1848 / 98 p. 7 (Allgemeine Preußische Zeitung) scan diff

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eine Kommission aus Eingebornen der Provinz sich bilde, um unter Vorsitz eines Kommissarius der Regierung zu berathschlagen, durch welche Mittel eine solche Reorganisation hervorgeführt werden könne, so hat sich das Gouvernement dabei entschieden dahin ausgesprochen, baß man das Prinzip der Berechtigung der Nationalität vollkommen anerkenne, ihm vollkommenes Recht gewähren wolle. Daß man aber eben so, wie man in dem Großherzogthum das Recht der polnischen Nationalität schirmen und fördern wolle, man die Berechtigung der Deutschen in Posen ungekräukt und unverletzt erhalten müsse und erhalten werde. Mit dieser Erklärung haben die verehrten Mitglieder der Abgeordneten des Großherzogthums Posen polnischer Nationaliät sich einderstanden erklärt. Sie haben sich einverstanden erklärt damit, daß man, ohne die Bedingung festzuhalten, daß die Kommission aus Mitgliedern beider Nationalitäten gewählt werden solle, sich in voller Üebereinstimmung einigen wolle, daß man beide beachten werde. Sie haben dankend anerkannt, daß des Königs Majestät in neuester Zeit vorzugsweise vertraute Männer mit der Leitung der Angelegenheiten des Großherzogthums Posen beauftragt und zu diesem Geschäft einen mit den dortigen Verhältnissen bekannten Kommissar ernannt hat. Sie haben es anerkannt, daß die Beschäftigung dieser Kom⸗ mission erst eintreten und wirklich Platz gewinnen kann, wenn der friedliche JZustand, der allerdings an vielen Orten auf unverantwort-⸗— liche Weise gestört ist, wieder hergestellt sei. ; y

Das ist, was über das Großherzogthum Posen von Seiten der Regierung erklärt worden ist, und das ist, was nach dem Willen Sr. Majestät und nach der Ueberzeugung der Räthe der Krone fest⸗ gehalten werden muß, wenn das, was den Unterthanen des Königs polnischer Zunge in früherer Zeit zugesagt worden ist, aufrecht und fest erhalten, daß sie eben nach ihrer Nationalität regiert und ver— waltet, daß ihre Justizbehörden eben so zusammengesetzt und die anderen Bedingungen und Versprechungen, die früher gegeben worden sind, erfüllt werden sollen. Alles dies unverkürzt und ohne Rückhalt auch seinen Unterthanen polnischer Zunge zu gewähren, ist Sr. Majestät fester Entschluß. Dies auszuführen, damit haben Se. Majestät Ihre Räthe beauftragt, doch ist damit der Schutz und Schirm der deut⸗ schen Nationalität zugesagt, welche, wo sie sich geltend gemacht hat, bestehen bleiben soll. Ich weiß nicht, ob noch etwas hinzuzufügen ist, oder ob dies schon zur Zufriedenstellung gereicht. Ich glaube, daß alles Nöthige hier in Kurzem gesagt ist, und daß die hohe Versammlung daraus die vollkommene Offenheit und Aufrichtigkeit der Regierung, in dieser Sache die erforderliche Auskunft zu geben, erkennen wird.

(Bravo!)

Abgeordn. von Bismark-Schänhausen: Ich habe eine persön— liche Bemerkung zu machen, daß ich mich nämlich durch die Erklärung des Herrn Ministers vo kommen befriedigt fühle und nur mein Be⸗ dauern darüber auszudrücken habe, daß derselbe Zweifel in meine Absicht setzt, dem Ministerium keine Verlegenheit bereiten zu wollen, nachdem ich mich darüber deutlich ausgesprochen habe; ich wüßte nicht, was mich zu dieser Aeußerung hätte veranlassen sollen, wenn sie nicht aufrichtig gewesen wäre.

Abgeordn. Graf von Helldorff: Meine Herren, ich und Sie Alle haben gewiß mit hoher Befriedigung die Erklärung der Herren Minister vernommen, wie beabsichtigt wird, für, die Wiederherstellung ber Qrdnung und Ruhe im Lande küäftig zu wirken. Ich fühle mich namentlich verpflichtet, dem Heirn Minister des Innern meinen ganz besonderen Dank auszusprechen für die von ihm zu ergreifen beab⸗ sichtigten Maßregeln behufs Erleichterung der noch einen großen Theil der ländlichen Bevölkerung drückenden Lasten.

Wenigstens in der Provinz Sachsen, welcher ich angehöre, drückt gerade die Mehrzahl der ländlichen Bevölkerung eine Unzahl Grund⸗ lasten aus der früheren Zeit an Privaten, Stiftungen, Rent-2lemter u. s. w. Seit 1821 besteht das Ablösungs-Gesetz, aber es hat nicht in seiner Kraft gelegen, das zu erreichen, was der Gesetzgeber sich vorgenommen hatte. Ich bitte also, daß der Herr Minister sich diese Angelegenheit, wie er versprochen hat, die erleichterte Ablösung näm⸗ lich' der auf dem bäuerlichen Grund und Boden noch aufliegenden Feudal= und anderer Grundlasten, besonders zu Herzen nehme. Möge von der Allerhöchsten Proposition von gestern, worin Hülseleistungen für manche andere Klassen der Bevölkerung in Aussicht gestellt sind, auch ganz besonders Veranlassung genommen werden, um für die eben gedachte Entlastung des bäuerlichen Grund-Eigenthums zu wir⸗ ken! Mögen die Hülfsmittel des Staats auch zu diesem Zweck verwendet und kräftiger als seither auch darauf gewirkt werden. Das von der badischen Staats-Regierung hier eingeschlagene Verfahren ist nicht genug zu empfehlen. Durch ähnliche Maßregeln werden Ruhe, Sicherheit und Ordnung im Lande am sichersten gefördert werden und' mit dieser die von mir freudig begrüßte Errungenschaft der con⸗ stitutionellen Freiheiten des Landes ihre echte Gewähr erst erhalten. Denn Freiheit wird durch Ordnung und Recht, so wie Alles, was diese im Gefolge haben, am sichersten bewahrt!

Abgeordn. Kraszewski: Die Aeußerungen des Herrn Mini⸗ sters des Innern, daß aus den Provinzen beruhigende Nachrichten eingehen, nöthigen mich, zu erklären, daß dies wenigstens in Bezug auf das Großherzogthum Posen jetzt nicht der Fall sein dürfte. Ich und viele andere, Deputirte aus dem Großherzogthum Posen erhalten tagtäglich, ja stündlich Nachrichten, die, je öfter sie kommen, je be⸗ truͤbenderer Natur sind. Aus diesen Nachrichten geht klar hervor, daß die dortigen Civil⸗ und Militair-Behörden eine immer feindlichere Siellung gegen die polnische Bevölkerung des Großherzogthums Po— sen einnehmen. ;

((Große Aufregung.)

Ich bitte, meine Herren, auszuhören, ehe sie urtheilen. Ich habe gesagt: die dortigen Behörden nehmen eine immer feindlichere Stellung ein, welche nichts Anderes bezweckt, als die Polen unter sich und mit der deutschen Vevölkerung zu entzweien und die der Verzweiflung nahe stehenden Polen zum blutigen Kampfe zu nö⸗ thigen. nt (Abermalige Aufregung.)

So ist die Lage der Sache, meine Herren; ich halte die Folgen derselben für zu wichtig, um sie hier nicht zur Sprache zu bringen, denn die polnische Frage ist die Lebensfrage der gesitteten Bevölke⸗ rung Europa's. Zum Beweise meiner obigen Behauptung führe ich Folgendes an: Posen ist bereits in Belagerungs⸗ Zustand erklärt, bag Standrecht soll auch schon proklamirt sein; das Benehmen des Militairs gegen die polnische Bevölkerung ist von der Art, daß sie sich kaum wird halten können, den Frieden zu bewahren. Ich mache Sie endlich auf eine Proclamation der bromberger Regierung vom 29sten v. M, aufmerksam. Lesen Sie die Zeilen, lesen Sie die Worte derselben, aber unterlas⸗ sen Sie auch nicht zu lesen, was zwischen den Zeilen geschrieben steht. Da liegt der wahre Inhalt und die wahre Tendenz derselben. Ich für meinen Theil finde sie nicht geeignet, zu versöhnen, wohl aber die fürchterlichsten Scenen hervorzurufen. Meine Herren, die Polen sind weit entfernt, den Weg der Feindseligkeit einzuschlagen. Die von dem polnischen National- Comité an Se. Majestät den König abge⸗ schickte polnische Deputation, zu der ich zu gehören die Ehre habe, hat eine friedliche Lösung vorgeschlagen und nichts unterlassen, was den Frieden zwischen Polen und Deutschen herbeiführen und sichern könnte. Meine Herren, diejenigen, die sich ein Urtheil über politische Fragen begründetermaßen erlauben, wissen recht gut, daß Deutschland

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ohne Polen, aber auch Polen ohne Deutschland ihre großen Zwecke nicht erreichen können. Meine Herren, Deutschland hat einen Feind, den man noch vor kurzem nicht zu nennen wagte, und der früher ge— fährlicher schien als heute.

(Sehr große und anhaltende Aufregung.)

Diesen Feind haben Sie noch heute. Wer ist es, der immer ihn verhindert, seine feindlichen Pläne gegen Deutschland in Ausfüh⸗ rung zu bringen? Zunächst sind es die Polen. So lange Polen den Entschluß, Polen zu sein, nicht aufgiebt, kann dieser Feind keinen Angriff wagen. Meine Herren! Wenn die Interessen so zusammen⸗ gewachsen sind, wie die unsrigen, ich meine Deutschland und Polen, sst es dann nicht billig, daß Sie uns die Hände reichen? Meine Herren! Die von Ihnen und von Polen lang ersehnte Wiedergeburt Deutschlands, dies brauche ich nicht erst zu sagen, hat kaum die Wiege verlassen. Ihre Vollendung, zu welcher ich Ihnen Glück wünsche, wird aber noch die stärkste Kraft cines reifen Mannes in Anspruch nehmen. Daß ein Freund als Nachbar nöthig ist, wird kaum zu bemerken nöthig sein; diesen Freund finden Sie in uns. Wir wissen die deutschen Tugenden, Gesittung, Kultur, wissen⸗ schaftliche Bildung zu schätzen und uns oft zum Muster zu nehmen. Deshalb, meine Herren, ist unsere Bitte an Sie, aus diesem Gesichts— punkte des gegenseitigen Interesses die Sache der Polen zu betrach⸗ ten. Ich habe gesagt, * die Reorganisations Kommission nicht un⸗ terlassen hat, auf dem Wege des Friedens die aufgeregten Gemüther im Großherzogthum Posen zu besänftigen und zugleich die Zwecke der Polen zu befördern. Die Allerhöchste Zusicherung einer nationalen Re⸗ organisation des Großherzogthums Posen haben wir dankbar angenommen, und dies um so mehr, als wir in derselben den Anfangspunkt der Wiedergeburt Polens erblicken. Die zum Zwecke der Reorganisation erwählte Kommission hat auch bereits unter dem Vorsitz des Ober— Präsidenten die nöthigen Vorschläge gemacht und dem hohen Mini⸗ sterium zugeschickt. Inwieweit diese eine Berücksichtigung gefunden, weiß ich nicht, da die genannte Kommission auf ihre zu Protokoll ge⸗ nommenen Anträge bis jetzt keine Antwort erhalten. Der General von Willisen ist als Königlicher Reorganisations⸗Kommissarius erst vorgestern von hier abgereist, mit welchen Vollmachten aber, ist mir nicht bekannt. Dieses vorausgesetzt, frage ich, wie sind die Maß⸗ regeln, welche die Behörden im Großherzogthum Posen gegen die polnische Bevölkerung ergreifen, mit der Allerhöchsten Verheißung der nationalen Reorganisation in Einklang zu bringen?

Der Minster des Innern: Shne mich auf den übrigen In⸗ halt der gehörten Rede esnzulassen, auf die geäußerten Ansichten und Tendenzen, welche wiederum ein dieser hohen Versammlung fremdes Gebiet berühren, erlaube ich mir, nur in Betreff der Thatsachen den verehrten letzten Redner darauf aufmerksam zu machen, daß diejenigen Maßregeln der posenschen Behörden, über deren Zweckmäßigkeit und Nothwendigkeit allerdings uns erst dann ein Urtheil zustehen wird, wenn man sie näher kennt, jedenfalls hervorgerufen sind durch Aus⸗ schreitungen polnischerseits, die von dem verehrten Redner und sämmt⸗ lichen Mitgliedern der Versammlung gewiß am wenigsten gebilligt werden. Es ist uns gesagt, daß die Kommission das Ihrige zur Beruhigung beigetragen habe; leider haben aber alle Eingeborene diesen Weg nicht eingeschlagen, sondern sind vielfach gewaltthätig ver⸗ fahren. Sie haben leider Veranlassung genommen, zu Steuerver⸗ weigerungen öffentlich aufzufordern, auf willkürliche Weise Landes zeichen zu verändern, mit einem Worte, es ist beklagenswertherweise Vieles geschehen, was die ausdrückliche Erklärung Sr. Majestät des Königs, daß diese Reorganisation eine friedliche sein solle, daß die Vorschläge der Kommission Sr. Majestät des Königs zur Prüfung vorgelegt werden sollen, zuwiderläuft, dieselbe verletzt. Ohne Ihnen also in diesem Augenblick über die Zweckmäßigkeit und den Umfang der Maßregeln Rechenschaft geben zu können, über welche hier Be— schwerde geführt wird, da vollständige Berichte noch fehlen, halte ich es für meine Pflicht, zur Rechtfertigung der Behörden anzudeuten, daß eine genügende Veranlassung zu ernsten Maßregeln überhaupt vorhanden gewesen sein dürfte. .

Stellvertretender Kriegs-Minister von Reyher: Ich habe ge— stern aus Posen eine Proclamation erhalten, aus der hervorgeht, daß ber kommandirende General daselbst veranlaßt worden ist, Posen in Belagerungszustand zu erklären. Es sind zwar keine speziellen Gründe angeführt, aus denen sich entnehmen ließe, welche neuere Ereignisse hierzu Anlaß gegeben haben, ich muß aber dem kommandirenden Ge neral, General-Lieutenant von Colomb, bezeugen, daß er bieher aufs äußerste bemüht gewesen ist, Ordnung und Ruhe auf die mildeste Weise herzustellen und er in allen seinen Berichten wiederholt er⸗ klärt hat, daß er auf dem eingeschlagenen Wege fortfahren werde, um mit Vermeidung alles Blutvergießens zum Ziele zu gelangen. Auf die Bemerkung des Redners, der so eben gesprochen, daß kein Grund vorgelegen, militairisch einzuschreiten, muß ich anführen, daß von den Polen viele gewaltsame Maßrfgeln verübt worden sind, daß sie preußische Adler abgerissen, Königliche Beamte verjagt, ja sogar in Posen selbst polnische Truppen organisirt und exerzirt haben.

. (Gemurre.)

Da frage ich nun, ob das der General ruhig mitansehen sollte?

(Lebhafter Beifall.)

Ich wiederhole, daß ich die speziellen Gründe nicht keune, dis den kommandirenden General veranlaßt haben, die Festung Posen im Belagerungszustand zu erklären, aber ich füge hinzu, daß ich schon gestern an'ihn geschrieben und ihn aufgefordert habe, diese Maßregel, wenn es thunlich ist, zurückzunehmen, damit nicht kurz vor Zusam— mentritt der neuerdings angeordneten Kommission noch Blut vergos⸗ sen werde, was man unter allen Umständen vermieden zu sehen wün—⸗ schen müsse. Ich hoffe, daß diese Bemerkungen genügen, um die Angriffe des geehrten Redners zu beurtheilen.

Candtags-Kommissar: Ich habe meines Orts den Erläute⸗ rungen, die on meinen Kollegen, dem Minister des Innern und dem vertretenden Minister des Krieges, gegeben worden sind, nichts hin⸗ zuzufügen und mich ebenfalls auf das Gebiet zu beschränken, welches sie erschösft haben, indem sie nämlich Erklärungen gaben hinsichtlich der Anordnungen, welche in unserem Lande in Bezug auf die Pro⸗ vinz Posen getroffen sind. Ich habe nur bedauert und muß dies Bedauern ausdrücken, daß der Redner, der vorhin sprach, nicht immer in dem Geiste gesprochen hat, welcher geeignet gewesen wäre, die Sympa⸗ thieen der Veisammlung für die Intenessen des Landestheils, den er vertritt, zu befestigen. Ich muß erklären, daß, wenn die polnische Sache wichtig für Deutschland und für Europa ist, so ist sie es nur insofern, als die Polen die Sympathieen Deutschlands nicht verlieren, und ich hoffe, daß die hier anwesenden Abgeordneten von Posen, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren, ihren Landesgenossen sagen werden; Nur darin blüht Euer Heil, wenn Ihr die Sympathieen Deutschlands Euch erhaltet.

8 . (Bravo.)

Abgeordn. Dittrich: Ich hatte die Abstht, zunächst über einen anderen Gegenstand zu sprechen, gehe nun aber nicht von dem, der vorliegt ab, ohne meine Ansicht auszusprechen. Der Herr Landtags⸗ Kommissar hat schon im Wesentlichen das gesagt, was auch meine Meinung ist. Auch ich sage, erst müssen wir unsere Zustände ordnen, bevor wir auf diejenigen der Nachbarländer übergehen. Wir haben bewiesen, daß wir der Provinz Posen die Bruderhand reichen wollen. Sie soll, sie darf unseren deutschen Brüdern im Großherzogthume

Posen nicht zurückgezogen werden, wenn sie sie verlangen, aber sie muß uns von unseren polnischen Brüdern auch gereicht werden, sie müssen sich unsere Theilnahme durch Anerkennung und Achtung unse⸗ rer deutschen Interessen bewahren. Der Gegenstand, über den ich sprechen wollte, war der, daß ich gestern in Gemeinschaft mit mehre⸗ ren Mitgliedern der Versammlung eine Bitte an das hohe Staats- Ministerlum eingereicht habe, betreffend die arbeitenden Klassen. Die Kürze der Zeit, die uns hier zusammenhält, veranlaßte uns, diese Bitischrift nicht dem Landtage vorzulegen, um eine Debatte darüber, die wir nicht wünschten, zu vermeiden. Es ist heute von dem Herrn Finanz- Minister eine Erklärung gegeben, nach welcher man der Sache ernsthaft ins Auge sieht, wie es sich von unserem hochachtbaren Mi— nisterium erwarten ließ. Ich glaube, daß die Herren Abgeordneten, die sich mit mir vereinigt haben, mit mir übereinstimmen werden, wenn ich zugleich in ihrem Namen den Dank ausspreche, und die Hoffnung, daß dieses ernste Insaugefassen dazu führen wird, diese hochwichtige Frage auf befriedigende Weise zu erledigen.

Abgeordn. Krause: Ich habe nur wenige Worte zu sagen. Von vielen Seiten ist darauf hingewiesen worden, daß man Militair an⸗ wenden müsse, um den Landmann zu beruhigen. In dieser Beziehung habe ich, wenn Räubereien vorkommen, nichts einzuwenden, frage aber, ob es nicht zweckmäßig sei, bevor man militairische Hülfe hinschickt und die Liebe des Volkes unterdrückt, die Gesctze von 1807 1811 zuvor zu erledigen, denn sie sind auf halbem Wege stehen geblieben, und der Minister des Innern hat erklärt, daß er Erlasse ins Land ergehen lasse, von denen ich jedoch noch nichts gesehen und gelesen habe; ich hoffe aber in dem Vertrauen, welches ich dem gegenwärti⸗ gen Ministerium schenke, daß es noch geschehen wird. Ich habe mir erlaubt, mehrere Anträge betreffs der Bedürfnisse des Volkes zu machen, und sie werden publizirt werden, ich wünsche aber, daß es nicht blos bei Anträgen, Versprechungen und Wünschen verbleibe, son dern daß es auch zur Erledigung komme, Das wird dem Lande kein Mensch wünschen, daß es einen Berechtigten unglücklich machen soll, aber wenn die Zustände in Schlesien von der Art sind, daß die Schle sier niemals zu einem gewissen Selbstbewußtsein kommen können, so lange die Despotie ihnen auf dem Nacken sitzt ...

. (Oho!)

Meine Herren! Lassen Sie mich meine Sache durchführen, so weit ich Schlesien kenne. Die schlesischen Bewohner am Gebirgs lamm verschaffen sich selbst Hülfe. Sie würden es nicht thun, wenn man nicht mehr forderte, als sie erschwingen können. Wenn von der ruhigen Gegend von Schlesien, die ich bewohne, mir 30, 40 Anträge vorliegen, mit der Bitte, man möge es auf gesetzlichem Wege dahin bringen, daß die Feudallasten und die sich widersprechenden Urtheile der Gefetze in der Laudemial- Frage, die Gesetze über Wildschaden c. aufgehoben werden, so frage ich Sie, ob es gerecht ist. Ich bitte blos das Ministerium, Schritte zu thun, nicht blos in militairischer, sondern auch in sozialer Hinsicht.

Stagts-Minister von Auerswald: Ich glaube, daß alle diese Verhältnisse in meiner Erklärung angedeutet waren; und werden die Wünsche, so weit sie gesetzlich und recht sind, auch berüchsichtigt werden.

Marschall: Der Abgeordnete von Kraczewski hat sich ums Wort gemeldet. Vor ihm sind noch mehrere andere Redner notirt. Ich bin nun entschieden der Meinung, daß in Bezug auf den Gegenstand, der von dem Abgeordneten v. Kraczewski angeregt worden ist, die Ve— batte nicht wieder zu eröffnen sei. Aber auch abgesehen von die⸗ sem besonderen Gegenstand«, scheint mir die Berathung zum Schlusse reif, und sie wird geschlossen werden, wenn nicht 24 Mitglieder dem Schlusse widersprechen.

Geräusch. Zeichen mit der Glocke. (Es erhebt sich eine Anzahl Mitglieder.)

Fürst Cichnowsky: Ich bitte, die Frage zu formuliren, damit wir wissen, über welchen Gegenstand die Berathung fortgesetzt wer den soll. .

Marschall: Die Berathung, welche uns beschäftigt hat, und die hervorgegangen ist aus den Erklärungen des Herrn Ministers über bie gestern erfolgte Interpellation.

Fürst Cichnowsky; Es ist debattirt worden über den Noth⸗ stand, über die politischen Zustände Posens, über die Unruhen in Sachsen; ich bitte also, die Frage so zu formuliren, damit man weiß, von welcher Debatte hier die Rede ist,

Abgeordn. von Vochow: Ich schlage vor, daß gefragt wird, ob zur Tagesordnung übergegangen werden soll?

Marschall: Diejenigen, welche wünschen, daß zur Tagesord nung übergegangen werde, bitte ich, das durch Aufstehen zu erkennen zu geben.

(Die große Mehrzahl der Versammlung erhebt sich.) Wir gehen also zur Tagesordnung über. (Allgemeine und lang andauernde Aufregung.) (Zeichen mit der Glocke.) Ich ersuche den Abgeordneten von Vincke, den Bericht über den Entwurf eines Wahlgesetzes für die zur Vereinbarung der Verfassung zu berufende Versammlung zu erstatten. Referent Abgeordn. Freiherr von Vincke (liest vor): Gutachten der Abtheilung über den Entwurf eines Wahlgesetzes für die zur Vereinbarung der preu⸗ ßischen Staate⸗Verfassung zu berufende Versammlung.

Die Abtheilung hat zuvörderst die Aufgabe der auf Grund des Wahlgesetzes zu berufenden Versammlung, nach Maßgabe der Aller⸗ höchsten Botschast, sich klar zu machen gesucht. Sie erklärt sich mit dem Grundsatze einverstanden, daß die Vereinbarung der künftigen Reichs verfassung einer aus dem gesammten Volke auf möglichst breiter Grundlage zu berufenden Versammlung anvertraut werde.

Andere Befugnisse sind, nach Inhalt der Botschaft, für diese Versammlung nicht in Aussicht gestellt worden. .

Es ist darin nur angedeutet worden und die vereinigten Kurien haben sich in der Adresse dieser Voraussetzung angeschlossen daß ber Vereinigte Landtag zum letztenmal in der bisherigen Gestaltung versammelt sein wird. Ueber die Befugnisse, welche die künftige Reichsverfassung den Organen des Landes beilegen wird, wird erst die Vereinbarung der Krone mit der Verfassings? Versammlung ent⸗ scheiden. Diese Verfassungs⸗Versammlung würde also an sich keine anderen Rechte, als eben nur das der Mitwirkung bei Vereinbarung der künftigen Verfassung besitzen, falls ihr solche Rechte nicht auf verfassungsmäßigem Wege vorher eingeräumt worden..

Es erscheint aber unbedingt erforderlich, daß es in der Ueber⸗ gangs - Periode vom Schlusse dieses zweiten Vereinigten Landtages bis zur Versammlung der nach der künftigen Verfassung neu zu bil⸗ denden Organe des, Landes nicht an einem gesetzmäßigen Körper fehle, welcher die seitherigen Befugnisse des Vereinigten Landtages, na—⸗ mentlich Bewilligung von Staats- Anleihen und Zustimmung zu Ver⸗ änderungen in der Steuer⸗Gesetzge bung auszuüben berufen ist. Der Vereinigte Landtag würde die Rechte der Staatsgläubiger beeinträch⸗ tigen, den Staats- Kredit gefährden, vor Allem aber die Rechte des Volks, deren Wahrung ihm zur Zeit noch anvertraut ist, preisgeben,

wenn er diese Frage ungelöst ließe und so der Krone die unermeßliche Verlegenheit bereiten wollte, im etwaigen Drange der Umstände den Rechteboden aufgeben und sich selbst Befugnisse beilegen zu müssen,

die sie verfassungsmäßig nicht ö .. * Zur Beseitigung dieser Schwierigkeit bieten nur zwei Auswege

sich dar, entweder . 1) dem Vereinigten Landtage bis zur Bildung der künftigen Lan- des-Organe die seitherigen Befugnisse zu belassen und ihn vor⸗

kommendenfalls zur Ausübung derselben zu versammeln; oder ; . 2) der für die Vereinbarung der künftigen Reichs verfassung zu be⸗

rufenden Versammlung die seitherigen Befugnisse des Vereinig⸗

ten Landtages im Einverständnisse mit der Krone zu üher— tragen.

Der ersten Alternative steht entgegen: .

1) Daß das gleichzeitige Bestehen zweier Vertretungen neben ein⸗ ander des Vereinigten Landtages und der Verfassungs⸗Ver⸗ sammlung leicht zu Reibungen und Ronflikten und in Folge dessen zu einer Rechtsungewißheit führen könnte, die in kriti⸗ schen Perioden, wie die gegenwärtige, vor allem Anderen zu vermeiden ist.

Daß es einen inneren Widerspruch verrathen würde, wenn der

Versammlung, welche eben berufen wird, um das Vertrauen

des Volkes auf der breitesten Grundlage zu repräsentiren, von

der seitherigen Vertretung des Landes mit einem scheinbaren

Mißtrauen entgegengetreten werden sollte. .

Die Abtheilung ist daher einstimmig der Ansicht, daß der zwei⸗ ten Alternative entschieden der Vorzug gebührt, und beantragt, zur Abschneidung aller Zweifel den Erlaß einer transitorischen Bestim⸗ mung des Inhalts: .

„Die Versammlung ist dazu berufen, die Staats⸗Verfassung durch

Fereinbarung mit der Krone festzustellen und die seitherigen reichs

ständischen Befugnisse namentlich in Bezug auf die Bewilligung von Steuern und Staats-Anleihen für die Dauer ihrer Versamm— lung interimistisch auszuüben,.“

Rach dieser allgemeinen Erörterung ist die Abtheilung zur Er—

wägung der speziellen Bestimmungen des Gesetz- Entwurfes über—⸗ gegangen. Ich füge noch hinzu, daß die Herren Minister, welche der Ver⸗ sammlung mehrfach beigewohnt haben, mit der Ansicht der Abthei⸗ lung und mit der hier vorgeschlagenen Fassung einverstanden gewesen sind. Die Abtheilung hatte zuerst die Ansicht, diese Bestimmungen zwischen die S8. 9, und 10 des Gesetzentwurfes einzuschieben; sie hatte sich auch dabei beruhigt, daß eigentlich eine solche Bestimmung nicht in das Wahlgesetz gehöre, weil, wie die hohe Versammlung aus der Ansicht der 88. 10 und 11 des Gesetzentwurfes entnehmen wird, auch diese Paragraphen Bestimmungen enthalten, die, streng genommen, nicht zum Wahlgesetz gehören. Es wurde aber seitens des Herrn Ministers des Innern die allerdings richtigere Ansicht aufgestellt, daß es zweckmäßiger sei, einen Gesetzartikel besonders zu emantren der die hier vorgetragenen Bestimmungen auf gesetzlichem Wege feststellt, und die Abtheilung hat daher sich mit dieser, der gewöhnlichen Form und den logischen Konsequenzen nach, richtigeren Ansicht der Regierung einverstanden erklärt. Es würde sich also nunmehr fragen, ob die Ansicht der hohen Versammlung damit übereinstimmt,

Marschall: Wenn keine Bemerkung erfolgt, so kommen wir zur Abstimmung. Die Frage heißt: Soll eine transitorische Bestimmung folgenden Inhalts beantragt werden:

(Secretair von Leipziger verliest den Antrag) „Die Versammlung ist dazu berufen, die Staats-Verfassung durch Vereinbarung mit der Krone festzustellen und die seitherigen reichs⸗ ständischen Befugnisse namentlich in Bezug auf die Bewilligung von Steuern und Staatsanleihen für die Dauer ihrer Versamm⸗ lung interimistisch auszuüben.“ Die das beantragen, würden dies durch Aufstehen zu erkennen geben. (Wird beinahe einstimmig angenommen.) Dem Antrage ist beinahe einstimmig beigetreten.

Referent Äbgeordn. Freiherr von Vincke: Nach dieser allge⸗ meinen Erörterung ist die Abtheilung zur Erwägung der speziellen Bestimmungen des Gesetzentwurfs übergegangen.

Der Eingang des Gesetzentwurfs und der 8. 1 desselben lautet:

. eines Wahlgesetzes für die zur Vereinbarung der preußischen Staats Verfassung zu berufende Versammlung.

Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen ꝛc. ꝛc., verordnen, nach Anhörung beider Kurien Unserer zum Vereinigten Landtage versammelt gewesenen Stände, auf den Antrag Unseres Staats⸗Ministeriums, was folgt: 9. J.

Jeder heimatsberechtigte Preuße, welcher das 24ste Lebensjahr vollendet und den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte nicht verwirkt hat, ist in der Gemeinde, worin er seit Jahresfrist seinen ordentlichen Wohnsitz hat, stimmberechtigter Urwähler, insofern er nicht aus öffent- lichen Mitteln Armen-Unterstützung oder ohne eigenen Hausstand in einem dienenden Verhältnisse Lohn und Kost bezieht.“

Das Gutachten der Abtheilung lautet:

.

Der Ausdruck „heimatsberechtigt“ schien nicht ganz klar; es hat darunter nach der von dem Reglerüngs-Kommissar gegebenen Erläu— terung jeder Preuße, der das Indigenat erlangt hat, verstanden wer⸗ den sollen. Die Abtheilung entschied sich daher für die präzisere Fassung „jeder preußische Stäatsbürger.“ ;

Statt der Worte: „und den Vollbesitz der bürgerlichen Nechte nicht verwirkt hat“, wurde die Fassung „und nicht den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte, in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses verloren hat“, einstimmig angenommen, weil' anderenfalls auch die durch den Beschluß einer Stadtverordneten⸗Versammlung, einer Ge⸗ meinde⸗Versammlung der beiden westlichen Provinzen oder eines mili⸗ tairischen Ehrengerichtes Ausgeschlossenen des Wahlrechtes verlustig gehen würden, was eine Rechtsungleichheit zwischen den Angehörigen der verschiedenen Provinzen, beziehungsweise der verschiedenen Klaffen von Staatsbürgern, herbeiführen müßte, welche die Abtheilung mit dem Berufe der Verfassungs⸗Versammlung nicht vereinbar findet. Die Worte „worin er seit Jahresfrist seinen ordentlichen Wohn- sitz hat“ wurden mehrseitig beanstandet, weil man die Bestimmung theils nicht klar genug, theils zu beengend fand. Der Antrag, diese Worte ganz ausfallen zu lassen, fand indeß keine Unterstützung, weil die Abtheilung sich überzeugte, daß eine lärngere Bekanntschaft mit den übrigen Gemeindegliedern unerläßlich ö. 1 auf eigene Anschauung und Eifahrung beruhende Wahl , zudem aber die Beseitigung jeder derartigen Schranke 1 nn agabunden die Theilnahme an den Urwahlen gestatten . 3 ich für die Aufstellung der Wahl⸗Listen jeder Ungewißheit gegnet werden muß. Die Frist erschien indeß für diese Zwecke zu

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ausgedehnt und die Beschränkung auf einen sechsmonatlichen Zeit⸗ raum genügend. . . .

Mit Rücksicht auf diese und die weiter unten berührte Erweite⸗ rung des Wahlrechts, wonach auch das Gesinde zu demselben zuge lassen ist, wird die Veränderung der Worte „seinen ordentlichen Wohnsitz“ in die Worte; „seinen Wohnsitz oder Aufenthalt“ für nothwendig erachtet, weil die verschiedenen Gesetze den Begriff „Wohnsitz“ verschieden desiniren, das Gesetz vom 30. Dezember 1812

namentlich beim Mangel einer ausdrücklichen Aufnahme einen

mindestens einjährigen Aufenthalt mit Wissen des Gemeinde-Vorstan⸗ des zur Begründung des Wohnsitzes erfordert und insbesondere das Gesinde gar keinen Wohnsitz im gesetzlichen Sinne erwirbt.

Die Worte „insofern er nicht aus öffentlichen Mitteln Armen⸗ Unterstützung bezieht“ wurden zwar beanstandet, weil sie der Vesorg= niß Raum gäben, als ob selbst schon eine vorübergehende Unterstützung aus Armenmittein für die Folge des Wahlrechtes verlustig machen, und weil überhaupt die Armuth keinen Grund abgeben könne, um pelle Mahn hu Len, . .

Die Abtheilung entschied sich indeß mit 14 Stimmen egen 1 für die Beibehaltung, weil die gerügte Unklarheit nach Ansicht der Majorität nicht stattsindet; insofern nach der Wortfassung nur von einer fortlaufenden Unterstützung aus Armenmitteln zur Zeit der Vor nahme der Wahlen die Rede ist, in Bezug auf das angenommene Prinzip aber jede Ausübung eines politischen Rechtes die Unabhän⸗ gigkeit der Ueberzeugung und diese als Minimum wenigstens selbst ständige Ernährungsfähigkeit voraussetzt. Dagegen spricht sich die Abtheilung gegen 1 Stimme für den Wegfall der Worte: „ode— ohne eigenen Hausstand, in einem dienenden Verhältnisse, Lohn und Kost bezieht“, aus, denn durch diese Beschränkung würde, abgesehen von ihrer Vieldeutigkeit, eine sehr achtbare Menschenklasse das Ge⸗ sinde unverdient betroffen werden (nur um einen möglichen Ein fluß ihres Dienstherrn abzuschneiden), während in dem ganz analogen Verhältnisse der Gesellen und Fabrikarbeiter die Möglichkeit eines derartigen Einflusses ebensowenig verkannt werden kann. Eine Be— stimmung aber, welche für alle diese, noch durch zahlreiche andere Beispiele leicht zu vermehrenden Fälle eines abhängigen Verhältnisses die Entziehung des Wahlrechts anordnen wollte, würde an der Schwierigkeit einer erschöpfenden Fassung scheitern oder wieder zu einem Census zurückgelangen lassen, welcher stets nur eine willkür liche, bei der Verschiedenheit der Lokal-Verhältn sse kaum aufzufin dende Gränze bildet und der Verfassungs-Versammlung jedenfalls die breite Grundlage entziehen würde, auf der sie allein ihren dermaligen Beruf erfüllen kann. ̃

Der so amendirte Paragraph würde mithin lauten:

„Jeder preußische Staatsbürger, welcher das vierundzwanzigste Le⸗ bensjahr vollendet, und nicht den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte, in Folge rechtskräftigen richterlichen Erkenntnisses verloren hat, ist in der Gemeinde, worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat, st mmberechtigter Urwähler, insofern er nicht aus öffentlichen Mitteln Armen⸗Unterstützung bezieht.“ Abgeordn. Heuer: Meine Herren! Ich habe zu den Anträgen der Abtheilung zwei Erinnerungen zu machen. Die erste Erinne⸗ rung betrifft die Einschaltung der Worte: „oder Aufenthalt“ hinter den Worten: „worin er seit sechs Monaten seinen Wohnsitz“ hat. . Es ist Ihnen bekannt, daß durch eine bloße Veränderung des Aufenthaltes der Wohnsitz noch nicht ohne Weiteres verloren geht; es würde also bei der Annahme dieses Vorschlages leicht der Fall ein treten können, daß das Wahlrecht von einer Person an mehreren Orten ausgeübt werde, weil es nicht möglich sein würde, dies genau zu kontrolliren. Ich halte es daher für zweckmäßig und nothwendig, es bei dem Gesetzentwurfe zu belassen.

Die zweite Erinnerung, die ich gegen den Vorschlag der Abthei lung zu machen habe, betrifft den Schluß desselben, wodurch diejeni= gen vom Wahlrecht ausgeschlossen werden sollen, welche aus öffent lichen Mitteln Armenunterstützung beziehen. Ich fordere ein ganz allgemeines Wahlrecht, ohne irgend eine Beschränkung; nicht, meine Herren, weil ein solches Wahlrecht vielfach in Petitionen gefordert worden ist, auch nicht, weil Se. Majestät der König uns ein solches verheißen haben, sondern weil es mir in den Konsequenzen d Zweckes zu liegen schiene, zu welchem diese Versammlung berufen werden soll. Es handelt sich in dieser Versammlung um eine Ver⸗ einbarung eines Staatsgrundgesetzes zwischen der Krone und der Nation. Es ist also durchaus nothwendig, daß die Nation in allen ihren Schichten vertreten werde, bei der Versammlung, welche eine Staatsderfassung vereinbaren soll. Auf diesem Wege wird die Ver fassung diejenige Festigkeit und Unantastbarkeit erhalten, welche sie gegen alle Stürme schützen können. Ich kann also nur solche Aus⸗ nahmen zulassen, welche auf einer Unfähigkeit der Wähler beruht. Als unfähig muß ich allerdings anerkennen diejenigen, welche das Alter der Verstandesreife nochtonicht erlangt haben, und diejenigen, welche die politischen Rechte verloren haben. Als Alter der Ver standesreife hat der Vorschlag das vierundzwanzigste Jahr ange nommen, und dies scheint mir auch ganz angemessen zu sein, weil das vierundzwanzigste Jahr als das Alter der Majorennität in den meisten Theilen der Monarchie festgesetzt ist, und weil wohl Niemand befähigt werden kann, politische Rechte auszuüben, den das Gesetz nicht für fähig erklärt, seinen eigenen Angelegenheiten vorzustehen. Im §. 5 des Entwurfes ist das dreißigste Jahr ...

(Viele Stimmen: So weit sind wir noch nicht.)

es

Da die Versammlung diese beiläufige Bemerkung nicht hören will, so will ich davon abgehen.

Diese beiden Kategorieen erkenne ich als wichtig an, namentlich wird das Alter der Majorität zu erreichen sein zur Ausübung poli— tischer Rechte, weiter aber glaube ich nicht gehen zu können. Der Gesetz⸗Entwurf, der auch diejenigen einschließt, welche aus öffent⸗ lichen Mitteln Armenunterstützungen beziehen, oder in einem dienen den Verhältnisse Lohn und Kost erhalten, macht sich einer Abweichung von dem vorhin aufgestellten allgemeinen Prinzip schuldig, einer Abweichung, die nur durch ein überwiegendes praktisches Bedürf⸗ niß dargelegt werden könnte; ein solches praktisches Bedürfniß ist meines Erachtens nach nicht vorhanden. Ich muß allerdings zu⸗ geben, daß Personen, die in einem dienstbaren Verhältniß stehen, und solche, die aus öffentlichen Kassen Unterstützungen empfangen, nicht die Gewähr geben, wie andere unabhängige, daß sie der. Be⸗ stechung und. Verführung mehr ausgesetzt sind, und dieser Grund würde vielleicht erheblich sein, wenn die Versammlung eine direkte Wahl annehme. Der Gesetzvorschlag nimmt eine indirekte Wahl an, und ich glaube, mich dem Vorschlage anschließen zu müssen, weil bei großen Städten und großen Wahlbezirken eine direkte Wahl nicht ausführbar scheint. Eine direkte Wahl würde die Folge haben, daß dieselbe hauptsächlich und wesentlich in dem Bezirk, in welchem die Wahl geschieht, entschieden würde, weil die entfernt Woh⸗ nenden theils aus Mangel an Indolenz, theile aus Mangel an Mitteln häufig wohl gar nicht der Wahl beitreten dürften; es würde also häufig gar kein Wahlrecht eintreten. Meine Herren, die Re⸗ volution, welche jetzt durch Europa geht, hat die Privilegien ver nichtet, sie hat das freie Staatsbürgerthum in seine volle Geltung eingesetzt; lassen Sie uns nicht neue Privilegien schaffen, indem wir ganze Klassen der Bevölkerung mit Mißtrauen erfüllen, indem wir

sie von der Wahlbefugniß ausschließen; ich schlage daher vor, die

Fassung des Paragraphen dahin anzunehmen, daß es heiße: . „Jeder preußische Staatebürger, welcher das 24ste Lebens jahr Föllendet und den Vollbesitz der bürgerlichen Rechte nicht verwirkt hat, ist in der Gemeinde, worin er seit Jahreefrist seinen ordent⸗ lichen Wohnsitz hat, stimmberechtigter Urwähler.“

Punktum!

Marschall: Der Abgeordnete hat den Vorschlag der Minoritãt der Abtheilung erneuert, er liegt also als neuer Vorschlag vor, und ich frage: ob er die nöthige Unterstützung sindet.

(Wird nicht unteistützt.) Er hat sie nicht gefunden.

Abgeordn. Moewes: Meine Absicht geht dahin, mit wenigen Worten meine Ansicht auszusprechen, welche gegen den Vorschlag der Abtheilung, so weit er die Ehrenrechte betrifft, gerichtet ist. Der Gesetzes Vorschlag bestimmt, daß alle diejenigen, die gesetzlich die bürgerlichen Ehrenrechte verloren haben, bei der Auswahl der Wahl- männer nicht stimmberechtigt sein sollen. Die Abtheilung beschränkt diese Bestimmun g auf diejenigen, denen die Ehrenrechte durch Urtel und Recht aberkannt worden. Tie Ehrenrechte gehen indeß gesetzlich überha pt verloren, durch richten liches Erkenntniß, durch den Beschlnß der Kommunnibehörden oder durch den von Ehrengerichten. Alle die⸗ jenigen, welche die Ehrenrechte auf die eine oder die andere Weise verloren haben, stehen sich, meiner Ansicht nach, hinsichtlich ihrer Ehrliebe und Ehrenhaftigkeit, gleich. Die Rechts ⸗Ungleichheit für Tie verschiedenen Provinzen, aus welcher das Gutachten den Vor⸗ schlag der Abtheilung zu rechtfertigen sucht, ist meines Erachtens bier nichts Wefentliches und nicht geeignet, eine Aenderung herbei⸗ zuführen, zumal in allen Provinzen die Grundsätze und Vorschriften feststehen, nach welchen man der Ehrenrechte verlustig geht. Es beunruhigt mich aber eine solche Rechts— Ungleichheit, wenn sie vor⸗ handen sein sollte, viel weniger, als die, welche dadurch entsteht, wenn Staatsbürger mit und Staatsbürger ohne bürgerliche Ehren⸗ rechte gemeinsam gleiche politische Rechte, und zwar die wichtigsten Ehrenréchte, ausüben sollen. Ich halte daher dafür, daß diejenigen, welche sich der bürgerlichen Ehrenrechte verlustig gemacht haben, auch keinen Anspruch darauf machen können, solche wichtige politische Rechte, wie die sind, von denen hier die Rede ist, ausüben zu dürfen.

(Die Abgeordneten Siebig und Dittrich verzichten auf das Wort.)

Abgeordn. Schwink: Es ist uns so eben durch einen Redner vor mir dasjenige gesagt, was ich zu sagen für nothwendig erachtet habe, daß es nämlich hier darauf ankommt, ob der Arme, weil er arm ist und Unterstützung braucht, ein Ehrenrecht verlieren soll. Ich glaube nicht. Seine Armuth kann zwar zuweilen selbst ver⸗ schuldet sein, sehr oft ist sie es aber nicht, und selbst, wenn sie es ist, so ist wohl zu bedenken, daß, wenn das Vaterland ruft, wir doch das Beste, was wir haben, das Leben und die Gesundheit dem Vaterlande darbieten werden.

Abgeordn. Graf Helldorff: Bei Feststellung des Wahlgesetzes für die zur Vereinbarung der preußischen Staatsverfassung zu be⸗ rufende Versammlung ist es dringend erforderlich, daß das Wahl⸗ recht auf die breitesten Grundlagen hingestellt wird. Ich erkläre mich Vaber einverstanden mit dem Anirage der Abtheilung, daß eine Menge Beschränkungen aus dem vorgelegten Entwurfe wegfallen sollen, und halte ich es namentlich angeniessen, daß auch alle diejenigen, welche

ohne eigenen Hausstand in einem dienenden Verhältnisse Lohn und Kost beziehen, zur Ausübung des Wahlrechts mit zugelassen werden denn gerade unter dieser Klasse finden sich häufig sehr achtbare Individuen.

Abgeordn. von Thadden: Obschon ich glaube, daß die hohe Versammlung in großer Mehrzahl sich zu den Grundsätzen des neuen Wahlgesetzes bekennt, so finde ich mich doch veranlaßt, mich ent⸗ schieden dagegen auszusprechen. Fürchten Sie auch heute nicht, daß ich viele Worte machen werde ich werde mich so kurz als möglich fassen.

(Bravo!) Meine Herren! ich erlaube mir aber doch mit einigen wenigen Personalien anzufangen. Ich bin bekanntlich ein sogenannter Konservativer, weil geschrieben steht: „Wer da hat, dem wird gegeben“, und als ächter Preuße verstehe ich den alten Wahlspruch unseres Hauses: »Suum cuique nicht bloß: behalte, was du hast, sondern nimm, was du kriegen kannst, aber wohl verstanden: was du mit gutem Gewissen bekommen kannst! (Heiterkeit. )

Meine Herren! ich verachte eine solche träge konservative Gesinnung, die in großen historischen Momenten nur an sich denkt, die dann nicht zu großen Opfern bereit ist, und ich fordere die Männer meiner Pro⸗ vinz aus allen drei Ständen auf, über mich Gericht zu halten, wenn sie mich nicht bereit zu Allem sinden, was die Ehre und das Wohl bes Vaterlandes als unerläßlich von mir fordert. Aber gerade darum muß ich mich gegen das Wahlgesetz aussprechen, weil es das Grundprinzip unserer Verfassung aufhebt und völlig umstößt. Ich protestire gegen jedes neue Wahlgesetz, welches das Prinzip der zwei Kurien und die Gliederung der drei Stände verläßt, obschon ich wahrlich keiner organischen Fortentwickelung unserer Ver⸗ fassung verschlossen bin. Verzeihen Sie, daß ich mich jetzt vielleicht zu kurz fasse, aber ich kann ein Grundprinzip nicht aner⸗ kennen, nach welchem etwa auf 10,900 Pfund Menschen⸗ fleisch Cnelusive Menschenknochen) ein Wähler kommt,

und vielleicht 40,000 Centner eben dergleichen einen Abgeordneten stellen. (Heiterkeit und Tumult.) .

Absolut bin ich also gegen das ganze Wahlgesetz. Relativ und da hier die Extreme sich berühren müssen werde ich aber den Modificationen beistimmen, die der dienenden und arbeitent en Klasse zu ihrem Rechte verhelfen, und besonders auch dem beitreten, was unseren Armen das vollste Stimmrecht en ,,

Referent Abgeordn. Freiherr von vincke: Es e,, den verehrten Rednern, die gesprochen haben, gegen das Guta y i erheblichen Einwendungen gemacht worden. Vl ,, die von den Abgeordneten von Halberstadt und d g. ,,, Antrag des Ersteren oe e l ie e ahl, an welchen die ö oOo er * 1 * . , s daß also auch ein sechs monatlicher r e nn 16. Stimmberechtigung befähigen solle, wegfallen möchte, ö si „erschiedenen Orten aufgehalten haben könne, woraus weil man sich ausesrlsentstehe. Ich mache darauf aufmerksam, daß en. ee n, , Em r Bößpeller Wohnsitz denkbar ist., daß also ib ehren henlzben, bei Festhaltung des Gesetzentwurfes i

i. vermeiden sein würde, insofern man in einzelnen Fa en in en f sesiherathen würde, welcher der wahre sei. Ein fernerer Zweifel on aus der verschiedenartigen Definition n, . Won, wie sie in unseren Gesetzen, namentlich der Ddr nung un 26 Gesetze vom 30sten Dezember 1842 enthalten ist er geen 1 habens daher geglaubt, dem Worte „Wohnsiã' das Wort „Aufent- ont“ hinzufügen zu müssen, damit eine Zweifel entständen. Die von dem Redner besorgte Folge, daß Jemand auf die Wahl gleichsam

reisen könnte, um an mehreren Drten zu stimmen, würde nicht eintre⸗