lassen; es wurde viel vom Prinzip aus referirt, daß es nicht angemessen sei der Gerechtigkeit, auf Privat Antrag Strafe eintreten zu lassen; ich halte es aber gerade für gerechtfertigt, weil die Ver⸗ letzung an Privat-Eigenthum stattgefunden hat, und glaube, daß der Antrag auf Bestrafung dem Veschädigten zustehen muß.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Hierauf muß ich er⸗ wiedern und gerade der oft erwähnten geringfügigen Fälle wegen darauf aufmerkfam machen, daß Strafarbeit bis zu fünf Jahren angedroht ist, eine Strafe, die nicht auf Dinge zu legen ist, welche so unter⸗ geordneter Natur sind. Ich glaube auch nicht an die große Aengst⸗ lichkeit der Richter, daß sie in Privat-Verhältnisse sich einmischen wer⸗ den, bin aber nach den gemachten Erfahrungen gefaßt, daß die hohe Versammlung sich auch hier gegen meine Ansicht entscheiden werde.

A'rgeordn. von Byla: Ich trete dem Vorschlage bei, daß die Worte: auf Antrag des Beschädigten, beibehalten werden, glaube aber, daß der fernere Zusatz: oder dessen, der die Aufsicht über die beschädigte Sache führt, als überflüssig wegfallen kann; denn es sich wohl von selbst, daß der Staat oder die Kom—

anen Aufseher über ihr Besitzthum haben, und daß diese den An trag auf Bestrafung auch ohne eine solche besondere Bestimmung for⸗ miren können und dürfen ses jedoch nur als Fassungs—⸗ frage anheim.

Abgeordn. von Auerswald: Ich bin dem Prinzip des Herrn Referenten jederzeit beigetreten, wo es sich um etwas handelte, was an sich ein Verbrechen war, und wo dem Richter die Fakultät zuge sprochen werden sollte, dasselbe von Amts wegen zu bestrafen, weil ich der Meinung bin, daß dies dem Staate vorbehalten bleiben muß. Aber die Zerstörung einer Sache ist an sich weder ein Verbrechen, noch ein Vergehen; ob dies der Fall, hängt lediglich von der Ansicht des Eigenthümers der Sache ab, und ich glaubs, daß, wenn der Herr Referent das von ihm aufgestellte Prinzip könsequent verfolgt, er es auf den vorliegenden Fall nicht anwenden kann, und muß also diesen Vorwurf der Inkonsequenz seitens vieler derjenigen, die nicht dafür stimmen, ablehnen.

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.

(Lauter Ruf nach Abstimmung.) Marschall: Die Frage heißt: Soll auf Wegfall der Worte: „Auf Antrag des Beschädigten oder einer öffentlichen Behörde“, angetragen werden? Und die das beantragen, werden es durch Aufstehen zu erken nen geben. (Es erhebt sich eine Minorität.)

Die Versammlung ist dem Antrage nicht beigetreten.

§. 342.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor):

„S. 342.9

Wird die Beschädigung oder Zerstörung (8. 341) verübt an Ge⸗ genständen der Verehrung einer vom Staate aufgenommenen oder geduldeten Religions-Gesellschaft, an Sachen, die dem Gottesdienst unmittelbar gewidmet sind, an öffentlichen Denkmälern, an Grab⸗ mälern oder an solchen Gegenständen der Kunst oder Wissenschaft, welche in öffentlichen Sammlungen oder sonst öffentlich aufgestellt sind, so soll die Untersüuchung von Amts wegen erfolgen und die Strafe nicht unter sechs Wochen Gefängniß betragen.“

Das Gutachten lautet:

„Zu §. 3142.

Der Inhalt des §. 342 gab zu keiner Erinnerung Veranlassung, dagegen ward ohne Widerspruch anerkannt, daß mit Rücksicht auf die bei früheren Paragraphen erfolgte Beschlußnahme der Untersuchung von Amts wegen hier nicht zu gedenken sei.“

Abgeordn. von Hagen: 8§. 342 spricht den öffentlichen Denk— mälern und Grabmälern einen Schutz zu, spricht aber nicht von den Kirchhöfen selbst. Es giebt so manche schöne Anlagen und Pflanzun— gen auf den Kirchhöfen und dergleichen mehr, und der Richter würde in Verlegenheit kommen, nach welchen Bestimmungen er Beschädigun— gen an diesen Anlagen unter Strafe stellen sollte, wenn nicht hier oder sonst an geeignetem Orte denselben ein Schutz zugesichert würde. Beschädigungen an solchen Anlagen nach dem Gesetze für den Holz⸗ Diebstahl bestrafen zu wollen, würde denselben nicht hinreichenden Schutz gewähren, und mein Antrag geht daher dahin, hier auch nnn an Anlagen auf den Kirchhöfen unter Strafe zu

ellen.

Marschall: Es wird zunächst zu ermitteln sein, ob dieser Vor⸗ schlag die erforderliche Unterstützung findet.

Er hat sie gefunden. -

Abgeordn. Sperling: Ich möchte dem Herrn Abgeordneten aus Pommern anheimgeben, seinen Antrag auf alle öffentliche Anlagen und Pflanzungen auszudehnen. ; ;

Justiz-Minister Uhden: Das geht zu weit, denn, wenn an Chausseen Bäume umgebrochen werden, oder wenn Beschädigungen an Sträuchen, Blumen ꝛc. in öffentlichen Anlagen erfolgen, so würde es nicht angemessen sein, von Amts wegen einzuschreiten und eine so hohe Strafe erkennen zu lassen. Rücksichtlich der Kirchhöse als geheiligter Oerter wäre nichts zu erinnern, aber bei anderen kleinen del eic nr gen kann man es der Behörde anheimgeben, ob Strafe eintreten soll oder nicht.

Korreferent Abgeorbn. Waumann: Ich bin der Meinung, daß sich eine solche Ausdehnung nicht rechtfertigen läßt. S. 341 giebt die allgemeine Regel, daß dergleichen Beschädigungen, also auch auf Kirch⸗ höfen, Chausseen u. s. w., mit Gefängniß oder Strafarbeit bis zu fünf Jahren bestraft werden sollen, wenn Besitzer oder Aufseher dar⸗ auf antragen. Der einzige Unterschied, den 8. 342 enthält, besteht darin, daß ex officio eingeschritten werden soll, und daß für das Strafmaß ein Minimum festgesetzt ist. Ich glaube aber, daß die Strafbestimmungen im §. 341 ausreichen.

Abgeordn. von Hagen: Ich kann mich nicht überzeugen, daß man dies auch im §. 311 finden könne; wenn jedoch nach der Erklä— rung des Herrn Ministerial⸗Kommissarius bei der endlichen Redaction dafür gesorgt werden soll, daß dem von mir angeregten Bedenken bei §. 341 begegnet werden soll, so bin ich durch diese Erklärung ganz zufriedengestellt.

Abgeordn. Krause: In der Feldpolizei⸗Ordnung ist das Ab⸗ brechen von Zweigen und Blättern schon mit Strafe bedroht, und also ist es nicht nothwendig, es hier noch einmal zu erwähnen.

Marschall: Es ist zu bemerken, daß das Abtheilungs⸗-Gutach⸗ ten keine Veranlassung zu einer Fragestellung giebt, und es heißt also die Frage nur:

Soll beantragt werden, daß auch die Beschädigungen an Kirchhö fen und deren Anlagen unter die Strafbestünmung des 8. 312 fallen mögen? und die das beantragen, werden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

Ich bitte, die Zählung vorzunehmen.

(Es geschieht.) 3

Mit Ja haben gestimmt 43, mit Nein haben gestimmt 17

Abgeordn. von Hagen: Nach Ler Erklärung des Herrn Re— ferenten würden also im 8. 341 Beschädigungen der beregten, Art be reits mit begriffen und unter Strafe gestellt sein, was ich nicht habe darin finden können. . ;

Regierungs⸗-Kommissar Bischoff: Der Antrag ist gegenwärtig nur Fafsungsfrage geworden; es handelt sich nur noch darum, ob Beschädigungen der erwähnten Art unter S. 341 zu subsumiren sind. Ein Bedenken könnte blos in Bezug auf die Worte: „fremde Sa— chen“, entstehen; das wird bei der Final-Redaction erledigt werden.

Marschall: S§. 343.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (liest vor):

8. 346.

Wer das Vermögen eines Anderen dadurch absichtlich beschädigt, daß er durch Vorbringung falscher oder durch Entstellen oder Unter⸗ drücken wahrer Thatsachen einen Irrthum erregt, ist auf den Antrag des Beschädigten mit Gefängniß oder mit Strafarbeit bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

Bei geringfügigen Beschädigungen dieser Art oder unter beson ders mildernden Umständen kann auf Geldbuße bis zu funfzig Thalern erkannt werden.“

Das Gutachten der Abtheilung lautet:

„Zu 8. 343.

Auf Streichung des Paragraphen ward angetragen, indem es unmöglich sei, hier die Gränze zu ziehen, wo die strafbare Verletzung desjenigen, der Schaden gelitten, ihren Anfang nehme, da bei dem Paragraphen vorausgesetzt werde, daß der Schade immer die unmit⸗ telbar? Folge der eigenen Handlung gewesen, und eige allgemeine Regel darüber, wo diese eigene Handlung demjenigen, der den Irn thum erregt habe, zur Last gelegt werden solle, nicht aufgestellt wer⸗ ben könne, wo nicht, wie in den Fällen des Betruges, die gewinn süchtige Absicht, das Motiv der Beschädigung gegeben und hiermit auch der Erregung des Irrthums den Charakter der Strafbarkeit aufgedrückt habe.

Andererseits ward zwar erwähnt, daß gerade hier Handlun gen bestraft werden sollen, welche in das Gebiet des Betruges hin⸗ überstreifen, ohne bestimmte betrügerische Handlungen zu sein.

Die Abtheilung hat jedoch mit 12 gegen 3 Stimmen beschlossen,

die Streichung des Paragrapben in Antrag zu stellen.“

Es schien der Abtheilung, als ob hier etwas vorliege, was un— ter allen Umständen straflos sei. Es ist weiter nichts, als eine ein= fache Lüge, und es soll unter Strafbestimmung gesetzt werden, wenn Jemand einen Leichtgläubigen gefunden, der sich hat belügen lassen. Es mag ein Jeder, so ist die Meinung der Majorität der Abthei lung, selbst dafür sorgen, daß er nicht sein Vertrauen demjenigen schenkt, der ihn durch Leichtfertigkeit in Schaden führen will, So lange nicht mit der Lüge die Absicht verbunden ist, einen schlechten Zweck zu erstreben, kann auch für die Lüge eine Strafbestimmung nicht gerechtfertigt werden.

Justiz-Minister von Savigny: Zur Unterstützung des Parg graphen und zur Widerlegung des Antrages der Abtheilung erlaube ich mir auf den Gang aüfmerksam zu machen, den die Berathung dieses Paragraphen in unseren verschiedenen Gesetz-Entwürfen genom⸗ men hat. Es ist seit langer Zeit ein großer Streit darüber, ob zu dem juristischen Begriffe des Betruges eine, gewinnsüchtige Absicht nothwendig sei, oder ob die bloße Absicht, einen Anderen zu beschä digen durch vorsätzliche Erregung eines Irrthumes, auch ohne Gewinn sucht, also wenn es aus Rache, Neid, Bosheit geschieht, schon gausz reiche, das ist eine alte Kontroverse. Das Landrecht nimmt im s. 1256 als Merkmal die Gewinnsucht in den Begriff des Betruges nicht auf, sondern fordert blos die Absicht, den Anderen zu schaden. Eben so faßt es der Entwurf von 1843 in 8. 4418. auf, der den Provinzial Ständen vorgelegen hat, so daß also in diesem Entwurf übereinstim mend mit dem in den größten Theil des Landes schon bestehenden Rechte, damit die Strafe des Betruges angewendet werden könnte, blos die vorsätzlichem Erregung eines Irrthumes, um eine Anderen zu schaden, verlangt wurde, wobei allerdings in den meisten Fällen Ge winnsucht dabei vorhanden sein wird. In den späteren Stadien der Berathung hat man lange Zeit hindurch, diesen Begriff des Betruges festgehalten. Erst in dem letzten Stadium der Berathung, ,. der jetzt vorliegende Entwurf hervorgegangen ist . gewann die Ansicht die Oberhand, welche darauf ging, daß zu dem Begriffe des Betruges nothwendig Gewinnsucht vorhanden sein müsse. Man berief sich hauptsächlich darauf, daß dies dem allgemeinen Sprachgebrauch, 9m allgemeinen Rechtsbewußtsein gemäß sei. Diejenigen aber, welche ver⸗ langten, daß diese Veränderung der Begriffs bestimmung a, mmen würde, waren weit entfernt, dies so zu denken, als ob . die vor⸗ ätzliche Erregung eines Irrthumes, um einem Anderen ö gewinn⸗ öl. Absicht, zu schaden straflos bleiben sollte: mn Gegentheil war es weniger eine praktische Bemerkung, die auf , neueste Verän⸗ derung führte, als das strenge Jesthalten an der heorie, die man damals in der Mehrheit für die richtige hielt, und darum wurze u gleich darauf angetragen und einstimmig , . wenn der Begriff des Betruges so eingeschränkt werden so ter dann müßte man für den anderen Fall, der nach Aller Meinung eben so strafbar wäre, eine andere Stelle suchen. So suchte man dann diese Stelle auf und zerschnitt den Begriff des Betruges, der bis dahin festgehalten war, in zwei Stücke, legte das eine Stic in den Titel über den Betrug, bas andcre hier in diesen Titel, Das ist der Gang der Berathung

ewesen, also ich wiederhole, Niemand hat bei der Vorwriertung dieses Hrn ar fe daran gedacht daß die vorsätzliche Erregung eines Irr⸗

thumes, um einen Anderen in Schaden zu bringen, wenn nicht gewinn= Zweite Beilagas

190.

.

süchtige Absicht dabei wäre, oder wenn sie nicht erwiesen wäre, straflos sein follte, sondern man war nur der Meinuig, daß Pie sel Fall unter : / Ent- einen anderen Namen gebracht, und an eine andere Stelle des 2 wurfes gestellt werden sollte. Ich erlaube mir, um die Sache mehr anschaulich zu machen, auf folgenden Fall aufmerksam zu . worin sich dieser Gegensatz recht deutlich herausstellt. n n . mann legt einen großen Theil seines Vermögens in offen wen Pa⸗ pieren an, en Anderer bringt ihm die Nachricht von. einem erdichteten öffentlichen Ereigniß, welches von der größten Wichtigkeit für den Ttand der Papiere ist, und wodurch namentlich die Staatspapiere, welche der Handelsmann besitzt sehr, im Werthe snken müssen, und er bringt diesem die Nachricht mit einem Jolchen Schein von Wahr⸗ heit bei, daß der Andere sie glaubt. Der Eigenthümer entschließt sich nun, die Papiere weit unter dem bisher bestehenden Cours zu verkaufen, verliert aber einen großen Theil seines Vermögens. Ich setze voraus, der Andere hat die Nachricht erdichtet, absichtlich diesen Irrthum erregt, und so ihn in einen großen Vermögensverlust ge— Bracht. Welche Absicht kann er dabei gehabt haben? Er kann die Absicht gehabt haben, sich um so viel zu bereichern, als der Andere ärmer geworden ist; indem er selbst (ewa durch einen Dritten) diese Papiere wohlfeil kauft. Das ist der Fall, der nach Aller Meinung unter den Begriff des Betruges fällt, auch nach der Meinung, welche im Entwurf festgestellt und bereits von der hohen Versammlung ge⸗ nehmigt worden ist. Nun setze ich aber den Fall, er habe das Alles gethan nicht in der Absicht, diese Papiere zu kaufen, sondern aus Neid, aus Bosheit, aus Rache, kurz, aus irgend einem anderen, vielleicht höchst unedlen Motiv, der Andere ist indeß um eben so viel ärmer gewor— den, als wenn es aus Gewinnsucht geschehen wäre. Sollte nun diese Handlung straflos bleiben? Dies würde gegen alles Rechtsge= fühl sireiten. Man geht davon aus, zu sagen, die Gewinnsucht ist bas Schändlichste. Aber auch dieses läßt sich nicht im Allgemeinen be— haupten, es können andere Motive in oncrete schändlicher sein, als die Gewinnsucht. Nach der bisherigen Auffassung der Sache also (im Landrecht, in dem Entwurf von 1843) würde der eine wie der andere Fall unter die Strafe des Betrugs gefallen sein, und der Richter würde die Strafzumessung aussprechen müssen, mit Rücksicht auf alle einzelnen Umstände des einzelnen Falles. Nach der jetzigen Auffassung würde der Fall unter den Titel des Betrugs fallen, wenn gewinnsüchtige Absicht dabei wäre, außerdem hierher in den 8. 343. Nach dem Antrage der Abtheilung würde diese Handlung, wenn Ge⸗ winnsucht dabei zum Grunde liegt, unter die schwere Strafe des Be⸗ trugs fallen; wenn keine Gewinnsucht, sondern eine andere, vielleicht höchst schändliche Absicht zum Grunde liegt, würde sie straflos blei⸗ ben. Das würde der Erfolg des Antrags der Abtheilung sein. (Ruf nach Abstimmung.)

Wenn keine weitere Bemerkung erfolgt, so ist die wir kommen zur Abstim—

Marscha ll: Berathung für geschlossen zu erklären, und mung.

Die Frage heißt:

Soll auf Wegfall des Paragraphen angetragen werden?

und die das beantragen, würden es durch Aufstehen zu erkennen

eben.

; (Es erhebt sich nicht die gehörige Anzahl von Mitgliedern.) Dem Antrage ist nicht beigestimmt, und wir kommen zu s. 344. Referent Abgeordn. Freiherr 5 Mylius (liest vor):

„S. 344.

Beschädigungen des Vermögens (88. 311, 343), welche von einem Ehegatten gegen den anderen, oder von leiblichen Verwandten in aufsteigender Linie gegen ihre Kinder begangen werden, sind nicht zu bestrafen.“

Das Gutachten lautet:

„Zu §. 344.

Gegen den 8. 344 hat sich nichts zu erinnern gefunden, und es ward hinsichtlich seiner nur die Bemerkung gemacht, daß mit Rück sicht auf die vorerwähnte Beschlußnahme das Allegat des s. 313 wegbleiben müsse.“

Marschall: S. 345.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius lliest vor): „Vierundzwanzigster Titel. Gemeingefährliche Verbrechen.

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Wer die mit öffentlichen Behörden geschlossenen Lieferungsver⸗ träge über Bedürfnisse des Heeres zur Zelt eines Krieges oder über die Zufuhr von Lebensmitteln zur Abwendung oder Beseitigung eines Nothstandes vorsätzlich entweder nicht zur bestimmten Zeit oder nicht in der vorbedungenen Weise erfüllt, soll mit Strafarbeit von sechs Monaten bis zu fünf Jahren oder mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft werden.

Liegt der Nichterfüllung des Vertrages Fahrlässigkeit zum Grunde und ist ein Schade daraus wirklich entstanden, so ist auf Gefängniß⸗ strafe zu erkennen.

Dieselben Strafen finden auch gegen die Unterlieferanten, Agen⸗ ten oder Bevollmächtigten des Lieferanten Anwendung, welche mit Kenntniß des Zweckes der Lieferung das Unterbleiben derselben vor⸗ sätzlich oder aus Fahrlässigkeit verursachen.“

Das Gutachten zum Titel lautet:

Die Bestimmnngen des vierundzwanzigsten Titels haben zu all⸗ gemeinen Bemerkungen Veranlassung gegeben, welche sich theils auf die Form und die Fassung, theils auf das Strafmaß beziehen. Was Form und Fassung anbetrifft, so ward hervorgehoben, daß die Fas⸗ sungs⸗Vorschläge der rheinischen Juristen gerade in diesem Titel ent schieden zweckmäßiger und entsprechender, als die Vorschläge des Ent⸗ wurfs, daß es namentlich geeigneter sei, wenn in den meisten der hier gegebenen Begriffsbestimmungen mit der am wenigsten strafbaren Handlung der Anfang gemacht und dann zu der schwerer zu bestra— fenden foͤrtzuschreiten sei, daß es eben so zweckmäßig erscheine, da, wo der Entwurf es zum Thatbestand des Verbrechens gemacht, daß das Verbrechen mit Gefahr für das Leben Anderer verübt, den That⸗ bestand dahin festzustellen, daß der des Verbrechens Schuldige mit Kenntniß der Gefahr gehandelt habe. .

Die Abtheilung war ohne Widerspruch der Meinung, daß diese

Erinnerung und die Bezugnahme auf die Vorschläge der rheinischen

Juristen der Schluß -Redaction zur Berücksichtigung und Erwägung

zu empfehlen sei.

Was das Strafmaß anbetrifft, so ist in einer Reihe der hier angeführten Paragraphen die Todesstrafe für alle Fälle angedroht, in denen der Tod erfolgt, selbst dann, wenn er nicht in der Absicht des Handelnden gelegen.

Hiergegen ward die Ansicht aufgestellt, daß Todesstrafe nur da gerechtfertigt sei, wo der Tod in dem Willen des Handelnden gelegen.

Einen Antrag, 66 .

statt der Todesstrafe überall, wo der Tod nicht die Absicht gewesen, lebenslängliche Freiheitsstrafe anzudrohen,

hat die Abtheilung jedoch mit 11 gegen 3 Stimmen abgelehnt.

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Die einzelnen Paragraphen gaben zu folgenden Erinnerungeu Veranlassung. Zu 5§5. 345

nicht abzusehen, weshalb eine öffentliche Behörde bei Abschluß von Privat⸗Verträgen anders gestellt werden solle, wie jeder Privatmann. Es sei Sache jeder Behörde eben so wie jedes Privatmannes, sich durch den Vertrag selbst und durch Vorsicht bei dem Abschluß dessel- ben, sowohl mit Rücksicht auf die Personen, als auch durch die Be⸗

dingungen gegen Verluste zu schützen. In einem Strafgesetz, wie

es der Entwurf enthalte, liege eher eine Gefahr für den Staat, wie ein wirksames Sicherungsmittel gegen Nachtheile, indem die Hoff— nung, daß das Strafgesetz schütze, zu Mangel an Vorsicht verleite.

Andererseits ward zur Vertheidigung des Paragraphen hervor⸗ gehoben, daß eine öffentliche Behörde in anderen Verhältnissen stehe, wie der den Vertrag schließende Privatmann; daß die absichtliche und geflissentliche Verletzung einer zu Zwecken des öffentlichen Wohles äbgeschlossenen Verpflichtung, einen wenn auch nicht unmittelbaren Angriff gegen das öffentliche Wohl selbst darstelle und daher eine Strafe zu begründen vollkommen im Stande sei.

Den Antrag:

den Paragraphen ganz zu streichen, hat die Abtheilung mit il gegen 4 Stimmen abgelehnt. Es war ferner angetragen worden, die in dem Paragraphen erwähnten Handlungen nur dann sür strafbar zu . wenn es aus dem Vertrage erhelle, daß derselbe zur Befriedigung der Bedürfnisse des Heeres zur Zeit eines Krieges oder zur Abwendung und Beseiti gung eines Nothstandes abgeschlossen worden, und zur Begründung dieses Antrages ausgeführt, daß nur, wenn dies geschehen, Gewähr dafür geleistet sei, daß der Lieferant die Ver⸗ tragépflicht in Kenntniß des Umstandes verweigere, daß er sich durch diese Weigerung zugleich gegen das öffentliche Wohl vergehe. Die Abtheilung beschließt mit 11 gegen 4 Stimmen, den vorbezeichneten Antrag zu befürworten.“

Abgeordn. Abegg: Mit der Absicht der Majorität der Abthei⸗ lung bin ich vollkommen einverstanden, aber nicht mit ihrem Beschluß; denn durch den Paragraphen wird gerade das verhindert, was ge⸗ wünscht wird, nämlich die Sicherung der Lieferungen zum Wohle des Staats. Es werden sich gewiß nur wenig Personen darauf einlassen, mit dem Staate ein Lieferungsgeschäft abzuschließen, sobald sie wissen, daß im Falle der Nichterfüllung eine Kriminalstrafe folgen kann. Es wird also die Konkurrenz bei den Lieferungen dadurch vermindert. Ich glaube daher, daß der Staat nur durch hohe Conventionalstra⸗ fen sich die Lieferungen, welche er beabsichtigt, sichern kann, und be— zweifle, daß diese Absicht durch Strafen erreicht wird. Deshalb stimme ich für Streichung des Paragraphen.

Marschall: Es fragt sich:.

ob der Antrag die erforderliche Unterstützung findet? (Er erhält sie.)

Er hat sie gefunden.

Justiz⸗Minister Uhden: Wenn gesagt worden ist, der Staat könne sich durch Conventionalstrafen schützen, so könnte dies höchstens das zweite Alinea treffen, aber nicht das erste, wo vorauesgesetzt ist, daß der Schuldige vorsätzlich handelt und seine Verbindlichkeiten ge⸗ rade zu einer Zeit unerfüllt läßt, wo der Staat auf deren pünktliche Erfüllung ganz besonders rechnen muß. Das zweite Alinea handelt nur von dem Falle der Fahrlässigkeit; hier tritt Gefängnißstrase zur Sicherung dieser Verträge ein. In solchen Fällen, wo die größten Kalamitäten vorhanden sind, ist es nothwendig, Schutzmittel zu fin⸗ den, daß nicht aus grober Fahrlässigkeit den seitens des Staats ge⸗ troffenen Anstalten zur Abwendung einer gemeinen Gefahr entgegen⸗ gehandelt wird. Gleichzeitig bemerke ich, daß der Zusatz, den die Abtheilung zu machen vorschlägt, mir auf einen Fall nicht angemessen erscheinen möchte. Es heißt: „die in dem Paragraphen erwähnten Handlungen nur dann für strafbar zu erklären, wenn aus dem Ver⸗ trage erhelle, daß derselbe zur Befriedigung der Bedürfnisse des Hee⸗ res zur Zeit eines Krieges oder.“ Ehe der Krieg erklärt wird, wer⸗ den bedeutende Lieferungs-Verträge abgeschlossen werden, um zur be⸗ stimmten Zeit die Lieferungs-Gegenstände am bestimmten Orte zu haben. Es kann in solchen Verträgen, die mit Privatpersonen abge⸗ schlossen werden, mit Absicht gar nicht erwähnt werden, daß ein Krieg ausbrechen werde, sondern es wird nur der Vertrag abgeschlossen, die Lieferung zu einer bestimmten Zeit an einen bestimmten Ort zu be sorgen, damit im Falle des Aucvruchs kein Nothstand entsteht.

Abgeordn. Siegfried: Ich habe zur Minorität der Abtheilung gehört, also für Wegfall des Paragraphen gestimmt, und sinde mich nur aufgefordert, gegen eine Bemerkung, die besonders von Gewicht war und von dem Herrn Justiz⸗Minister ausgesprochen wurde, mich zu erklären. Es ist nämlich die vorsätzliche Nichterfüllung hervorge⸗ hoben, und allerdiugs muß diese an sich recht straffällig erscheinen. Es ist aber zu bedenken, daß hier nur von solchen Zuständen die Rede ist, in welchen der Staat außerordentlicher Mittel sich zu bedienen pflegt und bedienen darf. Im Kriege, im Nothstande fragt er even⸗ tuell nicht, ob Jemand geben will oder kann, sondern er nimmt, wo er sindet, und weicht also auch wissentlich und absichtlich vom beste⸗ henden Gesetze ab. Für solche Zustände, in denen dem einen Theil gleichsam die Uebertretung der Gesetze zusteht, darf doch für den an⸗ deren Theil nicht noch eine strengere Strafe hingestellt werden, und es erscheint daher kein Grund, hier eine Ausnahme zu machen. Ich erkläre mich für Wegfall des Paragraphen.

Justiz-Minister Uhden: Das verstehe ich nicht ganz. Es wird immer vorausgesetzt, daß der Paciszent im Stande gewesen ist, diese Lieferung zu besorgen. Wenn er durch Unglücksfälle verhindert ge⸗— wefen ist und überhaupt nachweist, daß er nicht im Stande gewesen sei, den Vertrag zu erfüllen, so kann die schwere Strafe des in Rede stehenden Paragraphen nicht angewendet werden.

Abgebrdn. Graf von Renard: Die härteren Fälle, welche hier zu subsumiren sind, scheinen in den Begriff Landesverrath überzuge⸗ hen, und in dieser Beziehung kann ich die Strafe nicht zu hart sin— den. Eben so wenig trete ich dem Antrage der Abtheilung, den Pa⸗ ragraphen einzuschränken, bei, der durch die Einschränkung null wird.

Korreferent Abgeordn. Naäumann;: Ich bin der Meinung, daß der Paragraph entbehrlich ist; ich halte sogar für wünschenswerth, daß man nicht auf den Paragraphen bestehe, und zwar aus den von dem Abgeordneten aus Danzig angeführten Gründen. Wenn das Amendement der Abtheilung dahin geht, jedesmal in den Verträgen auszudrücken, zu welchem Zwecke die Lieferung geschehen solle, so wird der Erfolg um so mehr eintreten, daß der Staat Niemanden sinden wird, der auf solche Lieferungsverträge sich einlassen mag. Will man aber dem Lieferanten verschweigen, zu welchem Zwecke er liefern soll, so würde man damit auch verschweigen, daß er in Strafe verfalle, wenn er die Lieferung nicht leiste, und das kann doch unmöglich die Absicht sein. Nach der Aeußerung des Herrn Justiz-Ministers scheint es jeboch, als ob man gewöhnlich Anstand werde nehmen müssen,

den Lieferanten über den eigentlichen Zweck der Lieferung in Kennt⸗

niß zu setzen, und da halte ich denn doch dafür, daß es aller Ge⸗ rechtigkeit widersprechen würde, wenn die Liefering zu einem gewissen

ward bemerkt, daß die Streichung desselben wünschenswerth, indem Zwecke erfolgen soll, also z. B. zur Abhülfe eines Nothstandes, und

der Lieferant von diesem Zwecke nicht in Kenntniß gesttzt ist, ihm dann doch gesagt werden könne:; du hast nicht geliefert, wir nehmen dich nun in Strafe. Das wäre eine große Üngerechtigkeit. Ich kann überhaupt nicht zugeben, daß in dem Vorsatze, nicht zu liesern, etwas Verbrecherisches liege. Bei Uebernahme von dergleichen Lie⸗ serungen leitet der Vortheil; nur derjenige wird eine Lieferung über⸗ nehmen, welcher sich Vortheile davon verspricht. Erwägt er, daß sein Schade bei der Lieferung größer ist, als der Schade, der für den anderen Kontrahenten erwächst, so liefert er nicht und läßt es lieber auf eine Entschädigungs-Forderung ankommen, als daß er ein freiwilliges Opfer durch die Lieferung bringen sollte. Aus allen die⸗ sen Grunden bin ich der Meinung, daß man besser thue, auf die Bestimmung des §. 345 zu verzichten.

Abgeordn. Camphausen: Ich habe auch nur hinzuzufügen, daß der von dem ersten Redner angeführte Grund noch in voller Kraft besteht, nämlich der, daß die Bestimmung einer angemessenen Con⸗ ventionalstrafe viel wirksamer sei, als die Bestrafung. Das leuchtet ein, daß die Gefahren der ausbleibenden Lieserungen durch die Strafe nicht beseiligt werden; denn wenn man den Lieferanten ein- sperrt, so werden die Pferde deshalb noch keinen Hafer haben. Es scheint mir nicht angemessen, die Pflicht der Behörden, dafür zu sor⸗ gen, daß die Lieferungen richtig erfolgen, dadurch zu schwächen, daß man es dem Einzelnen zum Verbrechen macht, wenn sie nicht erfol⸗ gen. An den Behörden ist es, dahin zu wirken, daß die Lieferungen nicht ausbleiben, und das wollen wir nicht befördern, daß, wenn Ver⸗ zögerungen stattgefunden haben, es heiße: da ist ein großer oder klei⸗ ner Lieferant, der trägt die Schuld, während es an der richtigen Lei⸗ tung der Geschäfte gelegen hat. Ich sehe das Bedürfniß nicht ein, den Staate, wenn er Geschäfte macht, welche mit denen im bürger⸗ lichen Verkehre genau in demselben Verhältnisse stehen, größere Rechte einzuräumen, als den Unterthanen. Es ist zwar gesagt worden, daß der Lieferant mit dem Unter-Lieferanten und dieser mit dem Unter⸗ Unterlisferanten dieselben Bedingungen eingehen könne; das erstreckt sich aber so weit, daß die Gränze verschwindet, wo diese Exceptio- nen aufhören.

Abgeordn. Frhr. von Gaffron: Ich kann mich nur für den Paragraphen unter der von der Abtheilung bezeichneten Modification erklären. Dem, was von dem letzten Redner geäußert worden ist, daß der Staat keinen Vorzug vor den Privaten haben soll, muß ich mich entgegensetzen, weil in allgemeinen Kriegs- oder Nothzuständen die Verhältnisse des Staates denen des Einzelnen vorgehen müssen, da bei jenen das Wohl des Ganzen auf dem Spiele steht. Wenn der Herr Korreferent erwähnte, daß derjenige, welcher keinen Gewinn von der Lieferung habe, sich derselben entziehen werde, so liegt eben darin der Grund, noch außer der Conventionalstrafe eine Strafe fest⸗ zusetzen. Dagegen halte ich es für gerechtfertigt und für gerecht, daß dem anderen Theile die Folgen bekannt sind, die daraus entste— hen, wenn er den Vertrag nicht hält, und darum stimme ich für den Antrag der Abtheilung.

Abgeordn. von Saucken-Tarputschen:; Ich habe zwei Beden⸗ ken. Einmal das, daß Fälle vorkommen können, wo Kontrakte zu einer Zeit abgeschlossen werden, in welcher der Lieferant glaubt, dies unter friedlichen Verhältnissen gethan zu haben, während der Staat schon einen Krieg voraussieht und dieser auch in der Lieferungs-Pe⸗ riode ausbricht ünd der Lieferant gerade durch den Krieg verhindert wird, den Vertrag zu erfüllen. Er wird also in eine gefährlichere und in eine ganz andere Lage versetzt, als er irgend bei dem Ab— schlusse des Vertrages erwarten konnte, und Kontrahenten standen beim Vertrage nicht ganz ehrlich und offen einander gegenüber. Ich sehe aber die Sache auch noch anders an. Es sind die Fälle des Krieges und des Nothstandes angeführt worden. Für solche Fälle scheint es nun geradezu gefährlich, die Uebernahme von Lieferungen zu erschwe⸗ ren, und das würde hier der Fall sein; denn wenn so harte Strafen gesetzt werden, so frage ich, wer sich dann noch sinden würde, um solche Lieferungen zu übernehmen, während dadurch nicht einmal Si⸗ cherheit erlangt wird. Denn daß es vorsätzlich geschehen, macht nur so straffällig, und dies zu beweisen dürfte wohl selten möglich sein. Der zu erwartende Gewinn müßte dann doch um so größer sein; denn dieser ist doch nur das Einzige, was zur Uebernahme sol⸗ cher Lieferungen bestimmen könnte, da Patriotismus hierbei wohl nicht in Betracht kommen wird. Der Gewinn muß also so groß sein, daß seinetwegen der Lieferant sich selbst so großer Strafen aussetzt. Der Staat muß also um so viel höher zahlen, oder er giebt sich in die Hand von Leichisinnigen, die am Ende auch die Strafe nicht fürchten. Nimmt man aber an, der Lieferant könnte böswillig im Interesse der feindlichen Macht handeln von dieser gewinnen, dem fremden Staate dienen, nun dann wird er auch wohl sich zu sichern wissen und beim fremden Staate Schutz finden und sich da⸗ durch der Strafe zu entziehen wissen. Ich glaube, daß wir durch Festfetzung solcher Strafe nichts weiter erreichen, als daß wir um so weniger Kontrahenten finden und nur auf kostspieligere Weise die Lie⸗ ferungen erhalten werden.

Justiz-Minister Uhden: Ich wollte nur bemerken, daß das Gouvernement gegen den Zusatz der Abtheilung nichts Wesentliches insofern zu erinnern hat, als dasselbe eigentlich schon im Paragraphen steht, indem es dort heißt: „über die Bedürfnisse des Heeres zur Zeit eines Krieges oder über die Zufuhr von Lebensmitteln zur Ab⸗ wendung oder Beseitigung eines Nothstandes.“

Abgeordn. von Auerswald: Ich habe in der Abtheilung für die Ansicht der Majorität gestimmt; indessen sind mir doch während der Diskussion wesentliche Bedenken aufgestoßen, namentlich in Folge der sehr richtigen Bemerkung des Herrn Justiz-Ministers, daß man den Leuten nicht immer sagen kann, es werde Krieg ausbrechen. Für die meisten Fälle wird also die Einschaltung der von der Abtheilung vorgeschlagenen Worte ohne praktischen Nüßen sein, der praltische Schaden der verringerten Konkurrenz und dadurch der wesentlichen Bertheuerung der Lieferungen wird stehen , Wem ich also erwäge, daß die hohe Gemeingefährlichkeit des Her rern, durch die Strafe selbst mit Einschaltung der betreffenden Worte nicht beseitigt wird, daß aber die Beseitigünng der Gemeingefahrlichkeit auf einem anderen Felde liegt, nämlich in Jes setznn g tüchtige Conventional⸗ strafen und dann noch vielleicht in einigen Paragraphen, die in den Titel von den Vergehen der Beamten zu bringen wären, in Betreff der Fahrlässigkeit und Unredlichkeit bei der Abschließung von Kon— frakten für den Staat, so muß, ich mein in der Abtheilung gegebenes Votum zurücknehmen und für die Streichung des Paragraphen immen. j ,,, Abgeordn. Freiherr von Mylius: Ich glaube nicht, daß die Abtheilung einen Werth darauf gelegt hat, daß aus der Fassung des Vertrages erhellen müsse, wie gerade bei dem Ausbruche des Krieges der Vertrag abgeschlossen sei, sondern daß es genüge,