1848 / 70 p. 2 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

mit der That in ihrer einfachsten und leichtesten Art beginnt, und die erschwerenden Umstände unmittelbar folgen läßt. Gegen diese Anforderung scheinen folgende Paragraphen zu ver⸗

oßen:

swß §§8. (85. 84.) 87. 89. 111. 112. 113. 118. 119. 189 193. 238. 255. 320. 346. 318. 349. 350. (351. 352.) 376. 375. 382.

5) Endlich sind überflüssige Bestimmungen, selbst überflüssige Worte, ferner Ungenauigkeit des Ausdruckes und jede für die Gesetzes⸗ sprache nicht prägnante Form zu vermeiden.

Hiergegen scheint bei folgenden Bestimmungen verstoßen:

§5§. 13. 27. 50. 64. 55. 99. 91. 96. 151. 177. (wegen

175.) 269. 279. 360. 361. 317. 339. ; Es wird vorgeschlagen,

darauf anzutragen, daß auf diese Erinnerungen bei der

Final⸗Redaction die erforderliche Rücksicht genommen werde.“ Ich muß bemerken, daß es nicht erforderlich sein wird, die hohe Versammlung darüber zu vernehmen, ob jene Bestimmungen in Be⸗ zug auf die einzelnen Paragraphen, die hier angeführt worden sind, in der That verstoßen gegen die Regeln, welche als normativ hinge⸗ stellt worden sind. Es ist nur die Absicht der Abtheilung, der hohen Versammlung vorzuschlagen, der Final-Redaction anheimzugeben, ob diese Bestimmungen, welche, nach Ansicht der Referenten, gegen die Regeln, welche festzuhalten sein möchten, verstoßen. Ich stelle an- heim, ob darüber nicht auf ein spezielles Eingehen auf die einzelnen Paragraphen verzichtet werden kann, und muß nur noch bemerken, daß bei sehr vielen dieser einzelnen Paragraphen allerdings nicht wesentliche und bedeutende Verstöße monirt werden, daß es aber doch nothwendig erscheint, auch die geringsten Verstöße, wenn sie vorkommen, aus dem Entwurfe, der uns zur Berathung vorliegt, zu entfernen. .

Regierungs⸗Kommissar Bischoff: Es werden diese Bemerkungen von der Regierung sorgfältig bei der Schluß⸗Redaction in Erwägung gezogen werden; im Uebrigen ist zu bemerken, daß dieselben Prinzi— pien, wie sie hier aufgestellt worden, schon bei Abfassung des Ent⸗ wurfs maßgebend gewesen sind.

Vice⸗Marschall Abgeordn. von Rochow: Ich stimme vollkommen mit dem überein, was der Herr Referent hier vorgetragen hat, und glaube, daß die hohe Versammlung sich damit einverstanden erklären könne, diese Bemerkungen als Bemerkungen der Abtheilung der hohen Verwaltung zur Benutzung anheimzugeben, weil wir nicht die Zeit dazu haben, sie hier noch zu untersuchen.

Marschall: Wenn keine entgegenstehende Bemerkung erfolgt, so wird das Einverständniß der Versammlung angenommen.

Referent Abgeordn. , . vor):

.

In der Einleitung zum Gutachten der Abtheilung hat sich diese vorbehalten, auf mehrere Fragen, welche die wichtigsten Aufgaben des Gesetz⸗Entwurfs, so wie die Prinzipien der Strafgesetzgebung und ihre Einführung in das Strafgesetzbuch oder die konsequente Durch— führung in demselben betreffen, am Schlusse des Gutachtens noch— mals zurückzukommen, wenn nach Prüfung der Bestimmungen über die einzelnen Verbrechen und deren Strafen eine konkretere Auf— sassung jener Fragen gewonnen sein würde.

In der Plenar⸗Sitzung des Vereinigten ständischen Ausschusses am 18. Januar c. ist dieser Ansicht nicht entgegengetreten worden, und die Abtheilung hält sich daher verpflichtet, jenem Vorbehalte nunmehr zu entsprechen, nachdem der ganze Strafgesetz- Entwurf in seinen einzelnen Bestimmungen geprüft und begutachtet worden ist.

Von den in der Einleitung des Abtheilungs-Gutachtens ange⸗ deuteten Fragen haben folgende durch die Plenar⸗Beschlüsse des Ver- einigten ständischen Ausschusses bereits ihre Erledigung gefunden, und war: ob Geldstrafen als Kriminalstrafen entbehrlich seien;

ob der Verlust der bürgerlichen Ehre nur neben der Zucht— hausstrafe eintreten dürfe, oder ob darauf auch neben an⸗ deren Strafen erkannt werden könne;

ob das Gesetz dem Richter nicht blos die Abmessung der Strafe, sondern auch die Wahl zwischen verschiedenen Strafarten überlassen dürfe;

ob der Richter ermächtigt werden solle, in Fällen geringerer Strafwürdigkeit, oder wenn Milderungsgründe vorwalten, auf, der Art nach, niedrigere als die gesetzlichen Strafen zu erkennen;

ob es zulässig sei, die Bestrafung von Verbrechen und Ver⸗ gehen in besonderen Fällen von dem Antrage einer Privat⸗ person abhängig zu machen.

Dagegen sind folgende Fragen bisher weder erschöpfend erörtert, noch ist darüber entschieden worden, nämlich:

1) ob das berathene Strafgesetzbuch eine bestimmte Prozeß⸗

form voraussetze;

2) ob eine definitive Erklärung über die Zweckmäßigkeit dessel⸗ ben ohne gleichzeitige Kenntniß einer zu gewärtigenden neuen Prozeßordnung abgegeben werden könne;

3) ob wenn eine neue, allen Landestheilen des Staats gemeinsame Prozeßordnung nicht zu gewärtigen stehe der Strafgesetz⸗ Entwurf den gegenwärtig in den verschiedenen Landestheilen in Kraft bestehenden Prozeßordnungen ent— sprechen, und namentlich die Gerichts- Verfassung in der Rheinprovinz nicht beeinträchtigen werde.

Was dle erste Frage betrifft,

ob der Strafgesetz⸗ Entwurf eine bestimmte Prozeßform voraussetze, so ist auf die Erklärungen des Herrn Justiz⸗-Ministers in der Sitzung am 18. Januar (. zurückgegangen worden, daß die Organisation der Gerichte bereits in vollem Gange sei, um dem Versprechen Sei— ner Masestät des Königs gemäß das mündliche und öffentliche Kriminal⸗Verfahren überall einzuführen. Diese Erklärungen seien unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Gesetz vom 17. Juli 15846. gegeben, und da dieses Gesetz zugleich den bisher in allen Provinzen bes Staats, mit Ausnahme der Rheinprovinz, bestandenen Inquisi⸗ tions- Prozeß aufgehoben und den Anklage⸗- Prozeß eingeführt habe, so müsse mit jenen Erklärungen als entschieden angesehen werden, daß der Strafgesetz⸗Entwurf öffentliches und mündliches Verfahren und den akkusatorischen Prozeß als diejenige Prozeßform voraussetze, unter welcher derselbe zur Anwen⸗ dung kommen solle.

Nur unter dieser Voraussetzung sei daher der vorgelegte Ent— wurf berathen worden, und die Beschlüsse des Vereinigten ständischen Ausschusses in Betreff der einzelnen Bestimnmungen des Gesetz⸗Ent— wurfes seien lediglich unter derselben Voraussetzung gefaßt worden.

Es wurde hieraus der Schluß gezogen, daß sich sonach im Wesentlichen die vorstehend mit Nr. 3. bezeichnete Frage erledigt, weil, wenn es nicht die Absicht sei, die gegenwärtig im Staate be⸗ stehenden Prozeßordnungen (mit Ausnahme der in der Rheinprovinz bestehenden) für den vorliegenden Gesetz Entwurf zur Anwendung zu bringen, es nicht weiter auf die Frage ankomme, ob das Strafgesetz⸗ buch diesen e nen, entspreche oder nicht.

. Diese Frage würde übrigeus verneint werden müssen. Mate⸗ rielles Recht und formelles Recht bedingen sich gegenseitig, und die

672

Kriminal⸗Ordnung vom 11. Dezember 1805 habe sich dem mater iellen Strafrechte des Allgemeinen Landrechts angeschlossen. Das Allge⸗— meine Landrecht unterscheide sich aber wesentlich von dem vorliegenden Strafgesetz⸗Entwurfe, welcher letztere namentlich die Strafbarkeit der einzelnen Verbrechen nicht spezialisire, wie es im Allgemeinen Landrechte geschehe. Schon deshalb eigne sich die Kriminalordnung vom Jahre 1805 nicht für den gegenwärtigen Gesetz⸗Entwurf; sie werde aber ganz unanwendbar durch die Beweistheorie, welche sie aufstelle, und durch die Zulässigkeit der außerordentlichen Strafen. Es beständen gegenwärtig in den verschiedenen Provinzen vier ver⸗ schiedene Prozeßfoͤrmen, und es könne nicht angenommen werden, daß der Gesetz-Entwurf für sie alle entsprechend sein werde, vielmehr werde es die Aufgabe sein, diese verschiedene Prozeßformen in eine einzige zu verschmelzen, welche für den ganzen Staat Geltung erhal- ten könne, wie sie das materielle Strafrecht erhalten solle.

Was die noch übrig bleibende zweite Frage betrifft:

ob eine definitive Erklärung über die Zweckmäßigkeit des

vorgelegten Gesetz⸗-Entwurfs ohne gleichzeitige Kenntniß

einer zu gewärtigenden neuen Prozeßordnung, abgegeben

werden könne,

so ist behauptet worden, daß diese Frage verneint werden müsse. Das materielle Strafrecht sei in seiner wesentlichsten Bedeutung davon abhängig, unter welchen Formen dasselbe zur Anwendung gebracht werden solle, und welches die Richter seien, die Recht zu sprechen haben. Es sei von der größten Wichtigkeit, welchen Gerichten die Staatsbürger in Kriminalsachen unterworfen würden: ob den ordent⸗ lichen Gerichten oder exceptionellen Gerichten; wie die Gerichte kon⸗ stituirt werden; welche Gerichte über Polizei-Uebertretungen und welche über Vergehen und Verbrechen zu erkennen haben; wie die Untersuchungshaft beschaffen sein werde; welche Erfordernisse zur Ein— leitung der Untersuchung festgesetzt werden; unter welchen Bedingun⸗ gen zur Haft geschritten werden dürfe; welche Garantieen gegen un⸗ gerechtfertigtes Verhaften geboten werden; welches das eigentliche Prozeßverfahren sein solle; wie der Beweis zu führen sei; welche Garantieen der Vertheidigung geboten werden; welche Rechtsmittel gegen Erkenntnisse stattfinden konnen; wie bei der Strafvollstreckung . sei; welche Einrichtungen die Straf-Anstalten erhalten ollen.

In allen diesen Beziehungen enthalte das materielle Strafrecht keine Bestimmungen, und es können dieselben nur durch die Prozeß⸗ ordnung gegeben werden. Es leuchte aber ein, wie alle diese Be⸗ stimmungen dem Strafrechte selbst erst seine eigentliche Bedentung Reben. Es lasse sich die Schwere der im Strafgesetze verordneten Strafen nicht beurtheilen, ohne die Einrichtung der Strafanstalten zu kennen; es lasse sich nicht beurtheilen, ob es angemessen sei, so schwere und in vielen Fällen schwerere Strafen, als bisher, festzu—⸗ setzen, wenn nicht in dem Strasprozeßverfahren die möglichsten Ga— rantieen der Vertheidigung gewährt werden; es lasse sich nicht beur⸗ theilen, ob dem richterlichen Ermessen ein so großer Spielraum bei Zumessung und Wahl der Strafen zu überlassen sei, wie es nach dem Gesetz-Entwurfe stattfinden solle, wenn nicht ersichtlich sei, welche Qualification die Richter haben sollen, ob Einzel⸗Richter oder Richter⸗ Kollegien entscheiden, ob die Richter vor jedem fremdartigen Einflusse sichergestellt seien, ob die Gerichte ober ob Geschworne über die Schuld zu entscheiden haben.

In Erwägung dieser Rücksichten wurde die Ansicht geltend gemacht,

daß vor Erlaß des neuen Strafgesetzbuchs nothwendig eine Kriminal-Prozeßordnung entworfen und nach vorhergegan⸗ genem ständischen Beirath zugleich mit dem Strafgesetzbuche emanirt werden müsse.

Allerdings sei in Aussicht gestellt worden, daß das Strafgesetz⸗ buch nur unter einem Prozeßverfahren zur Anordnung gebracht wer⸗ den solle, wie es nach dem Gesetze vom 17. Juli 1846 für die bei dem Kammergerichte und dem Kriminalgerichte zu Berlin zu führen⸗ den Untersuchungen vorgeschrieben sei; allein es sei zu erwägen, daß das Prozeßverfahren nach diesem Gesetze sich wohl durch die Münd⸗ lichkeit und Oeffentlichkeit, durch die Sanctionirung des Anklage⸗ prozesses, durch Abschaffung der außerordentlichen Strafen, sowie durch Abschaffung der bisherigen Beweistheorie empfehle, daß die Erfahrung aber schon vielfache Mängel herausgestellt habe, welche in demselben liegen, und daß es daher nicht angemessen erachtet werden könnte, gerade dies Verfahren unbedingt in der durch das Gesetz vom 17. Juli 1846 bestimmten Norm für einen weiteren Kreis in Kraft zu setzen. Dazu komme, daß dies Gesetz ohne ständischen Bei⸗ rath erlassen worden sei, während es nicht zweifelhaft sein könne, daß Prozeßgesetze verfassungsmäßig des ständischen Beiraths nicht ent— behren dürfen, da von ihnen mindestens eben so sehr wie von dem materiellen Rechte Personen= und Eigenthums-Rechte betroffen werden.

Wenn hiernach das Strafgesetzbuch nach den gegenwärtig im Staate (mit Ausnahme der Rheinprovinz) bestehenden Prozeßordnun⸗ gen nicht zur Anwendung gebracht werden könne, vielmehr eine neue Strafprozeßordnung zuvor entworfen und von den Ständen berathen werden müsse, so würde dies die Folge haben, daß, da die Prozeß⸗ ordnung wiederum nicht ohne Erwägung und Berücksichtigung des materiellen Strafrechtes berathen werden könne, der Strafgzesetz⸗

Entwurf einer nochmaligen Prüfung Seitens der Stände werde unter⸗

worfen werden. Eine derartige Prüfung Seitens der Stände müsse in jeder Beziehung als nützlich und selbst nothwendig erkannt werden. Nützlich, weil es dem Vereinigten ständischen Ausschusse, auch wenn man für ihn die beste Absicht vindizirt, schwerlich gelungen sein würde, ein allen Forderungen genügendes Gesetzbuch hergestellt zu haben. Es werde demnächst darauf ankommen, das Strafrecht den Beschlüssen des Vereinigten Ausschusses, soweit die Krone darauf Rücksicht zu nehmen Veranlassung finde, entsprechend umzuarbeiten. Als nothwendig müsse ein nochmaliges Zurückkommen auf den Gesetz⸗ Entwurf Seitens der Stände erachtet werden, weil wie bereits erwähnt die Prozeßordnung den Ständen vorzulegen sei, die Prüfung derselben aber von der gleichzeitigen Prüfung des mate—⸗ riellen Strafrechts nicht getrennt werden könne. Hierzu komme, daß die Stände⸗Curie des ersten Vereinigten Landtags in der Sitzung am 21. Mai v. J. ausdrücklich und mit mehr als zwei Drittheilen der Stimmen eine Bitte an den Thron beschlossen habe:

das Strafgesetzbuch dem nächsten Vereinigten Landtage zur

Berathung vorlegen zu lassen.

Der Vereinigte ständische Ausschuß würde mit der Stände-Curie des Vereinigten Landtages in Widerspruch treten, wollte er von sei—⸗ nem Standpunkte aus es für genügend erachten, wenn er jenem Be⸗ schlusse entgegen die ständische Finalberathung durch ihn als ausrei⸗ chend erachte, und dies sei um so mehr zu vermeiden, als der Ver⸗ einigte Ausschuß aus jener größeren Versammlung hervorgegangen sei, welche vom Volke unzweideutig als Repräsentantin desselben an⸗ erkannt worden. Eine jede Opposition im Verhältnisse zum Ver⸗ einigten Landtage sei zu vermeiden; wenn diesem aber noch Gelegen⸗ heit gegeben werde, sich über das Strafrecht zu äußern, so würden zugleich seine Wünsche erfüllt, die dahin von demselben ausgesprochen worden seien:

daß der Gesetz⸗Entwurf veröffentlicht werde, daß eine Vorberathung durch einen aus den verschiedenen Provinzen zu ernennenden Ausschuß erfolge, und

daß demnächst erst eine Berathung des Vereinigten Lanb— tags eintrete.

Aus allen diesen Gründen wurde vorgeschlagen, als nothwendig

zu erachten: daß das Strafgesetzbuch nicht erlassen werden möge, bevor eine neue Kriminal⸗-Ordnung von dem Vereinigten Land— tage berathen und demselben Gelegenheit gegeben werde, sich zugleich über den Inhalt des Strafgesetzbuches zu äußern. Dieser Vorschlag und die für denselben geltend gemachten An— sichten sind nicht unbestritten geblieben. Zunächst könne nicht zuge⸗

geben werden, daß der vorgelegte Gesetz⸗ Entwurf nach den Erklä-=—

rungen seitens des Herrn Instiz⸗Ministers nur unter Voraussetzung des öffentlichen und mündlichen Verfahrens und des akkusatorischen Prozesses zur Anwendung kommen solle, und daß der Vereinigte Ausschuß den Gesetz-Entwurf nur unter dieser Voraussetzung bera— then habe. Wenn man auch zugebe, daß materielles und formelles Recht sich gegenseitig bedingen, so müsse doch eine Basis gewonnen werden, und diese sei das materielle Recht. Ob dasselbe ohne eine neue allgemeine Prozeßordnung zu emaniren sei, ob bei dem Entwurfe der Prozeßordnung ständischer Beirath einzuholen, müsse der Regie⸗ rung überlassen werden, welche alle Verantwortung zu tragen habe, die aus ihrem Verhalten entspringen. Es komme vor Allem in Frage, ob ein Bedürfniß anerkannt werden müsse, daß der Gesetz⸗ Entwurf schleunigst zum Gesetz erhoben werde. Das Bedürfniß eines neuen Strafgesetzes habe sich bald nach Publication des Allgemeinen Landrechts herausgestellt, weil sich dasselbe lückenhaft und mangelhaft erwiesen habe. In den letzten Dezennien habe man mit Spezial—⸗ gesetzen inne gehalten und eine allgemeine Revision vorgenommen, die jetzt in ihr letztes Stadium getreten sei. Ein weiterer Verzug sei um so ungerigneter, als auch andere Zweige des Rechts einer Revision harrten, wie sich aus den vielen desfallsigen Petitionen des Vereinigten Landtags ergebe, welche zum größten Theile wohl be⸗ gründet seien. Das Bedenken, daß zugleich eine neue allgemeine Prozeßordnung zu erlassen sei, könne nicht als entscheidend erachtet werden, weil eine wesentliche Rückwirkung des materiellen Rechts auf das formelle nicht stattfinde. Die bestehenden Prozeßordnungen garan— tiren die persönliche Freiheit und setzen die objektiven Gränzen der Verbrechen fest. Hierauf könne es nur ankommen, und das Verlan⸗ gen, die Einrichtung der Strafanstalten zu kennen, würde selbst durch Vorlage der Prozeßordnung nicht erreicht, da dies von reglementari⸗ schen Bestimmungen abhänge. In der Hauptsache seien übrigens die Strafanstalten in den Gesetz-Entwürfen charakterisirt. Daß das Land⸗ recht eine Kasuistik festgesetzt habe, die der Entwurf nicht enthalte, sei ohne Einfluß, weil man als angemessen erachten müsse, dem Richter zu überlassen, die Strafwürdigkeit der Verbrechen in einzel⸗ nen Fällen zu beurtheilen. Alle Zweifel, welche für die rheinischen Rechts-Institutionen durch den Gesetz- Entwurf entstanden wären, seien durch die Erklärungen angesehener Juristen als beseitigt anzu⸗ sehen. Unter diesen Umständen walte kein Hinderniß ob, daß der berathene Entwurf zum Gesetz erhoben werde, da er auch bereits früher durch die Provinzial-Landtage berathen worden sei, und es sehr zu beklagen wäre, wenn die Arbeiten des Vereinigten Ausschusses vergeblich gewesen sein sollten. Es stehe zu erwarten, daß das Gesetz vom 17. Juli 1846 eine Ausdehnung für einen weiteren Umfang erhalten werde, was vom Vereinigten Landtage erbeten und von des Königs Majestät verheißen worden sei. Dazu komme, daß, wie ein Mitglied bemerkte, es besondere Schwierigkeiten haben würde, eine Prozeßordnung durch den Vereinigten Landtag berathen zu lassen; es sei ganz unzweifelhaft, daß die Regierung die Prozeßordnung den Ständen vorlegen werde, und da die betreffende ständische Versamm⸗ lung ohne Zweifel der Vereinigte Landtag sein werde, so sei es üher⸗ flüssig, dies besonders zu bemerken. Die Voraussetzung auszusprechen, daß die Prozeßordnung den Ständen werde, vorgelegt, werden, sei zwar nicht ungeeignet: allein es sei zu vermeiden, Anträge zu stellen, welche dem Vereinigten Ausschusse eine Bedeutung geben könnten, die er selbst nicht wünsche. Dies würde der Fall seiẽn, wenn man die Publication des Strafgesetzes an eine Bedingung knüpfen wolle. Die Rechte, welche der Vereinigte Landtag für sich in Anspruch nehme, seien vom Aus schusse nicht zu wahren, vielmehr müsse dies dem Ver⸗ einigten Landtage selbst überlassen werden, und jeder Konflikt mit demfelben würde am sichersten vermieden, wenn die vorgeschlagene Erklärung unterbliebe, zumal dem Vereinigten Landtage nnbenommen sei, selbst nach erfolgter Publication des Strafrechts, Veränderungen in demselben zu beantragen, wenn die Berathung der Prozeßordnung dazu Veranlassung geben sollte.

In Entgegnung auf diese Einwendungen wurde bemerkt, daß es sich nicht um Anträge handle, welche gestellt werden sollen, sondern lediglich um eine Erklärung, die ausdrücklich für den Schluß der Be⸗ rathung vorbehalten worden sei:

ob die Zweckmäßigkeit des materiellen Strafrechts ohne Kenntniß der Prozeßordnung beurtheilt werden könne.

Die vorgeschlagene Erklärung habe den Sinn, daß damit aus— gedrückt werden solle, die Prozeßordnung sei ein integrirender Theil des Strafrechts. Eine solche Erklärung sei in keiner Weise präjudi⸗ zirlich. Daß der Vereinigte Landtag sich noch über das Strafrecht äußern möge, hänge damit nicht nothwendig zusammen. Daß das Gesetz vom 17. Juli 1846 als allgemeine Prozeßordnung erbeten worden sei, müsse in Abrede gestellt werden, da der Vereinigte Land— tag vielmehr absichtlich vermieden habe, auf obiges Gesetz Bezug zu nehmen, wie das Protokoll der Sitzung vom 21. Mai 1847 ergebe. Aus einem Verzuge der Publication des Strafrechts würden keine Nachtheile erwachsen, und es sei zu erwägen, daß es angemessener sei, später ein vollkommeneres Gesetz zu erhalten, als gegenwärtig ein möglicherweise nicht ganz dem Bedürfnisse entsprechendes. Ver= loren werde die Arbeit des Vereinigten Ausschusses nicht sein, da sich kaum erwarten lasse, daß der Vereinigte Landtag den Gesetz-Ent⸗ wurf nochmals in seinen einzelnen Bestimmungen prüfen würde.

Die Abtheilung hat mit 7 gegen 6 Stimmen beschlossen, dahin anzutragen: der Vereinigte Ausschuß wolle erklären, daß er als noh—

wendig erachte, es möge das Strafgesetzbuch nicht erlgssen werden, bevor eine neue Kriminal-Ordnung von bem Ver⸗ einigten Landtage berathen und demselben Gelegenheit ge geben worden, sich zugleich über den Jnhalt des Straf⸗ gesetzbuchs zu äußern.“

Candtags⸗Kommissar: Die Abtheilung der eren Versammlung hat, wie wir so eben vernommen haben, mit einer Najoritãt von 7 gegen 6 Stimmen der hohen Ver fan mung e geschö en, den Antrag zu stellen, daß das Strafgesetz nicht erlassen werden moge, bevor büe Kriminäal⸗Otdnung von bem, Vereinigten Landtage berathen

„genheit gegeben sei, sich zugleich über den Inhalt und demselben Gelegenheit gegeben, 6 ; nh bes Strafgesetzbuches selbst äußern. Ich finde mich veranlaßt,

des zu bemerken. en ,, hat, wie allen, verehrten Mitgliedern

rovinzialständen zu einer Zeit vorgelegen, wo diese 5 denn e ni Organe zur Berathung auch allgemeiner Gesetze waren; auf Grund der von den Provinzialständen abgege⸗ benen Gutachten ist jener, Entwurf von Neuem einer sorgfältigen Prüfun durch die ausgezeichnetsten Juristen, welche der Verwaltung zu lh or standen, unterworfen worden. Des Königs Majestät

haben demnächst, um die Stimme des Landes mit möglichster Zu⸗ verlässigkeit auch über die Differenzpunkte, die sich in Beziehung auf die Ansichten der Provinzialstände ergeben hatten, zu vernehmen, nochmals die Begutachtung durch den Vereinigten Ständischen Aus—= schuß befohlen. Die hohe Versammlung hat dieses Gutachten nach nunmehr siebenwöchentlicher Berathung mit einer Ausführlichkeit und Gründlichkeit abgegeben, wie kaum eine andere parlamentarische Versammlung sich dessen möchten rühmen können. Damit scheint aber auch der Cyklus der ständischen Berathungen wohl geschlossen werden zu können; eine gesetzliche Nothwendigkeit, sie von neuem wieder zu beginnen, liegt in keinerlei Weise vor. .

Was demnächst die Ansicht betrifft, daß das neue Strafgesetz⸗ buch nur gleichzeitig mit der neuen Kriminalprozeß Ordnung emanirt werden könne, so kann sich die Regierung der Ansicht einer solchen Nothwendigkeit nicht anschließen. In Beziehung auf die Rheinpro⸗ vinz kann diese Rücksicht ganz ausscheiden, weil von irgend einer wesentlichen Veränderung der Kriminalprozeß⸗ Ordnung in jenem Landestheile nicht die Rede ist; für die ilteren Provinzen bestehen allerdings in diesem Augenblick zwei wesentlich verschiedene Kriminal⸗ Ordnungen, die ältere allgemeine preußische und diejenige. vom 17. Jull 1816. Bei Entwerfung des Kriminalgesetz Entwurfs lag natütlich die Kriminal-Ordnung vom 17. Juli 1816 noch keines- weges vor und er konnte deshalb auch nicht auf diese berechnet sein. Allerdings hat aber bei den neuesten Bearbeitungen jenes Entwurfs die Absicht vorgeschwebt, solchen der neuen Kriminal⸗Ordnung mög— lichst anzupassen, oder wenigstens einer für die älteren Provinzen zu publizirenden Kriminal- Ordnung, die der vom 17. Juli 1846 im Wesentlichen ähnlich wäre, d. h. Mündlichkeit und Oeffentlichkeit zu ihrem Prinzip mache. Daraus folgt aber keinesweges die Unmög— lichkeit oder auch nur eine besondere Schwierigkeit, auf eine wahr⸗ scheinlich kurze oder auch, wenn es sein müßte, längere Zeit, das Gesetz mit der älteren Kriminal⸗-Ordnung zu handhaben. Die großen Mängel des Kriminalrechts, welches im XX. Titel des II. Theiles des Allgemeinen Landrechts niedergelegt ist, wurden bereits bald nach dessen Emanation erkannt; es ist durch vielfältige Reskripte und Abänderungen seitdem verbessert worden, ohne einen das Gou⸗ vernement befriedigenden Zustand herbeizuführen. Die großen Mängel dieses Gesetzbuches waren es daher, welche schon früher erkennen ließen, wie nothwendig es sei bei einer Revision der Gesetzgebung, besonders hierauf das Augenmerk zu richten, wozu noch die Räcksicht kam, daß es ebenso wünschenswerth als nothwendig erschien, das innere Staatsrecht auch in diesem Punkte für die ganze Monarchie zu generalisiren. Wie aber das neue Verfahren vom 17ten Juli 1846 auf das ältere jetzt bestehende Kriminalrecht ohne alle Schwie⸗ rigkeiten angewendet ist, so wird auch die ältere Kriminal-Ordnung auf das viel vollkommnere, einfachere und deshalb dem Richter und dem Volke verständlichere neue Gesetz mit eben so wenig Schwierig⸗ keiten angewendet werden können, wenn, was allerdings ungewiß ist, die neue Kriminal-Ordnung nicht gleichzeitig eingeführt werden sollte. Man hat zwar dieser Behauptung vorzüglich zwei Abweichungen der neuen von der älteren Gesetzgebung entgegen gestellt, daß näm— lich dem neuen Strafrecht die große Kasuistik fehle, die sich im Allgemeinen Landrecht finde, und daß dem Richter im neuen Gesetze ein weiterer Spielraum in Beziehung auf die Strafen gelassen werde, als dies im älteren der Fall sei. Was aber die Kasuistik betrifft, so kann diese gar keinen Grund zu Zweifeln darüber geben, daß nicht auch das neue Strafrecht mit der älteren Kriminal-Ordnung in voll— kommene Ausführung gebracht werden könnte, da der Richter bei beiden Kriminal-Ordnungen jeden Fall eines Verbrechens unter eine bestimmte Vorschrift des Strafgesetzes wird subsumiren müssen; in Beziehung auf den zweiten Einwand aber, daß das Strafmaß dem Richter in dem neuen Gesetze einen zu weiten Spielraum lasse, so vermag ich nicht abzusehen, weshalb derselbe Richter, dem man nach der neuen Kriminal-Ordnung hinlänglich Vertrauen schenken will, um unter diesem Strafmaße mit richtiger Erwägung aller Verhält⸗ nisse zu wählen, nicht geeignet sein soll, auch nach dem älteren Ver— fahren diese Wahl zu treffen. Ueberdies aber findet sich auch in dem XX. Titel des Allgemeinen Landrechts ein Spatium zwischen den zu bemessenden Strafen, welches in manchen Beziehungen eben so groß, ja man möchte sogar sagen, noch größer ist, als in dem neuen Rechte, wobei ich nur an die sehr verschiedenen Strafarten und an die außerordentlichen Strafen erinnere, welche dem richterlichen Ermessen nach dem Allgemeinen Landrechte ein weites Feld bieten. Ich resumire also dahin, daß das Gouvernement zwar anerkennen muß, wie es wünschenswerth sei, die Kriminal-Ordnung und das neue Kriminalrecht zugleich in Anwendung bringen zu können, daß aber eine innere Nothwendigkeit nicht vorhanden sei, um dies als ein absolutes Requisit zu fordern.

Was nun endlich den accessorischen Antrag der Majorität der

Abtheilung betrifft, daß nämlich die neue Kriminalprozeß-Ordnung

dem Vereinigten Landtage zur Begutachtung vorgelegt werden möge, so betrifft das einen von den wenigen Petitionsgegenständen, welche auf dem Vereinigten Landtage selbst vollständige Erledigung gefunden haben. Die beiden Kurien des Vereinigten Landtages haben über⸗ einstimmend beantragt, daß die Ausdehnung des öffentlichen und mündlichen Kriminalverfahrens auf alle Theile der Monarchie, in welchen die Allgemeine Kriminalrechts-Ordnung gilt, beschleunigt wer⸗ den möge. Des Königs Majestät haben in dem Landtagsabschiede die Erfüllung dieser Bitte zugesagt und Seitens der Verwaltung ist Alles aufgeboten worden, um die Erfüllung sobald als möglich her⸗ beizuführen. Unter diesen Umständen glaube ich nicht, daß hier die Zelt und der Ort sei, auf diesen Antrag von Seiten der Regierung näher einzugehen. l .

Ich schließe daher mit der Bitte, daß die hohe Versammlung der Regierung das Vertrauen schenken möge, daß sie unter Erwägung aller ldabei konkurrirenden Umständen des Orts und der Zeit, den richtigen Zeitpunkt für die Emanation des Allgemeinen Strafrechts, wie es aus den Verhandlungen dieser hohen Versammlung demnächst hervorgehen wird, zu wählen wissen werde. Sie wird sich keine Uebereilung dabei schuldig machen, aber auch nicht unnöthigerweise den Zeitpunkt verschieben, wo ein so wesentlich verbessertes Gesetz (die hohe Versammlung wird ihm dies Zeugniß selbst nicht versagen) einem älteren unvollkommeneren substituirt und dadurch ein bedeuten der Fortschritt in der vaterländischen Gesetzgebung gemacht werden soll.

Abgeordn. Neumann: Wenn unsere Stellung bei der Begut⸗ achtung des uns zur Berathung vorgelegten Strafgesetz⸗ Entwurfes da als eine minder wichtige erschien, wo es sich um die Prüfung der einzelnen Bestimmungen des Entwurfes und um die Aufnahme oder Ablehnung dieser oder jener Vorschrift handelte, weil wir uns dabei als eine Versammlung betrachten konnten, deren Mitglieder mit den Ansprüchen, welche die praktischen Zustände der Gegen⸗ wart und das Rechtsbewußtsein des Volks an ein Strafgesetz machen, einigermaßen vertraut sind, so wird diese Stellung doch sofort zu einer ungleich bedeutenderen und wichtigeren, sobald es auf die Erklärung darüber ankommt, ob das nunmehr berathene Straf⸗ gesetz auch wirklich in's Leben treten und zur Anwendung kom⸗ men soll. Hier haben wir uns nunmehr in unserem Gewissen zu fragen, in wie welt wir uns als Vertreter des Landes, mit der An— sicht derer, deren Auffassung wir hier zu vertreten haben, in Ueber—

673 einstimmung befinden, und wie wir unseren Pflichten gegen biese und gegen den vereinigten Landtag am sichersten nachkommen.

Ich nehme keinen Anstand zu bekennen, daß ich mich mit dem, was ich in diesen Beziehungen für meine Pflicht erkenne, im Wider⸗ spruche befinden würde, wenn ich mich für die Einführung des nun⸗ mehr berathenen Strafrechts aussprechen wollte, und zwar um so mehr, als die Publication des materiellen Strafrechts für sich allein nach der allgemeinen Uezeugung durchaus nicht für wün schens— werth gehalten wird, weil dadurch die Ungleichheit der Rechtspflege zwischen den alten und neuen Provinzen nech vergrößert wird. Der Antrag der Abtheilung, ein Strafprozeßgesetz zu entwerfen und dem Vereinigten Landtage zur Berathung vorzulegen, das gegenwärtige Strafrecht aber bis zum Erscheinen desselben nicht zu pubiiziren, da es ohne allen Zweifel dem Vereinigten Landtage dabei wieder mit vorzulegen sein wird, um die Strafgesetzgebung endlich als ein Ganzes erscheinen zu lassen, wird mithin schon deshalb auf die Zusti m⸗ mung der Hohen Versammlung rechnen können, weil selbst bei den jetzt stattgefundenen Berathungen das Urtheil über die Ange⸗ messenheit mancher Bestimmungen eben um ̃ mußte, weil man sich außer Stände befand, ein solches ohne nähere Bekanntschaft mit dem Strafprozeßgesetz abzugeben. Insoweit fehlt

also auch den jetzt beendigten Berathungen noch ihre a bsolute

Vollständigkeit und diese können namentlich nach der Seite des

Strasprozesses hin noch nicht als gänzlich abgeschlossen betrachtet

werden. z

Es wird ein solcher Antrag aber außerdem auch noch J. durch Gründe einer inneren Nothwendigkeit, so wie II. durch frühere Anträge des Vereinigten Landtages und der Provinzial⸗ Landtage gerechtfertigt. x . ,,

Es kann wohl keinem Zweifel unterliegen, daß unsere Straf⸗ gesetzgebung durch den jetzt berathenen Entwurf so wese ntl iche Veränderungen erleidet, daß sie kaum noch mit dem übrigen Organismus der Rechtspflege in Uebereinslimmung gebracht werden kann. Gleichwohl ist nicht zu bestreiten, daß der Geist und die Grundansichten des Strafgesetzes von denen des Strafverfahrens nicht verschieden sein dürfen, ja sie müssen sich nach demselben sogar vielfältig modifiziren. Beide Gesetzbücher müssen daher Hand in Hand gehen und mit einander in's Leben treten, wenn die Straf⸗ rechtspflege eine einheitliche Basis haben soll. l t deshalb auch das materielle Strafgesetz auf das engste mit dem Strafverfahren verbunden. Es war dies hei den Römern der Fall, wo jede einzelne Les die Strafe bestimmte und zugleich das Verfahren ordnete; es war dies bei den alten de utschen Volks⸗ gerichten der Fall, wo lange Zeit selbst die Strafe in der Hand der Urtheiler lag, und die Ansicht des kanonischen Rechts über die Natur ber Strafe bedingte nothwendig auch ein abweichendes Ver⸗ fahren und führte mit zu dem Inguisitionsprozesse. Noch die pein⸗ liche Halsgerichtsordnung Karls V. ordnet das Verfahren des Richters ebenso wie die Strafen. Nachdem das Strafrecht des Allge⸗ meinen Landrechts erschienen war, fühlte man, wie auch der Herr Landtags- Kommissarius bereits erwähnt hat, sehr bald das Bedünfniß einer entsprechenden Kriminalordnung. Es erschien deshalb 1805 die Kriminalordnung vom 11. Dezember, welche sich als den ersten Theil eines Allgemeinen Kriminalrechts ankündigte, das ein Ganz es ausmachen sollte. Leider erfolgte die Publication des dazu gehörigen Strafrechts nicht, und wir haben über 40 Jahre lang die großen Uebelstände einer solchen Scheidung tragen müssen. Sie hat den nachtheiligsten Einfluß auf die Strafrechtspflege geübt, und wenn es völlig unzulässig fein würde, das jetzt berathene Strafrecht als den zur Kriminalordnung von 1895 gehörigen zweiten Theil zu be⸗ trachten, ein uenes Untersuchungsverfahren vielmehr bestimmt in Aussicht steht, so kann, um einen gleichen Uebelstand, wie er seit 1805 sich geltend gemacht hat, zu vermeiden, eine Anwendung des berathenen Strafgesetzes ohne eine neue Kriminalorbnung auch un— möglich für zulässig gehalten werden.

Ich komme nun zu dem zweiten Rechtfertigun gsgrunde des An⸗ trages: das berathene Strafrecht mit dem Entwurfe einer Ariminal⸗ Ordnung dem Vereinigten Landtage vorzulegen. Bekanntlich ist von demselben darauf angetragen worden, ein auf das Prinzip der Oeffentlichkeit und Mündlichkeit sich gründendes Strasprozeßgesetz zu entwerfen, und ihm zur Berathung vorzulegen. Wenn dies ge⸗ schieht, so kann, wie bereits ausgeführt worden, von der Prüfung des Strafgesetzes und Vergleichung desselben uit dem Strafverfahren unmöglich AÄbstand genommen werden, um so weniger, als die Be— rathung des Strafgesetzes gerade nach dieser Seite hin von uns eben nicht als vollständig durchgeführt betrachtet werden kann.

Außerdem haben mehrere Provinzial Landtage die Aussetzung der Publication des Strafgesetzes bis zum Erscheinen einer neuen Kriminalordnung ausdrücklich verlangt. können glauben, sondern auf hindeuten, so spricht gerade dieses Argument ganz für den Antrag der Provinzialstände. Es kommt nicht darauf an, blos die Grund⸗ züge des neuen Verfahrens zu kennen, vielmehr muß das ganze neue Prozeßgesetz in seinen Details vorliegen, mit welchem das Straf⸗ gesetz nur in's Leben treten kann. Uebrigens begründete das Gesetz vom 17. Juli 1846 nur einen Versuch, für Berlin, und seine Anwendung hat schon manche Mängel herausgestellt, die beseitigt werden muͤssen. Es wird sogar zunächst die Frage entstehen, ob sich für unser neues Strafgesetz nicht blos ein Geschwornengericht eignet, wohin meine Ansicht geht. Nach dem neuen Gesetze von 1846 hört

eigentlich auch der Begriff stän diger Richter auf; denn nach dem⸗

selben sind die Richter einem steten Wechsel unterworfen. Es sind jetzt nicht mehr die großen Gerichtshöfe, deren Name schon eine unpartheiische Rechtspflege verbürgt, welche entscheiden, sondern Deputationen von 3, 5 oder 8 Mitgliedern von dem Vorsitzenden nach seinem Gutbefinden ernannt. Diese bilden nun eigentlich keine ständigen Richterkollegien und gewähren doch jedenfalls nicht ganz die Garantieen, welche ein Strafgesetz verlangt, das eine so immense Gewalt in die Hände des Richters legt. Ich halte demnach dafür, daß es dringend erforderlich ist, eine neue Kriminglordnung zu ent⸗ werfen, dieselbe dem Vereinigten Landtage zur Berathung vorzu— legen und zu diesem Zwecke ihm auch diesen von uns berathenen Strafgesetz Entwurf mit vorzulegen, und bitte daher den Antrag der Majorltät der Abtheilung anzunehmen.

Justiz-Minister Uhden: Ohne mich auf die Diskussion über die Haupkfrage einzulassen, komme ich auf einen Punkt zurück, den der gechrte Redner zuletzt erwähnt hat, nämlich in Beziehung auf das Gesetz vom 17. Jull 1816. Ich glaube nicht, daß die hohe Ver sammlung geneigt sein wird, dieses Gesetz in den einzelnen Bestim= mungen hier durchzugehen, sollte dies geschehen, dann müßte ich bitten, die pro und conira von allen Seiten zu erwägen. Der Angriff des Redners geht dahin, daß die erkennenden Richter keine ständigen wären. Bas beruht auf einem Mißverständniß. Es werden näm⸗ lich die Abtheilungen, die erkennen sollen, von dem Präsidenten er⸗ nannt und es bekannt gemacht. Ein Wechsel findet nicht statt. Solche Deputationen kommen allerdings nur bei großen Gerichten vor. Bei Untergerichten, die nur aus 3 bis 5 Mitgliedern bestehen, fällt dies von selbst fort. Bei den größeren Gerichten werden, wie schon erwähnt, die Deputationen ein für allemal ernannt, und sogar

darum suspendirt bleiben

Von jeher war

Wenn die Motive zu dem Strafgesetz⸗Entwurfe S. 157 i gn gegenwärtig nicht eingehen zu as Gesetz vom 17. Juli 1846

legen. klären

finale anerkennen ö Oppositi eten würde zjestät ,, bas Strafgesetzblich nochmals dem Vereinigten

Stellvertreter, die dann eintreten müssen, wenn die Richter durch Krankheit oder Urlaub verhindert sind, den Sitzungen beizuwohnen. Graf zu Dohng-Cauck: In möglichster Kürze will ich mich über die vorliegende Frage aussprechen. Der Antrag der Abtheilung, nämlich eine Erklärung niederzulegen, besteht eigentlich aus 3 Thei⸗ len. Zuerst soll erklärt werden, daß es als wünschenswerth erachtet werde, es möge das Strafgesetzbuch nicht erlassen werden, bevor die neue Kriminal Ordnung gleichzeitig ins Leben treten könne. Dann ferner soll diese Erklärung gleichzeitig ausdrücken, daß die Kriminal- Ordnung dem vereinigten Landtage zur Begutachtung vorgelegt wer= den soll, und daun zuletzt enthält diese Erklärung einen Schluß atz, daß dem Landtage dadurch Gelegenheit gegeben werde, sich zugleich über den Inhalt des Strafgesetzbuches zu äußern. Dieser letzte Schlußsatz erscheint mir eigentlich als ein Accidenz und überflüssig, indem er gar keinen bestimmten Antrag enthält. Ich werde auf den⸗ selben noch späterhin zurückkommen. Was zunächst den ersten Antrag, der in der Erklärung enthalten ist, betrifft, daß das neue Strafge⸗ setzbuch nicht eher ins Leben treten möge, bis eine neue Kriminal⸗ Ordnung gleichzeitig mit demselben erlassen werden könne, so muß ich diesem Antrage meinerseits beipflichten. Der Herr Landtags-Kom⸗ missar hat auseinandergesetzt, daß keine absolute Nothwendigkeit vor⸗ liege, daß diese beiden Gesetze gleichzeitig ins Leben treten müßten, indem das neu eingeführte öffentliche Gerichtsverfahren bei dem älteren Kriminalgesetz bereits in Anwendung getreten sei, und kein wesentlicher Uebelstand dabei sich herausgestellt habe. Ein absolute Nothwendigkeit zur ganz gleichzeitigen Einführung beider Gesetze muß ich zugestehen, läßt sich freilich nicht behaupten, wie in allen solchen legislativen Anordnungen, und ich meinerseits würde von meinem Standpunkte als Laie aus, mich nur dahin erklären, daß es mir im höchsten Grade wünschenswerth erscheint. Dieser Ansicht ist der Herr Landtags- Kommissar in seiner Erklärung auch beigetreten, und insofern würde ich mich damit zufriedenstellen, nur sehe ich durchaus keinen Ucbelstand darin, wenn die hohe Versammlung gleichfalls dies noch in einer Erklärung an die Stufen des Thrones bringt. Aus tiesem Grunde würde ich also dem ersten Theile der Erklärung beipflichten. er zweite Theil der Erklärung geht dahin, daß die neue Kriminal- rdnung dem vereinigten Landtage zur Berathung vorgelegt werden soll. Auch diese Forderung erscheint mir als gerechtfertigt. Der Herr Landtags-Kommissar hat in der Auseinandersetzung, die er gege⸗ ben hat, erklärt, daß dieser Antrag durch einen Antrag Seitens des

vereinigten Landtags erledigt sei, indem beide Kurien des vereinigten

.

D 82 2

Landtages darauf angetragen hätten, das ein öffentliches Gerichta⸗

verfahren in beschleunigter Weise eingeführt werden möge. Ich kann mich nicht damit einverstanden erklären, daß durch diesen Antrag und durch die Allerhöchste, demselben zu Theil gewordene Gewährung, die gesetzliche Bedingung, daß eine neue Kriminal⸗Ordnung dem Ver⸗ einigten Landtage zur Begutachtung vorgelegt werden soll, erledigt sei. Der Anträg des Vereinigten Landtages ging auf beschleunigte Einführung des öffentlichen Gerichtsverfahrens, das schließt zn aber keineswegs aus, daß die demselben zum Grunde zu legende Iriminal- Ordnung noch den Ständen zur Begutachtung vorgelegt werden müsse. Denn die ständischen Grund gesetze sprechen es ganz bestimmt aus, daß alle Gesetze, welche persönliche und Eigenthumsrechte, be⸗ treffen, den Ständen zur Begutachtung, vorgelegt werden müssen, und deshalb kann ich nicht anders als mich dahin erklären, daß auch die neue Kriminal Ordnung dem Vereinigten Landtage vorgelegt wer— den muß. Doch nicht blos in formeller Beziehung erscheint mir die Erfüllung dieser gesetzlichen Bedingung nothwendig, sondern auch in materieller Beziehung kann ich nicht anders, als die Ueberzeugung aussprechen, daß die ständische Berathung auch für die neue Krimi⸗ nal Ordnung mir im hohen Grade als wünschenswerth erscheint. Selbst die Minorität der Abtheilung hat sich in ihrem Gutachten dahin ausgesprochen, daß die Berathung einer neuen Kriminal-Ord⸗ nung Seitens des Vereinigten Landtages ihr als zweifellos erscheine,

und auch ich muß nochmals dieser lieberzeugung beipflichten. Ich komme nun zu dem Schlußsatz.

Dirser Schlußsatz drückt aus, daß dem Vereinigten Landtage Gelegenheit gegeben werden soll, sich zu⸗— gleich über den Inhalt des Strafgesetzbuches zu äußern. Wie schon früher gesagt, enthält dieser Schlußsatz durchaus keine bestimmte Er⸗

klärung denn wenn eine neue Kriminal-Ordnung dem Vereinigten

Landtage zur Begutachtung vorliegt, so versteht es sich von selbst, daß er dabei Gelegenheit haben wird, sich über einzelne Punkte des materiellen Gesetzes zu äußern, aber das ist eine Sache, die sich so

von selbst versteht, daß sie hier nicht ausgedrückt werden darf. In

dieser Beziehung erscheint dieser Schlußsatz als ein reines super fluum. Verglelche ich nun aber die Motivirung im Gutachten der Abtheilung in Beziehung auf diesen Schlußsatz, so erscheint mir dieser Schlußsatz in mancher Beziehung bedenklich und wenigstens nicht zu wünschen, denn in der Motivirung ist allerdings ein weit größeres Gewicht auf diese beiläufige Erklärung gelegt, und sie könnte doch zu dem Bedenken Veranlassung geben, daß dadurch auf indirekte Weise der Antrag dahin ausgedrückt werden soll, daß Strafgesetzbuch noch einmal der Berathung des Vereinigten Landtags zu unter⸗ Diesem würde ich mich ganz entschieden entgegen er— müssen. Das Strafgesetzbuch hat alle Stadien der ständischen Berathung durchlaufen, alle Bedingungen der ständi⸗

schen Mitwirkungen sind an demselben erfüllt, ja mehr als erfüllt.

Das Gouvernement wäre berechtigt gewesen, das Strafgesetzbuch mach der Berathung durch die Provinzial-Landtage zu emaniren. Wenn das Gouvernement bei der schließlichen Bearbeitung des Straf⸗ gesetzbuches so lange verweilt hat, daß vor Vollendung desselben die Institution des Vereinigten Landtages ins Leben trat, so kann das

Jnslebentreten dieser ständischen Institution keine rückwirkende Kraft

uf ein Gesetz haben, an welchem alle Bedingungen der ständischen Mitwirkung erfüllt waren. Eine nochmalige Berathung durch den Vereinigten Landtag scheint weder gesetzlich noch eventuell nothwendig. Wenn Se. Majestät der König das Strafgeseßbuch nochmals dem Vereinigten Ausschusse vorgelegt hat, so ist dies geschehen in der Absicht, zuletzt noch eine einheitliche Mitwirkung der Stent . wichtigen Werke zu Theil werden zu lassen, und um die, ann,. ander abweichenden Gutachten der Provinzial-Lnnttage, nein n 8 zu verschmelzen. Aus dem Grunde, weil das . . lung an mehreren Stellen erklärt, daß auch 3 6. 6. dischen Gesetze eine Berathung , nich gegen diesen einigten Landtag nothwendig ersche ine, ini * ders erwähnt, daß S4 erklär Es wird im Gutachten zesonders erwähnt, d Schlußsatz zerklayen, huß die eben beendigte Berathung nicht als eine der Vereinigte Au schui weis sie mit dem Vereinigten Landtage in welcher eine Petition an Se. Majestät den Konig gestellt abe ses erscheint als eine Identifizirung der Landtage ern ,, 5 Landtage, welche ich nicht aner⸗ , ,,, die Herren-Kurie hat ihrerseits zu dieser Petition lennen . nicht gegeben. Diefes wollte ich nur als beiläufig Vena ug erwuhnen, Einesweges aber als scharf betonten Differenz-

wor Aus allen diesen Gründen und weil dieser Schluß⸗ n 6 hat, als wenn darin der Antrag enthalten 9 könnte, daß das Strafgesetzbuch dem Vereinigten Landtage noch⸗ 46 vorgelegt werden müsse, würde ich, den Antrag stellen, diesen Ig lußsa⸗ gaͤnz wegzulassen und die Erklärung der Abtheilung in der