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sowohl der protestantischen als der katholischen Kirche. Es ist uns von mehreren Rednern vorgeworfen worden, daß zwar von dieser Seite das Streichen des ersten und des zweiten Vorschlages der Regierung und desjenigen der Abtheilung bevorwortet, daß aber nicht der Versuch gemacht sei, einen Vorschlag zu machen. Meine Herren, diese Aufgabe würde sehr leicht zu erledigen sein, wenn man sich über die beiden Punkte einigen könnte, die den Gegenstand der Ab⸗ weichung bilden; über den einen Punkt, daß man keine Strafart zu⸗ lassen will, die in der Entfernung aus dem Amte besteht; über den anderen Punkt, daß man keine Strafe androhen will, ohne daß das Verbrechen genannt wird. Kann man sich darüber vereinigen, so ist nichts leichter, als einen Vorschlag zu machen, und obwohl ich Pro⸗ testant bin, würde ich nicht daran zweifeln, auf der Stelle einen entwerfen zu können, dem die katholische Bevölkerung des Landes zustimmen würde. So lange aber dieser prinzipielle Unterschied be⸗ steht, so lange wir nur Vorschläge von der Gegenseite hören, die rnihalten, daß die Entfernung aus dem Amte von dem weltlichen Richter ausgesprochen werden sollte, ist es nutzlos, einen anderen Vorschlag entgegenzustellen, der allerdings dieses Zugeständniß nicht enthalten könnte.

Abgeordn. Frhr. von Gudenau: Ich wollte mir nur eine Bemer⸗ kung erlauben, hinsichtlich dessen, was der Herr Vorsitzende der Ab= theüung früher erwähnt hat, in Betreff der Gesebe, die in seinem Amendment erwähnt sind. Das geehrte Mitglied aus Pommern hat gesagt, es handle sich hier in seinem Amendement nur um die Gesctze, die über das Verhältniß zur Kirche im Staat bestehen und noch gegeben werden sollen. Die Frage aber, wie Gesetze entstehen, gehöre nicht in das Strafrecht, sondern in das Staatsrecht; die letztere Meinung theile ich vollkommen, eben weil ich sie aber theile, bin ich auch der Meinung, daß weder von dem einen noch dem anderen etwas in das Strafrecht gehört, und das gehört unter die Gründe, warum ich mich gegen jeden Vorschlag ausspreche. Denn hier ist der Fall einfach so, es kommt wesentlich, um eine Strafe der katholischen Kirche gegenüber zu rechtfertigen, darauf an, wie die Gesetze entstanden sind; denn ein Gesetz, was die streitigen Gränzen des weltlichen und des kirchlichen Rechts betrifft, und nicht unter Zuziehung der Kirche erlassen wird, kaun ich nicht zu den Gesetzen rechnen, deren Uebertretung einen katholischen Geistlichen zum Ver— brecher stempelt, die einem solchen Geistlichen die Strafe verdienen lassen kann, als beschimpfter Bettler von seinem Amte hinaus in die Welt gestoßen zu werden, die ihn sogar der Strafe der Orts und Bezirksverweisung schuldig machen kann, die nicht einmal gegen Räu⸗ ber und Mörder zulässig ist.

(Ruf zur Abstimmung.)

Candtags⸗Kommissar: Ehe die hohe Versammlung zur Abstim⸗ mung über die vorliegende Frage übergeht, halte ich es für meine Pflicht, dieselbe darauf aufmerksam zu machen, daß die Ansichten, welche hier entwickelt sind, wirklich nicht so weit auseinander laufen, als es auf den ersten Anblick erscheinen möchte. Einig, scheint mir, ist die hohe Versammlung erstens darüber, daß Geistliche, welche gemeine, entehrende Verbrechen begangen haben, nicht in ihrem geist⸗ sichen Amte verbleiben dürfen; die Ansicht divergirt nur darüber, ob

diese Entfernung aus dem Amte von dem ordentlichen Richter positiv ausgesprochen oder ob sie dem geistlichen Oberen überlassen werden müsse. Von Seiten des Staats ist in dieser Beziehung ein großes Gericht auf das eine oder andere nicht zu legen, sofern das Gesetz so gefaßt wird, daß man des Ersolges sicher sein kann. Man ist zweitens darüber einig, daß der Mißbrauch des geistlichen Amtes durch Reden, welche Schmähungen gegen andere anerkannte oder ge⸗ duldete Religionsparteien im Staate enthalten, schärfer zu bestrafen ist, als wenn ähnliche Reden von anderen Personen gehalten werden. Es handelt sich hier nur um die Art der Strafverschärsung. Im Gesetzentwurf ist die Untersagung der Ausübung des geistlichen Amtes besonders deswegen gewählt, weil sie das sicherste Mittel bietet, Wiederholungen des Mißbranchs zu beseitigen. Ich gebe aber vollkommen zu, daß auch andere Strafen, selbst diejenigen, die von einem geehrten Mitgliede aus der Rheinprovinz vorge⸗ schlagen sind, hinlängliche Gewähr geben möchten, besonders wenn anerkannt werden sollte, daß unter gewissen Umständen auch die Ortsentfernung darunter mit aufzunehmen sei. Man ist drittens, wie ich glaube, darüber einig, daß den Geistlichen bei Uebertragung ihrer Kirchenämter zugleich gewisse staatliche Rechte und Verpflichtungen mit aufgetragen werden, die mit ihrem geistlichen Amte in nothwen⸗ diger Verbindung stehen und gegen deren Mißbrauch der Staat sich durch das Gesetz schützen müsse. Divergirend sind die Ansichten in diesem Punkte nur darin, daß ein Theil der hohen Versammlung der Ansicht ist, es müßte die Art und Weise, wie der Geistliche sich eines Mißbrauches in allen diesen Beziehungen schuldig machen könnte, genau spezifizirt werden, während ein anderer Theil der hohen Versammlung und mit ihm die Regierung der Meinung ist, daß eine solche, die Geistlichen vor Willkür schützende Specification nicht nöthig fei, sondern die Vorschrift genüge, daß ein beharrliches, wie es in bem Abtheilungs-Vorschlage heißt, Zuwiderhandeln gegen die Gesetze über das Verhältniß der Kirche zum Staate die Strafe nach sich ziehe, in völliger Analogie mit den Vorschriften für die weltlichen Beamten, die ebenfalls durch Uebertretung der Vorschriften, welche rücksichtlich ihres Amtes gegeben sind, einer Strafe verfallen, damit der Staat gegen den Mißbrauch ihrer Amtsgewalt geschützt sei.

Ich muß, bekennen, daß ich zu denen gehöre, welche in diesem Vorschlage wirklich keine Unbestimmtheit finden. Der Richter hat vorkommenden Falls zu untersuchen, ob ein auf dem verfassungsmäßi⸗ gen Wege erlassenes Gesetz über das bezeichnete Verhältniß verletzt ist, Besteht ein solches Geseß, so ist, meiner Ansicht nach, der Geist⸗ üiche demselben eben so gut unterworfen, wie jeder andere Unterthan, und es müssen Zuwiderhandlungen bestraft werden, damit auch in dieser Beziehung die Autorität des Staats aufrecht erhalten werde. Ich will zwar zugestehen, daß eine andere Meinung von dem katho⸗ sischen Standpunkte ihre Verkheidiger sinden kann und gefunden hat; ich glaube aber, daß auch die Ansicht des Gouvernements, welche mit

derjenigen der Abtheilung in diesem Punkte wesentlich identisch, mit nicht geringerer Schärfe vertheidigt ist. Dann blieb noch der letzte Differenzpunkt, die bereits erwähnte und für diesen Fall namentlich vorgesehene Strafe der Inhibirung des geistlichen Amtes zu erwäh— nen? Die Ansicht, welche die Abtheilung vertritt, und welche auch diejenige der Regierung ist, geht dahin, daß der Staat, indem er durch sein Placet zulaͤßt, daß der Geistliche mit seinem geistlichen Amte auch die damit verbundenen weltlichen Functionen ausübe, gleichsam schon ausgesprochen hat, daß beim Mißbrauch der ihm über⸗ tragenen weltlichen , auch das Placet zurückgezogen werden könne. Der Streit über den Umfang und die Bedeutung des Placet zwischen Kirche und Staat besteht allerdings seit Jahrhunderten; in unserer Gesetzgebung ist er rücksichtlich dieses Punktes für den Staat enischieden, so daß, wenn die Strafe, oder, wenn man es so nennen will, die nachtheilige Folge der Inhibirung der Amts⸗Functionen bei⸗ behalten werden sollte, nur derjenige Zustand, jedoch in milderer Form, aufrecht erhalten werden würde, welcher in diesem Augenblicke in unserem Staate besteht. Nichtsdestoweniger will ich gern zuge⸗ stehen, daß noch ein anderer Ausdruck für die Sache denkbar ist, daß es auch noch andere Mittel geben kann, um den Staat in dieser

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Beziehung vor Mißbrauch zu sichern, nur gesichert, und das ist aller= wärts anerkannt, muß er dagegen werden.

Das ist nach meiner Ansicht der status Causae el, controversiae. Die hohe Versammlung wird nun ihre Ansicht darüber aussprechen; diese möge ausfallen wie sie wolle, so glaube ich, daß die Dis kussion, weiche heute geführt worden, die Regierung jedenfalls in den Stand setzen wird, bei der schließlichen Redaction des Gesetzes einen solchen Weg zu sinden, welcher geeignet ist, den Staat in seinen Rechten, so weit es unumgänglich nöthig ist, zu schützen, ohne irgend eine Kirchenpartei wesentlich zu verleßzen. Daß das geistliche Amt als solches nicht von der Regierung abhängt, sondern von der Kirche, das ist anerkannt, und wird auch zuverlässig in dem Gesetze sinaliter anerkannt werden; welche Modalitäten aber endlich zu wählen seien, den Staat vor dem Mißbrauch des geistlichen Amtes zu schützen, darauf wird freilich das Ergebniß der heutigen Abstimmung wesent⸗ lichen Einfluß haben. Ih sagte, die Diskusston werde für die schließ⸗ liche Entscheidung der Regierung von großem Werth sein, die Ab⸗ stimmung möge ausfallen wie sie wolle; denn selbst, wenn das Votum ber hohen Versammlung dahin ginge, daß der ganze Titel oder sämmt⸗ liche Paragraphen desselben gestrichen werden sollten, so würde immer- hin der Staat irgend etwas thun müssen; er würde entweder erklären, die gegenwärtige Gesetzgebung über diesen Punkt aufrecht zu erhalten, oder er würde den, freilich, wie ich glaube, etwas schwierigen und dornigen Weg einschlagen müssen, mit der geistlichen Oberbehörde sich über ein neues Gesetz zu verständigen. Schließlich spreche ich wiederholt die Hoffnung aus, es werde gelingen, die schließliche Ent⸗ scheidung so zu wählen, daß die wirklichen Rechte keiner der im Staate anerkannten Kirchen irgend wesentlich verletzt werden.

(Bravo-Ruf und Ruf zur Abstimmung.)

Abgeordn. Braemer: Ich wollte mir nur eine Frage erlauben. Bei dem Vorschlage, der nun gemacht worden ist, „den Gesetzen, die über das Verhältniß der Kirche zu dem Staat bestehen,“ wollte ich zu meiner Beruhigung die Frage an den Herrn Minister der geist⸗ lichen Angelegenheiten richten, „sind etwa unter den Begriff der Ge⸗ setze auch die kirchlichen Dogmen und Symbole zu verstehen?“

Staats -Minister Eichhorn: Die liegen gänzlich außer dem Gebiete des Staates.

Fürst Wilhelm Radziwill; Ich bin der hohen Versammlung noch nie mit einer namentlichen Abstimmun beschwerlich gefallen, ich bin im Ganzen auch dafür, dieses Recht f wenig als möglich zu brauchen, in diesem Falle aber kommt es meinen Glaubensgenossen und mir wesentlich darauf an, daß des Königs Majestät sowohl, als unsere Glaubensgenossen im Lande wissen, wie wir in diesem Falle gestimmt haben. Ich trage deshalb auf namentliche Abstimmung an.

(Es erheben sich mehrere Mitglieder.)

Marschall: Der Antrag ist unterstützt, wir kommen Abstimmung durch namentlichen Aufruf und die Frage heißt: Wird dem Antrage der Abtheilung beigestimmt, daß statt des 8. I12 eine Bestimmung folgenden Inhalts aufgenommen werde:

Geistliche, welche in amtlichen Reden oder amtlichen Erlassen sich Handlungen schuldig machen, welche in 8. 148 mit Strase bedroht sind, oder den Gesetzen, die über das Verhältniß ihrer Kirche zu dem Staate bestehen, beharrlich und vorsätzlich zuwider handeln, können durch die Gerichte zur ferneren Ausübung geist⸗ licher . innerhalb Landes für unfähig erklärt werden!

(Es erfolgt hierauf durch Sekretair Siegfried der namentliche Aufruf.)

also zur

Für J von Arnim, Oberst Lieutenant a. Abegg, Kommerzien-Rath. D. und Kreis⸗Deputirter. Allnoch, Erbscholtiseibesitzer. von Auerswald, General Land⸗ schafts⸗ Direktor.

Becker, Ortsrichter.

Graf von Bismark⸗Bohlen, Pro⸗ vinzial⸗Landtags⸗Marschall. von Bodelschwingh, Regierungs⸗

Vice⸗Präsident. Braemer, Landschafts⸗Rath. Brassert, Geh. Bergrath. Brown, Bürgermeister. von Brünneck, Ober⸗Burggraf und Provinzial⸗Landtags⸗-Marschall. von Byla, Landrath.

a haben gestimmt: Für Nein haben gestimmt:

Camphausen, Handels Kammer-

Präsident.

Dittrich, Bürgermeister,

Mn Donimierski, Landschafts-⸗De⸗ putirter.

Dansmann, Erbschulzengutsbesitzer. Diethold, Bürgermeister. Graf zu Dohna⸗-Lauck, Kammer⸗ herr. Dolz, Kruggutsbesitzer. von Eynern, Kaufmann.

Graf von Fürstenberg, Kammer-

Fabricius, Bürgermeister. herr.

von Flemming, Gutsbesitzer. Freiherr von Friesen, Landrath. Graf von Galen, Erbkämmerer.

Freiherr von Gaffron, Geheimer Freiherr von Gudenau, Landrath.

Regierungs⸗Nath.

Graf von Gneisenau, Major a. D. Giesler, Schultheiß.

Grabow, Kriminalrath.

von Hagen, Landschafts⸗Rath.

Hausleutner, Apotheker.

Freiherr Hiller von Gärtringen, Kammerherr und Provinzial Landtags ⸗Marschall.

Heinrich, Kaufmann.

Graf von Hompesch-Rurig, Rit⸗ tergutsbesitzer.

Hüffer, Kommerzien⸗Rath.

Jordan, Freigutsbesitzer.

von Kurcewski, General- Land-

Kersten, Bürgermeister. h ñ schafts-Rath.

Knoblauch, Geh. Finanzrath. Krause, Gerichtsschulz.

von Krosigk, Domprobst. Kuschke, Bürgermeister.

Graf zu Lynar, Kammerherr. Lucanus, Br., Stadtrath. Graf von Loeben.

Meyer, Orts⸗Vorsteher. Müller, Freischulze. von Münchhausen, Landrath.

Neitsch, Stadt⸗ Syndikus. Neumann, Bürgermeister.

Freiherr von Lilien, Landrath. Linnenbrink, Landwirth.

von Miszewski, Rittergutsbesitzer. Freiherr von Mylius, Staats⸗ Prokurator.

Naumann, Geh. Regierungs⸗Rath und Ober-⸗Bürgermeister.

von Olfers, Stadtrath.

Für Ja haben gestimmt:

Freiherr von Patow, Geh. Re⸗ gierungs⸗- Rath.

Petschow, Kaufmann.

von Platen, Landrath.

von Pogrell, Rathsherr.

Prüfer, Rathsherr.

Fürst zu Putbus.

Graf von Redern, Wirklicher Geh. Rath.

von Rochow, Oberst - Lieutenant a. D. und Provinzial⸗Landtags⸗ Marschall.

von Saucken⸗Julienfelde, Gene⸗ ral⸗Landschafts⸗Rath.

von Saucken - Tarputschen, Ritt⸗ meister a. D.

Schier, Bürgermeister und Justi⸗ tiar.

Schulze⸗Dellwig, Amtmann und Gutsbesitzer.

Graf von Schwerin, Landrath.

Siegfried, Landschafts⸗Rath.

Graf zu Solms⸗Baruth.

Stägemann, Bürgermeister.

Für Nein haben gestimmt: Plange, Justiz⸗Kommissarius. von Potworowekli, Rittergutsbe⸗

sitzer.

Przygodzki, Freigutsbesitzer.

Fürst Wilhelm von Nadziwill. Fürst Boguslaw von Radziwill. Herzog von Ratibor.

Graf von Renard, Wirkl. Gehei⸗ mer Rath.

Graf von Skorzewski. Sperling, Bürgermeister. Steinbeck, Geh. Bergrath.

Urra, Bürgermeister. Vahl, Schulze.

von Weiher, Landschafts⸗Rath. Wodiczka, Justizrath. ;

von Werdeck, Geheimer Regie—⸗ Freiherr von Wolff Metternich, rungs⸗Rath. Regierungs⸗Vice⸗Präsident.

von Witte, Ritterschafts Rath.

Wulff, Landwirth.

Graf von Zech⸗Burkersrode, Kam⸗ merherr und Provinzial -Land⸗ tags⸗Marschall.

Zimmermann, Bürgermeister.

Fürst zu Solms, Landtags-Mar— schall.

Bauck, Rittergutsbesitzer. von Bro⸗ dowski, General- Landschafts-Direltor. von Katte, Ritter⸗ schafts Rath. von Kessel, Kreis Deputirter. Paternowski, Bürgermeister. Freiherr von Rothkirch, Ober⸗Landesgerichts⸗ Rath. Stöpel, Bürgermeister und Syndikus. von ÜUechtritz, Konsistorial⸗Präsident.

Fehlende Mitglieder:

Mit Ja haben gestimmt 60, mit Nein haben gestinmt 34.

Wir kommen zu §. 413.

Referent Abgeordn. Freiherr ö. Mylius lliest vor):

Wegen gemeiner Verbrechen, welche bei Beamten die Cassation oder Amis⸗Entsetzung nach sich ziehen, ist, wenn sie von Geistlichen begangen werden, außer der sonst begründeten Strafe, auf Entfer⸗ nung aus dem Amte zu erkennen.

Es soll hierbei keinen Unterschied machen, ob das Verbrechen ein vollendetes oder ein versuchtes, imgleichen ob der Verbrecher als Urheber oder als Gehülfe zu betrachten ist.“

„Zu §. 413.

Bei der Diskussion des Paragraphen wurden die nämlichen Ge⸗ sichtspunkte hervorgehoben wie bei der des früheren Paragraphen und zu ihm ein Amendement gestellt des Inhalts: ö.

„Eben so sollen Geistliche unfähig erklärt werden, geistliche Amts- handlungen innerhalb Landes auszuüben, wenn sie solche gemeine Verbrechen begehen, bei denen bei Beamten auf Amtsentsetzung oder Cassation erkannt wird. .

Für dasselbe hat sich die Abtheilung mit 12 gegen 4 Stimmen entschleden.

S. Alz ist bereits verlesen, dagegen hat die Abtheilung bereits in dem einleitenden Vortrage ein Amendement des Inhaltes gestellt:

„Eben so sollen Geistliche unfähig erklärt werden, geistliche Amts⸗ handlungen innerhalb Landes auszuüben, wenn sie solche gemeine Verbrechen begehen, bei denen bei Beamten auf Amtsentsetzung oder Cassation erkannt wird.“

Eine Meinungs-⸗Verschiedenheit hat sich darin herausgestellt, ob überhaupt den Gerichten des Staates ein Erkenntniß auf Cassation ober Amtsentsetzung eines Geistlichen in die Hände gegeben werden soll oder nicht; ich glaube daher, daß nach der jetzt vorgenommenen Abstimmung wenig mehr zur Erörterung und Beantwortung der Frage zu sagen sein wird.

(Ruf zur Abstimmung.) Wenn keine Bemerkung erfolgt, so ist über den Vorschlag, wie er hier vorliegt, abzustimmen, und diejenigen, welche dem Vorschlage, wie er nun zu modifiziren ist, beitreten, würden das durch Aufstehen zu erkennen geben. . (Es erhebt sich eine große Anzahl Mitglieder.)

Die Majorität hat sich dasür ausgesprochen.

§. 414.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius liest vor):

Marschall:

16 1.

Wenn ein Geistlicher in einer amtlichen Rede oder in einem amtlichen Erlasse eine Religionsgesellschaft beleidigt (6. 148) oder eine Ehrverletzung begeht (68. 189 ff., so kann der Richter außer der durch die Handlung an sich begründeten Strafe zugleich auf Ent- fernung aus dem Amte erkennen.“

Das Gutachten lautet:

„Zu §. 414.

Die Abtheilung war einstimmig der Meinung, daß dessen Weg- fall die nothwendige Folge des bei S. 412 angenommenen Amende- ments sei.“

Diese Meinung ist um so ger dement eine direkte Beziehung auf die hier vorgesehenen kommen hat.

§. 416.

Marschall: .

Referent Abgeordn. Freiherr 6 Mylius liest vor):

„8. 15.

Ein Geistlicher, gegen welchen auf Entfernung aus dem Amte rechtskräftig erkannt wird, geht des Rechts zur ferneren Ausübung seines Amtes, so wie aller mit dem Amte verbundenen bürgerlichen Rechte, verlustig und 37 ö Hülfsgeistlicher zu amtlichen

errichtungen nicht zugelassen werden. . 5 * ke, ö. aus dem Amte ist zugleich auf Orts⸗ oder Bezirksverweisung zu erkennen, wenn die Landespolizei⸗Behörde dar⸗= auf anträgt und nach richterlichem Ermessen der fernere Aufenthalt des Geistlichen in seinem bisherigen Amtssitze die öffentliche Ruhe oder Ordnung gefährden würde.“

mehr gerechtfertigt, als das Amen⸗ Fälle be⸗

Zweite Beilage

M 68.

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Mittwoch den 8. März.

Das Gutachten lautet: „Zu §. 415.

Der erste Satz erledigt sich durch den von der Majorität be⸗ schlosse nen Abänderungs⸗Vorschlag.

Daß der zweite Satz des Paragraphen unter allen Umständen wegfallen müsse, ward zwar behauptet, indem durch ihn eine excep⸗ tionelle Strafe eingeführt werde; die Abtheilung erwog jedoch, daß dessen Beibehaltung aus Gründen des öffentlichen Wohles in cinzelnen Fällen wünschenswertY, und hat den Antrag, das Alinea zu streichen, mit 12 gegen 4 Stimmen abgelehnt, dagegen einstimmig anerkannt, daß seine Abänderung im Sinne des Amendements nothwendig geworden.

Da ich mich in der Minorität der Abtheilung befinde, so muß ich den Antrag auf Streichung des Alinea's wiederholen, und stelle anheim, ob ihn die Versammlung unterstützt. Ich glaube, daß über= haupt die Strafe der Landes verweisung schon deshalb nicht eintreten kann, weil sie eine exceptionelle ist, und es nicht gerechtfertigt scheinen dürfte, exceptionelle Strafen in das Gesetzbuch aufzunehmen. Ich glaube aber auch, daß das Gesetz andere Mittel hat, solche Geistliche unschädlich zu machen, und dahin zu wirken, daß sie dem Staate nicht gefährlich werden können. Bin überhaupt der Meinung, daß das Bedürfniß einer exceptionellen Bestimmung sich nicht heraus⸗ gestellt hat,

. (Einige Stimmen: Ja wohl!) mir sind wenigstens Falle nicht bekannt geworden, wo es nöthig gegen einen Geistlichen

gewesen wäre, eine Verweisung dieser Art auszusprechen.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Der Aeußerung des Referenten gegenüber bemerke ich, daß es sich nicht von der Landesverweisung handle, sondern nur von der Ortsverweisung, und ich glaube, dadurch ändert sich das Wesen der Sache. man der Regierung das Recht zugestehen muß, die Ausübung geistlicher Functionen innerhalb des Landes zu versagen, wird man ihr auch wohl das Recht zuge⸗ stehen müssen, zu beurtheilen, ob der Aufenthalt des Geistlichen an Orte den Zweck erfüllt, den die Regierung mit

Wenn

diesem bestimmten 8 der Untersagung beabsichtigt; sie muß daher in bestimmten Fällen bis auf Ortsverweisung gehen können. Es folgt aber aus dem srüheren Beschlusse, daß die Fassung geändert werden muß, nämlich, daß die dispositive Fassung in eine fakultative übergehe und es heißen muß: „Kann auch zugleich auf Orts- und Bezirksverweisung erkannt werden.“ Marschall: Es fragt sich, ob der erneuerte Vorschlag der Mino⸗ rität die erforderliche Unterstützung findet. . . . (Es erheben sich mehr als 8 Mitglieder.) Er hat sie gefunden.

Der Vorschlag des Grafen von Schwerin ging nun dahin, die Bestimmung fakultativ zu fassen. .

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich habe keinen Vorschlag gemacht. Es ist der Vorschlag der Abtheilung. .

Marschall: Das heißt, die fakultative Fassung würde sich als nothwendig ergeben; besonders ausgedrückt ist es nicht. Abgeordn. von Donimiersky: Ich unterstütze die Ansicht des Herrn Reserenten. Der Vorsitzende der Abtheilung hat ihn mißder— standen, wenn er sagt, daß Herr Referent die Landes verweisung meint; denn es ist hier nur von Orts, und Bezirksverweisung die Rede.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Wenn ich Landes⸗ verweisung gesagt habe, habe ich mich versprochen.

Abgeordn. von Donimierski: Wir haben diese Strafart im ganzen Gesetzbuche nicht und können sie daher auch in den letzteren Paragraphen des Straföechts nicht hineinbringen. Es ist auch kein Bedürfniß zu einer solchen Kriminalstrafe, denn treten derartige Fälle ein, so reichen die dem Staate zustehenden Polizeimaßregeln voll— kommen aus.

Abgeordn. von Brünneck: Ich mache darauf aufmeiksam, daß es sich hier keinesweges um eine nene Straf-Bestimmung zu handeln scheint und auch eben so wenig um eine Verschärfung, sondern wohl eher um eine Ermäßigung der Strafe, die für die Geistlichen statt der für andere Personen festgestellten Strafe einer längeren polizei lichen Aufsicht eintreten sell. In Stelle der polizeilichen Aufsicht soll für die Geistlichen, welche sich solcher Vergehen schuldig machen, Ortsverweisung zulässig sein.

Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius: scheint nicht zu passen. Die polizeiliche Aufsicht, welche in 5. 31 unter No. 2 angedroht ist, ist eine Strafe, die nur da verhängt werden kann, wo sie das Gesetz vorschreibt. Etwas ganz Anderes ist es mit der Strafe im 8. 415, indem dort eine solche Orts⸗ und Bezirksverweisung erkannt werden soll, wenn die Landespolizei-Be⸗ hörde darauf anträgt. Das ist etwas ganz Anderes.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Allerdings ist das her Fall, es liegt eine große Garantie darin, daß nur vom Richter ausge⸗ sprochen werden kann, daß die polizeiliche Aufsicht bis auf Ortsver⸗ weisung ausgedehnt werden kann.

Referent Abgeordn. Frhr. von Mylius: Bei der Strafe der gewöhnlichen Polizeiaufsicht ist immer das Vergehen bezeichnet, bei wel⸗ chem sie eintreten soll. Hier ist nur gesagt, daß sie da stattfinden solle, wo auf Amtsentsetzung eikannt und die Landespoizei-Behörde es verlangt. Dies scheint mir keine Begünstigung zu sein. .

Abgeordn. Graf von Galen: Ich möchte der hohen Versamm— lung anheimgeben, ob allgemein auf jeden Staatsbürger angewandt eine Bestimmung angemessen erscheint, daß, wo die Behörde darauf anträgt, Jeder an einen bestimmten Ort verwiesen werden könne. Ich glaube nach unseren bisherigen Verhandlungen nicht, daß es im Sinne der hohen Versammlung liegt, jeden Staatsbürger solcher Verweisung zu unterwerfen. Warum aber denn den Geistlichen? Nicht dieser Bemerkung wegen allein, sondern hauptsächlich deshalb, weil der Herr Landtags-Kommissar in seiner letzten Rede, nach deren Schluß der Ruf zur Abstimmung keine weitere Aeußerung mehr zu— ließ, anzunehmen schien, als sei man im Grunde einig, und nur noch verschiedene unbedeutende, Nüancirungen in den Ansichten vorhanden. Diesem entschieden zu widersprechen sehe ich mich genöthigt, und er⸗ erkläre, daß ich es nie und nimmer billigen kann noch werde, daß von weltlichen Richtern über die Geistlichen als solche Strafe ver— hängt werde. Das einzige, was mir übrig blieb, meine Stimme, habe ich dagegen abgegeben, und gegen jede solche Meinung, wie die vom Herrn Landtags-Kommissar ausgesprochene, muß ich mich aus⸗ drücklich verwahren.

Fürst wilhelm Radziwill: Im Allgemeinen bemerke ich, daß namentlich hier dieser Paragraph, der sich auf Entfernung aus dem Lande bezieht, sehr hart treffen kann. Es ist von keinem Redner hervorgehoben, daß der katholische Geistliche keine andere Existenz, keinen anderen Lebensunterhalt hat, als seine Vocation. Wenn man ihn innerhalb des Landes verhindert, ein geistliches Am: zu verrichten, so ist er bei weitem härter getroffen, als ein jeder andere Staats⸗ bürger, als (s ein Ge stlicher der evangelischen Kirche sein würde, der nicht verhindert sein würde, einen anderen Lebensberuf zu ergreifen.

Die Vergleichung

wo er sich befindet, geduldet werden dürfe.

solle vor den weltlichen Richter

Zweite Beilage zur Allgemeinen Preußischen Zeitung.

——

Es bleibt ihm höchstens noch die Stellung als Hauslehrer übrig, die er bei der Weise, welche ihn von der Kirche ertheilt worden ist, an⸗ nehmen kann. Wenige mögen sich auch dazu eignen, Lie aus dem Amte entfernt werden. Es ist also diese Strafe der Entfernung aus dem Amte und dem Wohnsitze und der Trennung von den näheren Verwandten eine so hohe Strafe, wie sie keinen anderen Staatsbürger treffen kann, und diefe hier eintreten zu lassen, wo andere Strafen ausreichen könnten, scheint mir durchaus nicht gerechtfertigt.

Aorreferent Abgeordn. Naumann: Obgleich ich mich nicht für die in Frage stehenden Bestmmmungen erklärt, und durch ein Votum das Gegentheil zu erkennen gegeben habe, so muß ich doch in Kon⸗ sequenz des gefaßten Beschlusses die Annahme des Paragraphen empfehlen. Es handelt sich nicht um Willkür bei der Frage, ob ein Geistlicher aus einem Bezirke zu entfernen sei oder nicht, sondern darum, ob ein Geistlicher, der sein Amt mißbraucht, der deshalb be⸗ straft werden soll, der Sicherheit des Staates wegen an dem Orte, Ich würde, wenn es sich darum handelte, diese Strafe einzuführen, nicht dafür stimmen, weil ich alle' diese Strafen und daher auch das Gesetz, für bedenklich halte; aber wenn die Versammlung entschieden hat, der Geistliche gesteilt und gestraft werden deshalb—

weil er vermöge seines geistlichen Amtes einen gesährlichen Einfluß

ausübt, so muß man auch zugeben,

.

1

Herren, die sich dieser Bestimmung entgegensetzen, ein Mißverständniß

daß man weitergehen muß. Ich mache darauf aufmerksam, daß die Frage lediglich die ist: ob ein Geistlicher an einem bestimmten Orte gelassen werden dürfe, wenn er der öffentlichen Ruhe und Ordnung gefährlich wird. Ob er wegen anderer Verbrechen des Ortes zu vesweisen sei, ist etwas Anderes. Es wird sich kein Richter bewogen sinden, darauf zu erkennen, wenn jene Voraussetzung nicht zutrifft. Sollte dies zweifelhast sein, so würde ich nichts dagegen haben, im Gesetze ausdrücklich nur für diesen Fall die Entfernung vom Amte zuzulassen.

Abgeordn. von Auerswald: Ich glaube, daß bei den verehrten herrscht, was darch die Fassung veranlaßt worden ist. Es ist davon die Rede, daß Jemand aus seinem Bezüke gewiesen werden soll, es ist aber ganz dasselbe, wenn in §. 31 über polizeiliche Aussicht 4 gesagt ist: es kann ihm der Aufenthalt an bestimmten Orten unter sagt werden.

Abgeordn. von Byla: Ich erlaube mir die Bemerkung, daß

diese besondere Strafart, welche in dem Gesetz⸗Entwurfe nicht weiter

schrist des §. 31 Nr. 2

vorkömmt, auch hier nicht Platz sinden dürfte und glaube, daß es genügend, den Richter zu ermächtigen, statt dieser Strafe auf Stel⸗ lung unter besondere Polizeiaussicht zu erkennen, wo denn nach Vor⸗ des Entwurfs dem Verurtheilten auch der

Aufenthalt an bestimmten Orten von der Polizeibehörde untersagt

gierung soll dieser

ĩ J J

werden darf. (Große Unruhe.)

Abgeordn. von Auerswald: Auf eine andere Fassung würde das Gouvernement wohl eingehen.

Marschall: Stimmt also die Versammlung der Abtheilung bei? und die dirs thun, werden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Es erhebt sich ein großer Theil der Versammlung.) Dem Antrage ist beigestimmt. §. 416. Referent Abgeordn. Freiherr von Mylius (iest vor): „S. Mb.

Vergehen der Geistlichen gegen ihre Amts- und Standes pflich⸗ ten, welche nicht zugleich Verbrechen oder bürgerliche Amts vergehen (6. 412) sind, sollen von der geistlichen Behörde, nach den darüber für die verschiedenen Konfessionen bestehenden Anordnungen bestraft werden.“

„Zu 5§. 416.

Der Paragraph ward angegriffen, weil durch seine Beibehaltung die Stellung der Geistlichen in der evangelischen Kirche gefährdet werden könne, es sich übrigens von selbst veistehe, daß da, wo Dis⸗ ziplinen vorbehalten, in gesetzlicher Geltung beständen, diese nicht engefochten werden sollen.

Die Abtheilung beschließt einstimmig, den Paragraphen zum Weg⸗ fall in Vorschlag zu bringen. Endlich war die Abtheilung darüber einstimmig, den 27. Titel als solchen zum Ausfall in Vorschlag zu bringen, da die angenommenen Amendements am Ende des 26. Titels unter einem besonderen Marginale aufzunehmen, für zweckmäßig erachtet werden müsse.“ .

Marschall: Es ist weiter keine Veranlassung zur Abstimmung, da, wenn keine Bemerkung eifolgt, vorauszusetzen ist, daß die Ver⸗ sammlung der Erklärung des Reserenten und dem Anteage der Ab⸗ theilung beitritt.

Abgeordn. Graf von Schu erin: Ich bitte aber, abstimmen zu lassen.

Marschall: Dee Regierung hat schon erklärt, daß dem nichts entgegenstehe, daß der Paragiaph, der hier steht, wegsalle.

Justiz-⸗Minister Uhden: Nach den neuesten Vorschlägen der Re— Paragraph wegfallen.

Es ist keine Veranlassung zur Abstimmung mehr nächste Sitzung wird morgen 10 Uhr stattfinden. (Schluß der Sitzung 37 Uhr.)

Marschall: vorhanden. Die

1

Uichtamtlicher Theil. ß ͤ

Inland. Berlin. Verordnungen des General-Post-Amts. Köln. Die. Unruhen in Köln.

Dentsche Bundesstaaten. Königreich Bayern. Straßen- Tu mult. Beurlaubung des Ministers Bercks. Adressen der Bürger und Studirenden an den König. Königreich Sachsen. Antwort des Königs. Minister von Falkenstein nimmt seine Entlassung. König— reich Württemberg. Manisest des Königs. Großherzogth um Baden. Adresse der zweiten Kammer an den Großherzog. Antwor⸗ ten Sr. Königl. Hoheit darauf. Großherzogthum Hessen und bei Rhein. Ankunft des Erbgroßherzogs. Sitzung der zwei⸗ ten Kammer. Bekannimachung. Großherzogth um Sach⸗ sen - Weimar. Professor Dr. Eichstibt in Jena 4. Herzog— thum Nassau. Proclamation. Ankunft des Herzogs. Bewilli⸗ gung der Forderungen des Vols. Herzogthum Braunschweig. Petition an den Herzog. Freie Stadt Frankfurt. Die Preß⸗— freiheit verkündet? * Proclamation des Senats. Schreiben aus Frankfurt a. M. (Unruhen.)

Oesterreichische Monarchie. Preßburg.

Frankreich. Paris. Vermischtes.

Großbritanien und Irland. London. Die französischen Jlücht— linge. Das Lever des Prinzen Albrecht. Parlaments⸗-Verhandlun⸗= gen: Lord Palmerston's Vertheidigung seiner Politit. Irländische Som= pathieen mit Frankreich. Die Insel Jersey. Vermischtes.

Niederlande. Aus dem Haag. Kabinetsrath⸗Beschlüsse.

Belgien. Brüssel. Aenderung des Wahl-Census. Vermischtes. Gefetz-Entwurf lber fremde Münzen. Nachricht über Ludwig Philipp. Abschläglicher Bescheid an die Deputation aus Antwerpen. Ver— mischtes. Köln. Gerüchte von einem Auflauf in Brüssel.

Handels⸗- und Börsen⸗-Nachrichten.

—— *

Inland.

Berlin, 5. März. Das Amtsblatt des Königlichen Post⸗ Departements enthält die Verordnung, nach welcher die Porto⸗ Freiheit für milde Gaben für die Nothleidenden in Ober-Schlesien auf Paket⸗ sendungen über 40 Pfd., so wie für die Gegenstände, welche zur Lotterie, die zu Oppeln für die Nothleidenden veranstaltet ist, abge⸗ schickt werden, bewilligt ist; desgl. betreffend die Spedition der auf den Eisenbahnen zwischen Köln, Minden und Berlin und zwischen Hannover und Bremen zu befördernden Briefe und Fahrpost⸗Sendun⸗ gen; desgl. betreffend die Beförderung umfangreicher Pakete nach Desterreich; desgl., betreffend die Verwendung von Stempelbogen zu Privat-Eingaben.

Köln, 1. März. (Köln. Ztg.) Im Laufe des heutigen Vormittags sind noch zwei Personen (Dr. med. Gottschalk und der frühere Artillerie- Lieutenant Anneke), als an den gestrigen Vor⸗ fällen betheiligt verhaftet und Haussuchungen bei denfelben gehalten worden. Die Untersuchung ist in vollem Gange: einer der Herren Instructionsrichter ist besonders mit der Sache beauftragt worden.

Heute Nachmittag um 4 Uhr wurde folgende Bekanntmachung durch ein Extra⸗-Blatt in hiesiger Stadt verbreitet: .

„Mehr als die Erinnerung an die Ereignisse des gestrigen Abends, wie peinlich dieselbe auch gerade für die städtische Behörde sein muß, beschäftigt uns die Sorge um die Zukunft, die ängstliche Erwägung, wie leicht insbesondere aus Anlaß der bevorstehenden Volksfesté die Aufregung der Bevölkerung zu fremden und strafbaren Zwecken mißbraucht werden könnte.

„Zwar finden wir einen nicht geringen Trost in der Wahrneh⸗ mung, daß die an den gestrigen Ereignissen Betheiligten großentheils unserer Stadt völlig fremd waren, und daß die Entrüstung über die Unordnungen, deren Schauplatz der Versammlungsort der Vertreter der Bürgerschaft gewesen, in allen Klassen aufs entschiedenste sich ausspricht; um jedoch der Wiederholung ähnlicher Störungen der öffentlichen Ordnung um so sicherer vorzubeugen, so wenden wir uns an unsere Mitbürger mit der dringenden Bitte, es möge Jeder in seinem Kreise dahin wirken, daß die Aufregung der Gemüther nicht zur Verletzung der Ordnung und des Gesetzes verführe, daß Ruhe⸗ störungen, die besonders unter den gegenwärtigen Zeitumständen zu unabsehbarem Unglücke führen könnten, vermieden werden.

Sollten wider Verhoffen unruhige Auftritte sich erneuern, so er⸗ suchen wir aufs dringendste alle Mitbürger, für sich, ihre Untergebe⸗ nen und Angehörigen, von dem Orte der Ruhestörung sich fern zu halten; sie werden dadurch den Behörden die Erfüllung der ihnen obliegenden Pflicht erleichtern, nämlich die Gesetze aufrecht zu erhal⸗— ten und für die Sicherheit der Personen und des Eigenthumes zu sorgen.

Köln, den 4. März 1848.

Ober-Bürgermeister, Beigeordnete und Gemeinde-

Verordnete der Stadt Köln.“ Deutsche Bundesstaaten.

Königreich Bayern. (A. 3.) In München fanden am 2. März Abends unruhige Auftritte statt. Schon Nachmittags sagte

man sich an öffentlichen Orten, es werde dem Ministerverweser von Bercks, dem bekannten Anhänger der Gräfin Landsfeld, eine Katzen⸗ musik gebracht werden. In der That begaben sich gegen halb 8 Uhr viele junge Leute nach der Ludwigsstraße, wo v. Bercks in dem Da⸗ menstiftsgebäude, gegenüber der Bibliothek, wohnt. Es begann ein fürchterliches Pfeifen und Schreien: Pereat! Nieder nit Bercks! hörte man über eine halbe Stunde lang schreien, während ein fort⸗ währender Steinregen nach dem Hause, in welchem Bercks wohnt, gerichtet war. Der sich immer vermehrende Haufen wollte das Haus⸗ thor einrennen, was indessen nicht gelang, jedoch wurden viele Fenster und die Laternen in der Umgegend zertrümmert. Prinz Karl Königl. Hoheit begab sich zu Fuß die Ludwigsstraße hinab und war kurze Zeit Zeuge dieser Scenen. Später bemerkte man auch die Minister⸗ derweser Fürst Wallerstein und v. Beisler die Ludwigestraße hinab gehen. Gendarmen ließen sich bei dem ganzen Vorfall, der an Stunden dauerte, nicht blicken; nur drei Militairpatrouillen zu je fünf Mann waren sichtbar, konnten aber nichts unternehmen. Sobald eine solche Patrouille erschien, erscholl ein dreimaliges Hoch dem Militair. Erst gegen 9 Uhr der schreiende und pfeifende Haufen nach der inneren Stadt zurückkehrte, begegnete man an der Feldherrenhalle Kürassier⸗Abtheilungen. Es wurden noch am Ministerium des Innern, dann am Polizeigebäude einige Fenster ein⸗ geworfen, doch gelang es jetzt bald, die Haufen zu zerstreuen und Ruhe herzustellen, da mehrere Straßen von den Käürassieren abgesperrt wurden. Sehr bald versammelten sich aber in entlegenen Straßen, im Thal, der Sendlinger- und Rosengasse ꝛc. wieder starke Volks⸗ haufen, die unter fortwährendem Geschrei Fenster und Laternen zu⸗ sammenschlugen. Große Massen bildeten sich auf dem Schrannen⸗ platze. Die Kürassiere, welche nun alle ausrückten, konnten in vielen Straßen nicht durchkommen, da man durch umgeworfene Wagen die⸗ selben sperrte. Der Tumult nahm einen ernsten Charakter an, so daß um 1095 Uhr Nachts Generalmarsch geschlagen wurde. Die Of⸗ fiziere der Linie eilten in ihre Kasernen, die Landwehr (Bürgermili⸗ tair) nach ihrem Versammlungsplatz, und bald sah man nun zahl⸗ reiche Patrouillen der Linie und Landwehr umhermarschiren, während viele Straßen abgesperrt wurden. Um Mitternacht waren noch viele Leute in den Straßen, doch hörte man nur noch wenige schreien, so daß wohl bis 1 Uhr die Straßen geräumt waren. Es ist gestern sagt man, eine Adresse an den König berathen worden, in

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Abend, so s welcher besonders um Einberufung der Stände des Neichs gebeten wird, und die heute von den Bürgern unterzeichnet werden soll. Die Münch. polit. Ztg. meldet, daß dem Minister⸗Verweser des Innern, Staatsrath von Bercks, ein Geschästs⸗ Urlaub bis zu Ende dieses Monats ertheilt und der Staatsrath von Voltz mit der Leitung des Ministeriums des Innern beauftragt worden ist. Die Studirenden der münchener Uiniversität haben Sr. Majestät dem Könige nachstehende Adresse, die Bildung eines Freicorps aus Studirenden betreffend, überreicht: . . 5 „Allerdurchlauchtigster! Das Vaterland ist in Gefahr, die BVonrbonen haben aufgehört zu regieren; Frankreich ist eine Nepublit! Ihre Streiter, voller Begeisterung, krlegsgeibt, unter erfahrenen Führern, bediohen unseie Gauen. Die Weligeschichte verkünde es mit lauter Stimme: Volks-Ideen lassen sich nur mit Volks-Ideen bekämpfen. In allen dentschen Landen werde getagt; aus den Landtagen erhebe sich ein deutsches Parlament. All⸗ gemein? Vells bewaffnung, freie V Aksversammlungen, unbedingtes Associa⸗ fionsrecht, Freiheit der Gedanken durch die entfesselte Presse, Oeffentlichkeit und Mündlichkeit im Gerichtsverfahren mit Anklage ferm und Geschwornen⸗ gericht feien die mächtigen Hebel eines einigen, freien Deutschlands zum Schirm und Schutz gegen West und Ost. Kein Kampf gegen die, Republik Frankreich, so lange sie unsere Gränzmarken achtet; wenn nicht, ein deut scher Kampf ohne Hülfe der Nussen; im Falle unvermeidlicher Wahl zwi⸗ schen Frankreich und Rußland, für Frankreich gegen Rußland. Dies die

Wünsche, welche eine deutsche, fürs Vaterland begeisterte Jugend an den