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dann aber ist es unter dem Ausdruck, politisches Verbrechen“ enthalten. Des halb scheint mir die Fassung dieses Satzes nicht so korrekt, wie sie in einem Gesetze nothwendig ist. Ich ver⸗ kenne nicht, daß die Aufgabe, die * das Ministerium mit dem Ent⸗ wurfe dieser Verordnung emacht hat, lediglich dahin gegangen ist, niederzureißen, was in egislatorischer Hinsicht den Wünschen des Volkes entgegensteht, und ich bin tief durchdrungen davon, daß man auch vorläufig bei dieser Aufgabe stehen bleiben muß, ich bin tief durchdrungen davon, daß es jetzt nicht möglich ist, neue Gesetze zu erlassen und neue Einrichtungen zu tressen. Ich glaube aber auch, daß ein solches Bedenken in Bezu auf die Röein⸗-Provinz nicht ent⸗ gegensteht. Das einzige Bedenken, das gegen dies Amendement gemacht werden könnte, besteht vielleicht darin, daß, während wir Alle wünschen, eine gemeinsame Gesetzgebung für ganz Deutschland zu er⸗ halten, noch eine Verschiedenheit zwischen den einzelnen Provinzen in der nächsten Zukunft aus der Annahme des Amendements erwachsen wird. Indessen glaube ich, daß dies Bedenken von keiner wesentlichen Bedeutung ist. Es besteht nämlich ein wesentlicher Unterschied darin, daß die Rhein- Provinz bereits das Institut der Geschworenen⸗ Ge⸗ richte besitzt; es ist daher sehr leicht dort, die Preßvergehen vor ein bestehendes Institut zu verweisen, vor welches alle politischen Ver⸗ brechen verwiesen sind. Ich zweifle nicht daran, daß sämmtliche Pro- vinzen des Staates der Rhein-Provinz es gönnen, daß sie jetzt schon das Gute genieße, was nach den Umständen den anderen Provinzen augenblicklich noch nicht gewährt werden kann. Ich stimme für das Amendement. Marschall: sich bestimmt über die Fassung der Worte, erkläre. . Abgeordn. Mevissen: Die Fassung, welche ich mir vorzuschla—⸗ gen erlaubt habe, ist folgende: . „Im Bezirk des Appellations- Gerichtshofes zu Köln tritt auch bei politischen und Preßverbrechen und Vergehen die Zuständigkeit der Geschworenengerichte ein.“ Candtags⸗Kommissar:

begangen werden,

Es wird erforderlich sein, daß der Abgeordnete die er vorgeschlagen hat,

Es ist vorhin darauf provozirt worden, daß auch das Ministerium gegen das Amendement schwerlich eine Einwendung zu machen habe. Meine Herren! Das Ministerium wünscht die Lage festzuhalten, welche nach der bestehenden Verfassung, dem Vereinigten Landtage gegenüber, gegeben ist, und es wird dem⸗ nach dem Beschlusse des Vereinigten Landtages die erforderliche Be⸗ rücksichtigung schenken und die Amendements, welche beschlossen werden möchten, in reiflichste Erwägung nehmen. In weitere bindende Er- klärungen einzugehen, werden sie mir um so mehr erlassen, als wegen der Eile das Gutachten der Abtheilung der Regierung erst mit Eröff⸗ nung der Sitzung bekannt geworden ist, und als die Amendements auch eben erst in diesem Augenblicke gestellt worden sind. Ich kann daher nur wiederholen, daß die Regierung den Beschlüssen der Ver⸗ sammlung die sorgfältigste Erwägung schenken wird.

Marschall: Der Vorschlag hatte schon die erforderliche Unter—⸗ stützung von 24 Mitgliedern gefunden, und es ist zweckmäßig, ihn getrennt von der Hauptfrage und zuerst zur Abstimmung zu bringen. Die Frage heißt also:

Soll beantragt werden, den zweiten Satz in der Art zu fassen: In dem Bezirk des Appellations-Gerichtshofes zu Köln tritt nuch bei politischen und Preßverbrechen wie Vergehen die Zu— ständigkeit der Geschwornengerichte wieder ein.

Diejenigen, welche die Frage bejahen, würden dies durch Auf⸗ stehen zu erkennen zu geben haben.

Der Vorschlag ist mit großer Majorität angenommen.

Die nächste Frage heißt:

Stimmt die Versainmlung dem 5.2 mit Hinzufügung des gemach⸗

ten Zusatzes bei?

Diejenigen, welche die Frage bejahen, stehen zu erkennen geben.

Der Paragraph ist fast einstinmig angenommen.

Referent Möwes (verliest §8. 3 des Gesetzes achten der Abtheilung zu §. 3):

würden dies durch Auf⸗

und das Gut⸗

„8. 3.

Zur Sicherheit der Unabhängigkeit des Richterstandes treten alle von den früheren Gesetzen abweichenden Bestimmungen der Verord⸗ nungen vom 29. März 1841 über die im administrativen Wege zu⸗ lässige Dienst⸗Entlassung, Versetzung und unfreswillige Pensionirung der Richter außer Kraft.

Zum §. 3.

Die nicht minder erfreuliche und in ihren Folgen gewiß segens⸗ reiche Bestimmung, durch welche die Unabhängigkeit des Richterstan⸗ des wiederhergestellt werden soll, erregt nur hinsichtlich ihrer Fassung ein Bedenken. Die Absicht dieser Bestimmung geht unzweifelhaft dahin, daß für den Richter dasselbe Verhältniß wieder eintreten soll, welches vor den Gesetzen vom 29. März 18441 bestand. Es sind die⸗ selben daher künftig für ihn als nicht vorhanden zu betrachten.

Wenn aber, wie die Vorlage lautet, nur die von den früheren Gesetzen abweichenden Bestimmungen jener Verordnungen außer Kraft treten, so würden dieselben . noch bestehen bleiben und im Falle eines nothwendigen Verfahrens gegen einen richterlichen Beam⸗ ten Vergleichungen der älteren und neueren Gesetze sich nöthig 4 welche leicht zu nicht unwesentlichen Inkonvenienzen führen dürften.

Die Abtheilung, jene Absicht der Gesetz-Vorlage festhaltend, schlägt daher nachstehende Fassung vor:

Die, Verordnungen vom 29. März 1844, betreffend das gericht⸗ liche und Disziplinarverfahren gegen Beamte, so wie das bei Pen⸗ sionirungen zu beobachtende ,. treken in Beziehung auf den Richterstand gänzlich außer Kraft.“

JustizMinister Bornemann: Ich finde gegen die veränderte Fassung des Paragraphen gar nichts zu erinnern. Die Geseße vom 29. März 1814 sind ein Unsegen gewesen. Sie haben uns in Ge— fahr gebracht, das Vertrauen in dem Richterstande zu erschüttern und bas Vertrauen zu dem Richterstande zu untergraben. Die größte Last aber sind sie für den Jußstiz⸗Minister gewesen, der dadurch in die üble Lage gekommen ist, selbst mitzuwirken für Entsetzung der Richter. Ich bin der Erste, der dafür stimmt, sie abzuschaffen.

Abgeordn. von Patow II: Ich habe nur ein kleines Bedenken dagegen geltend zu machen, daß nach dem Amendement das frühere Verfahren nicht blos bei unfreiwilligen, sondern auch bei gewöhnlichen Pensionirungen wieder in Kraft treten soll, und glaube, daß das Aniendemenk kein zweckmäßiges ist, denn für die gewöhnlichen Pen⸗ sionirungen fehlte es früher ganz an Gesetzen. Für diese Pensioni⸗ rungen ist jetzt eine bessere rf getroffen. Ich glaube daher, daß wir den richterlichen Beamten keinen guten Dienst leisten, wenn wir nach dem Amendement die Verordnungen des Jahres 1844 nicht allein für die unfreiwilligen, sondern auch für die übrigen Pensioni⸗

rungen außer Kraft setzen.

Referent Abgeordn, Möwes: Ich kann der Ansicht des ge⸗ ehrten Redners nicht beitreten. Pensisnirungen gehen entweder in freiwilliger Weise, insofern der zu Penstonirende damit einverstanden ist, oder unfreiwillig, wider den Willen des zu Pensionirenden, durch ein gegen ihn eingeleitetes Verfahren, vor sich. Die Abtheilung hat allerdings diese zwiefache Art im Auge gehabt. Der Gesetzes Vor, schlag bezieht sich nur auf unfreiwillige Pensionirungen, also auf alle

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Fälle, in welchen der Beamte, den man aus dem Amte entfernen will, sich selbst hierzu nicht versteht, und gegen den folglich das im Ge⸗ setze vom 29. März 18144 vorgeschriebene Verfahren eingeleitet wer⸗ ben muß, um jenen Zweck zu erreichen. Da aber gerade dieses Ver⸗ fahren zur unfreiwilligen Penstonirüng die Abhängigkeit der Richter gleichfalls angeht, so hat die Abtheilung sich überzeugt, daß dies Ge⸗ setz eben so gut fallen muß, wie das Gesetz von demselben Tage we⸗ gen Disziplinar-Vergehen 2c. Wollte man das ersigedachte Gesetz wegen unfreiwilliger Pensionirung für den Richterstand noch ferner elten lassen, o würde deren Unabhängigkeit nur theilweise erreicht 38 Viesenigen Pensionirungen aber, die in Folge einer Dienst⸗ Unfähigkeit des Beamten nothwendig werden, finden anderweitige Re⸗ gulirung! J .

Marschall: Wenn Niemand weiter das Wort begehrt, kommen

wir zur Abstimmung.

Die Frage heißt: ; Tritt die Versammlung dem Antrage der Abtheilung bei, daß 8§. 3 folgende Fassung erhalte?

Der Secretair wird sie noch einmal verlesen. (Secretair liest den Fassungs - Vorschlag der Abtheilung vor.)

Marschall: Tritt die Versammlung dem Antrage der Abthei⸗

lung bei?

Diejenigen, welche dies thun, werden es durch Aufstehen zu er⸗

kennen geben. (Eine große Majorität erhebt sich.) Dem Antrage ist beinahe einstimmig beigetreten worden. Wir gehen zum §. 4 über. Referent Abgeordn. Möwes (liest vor):

„S. 1.

Alle Preußen sind berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen in geschlossenen Räumen zu versammeln, ohne daß die Ausübung dieses Rechtes einer vorgängigen polizeilichen Erlaubniß unterworfen wäre.

Eben so sind sie berechtigt, zu solchen Zwecken, welche den be⸗ stehenden Gesetzen nicht zuwiderlaufen, sich zu Gesellschaften ohne vorgängige polizeiliche Erlaubniß zu vereinigen.“

Das Gutachten zu §. 4 lautet:

„Im §. 4 wird zunächst die Berechtigung zur friedlichen Ver⸗ sammiung in geschlossenen Räumen, ohne daß es hierzu einer polizei⸗ lichen Erlaubniß bedarf, ausge sprochen.

Die Abtheilung glaubt auch bei dieser Bestimmung sich der Erörte⸗ rung der Frage, ob dieselbe für die öffentliche Wohlfahrt von Nutzen sei, enthalten zu können, und empfiehlt solche zur vorläufigen An⸗ nahme. ö

Dahingegen führt diese Bestimmung zu der Frage, was hinsicht= lich der unter freiem Himmel zu veranstaltenden Versammlungen, de⸗ ren nicht Erwähnung geschehen ist, künftig Rechtens sein soll.

Ueber die größere oder geringere Gefährlichkeit solcher Versamm⸗ lungen im Allgemeinen vermag die Abtheilung ein bestimmtes Urtheil nicht auszusprechen, da eine etwanige Gefahr immer abhängig bleibt von dem Zwecke öffentlicher Versammlungen, von den Lokalverhält⸗ nissen des Orts, wo sie stattsinden, und von mancherlei anderen Neben⸗ Umständen. Wohl aber ist dieselbe des bestimmten Dafürhaltens, daß über die Zulässigkeit solcher Versammlungen kein Zweifel sein darf, und schlägt sie deshalb in völliger Uebereinstimmung aller Mitglieder folgende Zusatz Bestimmung vor:

„Auch Versammlungen unter freiem Himmel können, insofern sie für

die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gefahrbringend sind,

von der Obrigkeit gestattet werden.““

Der zweite Saß in diesem Paragraphen handelt, nach der Ansicht der Abtheilung, von der eigentlichen freien Association ober von der Bildung von Gesellschaften und Vereinigung zur Verfolgung eines bestsimmten Zweckes. Sie kann sich im All⸗ gemeinen nur für die Annahme dieses Rechts aussprechen, glaubt aber bemerken zu müssen, daß die Worte der Bestimmung:

„zu solchen Zwecken, welche den bestehenden Gesetzen nicht zu⸗

widerlaufen, insofern bedenklich erscheinen, als es bei dieser Fassung zweifelhaft bleibt, welche von den bisherigen, in vieler Hinsicht die freie Ver⸗ einigung beschränkenden Gesetzen noch zu Recht bestehen oder nicht.

Dle Abtheilung hat folglich, behufs der Erledigung aller Zwei⸗ fel und nach stattgehabtem Einvernehmen mit dem betreffenden Mi— nisterium, sich zu dem folgenden Fassungs⸗Vorschlage vereinigt:

„„Eben so sind alle Preußen berechtigt, zu solchen Zwecken, welche

den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen, sich ohne vorgängige polizei⸗

liche Erlaubniß in Gesellschaften zu vereinigen. Alle das freie Vereinigungsrecht beschränkende, noch bestehende gesetzliche Bestimmungen werden hiermit aufgehoben.““

Staats- Minister Graf von Schwerin: Es liegen eben zwei verschiedene Vorschläge vor, während das verehrte Mitglied, welches zuerst den Antrag stellte, „Kommunal⸗Behörde“ gesetzt wissen wollte, wird von anderer Seite „Polizei-Behörde“ verlangt. Nun aber hat in unserem Staate die Kommunal-Behörde nicht immer die Polizei- Verwaltung; es ist daher der Ausdruck „Obrigkeit“ als ein allgemei⸗ ner Ausdruck gesetzt.

Marschall: Es ist also zu ermitteln, ob der Antrag: statt i Kommunal-Behörde zu setzen, die erforderliche Unterstützung indet.

Der Referent hat vorher ums Wort gebeten, ich habe nichts dagegen.

Referent Abgeordn. Möwes: In der Abtheilung ist die Be⸗ deutung des Ausdrucks: Obrigkeit, nicht unbeachtet geblieben; er ist aber so allgemein, daß er allen Anforderungen entspricht, und des⸗ halb gewählt worden. Er umfaßt Polizei- und Kommunal⸗Behörde. Hinsichtlich des Ausdrucks: „Polizei?, befürchtete die Abtheilung, daß bei seiner Benutzung der Gesetzes-Vorschlag vielleicht aus einem ge= hässigeren Gesichtspunkte betrachtet werden möchte, indem, wie ich wohl sagen darf, die Polizei⸗Behörde, wenn auch ohne hinreichenden Grund, im Volke in einem viel gehässigeren Lichte steht, als die Kommunal-Behörde. Ferner beziehe ich mich auf die Städte⸗Ord⸗ nung, nach welcher der Magistrat überall die Orts Obrigkeit und auch seinerseits verpflichtet ist, für die öffentliche Ruhe und Sicher heit Sorge zu tragen. Der Ausdruck Obrigkeit umfaßt folglich Alles und findet nicht nur Anwendung auf die Städte, sondern auch auf das platte Land.

Marschall: Es ist nun zu ermitteln, ob der Vorschlag die Un⸗— terstützung von 24 Mitgliedern sindet.

(Ein Theil der Mitglieder erhebt sich.)

Er hat sie gefunden.

Abgeordn. Winzler: Auch ich, meine Herren, muß aufs ent⸗ schiedenste nicht der Bewilligung, sondern der Fassung des §. 4, eben so wie dem daran geknüpften Vorschlage der verehrlichen Begutach⸗— tungs-Deputation entgegentreten.

Niemand wird leugnen können, daß sich unser Vaterland in einer der greßartigsten Ucbergangeperieden befinde; durch politische Ereig- nisse erschüttert, bedarf es einer Masse von Umformungen Um seine sozialen wie politischen Zustände wieder zu regeln, was vielfacher Be⸗ rathungen und Beschlüsse bebarf. Um Lies auszuführen, da es nicht überall vom gesetzlchen Standpunkte geschehen kann, weil win sonst in ein früheres Uebel zurückfallen würden, nämlich in das viel⸗

regiertwerden, ist es nöthig, daß man innerhalb der gesellschaftlichen

Kreise sich bespreche und berathe, und dazu bedarf es eines Rechtes was mir eigentlich schon naturrechtlich festzustehen scheint. Wir haben dies Recht nun auch in voller Weise gesetzlich ertheilt gewünscht, man hat es uns aber hier nur theilweise gegeben, denn der Zusatz ö. ge⸗ schlossenen Räumen ist nicht blos Hemmung des Wollen, sondern auch Verdächtigung des guten Sinnes des Volkes. Der Gesetz-Ent⸗ wurf scheint der unrichtigen Ansicht entsprungen zu sein, daß mög liche Gefahren großer Volksversammlungen durch Jahl und Naum behindert oder geleitet werden könnten; dies ist falsch, viel eher könnte durch solche unzeitgemäße Hemmungen die Ursache zur Unzufrieden⸗ heit gegeben werden, wogegen man volles Vertrauen ehren wird. Also freies Versammlungsrecht dem gesetzlich freien Volle.

Eben so halte ich den Vorschlag der Abtheilung, wenn er auch nicht ebenfalls ein freies Recht hemmen wollte, doch für ganz über— flüssig, denn wir bedürfen über etwas, was bereits immer bestand näuilich sich versammeln zu dürfen, wenn es die Obrigkeit erlaubt, keiner Berathung und keinen Beschlusses. Ich muß also antragen, daß alle Preußen sich versammeln können und dürfen, und zwar ohne polizei⸗ liche Erlaubniß.

Ich schlage deshalb vor, die erste Bestimmung des §. 4 dahin zu fassen:

Alle Preußen sind berechtigt, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln, ohne, daß die Ausübung dieses Rechtes einer vorgängigen polizeilichen Erlaubniß unterworfen wäre Und bitte den Herrn Marschall, dies Amendement zur Abstimmung zu bringen. .

Marschall: Der Vorschlag geht dahin, daß im ersten Satz die Worte: „in geschlossenen Räumen“, wegfallen, womit auch der zweite Satz des Paragraphen wegfallen würde. Es kommt darauf an, zu ermitteln, ob dieser Vorschlag die nöthige Unterstützung von 24 Mitgliedern sindet, welche das durch Aufstehen zu erkennen geben würden.

(Er hat sie gefunden.)

Fürst von Lichnowsky: Ich habe nur wenige Worte zu sa⸗ gen. Nach den Erklärungen, die Lon der Minister Bank über den Sinn gegeben worden sind, den dieselbe mit dem Ausdruck Obrigkeit verbindet, daß er nämlich sowohl Kommunal- als Polizei Behörde generell umfassen soll, ziehe ich meinen Antrag zurück, nehme aber Akt von erwähnter Erklärung.

Abgeordn. Freiherr von vincke: Ich habe schon bei der allge⸗ meinen Diskussion mir vorbehalten, für den Fall, daß überhaupt auf die Gesetzesvorlage eingegangen werden möchte, wie es nun geschehen ist, meine speziellen Bedenken gegen die Zeitgemäßheit einzelner Be—⸗ stimmungen vorzubringen. ö J

Ich mache davon jetzt Gebrauch und erkläre mich auf das ent schiedenste gegen den Paragraphen sammt allen Zusätzen und Amen— dements.

Um zuvörderst den richtigen Standpunkt der Erörterung herzu⸗ stellen, verwahre ich mich gegen eine vorhin gemachte Aeußerung des ehrenwerthen Mitgliedes für Dülken und andere rheinische Städte, daß die hohe Versammlung die Zusicherungen Sr. Majestät des Kö⸗ nigs in der Adresse acceptirt habe. Ich befinde zu meinem Bedauern müh in der Nothwendigkeit, in dieser Beziehung auf Verhandlungen zurückzukommen, welche außer dieser Versammlung gepflogen sind, voran aber doch die große Mehrzahl der verehrten Mitglieder sich betheiligt hatte, und welche hier schon mehrfach erwähnt worden sind, ich meine die Vorberathung der Adresse am Sonnabend Abend im Hotel de Russie.

Der ursprüngliche Adreß -Entwurf des Abgeordneten für Krefeld enthielt allerdings eine Acceptation der bekannten Zusicherungen. Ich habe mich dagegen erklärt, einmal, weil ich es für eine Art von Anmaßung halten mußte, einer Versammlung, welche das Vertrauen des Volkes auf der breitesten Grundlage repräsentiren sollte, eine Erklärung vorwegzunehmen, welche nur ihr vorbehalten war; dann, weil nach rechtlichen Grundsätzen Jeder doch nur das acceptiren kann, was ihm angeboten wird, die Gesetzesvorlagen aber nicht uns, sondern der Verfassungs⸗ Versammlung gemacht werden soll ten (denn daß man einen Theil dieser Vorlagen schon uns machen werde, das konnte damals noch Niemand auch nur im 'entferntesten ahnen), endlich weil es mir überhaupt unzulässig erscheint, eine blos in allgemeinen Nedensarten gemachte Zusicherung zu acceptiren, ohne die speziellen Bedingungen zu kennen, unter denen sie ins Leben treten soll, im Einklange mit der Regel, welche das geehrte Mitglied für Aachen, was ich jetzt mit Freuden auf der Mi⸗ nister⸗Bank erblicke, früher wiederholt uns empfohlen hat. Aus Anlaß der hierüber stattgehabten Erörterungen wurde denn auch die Fassung der Adresse dahin geändert, daß blos die Zusicherung, der künftigen Verfassungs⸗ Versammlung Vorlagen über die betreffenden Punkte machen zu wollen, angenommen wurde. Daß dies nothwen—

it die künftige Versammlung über alle jene wichtigen

dig ist, damit die l Fragen ein reifliches, gründlich erwogenes Urtheil pro oder Contra J hes, g .

abgebe, darüber wird auch wohl keine Meinungsverschiedenheit be⸗ stehen.

Bei dem vorliegenden Falle halte ich es für ganz besonders dringend, dem Urtheile der künftigen Versanmlung nicht vorzugreifen. Volks versammlungen mögen in befestigten und gehörig konsolidirten Verfassungen sehr nützlich und durchaus ungefährlich sein; ich halte sie aber für äußerst bedenklich in Uebergangsperioden, in Krisen, wie die gegenwärtige. Ich wünsche, daß die Verfassungs⸗Versammlung, welche so hochwichtige Aufgaben zu lösen hat, durchaus selbstständig und unabhängig, selbst von dem Scheine eines äußeren Einflusses, berathen und Beschlüsse fassen könne. Daß dies nicht wohl möglich ist, wenn Volksversammlungen mit vielleicht 30. 000. Theilnehmern zur Diskussion derselben Fragen sich vereinigen, in einer Zeit der allgemeinsten Aufregung wie die gegenwärtige, das, denke ich, wird keiner weiteren Ausführung bedürfen. Wir brauchen zum Beweise dieses Satzes nicht etwa auf die entferntere Geschichte zurückzugehen; die Erfahrungen der letzten Wochen in Deutschland liefern uns die ausrei⸗ chendsten Beläge. Fast in allen deutschen Staaten hat man Konzessit nen zu erlangen gesucht und erlangt durch die Demonstration zahlreicher Versamm⸗ lungen, und wenn ich auch den Erfolg in den weit meisten Jãällen ür einen glücklichen und erwünschten gern anerkennen will, so kann ich es doch nur um so mehr beklagen, daß er nur durch eine Art von morali⸗ schem Zwange, also ich berufe mich auf das Urtheil aller Juri⸗ sten in der hohen Versammlung auf eine rechtlose Weise erreicht worden ist. . ;

Ich wünsche, so weit meine Kräfte reichen, dazu beizutragen, daß die künftige Versammlung fern bleibe auch nur von dem Scheine und Schatten eines derartigen Einflusses, in Volksversammlungen, wie in Klubs in einer Zeit, wo, wie wir tief beklagen müssen, in man⸗ chen Theilen des Staates die roheste Anarchie herrscht, wo Erptessun—= gen, Zerstörungen, Brandstistungen an vielen Orten, in Schlesien, wie ich vernehme, selbst mit Plünderung der Häuser verbunden, statt⸗ . ich enktsinne mich nicht, mehr, von welcher Seite vorhin gesagt wurde, es herrsche bereits ein gesetzloser Zustand, es fänden Volksversammlungen gegen die gesetzlichen Bestimmungen schon gegenwärtig statt, deshalb müsse man diesen gesetzlosen Zustand in

Zweite Beilage.

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Zweite Beilage zur Allgemeine

einen gesetzlichen verwandeln, so muß ich nachdrücklich gegen diese Fol gerung protestiren. Ich will keinesweges behaupten, daß der Redner, welcher jene Worte sprach, zu der weiteren Folgerung sich bekannte (laber logisch würde sie unzweifelhaft daraus abzuleiten sein) daß, meine ich, im Einklange mit diesem Prinzipe man dann nichts Eili⸗ geres zu thun hätte, als alle jene anarchischen Exzesse, von denen ich vorhin sprach, sofort für gesetzliche Handlungen zu erklären. Dann würde ich aber vorziehen, einen einzigen Gesetzes Artikel zu emani— ren: „Ber Staatsverband ist aufgelöst“, dieser Verein von Menschen, um die Herrschaft des Rechts sicher zu stellen, er besteht nicht mehr. Was aus mir, was aus uns Allen noch werden wird, was die nächsten Stunden und Tage uns bringen werden, das weiß ich nicht; das steht in einer höheren Hand. So lange ich aber hier im Weißen Saale und auf diesem Rechtsboden mich befinde, so lange werde ich stets mich erheben für die Aufrechthaltung des Gesfetzes.

Zum Schlusse muß ich mich erkläten gegen die Beispiele, welche ein durchlauchtiger Redner in tönenden und schönen Worten von Eng⸗— land uns herübergebracht hat. z

Ich würde Gott danken, wenn es uns je vergönnt sein möchte die Verfassung jener glücklichen Insel bei uns ins Leben treten zu se⸗ hen. Dort, wo seit Jahrhunderten der gesunde Sinn für Gesetzlich— kelt und gesetzliche Srdnung das ganze Volk beseelt, wo der weiße Stab eines Konstablers hinreicht, um einzelne Uebertreter des Gesetzes zur Haft zu bringen, da mögen die zahlreichsten Volks Versammluͤn⸗ gen kein Bedenken erregen, Daß dieser hohe Sinn für gesetzliche Srdnung in unserem Vaterlande leider noch nicht vorhanden ist, das haben eben die Ereignisse der letzten Tage auf das sattsamste be wiesen, so sehr ich auch das beklagenswerthe System verwünsche, das es zu diesem Aeußersten kommen ließ. Deshalb stimme ich auf das entschiedenste gegen den uns vorliegenden Paragraphen.

Candtags-Kommissar: Nicht weil Gesetzwidrigkeiten vorgekom— men sind, ist es vorgeschlagen worden, den gesetzwidrigen Zustand ge— setzlich zu machen, sondern weil es nicht für wünschenswerth erachtet werden kann, Gesetze, die in letzter Zeit nicht vollständig gehandhabt wurden, gegenwärtig vollständig zu handhaben; es ist ein Geseßz zu erlassen, damit, was man geduldet und gewährt, künftig gesetzlich ge duldet werde. Es ist klar, daß ein anderer Grund, das Gesetz vor⸗ zuschlagen, die Regierung nicht geleitet haben kann, und ich glaube kaum, daß es die Absicht des vorigen Redners war, dieses anzudeuten. Was die Sache selbst betrifft, so scheint das beste Mittel, den Einfluß der Volksversammlungen zu vermindern, vor allen Dingen in der gegenwärtigen Zeit, das zu sein, daß man sie möglichst ohne Schranken und möglichst zahlreich zulasse. Dadurch würden diese Versammlungen sich überzeugen, daß sie nicht blos Stimmen haben müssen, nicht blos Beschlüsse fassen, sondern daß sie auch ihre Be⸗ schlüsse auf Gründe stützen müssen, die in den übrigen Theilen des Landes und in anderen Versammlungen Anerkennung finden. Das Gefährliche der Versammlungen in unserem Lande war der Gedanke, daß jeder ihrer Beschlüsse auch sofort ausgeführt werden müsse. Lassen Sie eine Versammlung der anderen gegenübertreten, lassen Sie die eine für diese, die andere für jene Ansicht sich aussprechen, und lassen Sie die Regierung in der Mitte stehen.

k Bravo.)

Ich erkenne an, daß die Zustände sich bei uns noch nicht so aus gebildet haben, wie sie in England bestehen; allein ich weiß kein Mittel, dahin zu, gelangen, als indem wir die öffentlichen Versammlungen zu lassen, wie sie dort zugelassen sind. Durch das Verbot der Versamm— lungen würde, so müssen wir annehmen, die Volksvertretung nicht gänz lich frei von äußeren Einflüssen bleiben; am wenigsten, wenn es durch Gewalt verhindert werden müßte, daß große Versammlungen stattfinden. Wir dürfen dagegen erwarten, daß das Land sich an solche Zustände gewöhne, daß es sich sowohl in der einen als in der anderen Richtung aussprechen werde. Es wird hiermit wie mit der Presse gehen; auch in der Presse muß der Zustand sich erst entwickeln, in welchem sich für alle Richtungen Organe finden. Heute sind wir nicht in der Lage, daß jede Nichtung in der Presse vollständig vertreten wäre; darum ist aber nicht zu behaupten, daß die Preßfreiheit gegenwärtig gefährlich sei, und daß sie einen schädlichen Einfluß auf den Landtag äußere. Die Regierung bleibt daher der Meinung, daß der gegen⸗ wärtige Landtag seiner Aufgabe entspreche, wenn er dem Vorschlage, die öfentlichen Versammlungen zu legalisiren, beitritt.

Staats-Minister Hansemann: Nach dem, was mein verehrter Kollege eben gesprochen, habe ich nur noch wenige Bemerkungen zu machen. Die Debatte hat die Schwierigkeiten der Verhältnisse gezeigt, sie hat gezeigt, daß die politischen und administrativen Organe des Landes, fo'wie wir sie ererbt haben, große Schwierigkeiten darbieten, daß ein Mißtrauen gegen viele Behörden obwaltet; es hat sich gezeigt, daß

Lassen Sie uns aber,

O

Odium in sich schließt.

V rga⸗ in der

Diese Aufgabe kann nicht in wenig Tagen den, ste erfordert Zeit. Es ist 366 ah erforderlich daß die nene Volksvertretung die Regierung ulterstůtze, und daß bis dahin die erforderlichen Gesetzenkwürfe ausgearbeitei werden. So lange dies nicht geschehen ist, lassen Sie uns die jetzt bestehenden Organe der Staatagewalt ehren. Die Regierung wird überall bemüht sein, ihnen begreiflich zu machen, daß ein anderes System herrscht, daß sie nur berufen sind, die Sicherheit der Bürger zu wahren und das jetzige volksthümliche System zu stützen und zur allgemeinen Geltung zu bringen. Ob also der Ausdruck Dbrigkert oder Polizei gebraucht werde, stoßen Sie sich nicht an den Ausdruck; die freiesten der Völker fürchten nicht, den Ausdruck Polizei weil sie in ihr nicht die Unterdrückung der Freiheit, sondern im Degen⸗ theil die Wahrung derselben erkennen. . ; (Bravo! Ruf zur Abstimmung,)

. lbgeordn. WMevissen: Ich habe in einer persönlichen Frage um's Wort gebeten und bitte, mir solches zu gestatten. Der Abgeordnete der westfalischen Ritterschaft hat Sie in eine Versammlung, welche außerhalb dieses Saales staltgefunden hat, eingeführt. Ich habe seine Mitheilung nur dahin zu ergänzen, daß der Abgeordnete der Ritter⸗ schast Westfalens in jener Versammlung sich allerdings gegen Spe— ziʒlistrung der einzelnen Zusicherungen der Königl. Proposstion aus⸗ gesprochen hat. Der Einspruch desselben hat jedoch bei der großen

gelsst wer⸗

ig. Donnerstag den 6. April.

Majorität keinen Anklang gefunden, jene Versammlung und mit ihr übereinstimmend diejenige, die hier zusammengetreten, hat die Spezia— lisirung in die Adresse aufgenommen und beschlossen, daß über jede speziallsirte Zusicherung nach dem desfallsigen Erlasse entweder den jetzigen Ständen oder der künftig zusammentretenden Volksvertretung Gesetz- Entwürfe vorgelegt werden sollen. Die jetzige Versan mlung hat heute ferner beschlossen, daß sie die Berathung über diejenige Proposition, welche mehrere dieser Zusicherungen in Gesetze verwan— deln wird, vornehmen will. Ich vermag es demnach nicht, zu be—⸗ greifen, wie der Abgeordnete der Ritterschaft von Westfalen gegen biese Beschlüsse jetzt noch angehen will.

Abgeordu. von vincke: Es sind mir einige Mißverständnisse oder irrige Auslegung der Beschlüsse der Versammlung, auf die ich Bezug genommen hatte, beigemessen worden, gegen die ich mich entschieden verwahren muß, obgleich vielleicht nicht viel darauf an⸗ kommt. Was zunächst die Abstimmung über meinen Vorschlag betrifft, so berufe ich mich auf das Zeugniß des Herrn Vorsitzenden, welcher dieselbe, ungeachtet zweimaliger Probe, für zweifelhaft erklärte. Von ungeheurer Majorität habe ich nichts bemerkt. Es wird mir ferner der Verfasser der Adresse, der Abgeordnete von Krefeld, bezeugen, daß ich zuerst von den Mitgliedern jener Versammlung mich einverstanden erklärt habe mit seinem Vermittelungs⸗-Vorschlage, wonach wir nur die Zusicherung acceptirten, daß die Vorlage der künftigen Versammlung gemacht werden sollte. Es ist ferner nirgend in den Erklärungen Sr. Majestät des Königs davon die Rede, daß die Vorlagen entweder uns oder der künftigen Versammlung gemacht werden sollten. Ich muß endlich mein Erstaunen und Befremden darüber ausdrücken, wenn der Redner sagt, daß ich einem mit unge heurer Majorität von der heutigen hohen Versammlung gefaßten Entschluß entgegen getreten sein sollte. .

Jeder wird mir bezeugen, daß ich auf dieser Stelle stets ein

purlamentarisches Verfahren eingehalten und mir nie erlaubt habe, einen Beschluß der hohen Versammlung zu tadeln. Von einem Be schlusse, die Verlagen ohne Weiteres anzunehmen, ist aber auch gar nicht die Rede gewesen. Die Versammlung hat nur beschlossen, sich auf die Berathung des Gesetzes überhaupt einzulassen, und ich habe mir damals vorbehalten, spezielle Bemerkungen zu den einzelnen Paragraphen zu machen. Im anderen Falle hätte die Versammlung den Gesetzesvorschlag, wie er von der Regierung gemacht worden ist, annehmen müssen; wir haben jedoch über jede Spezialität debattirt, und für die Annahme der jetzt vorliegenden Spezialität ist bis jetzt keine Majorität vorhanden gewesen, wenn sie sich auch später bei der Abstimmung vielleicht zeigen mag. . ; Marschall: Es ist zunächst zu ermitteln, ob der Vorschlag des Abgeordneten, welcher zuletzt gesprochen hat, daß nämlich der Para⸗ graph ganz wegfallen möge, die nöthige Unterstützung von 24 Mit— gliedern findet. h .

. Der Antrag wird nicht unterstützt.) Er hat sie nicht gefunden. ; . Der Abgeordnete von Beckerath hat das persönlichen Bemerkung. Abgeordn. von Beckerath: Ich würde die Diskussion, die von dem geehrten Abgeordneten der westfälischen Ritterschaft angeregt worden ist, nicht verlängern, wenn der Gegenstand derselben nicht zu wichtig wäre. Sie betrifft den Sinn der Adresse, die wir an Se. Majestät den König gerichtet haben. In dieser Adresse haben wir die Zusicherungen, welche Se. Majestät gegeben, unter spezieller An⸗ führung ihres Inhalts, angenommen., In dieser Annahme liegt auch zugleich die Anerkennung der Prinzipien, eine Anerkennung, die wir Namens des Landes ausgesprochen haben. Da die Erklärung des

Wort wegen einer

geehrten Abgeordneten der west älischen Ritterschaft diese Aner

kennung in Zweifel zieht, so habe ich, als Referent der Abtheilung, es für meine Pflicht gehalten, den Sinn der Adresse aufrecht zu halten. Es ist richtig, daß die nähere Erörterung der einzelnen Modalitäten der künftigen Versammlung vorbehalten bleibt, unrich tig jedoch, daß der Landtag nicht die Prinzipien angenommen; dies ist es, wogegen ich mich verwahren wollte. Verwahren muß ich mich auch dagegen, daß Volksversammlungen irgend einen moralischen Zwang auf uͤns auszuliben im Stande sind. Das ist eine Verken

nung des Geistes, der diese Versammlung belebt und der die künftige beleben wird; es ist auch eine Verkennung des Geistes unferes Volkes; diesem Geiste muß eine gesetzliche Bahn gebrochen werden, man darf ihm vertrauen. Wundein wir uns nicht darüber, daß in einer Nation, die aus einem infreien Zustand plötzlich in einen freien übertritt, auch hier und da Schwankungen stattgefunden haben. Es ist in dem Gesetz der Natur begründet, daß dergleichen Uebergänge nicht auf eine ganz normale Wesse stattfinden können. Man mache aber die Bewegung gesetzlich, man erwecke in einem Jeden das Ge— fühl, daß er berechtigt ist, sich᷑ frei auszusprechen; das wird der beste moralische Damm gegen die Gesetzlosigkeit sein. Der Gesetzvorschlag gestattet friedliche Versammlungen des Volkes; wer friedliche Volke⸗ versammlungen fürchtet, der fürchtet das Volk selbst. Wenn das Prinzip jetzt schon festgestellt werden soll, so bin ich auch dafür, daß es nicht wieder durch eine Beschränkung aufgehoben werde. Mischen wir in den reinen Strom nicht irgend etwas Trübes; nehmen wir aus dem Vorschlag der Abtheilung die Beschränkung hinweg, daß die Versammlungen unter freiem Himmel nur gestattet werden können, wenn sie nach dem Ermessen der Polizei für die öffentliche Sicher⸗ heit und Ordnung nicht Gefahr bringend sind. Diese Beschränkung hebt das Gesetz selbst wieder auf, es wäre daher besser, es gar nicht zu erlassen, denn es wird dadurch eine neue Quelle zu den beklagens⸗ werthen Mißverhältnissen gegeben, welche wir beseitigen wollen. Lassen Sie uns dem Beispiel anderer constitutionellen Staaten folgen und demgemäß dem in jenem Sinn gestellten Amendement beitreten.

(Bravo!)

Finanz-Minister Hansemann;: Es thut mir leid, dem Antrage meines verehrten Freundes, des Abgeordneten von Krefeld, nicht bei⸗ treten zu können. Sein Antrag beruht, auf einem Irrthun, er be ruht, glaube ich, auch darauf, daß er die Konsequenzen desselben nicht von allen Seiten erwogen hat. Der Antrag beruht auf einem Irr⸗ thum insofern, als mein verehrter Freund bemerkt hat, wir sollten dem Beispiele aller constitutionellen Staaten folgen und deshalb den Zwi— schensatz:

„in geschlossenen Räumen“ weglassen. Der Irrthum liegt darin, daß die Regierung, indem sie diesen Zwischensatz gemacht hat, gerade dem Beispiel des allerfreiesten der constitutlonellen Staaten gefolgt ist. Wo giebt es in Europa ein Land, wo größere Freiheiten herrschen, als in dem Nachbarlande der Rhein-Probinz, in Belgien? Dort ist die Freiheit während einer Re⸗ volution durch eine Verfassung festgesetzt worden; eine konstituirende Versammlung ohne König (denn man trennte sich von Holland) hat die Verfassung festgesetzt, und es kann also Niemand glauben, daß nicht alle Garantien der Freiheit in diese Verfassung aufgenommen wären, weshalb Jedem, der nach Garantieen für Freiheit sucht,

zu empfehlen ist, diese Verfassung wohl zu prüfen. Nun, in ihr steht,

ͤ Abgeordn. Milde:

wie auch Fürst Lichnowsky bereits vorgetragen hat, daß das Recht er Versammlung unter Anwendung der Gesetze, welche die Ausübung des Rechtes regeln, bestehen soll, ohne daß dazu eine polizeiliche Er⸗ laubniß nöthig sei es steht aber auch darin, daß diese Verfügung nicht anwendbar ist auf die Versammlungen im Freien, welche voll⸗ ständig den Polizei- Gesetzen unterworfen bleiben sollen. Und wie, meine Herren, könnte es auch anders sein! Wie wollen Sie z. B. in einer großen Stadt den freien Verkehr aufrecht erhalten, wenn überall Versammlungen gehalten werden können, ohne daß es irgend einer Erlaubniß bedärfte. Außerdem muß ich wieder auf das zurück⸗ . ich dor hin bemerkte, daß man nur zu geneigt ist, die Ber g der Organe der Staats-Autorität auf frühere Verhält⸗ nisse anzuwenden und zu glauben, daß die Dinge noch jetzt von dem nämlichen Geist getrieben werden könnten, wie früher. Dem ist nicht so; ich setze hinzu, es wird für die Folge keiner Regierung mehr mög⸗ lich sein, daß es je wieder so werde. Sie müssen also annehmen daß der Magistrat oder die Polizei⸗Behörden, oder welchen Na men diese auch bei unseren verschiedenen Kommunal -⸗Einrichtungen haben mögen, nicht davon ausgehen können, wenn sie die Erlaubniß zu einer solchen Versammlung geben, ob sich dieselbe mit Gegenstän⸗ den beschäftigen wird, welche den Behörden angenehm oder unange⸗ nehm sind, ob aus diesen Berathungen Petitionen hervorgehen mö⸗ gen, welche die Regierung in Verlegenheit setzen können, sondern es wird nur darauf ankommen, ob das Zusammensein von einer großen Vollszahl im Freien an gewissen Orten und unter gewissen Verhält⸗ nissen für die öffentliche Ordnung, für die Sicherheit des Eigenthums und der Person gefahrbringend sein könne. Wie gesagt, die Organe der Staatsgewalt sind die Wahrer der Ordnung, aber sie sind zu⸗ gleich die Wahrer der Freiheit, und es wird daher niemals von ihnen riner Versammlung entgegengetreten werden, welche nicht gefahrbrin⸗ gend für die Sicherheit der Personen und des Eigenthums wäre.

Abgeordn. Gier: Ich achte Volksversammlungen im Freien nicht für gefährlich, stelle denselben Antrag, daß die Worte: „in geschlossenen Näumen“ gestrichen werden, und bitte die Versammlung dringend, nach Aufhebung dieser Beschränkung den §. 4., wie er gestellt ist, anzunehmen; denn selbst die großartigen Volksfeste unter freiem Himmel sind solche Volksversammlungen. Die englische Ver⸗ fassung, die wir öfters als Muster angerufen haben, gestattet sie. In Berlin beginnt man sich daran zu gewöhnen, es wird unmöglich sein, diese Neigung unb diese Errungenschaft wieder zu beseitigen oder zu vernichten. Ich selbst habe zwei öffentlichen Volks versamm⸗ lungen hier beigewohnt und bin erstaunt gewesen über die muster⸗ hafte Ordnung ünd den friedlichen Ausgang, den ich gefunden habe.

(Gelächter. )

Wenn das jetzt in dieser aufgeregten Zeit der Fall ist, wo man, obschon ganz grundlos, Gerüchte sogar verbreitet hatte, man würde sich Angriffe gegen Abgeordnete des Vereinigten Landtages von gewissen Seiten erlauben,

(Großes Gelächter.) so bitte ich Sie, verehrte Herren, zu bedenken, wie viel friedlicher und ordnungsmäßiger in künftigen Zeiten, solche Versammlungen werden von statten gehen können, ünd trage daher wiederholt darauf an, daß die Worte: „in geschlossenen Räumen“ gestrichen werden. Marschall: Es haben sich noch mehrere Abgeordnete ums Wort gemeldet, O

mehrere haben schon darauf verzichtet, meines Orts ist nichts dagegen zu erinnern, daß wir zur Abstimmung kommen.

Ich hatte mir wollen erlauben ein Amende⸗ ment zu stellen.

Staats-Minister von Auerswald: Dem letzten verehrten Red⸗ ner muß ich bemerklich machen, daß die vorgeschlagene Maßregel, so wie das vorgeschlagene Amendement, auch nicht im entferntesten dies Ziel haben kann, die Versammlungen im Freien zu hindern und, um mich, wenn ich mich nicht täusche, seines Ausdrucks zu bedienen, aus⸗ drücklich zu vernichten, sondern, daß sie das Mittel darbieten soll, für alle Zukunft die Zulässigkeit solcher Versammlungen zu sichern. Das ist die Ansicht der Regierung gewesen; sie hat erkannt, daß derglei⸗ chen Versammlungen nicht nur nicht zu verhüten sind, sondern daß sie sogar gewünscht werden müssen, wie es von meinem geehrten Freunde bereits ausgeführt worden ist; sie hat aber nicht verkannt, daß eine jede Anordnung, die von Hause aus an einem Mangel lei⸗ det, die das Gift selbst in sich trägt, früher oder später dem Unter⸗ gange zueilt, und hat Maßregeln vorschlagen wollen, eine solche volks⸗ shümliche und wohlthätige Einrichtung vor dem Keime des Verder⸗ bens in sich selbst zu bewahren. Ich muß mich auf das berufen, was der Herr Finanz⸗Minister gesagt hat, daß es vollkommen un⸗ möglich ist, eine je de auch friedliche Versammlung im Freien zu ge⸗ statten, daß Fälle vorkommen, wo dadurch es würde trivial klingen, wenn ich Fälle dieser Art aufzählen wollte in einer großen Stadt z. B. aller Verkehr gehindert werden könnte. Soll es da der Be⸗ hörde nicht gestattet sein, das zu untersagen? Soll eine Versammlung, wenn auch im friedlichsten Sinne, das Recht haben, einer großen Bevölkerung einen Zwang aufzuerlegen, sie an Ausübung ihrer ge⸗ wöhnlichsten Geschäfte, ihres nothwendigen, Verkehrs zu hindern? Ich halte es für unerläßlich, daß eine Bestimmung hierüber stehen dieibt, und verwahre mich dagegen, daß etwas das Versammlungsrecht im Wesentlichen Beschränkendes darin liegen sollte. Je mehr Ver⸗

trauen man zum gesunden Sinne derjenigen hat, die diese Versamm⸗

lungen bilden werden, um so weniger darf man besorgen, daß eine solche

Bestimmung nachtheilig werden kann. Ich muß aber noch auf eine Aeußerung zurückkommen, die wiederholt ausgesprochen, aber die geehrten Herren mögen es mir verzeihen von Ihnen nicht beachtet ist, daß wir uns enthalten mögen, auf kürzlich vergangene Zustände fortwaͤhrend zurückzukommen. Wir haben unser Vaterland ins Auge zu fassen und die Lage allerdings nicht zu vergessenn in der wir uns befunden; wir haben aber nicht nöthig und es ist nicht nützlich, weil eben erschöpfend nicht möglich, alle jüngst vergangenen Zustände uns stets erneut und aufregend vor die Augen zu führen; wir ken⸗ nen sie; aber die Gegenwart zu erwägen und für die Zukunft zu handeln, sei jetzt unsere Sorge. Ich empfehle der hohen z de een lung dringend, sich für den Vorschlag der Regierung oder das Amen= dement der Abtheilung zu entscheiden,. Ruf nach Abstimmung.)

Abgeordn. Milde: lleber die Sache selbst und die Nützlichkeit der Volksversammlungen ist so viel gesprochen worden, daß ich mich vollkommen überheben kann, auf den Gegenstand näher einzugehen. Der Zweck, um welchen ich mir das Wort erbeten, ist der, ein ver= mitteindes Amendement zu sinden, welches auf der einen Seite denen genügen soll, welche fürchten, daß man, indem man die Volks ⸗Versamm⸗ ungen im Freien nicht gestatten will, dadurch auch das Wesen der- selben und die Freiheit der Bürger überhaupt beeinträchtigen könne; zugleich auch denjenigen, welche glauben, daß, wenn Volks -Versamm= lungen unter freiem Himmel stattind en, bedeutende Hindernisse für den' öffentlichen Verkehr und für die Ruhe großer Gemeinden würden Platz greifen können. Mein Amendement würde dahin geben daß soir naͤch den Worten: „friedlich und obne Waffen“, einschieben: