1848 / 69 p. 7 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

re das richtige Maß seien, darüber kann allerdings gestritten 2 aus 2 g n , des Einzelnen; gan e zusammen⸗ kommen und beide vereinigen, wird Jeder von demjenigen, was seiner Ansicht nach zweckmäßiger ist, etwas abgeben müssen, damit eine ge⸗ meinschaftliche Gränze gezogen werde. Ich verkenne nicht, daß hier die Ansichten in den verschiedenen Provinzen wesentlich von einander abweichen, nach dem bis jetzt in der Rheinprovinz bestehenden Rechte ist die geringste Zuchthausstrafe fünf Jahre, in den alten Provinzen ist sie eine . geringe, ich glaube, sie hat die Dauer von sechs Monaten oder noch weniger. Ich glaube nun aber, es wird gerade das von dem Gouvernement vorgeschlagene Strafmaß von drei Jahren das geeignete sein, um eine Ausgleichung zwischen den ver⸗ schiedenen Ansichten und den verschiedenen Gefühlen zu bilden, ich bin daher ganz entschieden für Beibehaltung des von der Staats⸗ regierung gemachten Vorschlages. Ich glaube, daß er zweckmäßig ist, um die Ansichten, welche wesentlich hier auseinander laufen, wenn namentlich eine Gefühlssache zu Grunde liegt, in angemessener Weise zu vermitteln, und ich würde nicht dafür m ner können, eine Er⸗ niedrigung der Zuchthausstrafe herbeizufühen. Meine Herren, wir müssen von dem Gesichtspunkte ausgehen, daß es sich um eine Strafe handelt, mit welcher der Verlust der bürgerlichen Ehre für immer verbunden ist, und daß wir den Werth der bürgerlichen Ehre ver— kennen würden, wenn wir eine zu geringe Freiheitsstrafe festsetzten. Abgeordn. Grabow: Ich schließe mich der Ausicht an, daß das Minimum der Zuchthausstrafe auf ein Jahr festgestellt würde, und falls dieses Amendement nicht durchgehen sollte, dann würde ich dem Amendement beitreten, welches das Minimum auf zwei Jahre festgesetz, wissen will. Ich glaube nämlich, daß wir bei Festsetzung des Minimums der Zuchthausstrafe doch etwas mehr auf die alten Provinzen Rücksicht nehmen müssen, in welchen dem Landrechte zufolge, wie der Herr Korreferent bereits angedeutet hat, bei Anwendung der Zuchthausstrafe sehr niedrige Minima bisher zulässig waren. Wenn wir aber aus unserem Entwurfe, nach Anleitung des Abtheilungs⸗ Gutachten, diejenigen Fälle näher ins Auge fassen, in welchen über— haupt nur Zuchthausstrafe ohne Minimum angeordnet ist, so sind dergleichen einzelne Verbrechen im Vergleich zu dem Allgem. Landrechte im Strafmaße ungemein hoch gesteigert. Ich greife von den im Gut⸗ achten allegirten Vorschriften zuerst den 5. 153 heraus; er betrifft den Meineid. Das Landrecht hat für den Meineid im 8. 1405 eine Zuchthausstrafe von einem bis drei Jahren angeordnet, nach unserem Entwurfe steigt die Strafe, wenn ich das Minimum von drei Jahren Zuchthaus annehmen soll, von drei bis funfzehn Jahren, also wir fangen mit dem Entwurfe da an, wo das Landrecht aufgehört hat. Der zweite Fall ist im 8. 187 des Entwurfes in Betreff der Kup⸗ pelei enthalten. Die Kuppelei wird nach dem Landrecht im §. 996 mit sechs Monaten bis zu zwei Jahren Zuchthaus bestraft und nur, wenn sie gewerbsmäßig betrieben wird, kann die Strafe bis auf drei Jahre gesteigert werden. Wir haben aber für die Kuppelei „Zuchthaus bis zu fünf Jahren“ im §. 187 stehen lassen und fangen sonach mit einem Minimum an, welches bisher als Maximum galt. Ich gehe auf den Diebstahl über. Der gewaltsame Diebstahl wird nach dem Allgemeinen Landrechte §. 1165 bestrast mit sechs Monaten bis zu drei Jahren Zuchthaus. Die Cirkular⸗Verordnun schärft die Strafe im Minimum bis zu einem Jahre. Nach dem kun gehört der gewaltsame Diebstahl zum schweren Diebstahl (5. 270), er wird dar nach mit „Zuchthausstrafe bis zu zehn Jahren“ bestraft, mithin mit einem Minimum von drei Jahren, wesches die höchste Strafe des Landrechts ist. Für denjenigen Fall des Münzverbrechens, dessen der 8. 304 des Entwurfes gedenkt und der mit „Zuchthausstrafe bis zu fünf Jahren“ bestraft wird, ist im 8. 263 des Landrechts als höchste Strafe eine vierjährige Zuchthausstrafe normirt. Wir nehmen aber schon drei Jahre Zuchthaus als Minimum an, schärfen also das Land recht sehr bedeutend. Diese Beispiele mögen genügen. Außerdem kommt aber noch die Strafe des Rückfalls in Mitbetracht. Beim zweiten Rückfall tritt nach der Lehre von dem Diebstahl und der Unterschlagung (8. 276), der Hehlerei (8. 291), dem Betruge (§. 298), der Urkundenfälschung (8. 317) Zuchthausstrafe ein. Es ist aber die Rückfallsstrafe nach den allgemeinen Bestiumungen im ersten Theile S. 75 sq. schon ohnehin zur Hälfte der höchsten Strafe geschärft. Dadurch kommen wir zu einem Minimum, welches in den landrecht— lichen Bestimmungen in seltenen Fällen als Maximum ausgesprochen worden ist. Ich gebe zu, daß in der Rheinprovinz die Zuchthauns⸗ strafe im Minimum fünf Jahre beträgt. Wir haben vielfache Ver⸗ schiedenheiten zwischen den alten Provinzen und der Rheinprovinz aus— zugleichen versucht. Die alten Provinzen sind in solchen Differenz punkten jeder Zeit der Rheinprovinz freundlich entgegen gekommen; ich glaube aber, daß da, wo es sich darum handelt, eine mildere Strafe zu bestimmen, die alten Provinzen sich mehr ihrem Landrechte zu nähern haben dürften, und bitte die hohe Versammlung, dem Antrage, das Minimum der Zuchthausstrafe auf ein Jahr festzusetzen, ihren Beifall zu schenken.

Nach dem vorgelegten Entwurfe ist festgestellt, daß die Gefäng— nißstrafe, Strafarbeit und Zuchthausstrafe, diejenigen Freiheitsstrafen sein sollen, auf welche erkannt werden soll. Die Gefängnißstrafe setzt kein Minimum, die Strafarbeit drei Monate als Minimum voraus, die Zuchthausstrafe würde mit einem Jahre im Minimum sich ganz passend der Klimax anschließen. Die Äbstufungen im Minimum? dei verschiedenen Strafgattungen werden konsequent um deshalb normirt, weil nach den Vorschriften des allgemeinen Theils §. 9 sq. die Zuchthausstrafe eine intensiv schwerere Strafe sein soll, als die Straf⸗ arbeit und diese wiederum intensio schwerer ist als die Gefängniß— strafe. Tritt nun aber außerdem der Verlust der Ehrenrechté für immer bei der schon an sich schwersten Strafart hinzu, so wird eine

einjährige Zuchthausstrafe als Minimum ganz gewiß als intensiv hart genug erscheinen. Wenn man das Minimum einer Strafe zu hoch schraubt, so schärft man das Strafmaß unbedingt. Wir sehen aus dem Entwurfe, daß hohe, sehr lange Freiheitsstrafen festgestellt sind. Sie werden in der Praxis selten in ihrem äußersten Maximum zur Anwendung kommen. Wenn der Richter aber im Minimum immer auf drei Jahre zu erkennen gezwungen ist, so hat dies doch auch seine Schwierigkeiten. Der Richter möchte in einzelnen geringfügigen Fällen oft gern argumentiren: ich wollte wohl eine geringere Strafe erken= nen, aber das Gesetz zwingt mich zum Ausspruch einer harten Strafe. Der Richter wird Milderungsgründe hervorsuchen, er wird, wo es ihm das Gesetz erlaubt, lieber zur Strafarbeit greifen, als zur Zucht— hausstrafe, und doch möchte in einzelnen Fällen wohl angemessen sein, daß auf Zuchthausstrafe erkannt werde. Ich beziehe mich endlich noch auf den Entwurf von 1843. In ihm ist das Minimum der Zuchthausstrafe auf ein Jahr festgesetzt. Die Rheinprovinz hatte ihre Kompetenz⸗Verhältnisse besonders im Auge und deshalb gebeten, man möchte mit dem Minimum der Zuchthausstrafe etwas höher gehen. Der Entwurf von 1845 ist dem nachgekommen und hat das Minimum der Zuchthausstrafe auf zwei Jahre angenommen. In den Motiven zu diesem Entwurfe ist ausgeführt, daß dadurch, daß das Minimum der Zuchthausstrafe von einem auf zwei Jahre festgestellt sei, für die Rheinprovinz jeder Konflikt fortfalle. Ich würde sonach mit Rücksicht auf alle diese Gründe bitten, baß die hohe Versamm— 2 im Interesse der alten Provinzen das Minimum der Zuchthaus strafe herunterzusetzen sich bewogen fühlen möchte.

Korreferent Abgeorbn. Freiherr von Mylius: Ich muß mir

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einige Bemerkungen gestatten, hinsichtlich eines Theiles der Aussüh⸗ rung des Abgeordneten. Es ist gesagt worden, es liege in der Er= höhung der Zuchthausstrafe bis zu 3 Jahren eine bedeutende Be=

ng gegen den früheren Entwurf; ich glaube aber, daß der Abgeordnete bereits in dem einen Theile seiner Gründe, die er vor= getragen, das 8 selbst anerkannt hat. Wenn die Zucht⸗ hausstrafe bis auf 3 Jahre erhöht wird, so kann der Richter aller⸗ dings fragen: Ist ein Fall vorhanden, in welchem auf 3 Jahre zu erkennen ist? Er wird mit der schweren Strafe des Zuchthauses sparsan umgehen, und lieber Strafarbeit erkennen, und zwar mit gutem Rechte, denn in einer hohen Zuchthausstrafe liegt die Garan- tie, daß mit der allerschwersten Strafe, dem Verluste der bürgerlichen Ehre, bedachtsam umgegangen wird, während bei einem geringen Strafmaße die Garantie fehlt.

Abgeordn. Freiherr von Patow: Ich trete dem bei, was der Korreserent ausgeführt hat. Die Herabsetzung des Minimums der Zuchthausstrafe auf 1 oder 2 Jahre kann oft eine sehr wesentliche Schärfung der Strafe, namentlich in Ansehung der Ehrenrechte, her⸗ beiführen. Wenn nämlich das Gesetz alternativ Zuchthausstrafe oder Strafarbeit vorschreibt, und das Maximum der Strafe 5 Jahre be⸗ trägt, so kann, wenn das Minimum der Zuchthausstrafe auf 1 oder 2 Jahre festgestellt wird, der Richter auf 1 resp. 2 Jahre Zucht⸗ hausstrafe erkennen, welche den Verlust der Ehrenrechte mit sich führt, während bei Beibehaltung des Minimums von 3 Jahren für die Zuchthausstrafe die Verurtheilung zu einer Freiheitsstrafe von 1 oder 2 Jahren den Verlust der Ehrenrechte nicht mit sich führt. Ich er⸗ blicke daher in der Herabsetzung des Minimums der Zuchthausstrafe auf ein oder 2 Jahre eine Strafverschärfung, und stimme deshalb für den Entwurf. ‚.

Abgeordn. Dittrich: Der Schlußsatz des Herrn Korreferenten bezieht sich nur auf die Fälle, in denen der Richter die Wahl hat, zwischen Zuchthaus und anderen Strafen. Er hat aber in vielen Fällen diese Wahl nicht. Es ist weiter angeführt worden, daß wir bei Durchgehung der Strafen des Entwurfs ein Minimum von drei Jahren angenommen haben, welches bei der Zuchthausstrafe eintreten könnte. Ich bestreite das. Die heutige Debatte beweist, daß diese Frage erst heute entschieden werden soll. Weiter hat der Herr Kor— referent gesagt, es dürfe nicht eine zu geringe Strafe mit dem Ver— luste der bürgerlichen Ehre verbunden werden. Ich stimme dem bei. Wir müssen aber in strenger Befolgung dieses Grundsatzes denselben bei der Strafarbeit nicht fakultativ zulassen, was doch beschlossen ist. Nachdem auch bei Strafarbeit auf Verlust der Ehre erkannt werden kann, so steht dieser Herabsetzung der Zuchthausstrafe durchaus nicht entgegen. Endlich muß ich mich auch beziehen auf ein Motiv des Gutachtens und auf das, was der Herr Referent in Beziehung auf die Rheinprovinz gesagt hat. Es ist dieses bereits von einem Redner vor mir theilweise widerlegt; ich widerlege es aber auch, weil das materielle Recht nicht untergeordnet ist der Form des Verfahrens, sondern das Verfahren dem materiellen Rechte folgen muß. Deshalb kann ich meinen Antrag auf Herabsetzung der Zuchthausstrafe nicht zurücknehmen. Endlich ist noch anzuführen, daß, weil das mindeste Strafmaß in den alten Provinzen bedeutend milder gewesen ist, diese Provinzen nicht verpflichtet sind, Einer Provinz nachzugeben. Wir dürfen vielmehr hierin wohl von unseren Brüdern in der Rheinprovinz ein Entgegenkommen erwarten.

Abgeordn. von Auerswald: Wenn es zum Abstimmen kommt, verzichte auf das Wort.

(Abstimmen, abstimmen!)

Marschall: Die erste Frage ist darauf zu richten, ob beantragt wird, das Minimum der Zuchthausstrafe auf ein Jahr festzusetzen; die zweite eventuelle Frage auf den Vorschlag, das Minimum auf 2 Jahre festzusetzen. Würde diese verneint, so wäre eine weitere Veranlassung zur Fragestellung nicht vorhanden, weil es dann beim Vorschlage des Entwurfs bewenden wird. Diejenigen, welche bean— tragen, l ; daß das Minimum der Zuchthausstrafe auf ein Jahr fest— gesetzt werden möge, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben.

(Ein Theil der Versammlung erhebt sich.) Die Majorität hat sich nicht dafür ausgesprochen. Diejenigen, welche beantragen, daß das Minimum der Zuchhausstrafe auf zwei Jahre fest— gestellt werden möge, würden es durch Aufstehen zu erkennen geben. (Das Resultat der Abstimmung ist zweifelhaft.) Ich bitte, die Zählung vorzunehmen. (Dies geschieht.) Mit Ja haben gestimmt 47, mit Nein 46. Referent Abgeordn. ö vor): 9 9

In der 16. Sitzung am 9. Februar cr. hatte der Abgeordnete Camphausen bei Diskussion des 8. 155 zur Sprache gebracht, daß es das gerichtliche Untersuchungs-Verfahren in der Rheinprovinz wesent— lich beeinträchtigen werde, wenn §. XVII. des Competenz-Gesetzes angenommen würde,

wonach die Zeugen bei ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungs—⸗ richter nur „geloben“ sollen: „die ganze Wahrheit, nichts als die Wahrheit, zu sagen.“

Gegenwärtig würden die Zeugen in der Voruntersuchung ver— eidigt, und wenn dies fortfiele, so würde, die Voruntersuchung alle Zuverlässigkeit verlieren. Es sei nothwendig, die Vereidigung beizu— behalten, und dann frage es sich, .

wie es gehalten werden solle, wenn ein Zeuge in der Vorunter— suchung , geschworen habe. .

Der Abgeordnete Camphausen hat vorgeschlagen, hinter dem

§. 153 folgende Bestimmung aufzunehmen: „Wenn in einer Strafsache ein eidliches Zeugniß in einem Vor— verfahren abgelegt ist, so kann in dem Falle, wo nicht auf Grund des Vorverfahrens die fernere Untersuchung eingestellt wird, nur wegen des in dem Hauptverfahren abgelegten falschen Zeugnisses eine Bestrafung eintreten.“

Gegen diesen Vorschlag ist besonders geltend gemacht worden, daß dadurch der Eid in seiner Bedeutung verlieren werde, und daß es angemessen sei, die Bestimmung des §. XVII. des Competenz— Gesetzes anzunehmen, da, wenn der Zeuge in der Voruntersuchung nicht vereidigt werde, der Fall des Meineides in der bezeichneten Weise nicht vorkommen könne. Wisse der Zeuge, daß er in der öffentlichen Schlußsitzung seine früher beschworene Aussage ändern könne, so werde er sich nicht ängstlich an die Wahrheit hallen. An dererseits wurde zwar bemerklich gemacht, daß der Zeuge sich hierauf nicht verlassen dürfe, weil er, wenn es nicht zur öffentlichen Schluß— sitzung komme, wegen Meineids belangt werben könne; die Abthei— lung hat sich indeß mit 11 gegen 3 Stimmen dafür entschieden,

daß auf den Vorschlag des Abgeordneten Camphausen nicht ein⸗ gegangen werden möge.

Korreferent Abgeorbn. Freiherr von Mylius: Ich muß anheim— stellen, ob die Frage von der Versammlung nochmals aufgenommen

wird. Sie ist eine von den Punkten, wo die Ansichten ganz aus⸗ einander gehen; wo eine * 2 und Einigung n , . lich schwer zu erreichen ist. Das rheinische Recht geht dahin, daß

nur der Eid bestraft werden kann, der öffentlich abgelegt wird. Mit diesem ist die Thatsache, daß der Eid re s 22 Nur durch Leistung des Eides in öffentlicher Sitzung ist, wenn der Eid falsch geschworen wird, das Verbrechen des Meineides begangen. Es würde die Zeugen in die Unmöglichkeit setzen, abweichende Aenderungen zu machen, und es würde das Wesen der öffentlichen Verhandlung, das darauf beruht, daß in der öffentlichen Verhand= lung die volle Wahrheit zur Anschauung kommen kann, vernichtet werden. Die Ermittelung der Wahrheit ist Zweck der Untersuchung und es sind durch den akfusatorischen Prozeß in der Rheinprovinz die größten Garantieen gegeben durch die Verhandlungen, indem die Voruntersuchung zur öffentlichen Verhandlung hinzutritt. Es werden in der Voruntersuchung die Materialien gewonnen. Diese setzen das Gericht in den Stand, wenn die öffentliche Verhandlung beginnt, die einzelnen Zeugen durch Vorhalten oder Zusammenstellen mit an— deren Zeugen dahin zu bringen, die volle Wahrheit zu sagen. Man würde mit diesem Prinzip in Widerspruch treten, wenn man sagen wollte, es bilde das, was der Zeuge in der Voruntersuchung gesagt habe, einen selbstständigen Zeugeneid. Dieses kann nach dem Ver— fahren der Rheinprovinz nicht gebilligt werden, und in diesem Sinne ist der Antrag, welchen der Abgeordnete der Stadt Köln gestellt hat, auf das Vollständigste gerechtfertigt. Es scheint dieses auch von der Staatsregierung anerkannt zu sein, und es wird in §. 17 des Einführungsgesetzes Aussicht auf dessen, Erfüllung gegeben. Ich halte es aber für eine höchst bedenkliche Maßregel. Es wird die Grundlage vernichtet werden, worauf die öffentliche Verhandlung gebaut werden muß. Es hängt mit den Kompetenzbestimmungen zu— sammen. Schwere Verbrechen werden nämlich immer, wenn Ge— schwornengerichte existiren, eine Anklage voraussetzen, und Garantieen gesucht werden müssen, und hier müssen auch für die Verfolgung der Verbrechen die größten Garantieen geboten werden; diese aber, wie im §. 17 geschieht, auf einmal aufzugeben, und an die Stelle der religiösen Verpflichtung ein bloßes Gelöbniß zu setzen, halte ich be— denklich für die Rechtspflege und muß darauf beharren, ob der An— trag, so wie er in der Abtheilung gestellt worden ist, hier unter— stützt werde.

Abgeordn. Dittrich: Ich glaube, daß die Frage in Bezug auf den Antrag für uns sehr wichtig ist. Ich bin ein Feind der Ver— vielfältigung der Eide, und glaube, daß, wenn der Antrag durch— geht, eine Vervielfältigung entsteht, die nicht nothwendig ist. Wenn der Eid in der Voruntersuchung nicht gestraft werden soll, wenn ihn der Zeuge in öffentlicher Sitzung ändern kann, dann finde ich keine Garantie darin, sondern die Aussage ist weniger glaubhaft und nur einem unbeeideten Zeugniß gleich. Ich stimme deshalb mit der Mehr— heit der Abtheilung gegen den Antrag.

Abgeordn. Graf von Renard: Der geehrte Herr Referent hat sich darauf berufen, daß das Gouvernement annähernd derselben Mei⸗ nung sei, wie der Abgeordnete aus der Rheinprovinz in der Abthei— lung den Antrag gestellt hat. Es liegt hier einer jener Gegenstände vor, wo nicht das Prinzip die Ansicht entscheidet, sondern wo die Erfahrung von Männern, welche ihr ganzes Leben diesem Studium und gleichzeitig der ausübenden Verwaltung gewidmet haben, für mich entscheidend ist; so erlaube ich mir die Bitte: die geehrten Herren Kommissarien der Regierung wollen sich darüber aussprechen, ob ihre Ansicht sich dem Antrage des Mitgliedes aus der Rheinprovinz an nähert, in welchem Falle ich keinen Anstand nehmen würde, den An— trag gleichfalls zu unterstiitzen. . ö J

Regierungs-Kommissar Bischoff: Es ist im §. XVII. des Kom— petenz-Gesetzes bestimmt, daß die Zeugen nur geloben sollen, die ganze Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen. Es wird dadurch die rheinische Strasprozeßordnung abgeändert, wonach auch in der Voruntersuchung eine förmliche Vereidigung der Zeugen er folgen kaun

Abgeordu. Graf von Renard: Das Gouvernement theilt also die Ansicht des geehrten Herrn Referenten nicht?

Regierungs-Kommissar Bischoff: Nein, sie ist es nicht.

Abgeordn. Camphausen: Ich habe nicht früher um das Wort gebeten, weil ich einen hoffnungslosen Kampf führen müßte, und ich kann nur bedauern, daß durch den bevorstehenden Beschluß bedeutend von einer Ansicht abgewichen wird, die in der Rheinprovinz durch eine langjährige Erfahrung begründet ist, und von der man sich auch nicht trennen wird. Es werden durch den Beschluß große Uebel— stände für dort bestehende Verfahren erzeugt werden.

Abgeordn. Graf von Schwerin: Ich hatte mir vorher schon das Wort erbeten, als der Herr Referent sagte, es stehe sich hier das rheinische Recht dem der älteren Provinzen gegenüber, ich habe aber, um die Verhandlung nicht zu verlängern, darauf verzichtet; nachdem jedoch der Abgeordnete der Stadt Köln darauf zurückgekommen ist, muß ich mir die Bemerkung erlauben, daß ich glaube, annehmen zu dürfen, daß die Vorschläge, die das Einführungsgesetz enthält, berathen sind mit den rheinischen Juristen und nur auf Grund dieser Bera— thung aufgenommen worden sind, also man nicht sagen kann, es sei absolut die Meinung, es geht so für die Rheinprovinz nicht auf diese Weise.

. Camphausen: Daraus ist nur zu folgern, daß die Vorschläge, die von den Rheinländern gemacht sind, seitens der Re⸗— gierung keine Annahme gefunden haben, und daß fein anderer Aus⸗ weg blieb, als das vorzuschlagen, was vorgeschlagen worden ist. Eine andere Folge, müßte ich bitten, nicht daraus abzuleiten.

Korreferent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Da habe ich allerdings zu bemerken, daß der Abtheilung seitens des Gouverne—⸗ ments nichts mitgetheilt worden ist über das Resultat der Vorbera— thung mit den rheinischen Juristen.

Regierungs-Kommissar Simons: Wie Sie vernommen haben, findet nach der rheinischen Prozeß⸗-Ordnung eine doppelte Vereidigung der Zeugen statt, einmal vor dem Untersuchungsrichter, sodann im Hauptverfahren vor dem eigentlichen Strafrichter; die Eide, die in beiden Fällen geleistet werden, sind wesentlich dieselben. Wenn nun gleich eine Verordnung der vormaligen Immediat⸗-Justiz-Kommission vorgeschrieben hat, eu die religiöse Form bei dem zweiten Eide hin— zutreten soll, so besteht doch dem Grundsatze nach kein Unterschied; der eine Eid soll ebenso für verbindlich erachtet werden, wie der andere. Man nimmt aber gleichwohl nicht an, daß eine Verletzung des Eides, der vor dem Untersuchungsrichter abgelegt ist, eine Ver⸗ folgung wegen Meineides begründe. Der krininal politische Zweck dabei besteht darin, daß dem Zeugen die Rückkehr zur Wahrheit . verschränft belassen werden solle. Es ist auch wesentlich erforderlich bei dem mündlichen und öffentlichen Verfahren, daß da, wo die eigent⸗ liche Entscheidung gefällt wird, wo nach dem Zusammentreffen aller Beweis- und Ueberführungsmittel eine Ueberzeugung über die Schuld oder Unschuld sich bilden soll, den Zeugen jede Möglichkeit, die Wahr heit zu sagen, oder, wenn sie sie verletzt haben, zu ihr zurückzukehren, in kelner Weise verschränkt werde. Die jetzt bestehende Gesetzgebung hat dies dadurch zu erreichen gesucht, daß sie eine Verfolgung wegen Meineides nur dann zuläßt, wenn die Verletzung des Eides stattge⸗ funden hat bei einer Aussage, die zu Gunsten oder zum Nachtheile eines Angeklagten oder Beschuldigten abgelegt worden ist. Es ist dadurch der Punkt des Verfahrens genau bezeichnet, den ich so eben erwähnt habe, nämlich der, wo der Beschuldigte vor den eigentlichen Strafrichter, sei es durch einen Beschluß des Anklage—⸗

senats, verwiesen, sei es durch einen Beschluß der Strafrathakammer, oder sonst in gesetzlicher Weise gebracht worden ist. Es können nur zwei Wege gewählt werden, um den Zweck, wie er bezeichnet worden ist, ferner zu erreichen; einmal derjenige, der von dem Abgeordneten der Stadt Köln angegeben worden ist, und dann derjenige, den der Vorschlag der Regierung umfaßt. Der erstere behält im Wesent⸗ lichen den bestehenden Zustand bei, er fügt nur hinzu, daß eine Ver⸗ folgung wegen Meineides auch stattfinden soll, wenn auf Grund des vor dem Untersuchungsrichter stattgehabten Vorverfahrens eine Sisti= rung des Verfahrens eingetreten ist, indem man annehmen könnte, daß alsdann der Meineid wenigstens einigermaßen eine definitive und oft nicht mehr reparable Folge gehabt habe. Schon bei anderer Gelegenheit habe ich erklärt, 3a diese Auffassung dem deutschen Strafrecht entgegen ist, indem dieses, abweichend von den französischen Rechtsgrundsätzen, welche eine Vollendung des Verbrechens erst an⸗ nehmen, wenn das Hauptverfahren eingetreten ist, im Gegentheile den Gesichtspunkt festhält, ob überhaupt eine abgegebene Aussage mit dem eidlichen Versprechen, die Wahrheit zu sagen, bestärkt worden ist. Der zweite Ausweg, der seitens der Regierung vorgeschlagen worden ist, besteht nun darin, die eigentliche Vereidigung in der Form des Eides in der Voruntersuchung abzuschaffen und von dem Zeugen nur zu fordern, daß er gelobe, die Wahrheit zu sagen. Es wird hierbei allerdings vorausgesetzt, daß der Zeuge sich moralisch verpflichtet erachte, eben so gut die Wahrheit zu sagen, wenn er das Versprechen mit einem bloßen Gelöbniß, als wenn er es in eidlichen oder religiösen Formen bestärkt hätte. Eine solche unter einem bloßen Angelöbniß, die Wahrheit zu sagen, abgegebene Aussage soll überall nicht nur in der Seele des Schwö⸗ renden, sondern auch vor dem Richter, wenn er es für nöthig erach— ter, darauf zurückzukommen, dieselbe Bedeutung wie jetzt, der Eid im Vorverfahren haben. Das letztere kann vorkommen, wenn ein Zeuge vor dem Hauptverfahren gestorben ist, oder wenn er aus anderen Gründen nicht mehr herbeigeschafft werden kann, so daß zu dem Auskunftsmittel gegriffen werden muß, statt den Zeugen zu hören, seine Aussage zu verlesen; eine durch bloßes Gelöbniß bestärkte Aus⸗ sage soll ebenfalls als Beweismittel angerufen werden können, damit der Richter darauf dasselbe Gewicht lege, welches er überhaupt einer Aussage beimessen wird, welche nicht in seiner Gegenwart und nicht in der Zusammenstellung mit den übrigen Beweis- und Ueberfüh⸗ rungsmittel abgegeben worden ist. Es soll auf diese Weise allerdings auch erreicht werden, daß auf eine leichtsinnige Aussage weder eine Verweisung vor den Strafrichter noch eine Verurtheilung erfolge. Am Ende wird die ganze Frage also davon abhängen, ob die hohe Versammlung annimmt, daß dieser Weg ein entsprechender ist, ob man annehmen kann, nach dem sittlichen und religiösen Bildungs⸗ zustande, auf welchen das Volk sich befindet, daß ein Gelöbuiß, welches der Schwörende blos in der oben angegebenen Form abge⸗ geben hat, ihn in seinem Gewissen ebenso verbinden wird, wie das Gelöbniß, was er in Eidesform abgelegt hat, jedoch mit der gleich—⸗ zeitigen Unterstellung, daß die Verletzung einer in die ser Form ab— gegebenen Aussage eine Verfolgung und Bestrafung nicht nach sich ziehen werde. Ich glaube, daß auf diese Betrachtung sich die ganze Frage, welche zu lösen ist, reduziren wird. ö

(Ruf zur Abstimmung.)

Justiz-Minister von Savigny: Es liegt in der Natur des mündlichen Verfahrens, daß alles Gewicht, alle Sicherheit soviel möglich konzentrirt werden muß auf dasjenige, was vorgeht vor dem erkennenden Richter, daß alles Uebrige blos Vorbereitung ist. In— sofern nun Zeugenaussagen dabei vorkommen, geschieht es gewöhn— lich, daß Zeugen zweimal vernommen werden, vor dem vorbereitenden Richter und vor dem erkennenden Richter; nun ist es möglich, daß ein Zeuge vor dem vorbereitenden Richter Etwas aussagt, was der Wahrheit nicht gemäß ist, und nach dem eben ausgesprochenen Prin— zipe liegt es im Interesse dieses Verfahrens, daß ihm eine Rückfehr zur Wahrheit möglichst erleichtert werde. Wie kann dies geschehen? Dazu giebt es, wie schon in mehreren Vorträgen erwähnt ist, zwei Wege; der eine Weg, der im Entwurfe vorgeschlagen worden ist, daß man in der Voruntersuchung die Zeugen verninmt und befragt, ohne sie zu vereidigen, also ohne sie, für den Fall, daß hinterher eine Veränderung ihrer Aussage stattsindet, der Gefahr einer Mein— eidsstrafe auszusetzen; der andere Weg liegt darin, daß man in der Voruntersuchung den Zeugen auch vereidigt, daß man aber diesen Eid von der Strafe des Meineides befreit, für den Fall, daß er sich als unwahr geleistet ergeben sollte. Das sind die beiden Wege, zwischen denen zu wählen ist. Was nun den letzteren betrifft, worm auf besonders der Antrag eines geehrten Abgeordneten gerichtet ist, der sich Seite 157 abgedruckt findet, so kann ich nicht umhin, darin eine große Inkonsequenz zu finden. Man glaubt, den Zeugen, der in der Voruntersuchung vernommen wird, durch den Eid noch schärfer zu binden, als es geschehen würde, wenn man ihn blos mit der Auf— forderung fragte: blos die Wahrheit und nichts als die Wahrheit zu sagen, also ohne eine religiöse Betheuerung hinzufügen zu lassen. Man glaubt also, durch den Eid bei der Vorüntersuchung ihn stärker zu binden, um sicherer auf Wahrheit rechnen zu können, und doch soll hinterher dieser Eid, wenn man ihn als wissentlich falsch geleistet erkennt, nicht der Strafe des Meineides unterliegen, also insofern nicht als vollwichtig betrachtet werden. Hierin vermag ich nur In— lansequenz zu erblicken. Man hofft, der Zeuge wird in seinem Ge— fühle mehr Ehrfurcht vor dam Eide haben, als vor der nicht beei— digten einfachen Aussage, das hofft man, während der Gesetzgeber selbst diesen Eid nicht dem andern Eide gleich behandelt, nicht als vollwichtigen Eid betrachtet in Bezug auf die Folgen des falschen Eides, sondern wie es betrachtet werden soll, wenn der Zeuge in der Voruntersuchung unbeeidigt geblieben wäre. Wegen dieser Inkonse⸗ quenz muß ich es für besser erklären, wenn der Antrag, wie er im Entwurfe der Regierung enthalten ist, beibehalten wird.

Korreferent Abgeordn. Freiherr von Mylius: Ich will klar zu machen suchen, worin dies gelegen hat. ;

(Große Ungeduld in der Versammlung.) Ich werde mich sehr kurz fassen, nach dem, was von dem Herrn Regierungs⸗Kommissar gesagt worden ist. Die rheinische Ansicht ist hier mit der deutschen in Kenflikt gerathen, die rheinische Ansicht straft nur den Eid, der eine Rechtsverletzung geworden ist, und das wird er erst durch die Ableistung in der öffentlichen Sitzung, oder dadurch, daß in Folge dieses Eides die Voruntersuchung sistirt worden ist. Die deutsche Ausicht straft den Eid, abgesehen von dieser Rechtsver⸗ letzung, und ich nenne sie die deutsche Ansicht, obwohl sie die des kanonischen Rechtes ist und dahin geht, daß der Eid als ein Ver— brechen gegen die Religion zu betrachten sei. Das ist es, worin die beiden Ansichten wesentlich von einander abgehen, es handelt sich ent⸗ weder um eine Rechtsverletzung dabei oder um die Strafe einer be— gangenen Immoralität, und in dieser Beziehung ist es richtig, was der Herr Regierungs-Kommissar Über die rheinische Ansicht gesagt hat. Nach dieser wird bei dem Meineide eine Rechtsverletzung, bei der deutschen Ansicht wird ein Vergehen gegen die Religion unter Strafe gestellt. ]

Justiz⸗Minister Uhden: angeführt hat, nämlich daß durch den Meineid in der Voruntersuchung, wenn die wirkliche Untersuchung nachher eingeleitet wird, gar keine Nechtsverletzung entstehen kann, habe ich zunächst zu erinnern, daß

Gegen das, was der letzte Redner

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es eine sehr wesentliche Rechtsverletzung ist; wenn Jemand vielleicht auf Grund eines Meineides unschuldig unter Anklage gestellt wird. Außerdem will ich noch Folgendes anführen: Nach ünseren Kriminal= Ordnung findet häufig ein so genanntes Skrutinial⸗ Verfahren statt zur . ob Grund zur Einleitung der Untersuchung vorhanden ist. In die sem wird in der Regel keine Vereidung vorgenommen, sondern man macht die Zeugen nur darauf aufmerksam, ihre Aussagen so einzurichten, daß sie dieselben auf. Erfordern auch beschwören können. Es wird dem Zeugen aber die vorgeschriebene Verhaltung gemacht. Wird die Untersuchung nachher eingeleitet, so erfolgt dann die förmliche Vereidigung. Dasselbe Verfahren wird in der Regel bei dem Gesetze vom 10. Juli 1846 beobachtet. ;

Abgeordn. Camphausen; Ich habe nnr noch ein Wort der Aufklärung, welches mir früher nicht nöthig schien, hinzu zu fügen, in sofern durch ein Mißverständniß, welches ich freilich selbst mit verschuldet habe, mein Antrag nicht wie er gemeint war, in das Gut⸗ achten aufgenommen wurde. Diesen Punkt will ich oufklären. Der Inhalt meines Antrags ist gewesen, daß der in der Voruntersuchung geleistete falsche Eid strafbar sein möge wie jeder andere und daß nur in dem Falle, wo im schließlichen mündlichen Verfahren die Be— richtigung eintritt, eine Strafe wegen Meineids nicht stattfinde. In der Sache macht dies keinen wesentlichen Unterschied, da allerdings der Fall eintreten kann, daß eine falsche eidliche Aussage nicht be—⸗ strafst wird, und diesen Fall nicht zuzulassen, scheint die Versammlung entschlossen.

Marschall: Wir kommen zur Abstimmung über die Frage:

Soll dem Antrage der Abtheilung beigestimmt werden? und die diesem Antrage beistimmen, werden das durch Aufstehen zu erkennen geben.

, (Es erheben sich fast alle Mitglieder.) Die große Majorität hat sich dafür ausgesprochen.

Die nächste Sitzung wird morgen um 10 Uhr stattfinden; dabei bemerke ich, daß aller Wahrscheinlichkeit nach im Laufe der morgenden Sitzung die Geschäfte erledigt sein werden. Es würde dann der Schluß der Versammlung gleich eintreten können, wenn meine Vor— aussetzung richtig ist, daß nämlich kein Mitglied dem widerspreche, daß das Protokoll über die morgende Sitzung die Stenographie wird noch ausgelegt werden daß, sage ich, die Abfassung des Protokolls dem Sekretariat überlassen bleibe, ohne daß es angehört wird. Denn das kann geschehen, daß der Bericht an Se. Majestät den König, welcher ein sehr kürzer sein und blos in der Vorlage der Protokolle bestehen wird, vorbereitet werde und noch im Laufe der morgenden Sitzung zur Veilesung fomme. Es wäre also blos das formelle Bedenken vorhanden, daß die Abfassung des Piotokolls dem Sekretariate überlassen werden müßte.

(Indem die Versammlung den Wunsch zu erkennen giebt, daß der Schluß für den nächsten Montag aufbehalten bleibe, erklärt der Marschall, der Schluß wird in der morgenden Sitzung noch nicht stattfinden.) .

(Schluß der Sitzung 37 Uhr Nachmittags.)

Uichtamtlicher Theil.

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Juland. Berlin. Die jüngsten revolutionairen Bewegungen im Kan— ton Neuenburg. Statistisches.

Deutsche Bundesstaaten. Königreich Bayern. Adresse der Ein⸗ wohner. Münchens und Antwort des Königs. Vermischtes. Kö— nigreich Sachsen. Vorstellung des Rathes und der Stabt Leipzig. Zuruf des Königs an sein Volk. Ernennung. G roßherzogthum Baden. Adresse der ersten Kammer an den Großherzog. Aufruf der freiburger Studirenden. Kur fürstenthum Hefsen. lieberreichung der Adressen und Antwort des sturfürsten. Ministerwechsel. Groß herzogthum Hessen und bei Rhein. Ernennung des Erbgroßher⸗ zogs zum Mitregenten. Gagern zum Minister des Innern und der auswärtigen Angelegenheiten. Freie Stadt Frankfurt. Bericht über die Ruhestörung in Frankfurt. Schreiben aus Frankfurt a. M. (Herstellung der Nuhe.)

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Berlin, 7. März. Das Fürstenthum Neuenburg hat leider dem Stoße nicht widerstehen können, welchen der gewaltsame Um⸗ sturz der bestehenden Ordnung der Dinge in Frankreich auf den klei⸗ nen Nachbarstaat ausüben mußte. Die bestehende Regierung ist von der revolutionairen Partei gestüazt und durch ein provisorisches Regi⸗ ment im Sinne der radikalen Faction ersetzt worben. Gleich nach dem Eintreffen der Nachrichten aus Paris, am 26. Februar Abends, brach in La Chaux de Fonds eine revolutionaire Bewegung aus, wel⸗ cher der dortige militairische Befehlshaber einen energischen Wider⸗ stand entgegenzusetzen entweder versäumte oder nicht im Stande war. Derselbe glaubte sich genöthigt, mit den Rebellen zu transigiren und ihnen die Forderung einer gemischten Bürgergarde (garde - mixte) zuzugestehen. Der Bevollmächtigte des Staatsraths, Herr Alex. von Chambrier, langte am 27sten v. M. zu spät an, um diese Vorgänge hindern zu können. Während der Staatsrath von Neuenburg am 28sten beschäftigt war, die Widerstandsmittel zu organisiren, und den Oberst- Lieutenant von Meuron entsendet hatte, um die Milizen von Locle, Lasayne, des Pants zu versammeln und mit ihnen Ta Chaur de Fonds zu besetzen, hatte der Aufruhr bereits auch Locle und das Val de Travers ergriffen. Die gesetzlichen Autoritäten hatten die Zügel der Regierung fallen lassen, und am 29sten waren die genannten Orte der Insurrect«on überlassen. In Neuenburg bemächtigte sich Schrecken und Muthlosigkeit aller Gemüther. Die Bürgerschaft, auf dem Stadt? hause versammelt, war von der Furcht überwältigt, daß Widerstand nur zu Plünderung und Verwüstung führen könne.

Unter dem Eindrucke dieser Ereignisse kam der Staatsrath zu dem Beschlusse, daß der Widerstand nicht möglich sei, und daß man sich auf Maßregeln, zum Schutze des Eigenthums beschränken misse. Am 1sten d. M. rückten revolutionaire Haufen unter ber Anführung von Fr. Courvoisier in Neuenburg ein, erklärten die bestehende Re? gierung für abgeschafft und setzten ein provisorisches Gouverne⸗ ment ein.

Der Staatsrath hat der Pflicht genügt, welche ihm jetzt noch zu erfüllen übrig blieb, indem er gegen dies Verfahren protestirt und an den eidgenössischen Vorort das Verlangen gerichtet hat, gemäß dem Bundes⸗Vertrage, der bestehenden und gesetzlichen Regierung von Neuenburg den eidgenössischen Schutz zu gewähren. Der Vorort hat

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hierauf die Absendung zweier Kommissarien nach Neuenburg be—

schlossen.

Berlin, 7. März. Das Centralblatt der Abgaben, Ge⸗ werbe und Handels Geseßzgebung ze, enthält eine Uedersicht des

Weinbaues in der preußischen Monarchie für 1543 1815. Nach derselben waren im Jahre 1816 in der Monarchie im Ganzen 6, 496

Morgen 19 Quadrat- Ruthen produktive Flächen, unter ihnen die Rhein⸗Provinz mit 48,345 Morgen 112 Q. R., die Provinz Sach- sen (einschl. in den zum thüringer Vereine gehörigen e . Ge- bietstheilen) mit 3473 Morgen 116 Q. R., die Provinz Branden⸗ burg mit 3993 Morgen 131 Q. R. die Provinz Schlesten mit 4940 Morgen 146 Q. R, die Provinz Posen mit 742 Morgen 21 Q. R. Der Weingewinn desselben Jahres (einschließlich des steuerfreien Haustrunks) stellte sich im Ganzen auf sz2, 152 Eimer 30 Quart, und zwar in der Rhein Provinz auf 706,909 Eimer 58 Quart, in der Provinz Sachsen auf 32,431 Eimer 18 Quart, in der Provinz Brandenburg auf 24211 Eimer 15 Quart, in der Provinz Schlesien 2. e, Eimer 23 Quart, in der Provinz Posen auf 5865 Eimer * Uart.

Nach einer Uebersicht des Tabacksbaues in der preußischen Mo⸗ narchie für 1313-1846 beträgt im Jahre 1846 der Flächen⸗Inhalt der mit Taback bepflanzten Grundstücke: Im steuerpflichtigen Umfange 36, 050 ag, 153 R., im nicht steuerpflichtigen 1793 Morgen 106 MR., Zusammen also 37,814 Morgen 79 J N. Der Tabac s -= bau derjenigen zum Zoll-Vereine gehörigen Gébiete ober Gebiets—⸗ theile anderer Staaten, deren Tabackssteuer als gemeinschaftliche Ein⸗ nahme in preußische Kassen fließt, ist hierunter mitbegriffen. w

Aus der in demselben Blatte enthaltenen Uebersicht der Ein⸗ wohnerzahl der in den einzelnen Städten und Kreisen des preußischen Staats, nach der zu Ende des Jahres 1846 veranstalteten polizeilichen Zäh⸗ lung ersieht man, daß die Einwohnerzahl der in 25 Regierungs⸗Bezirken befindlichen 80 Städte sich mit Einschluß des Militairs auf 4,508, g54 beläuft; in den 325 Kreisen des platten Landes beträgt sie 11,503, 84, in sämmtlichen Kreisen mit den Städten lebten demnach zu Ende des Jahres 1816 16,1ꝗ12, 938 Einwohner. Das hierunter befindliche dienst⸗ thuende Militair nebst Familien, Angehörigen und Domestiken stellt sich dabei auf 204,162 Köpfe.

Deutsche Gundesstaaten.

Königreich Bayern. (N. K.) Die (gestern erwähnte) Adresse der Bürger und Einwohner Münchens an den König lautet folgendermaßen:

„Allerdurchlautigster 2ꝛc. Angesichts der gegenwärtigen Weltlage, Angesichts eines bedeutungsvollen Ereignisses jenseits des Rheins, welches den Frieden Europas in Frage stellt, konnen sich die unterzeichneten Bürger und Einwohner der Hauptstadt der Besorgniß nicht entschlagen, daß die Tage der Gefahr das Vaterland weniger einig und stark finden möchten, als nach den denkwürdigen Erfahrungen von 1813 und 1815 und nach mehr als 30 Friedensjahren hätte erwartet werden müssen. Die Gefahr ist groß, aber nicht minder die Mittel, sie zu bestehen; sie eg in der unwandelba⸗ ren Treue und Hingebung des Volkes an König und Vaterland, abergefestet durch verbürgte Anerkennung und zeitgemäße Fortentwickelung seiner Rechte. Vollständige Abschaffung der Censur und unverweilte Einführung der Oeffent- lichkeit und Mündlichkeit in die Rechtspflege mit Geschwornengerichten ist drin⸗ gendes Bedürfniß, um der erhöhten Einsicht, so wie dem erstarkten Rechtsgefühl des Volkes, zu genügen. Gleiche Ursachen fordern ein zeitgemäßes Polizei-⸗-Gesetz. Es ist eine bereits allseitig anerkannte Nothwendigkeit, daß nichts im Wege stehe, Fähigkeiten, wo sie sich finden mögen, mit Sicherheit zur Vertretung des Landes heranzuziehen. Hierdurch wird die Aenderung der zahl-Ordnung für die Stände des Reiches bedingt. Doch keine Aenderung in den öffent- lichen Einrichtungen hat eine Zukunft, wenn die Verantwortlichkeit der Mi- nister keine Wahrheit ist. Sie kann nur durch ein Gesetz gewährleistet wer= den, das den Richter, das Verfahren und die Unerläßlichkeit der Strafe ge- nau bestimmt. Die Beeidigung des stehenden Heeres auf die Verfassung schließt die Reihe jener Bürgschaften, deren Erreichung das Volk als heißen Wunsch seit Jahren im Herzen trägt. Die Gefahren, welche das deutsche Vaterland von Ost und West bedrohen, die bedenkliche Gestaltung seiner inneren Verhält- nisse verlangen eine rasche Vereinigung der Fürsten und des Volkes in einer wohl- verbürgten einheitlichen Vertretung am Bundestage. Die Bürger der Haupt- stadt erachten Gut und Leben für ein geringeres Pfand der Treue als die Wahrheit, und indem sie diese vor Ew. Königl. Majestät in allertiefster Ehrfurcht darlegen, sollen die Tage der Gefahr uns als Männer finden, deren unerschütterliche Liebe zu ihres Königs Majestät dem Vaterlande die sicherste Bürgschaft seiner Unabhängigkeit bieten wird und muß. Nun aber richten wir an Ew. Königl. Majestät die allerehrfurchts vollste Bitte: Allerhöchst- dieselben wollen die Stände des Reichs unverzüglich um sich zu versammeln und unter ihrer gesetzlichen Mitwirkung jene Maßregeln zu ergreifen geru- hen, welche des Vaterlandes Wohl nach innen und dessen Sicherheit nach außen dringend fordein. Gott, der Allmächtige, erhalte Ew. Königl. Majestät zum Glück und Nuhm des deutschen Vaterlandes! München den 3. März 1848.“ 63

In wenigen Stunden, von 10 Uhr Morgens bis 3 Uhr Nach⸗ mittags, zählte die Adresse mehrere tausend Unterschriften. (Die An⸗ gaben schwanken von 5060 14,000) Die Namen vieler Reichs⸗ räthe und der angesehensten Bürger der Stadt stehen oben an. Eine Deputation, aus Magistrats⸗Mitgliedern und Bürgern bestehend Bürgermeister von Steinsdorf an der Spitze, begaben sich am 4. März Nachmittags 4 Uhr in die Königliche Residenz und übergab dieselbe St. Majestät dem König. Der Monarch empfing die Ve— putation sehr gnädig und nahm die Adresse freundlichst entgegen. Se. Majestät berief sofort den Minister-Rath, dessen Sitzung von 5—7 Uhr Abends dauerte. Nech am Abend erhielt der Magistrat eine Königliche Entschließung folgenden Inhalts: ;

„Ludwig, von Gottes Gnaden König von Bayern 2c. In Erwä⸗ gung, daß die gegenwärtige Kammer der Abgeordneten durch die damalige Anwendung des Tit. J. 5. 44 Litt. c. der X. Verfassungs . Beilage eine von den ursprünglichen Wünschen der Wähler wesentlich abweichende Zusammen⸗ setzung erhalten hat, und in der Absicht, Unserem Lande einen neuen Beweis Unserer landesväterlichen Gesinnungen zu geben, verordnen Wir hiermit auf den Grund des Tit. VII. S. 23 der Verfassungs Urkunde, wag folgt: Art. J. Die gegenwärtige Kammer der Abgeordneten ist aufgelöst. Art, j. Pie neuen Wahlen, nach Maßgabe des Gesetzes vom 23. Mai 1846 über die Anwendung des genannten Tit. J. 8, 44 Litt. e. der X. Verfassungs⸗-Bei= lage, haben sogleich stattzufinden. Art. II. Die Kammer der Reichsrathe und die Kammer der Abgeordneten sind auf den 31. Mai d. J. zusammen⸗ berufen, damit Wir mit den frei gewählten Vertretern Unseres treuen Volls dessen verfassungsZsgemäße Wünsche in herzliche Berathung nehmen können. München, den 3. März 1848. Ludwig. Fürst von Oettingen-Wallerstein, Staatsrath; von Beisler, Staatsrath; von Heres, Staats-Rath; von der Mark, General⸗Major; von Voltz, Staats⸗Rath.“

Der Magistrat ließ die vorstehende Königliche Entschließung über die Auflösung der Abgeordneten⸗Kammer am 4. März durch Anschlag an den Straßenecken öffentlich bekannt machen. Es hat dieselbe einen großen Theil der Bevölkerung nicht zufriedengestellt. Während sich um 9 Uhr Morgens eine Bürger⸗Deputation zu den Minister⸗Ver⸗= wesern begab, versammelten sich um 190 Uhr wieder einige hundert Personen auf dem Rathhaussaale, wo die seltsamsten Wünsche laut wurden; man gelangte aber zu keinem Resultate, da man erst die Rückkehr der Deputation abwarten wollte. Die Versammlung sollte daher um 1 Uhr Nachmittags wieder beginnen. Am meisten Unzu⸗ friedenheit erregt, daß die Stände erst am 31. Mai und nicht die bisherigen Kammern sogleich einberufen würden. Es herrscht deshalb heute wieder große Aufregung, so daß für heute Abend wieder um— fassende militairische Vorkehrungen getroffen werden müssen; auch ist die gesammte Landwehr wieder kommandirt worden. Wie man hört, soll eine zweite Adresse beschlossen werden.

Den am 3Zten auf dem Rathhause versammelten Bürgern wurde von dem Bürgermeister von Steinsdorf ein Schreiben mit etheilt, welches der Fieiherr von Stauffenstein von Leiningen, im uftrag Sr. Königl. Hoheit des Kronprinzen, zu dem Zwecke hierher gerich⸗ tet hatte, um das ganz falsche, absichtlich ausgesprengte Gerücht zu

widerlegen, als hatte Se. Königl. Hoheit jemals Aeußerungen ge⸗