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är; d. J. von Prag abwesend. Nach seiner Rückkunft 6 2 — * — z 8e ichen Truppen der prager Garnison auf den Plaß vor dem Invalidenhause ausrücken, um dieselben in Augen · schtin zu nebmen. Bei dieser Gelegenheit brachten die Truppen ihrem Jüh= rer stürmische Lebchochs, welches man im Publikum für eine Demonstration der reactsonairen Partei ansah. Ueberdies verbreitete sich das Gerücht, daß Fürst Windischgratz auf jener Truppen-Parade die Höhe von Wischehrad und die Josephä-Kaserne mit Kanonen besetzen ließ. In Folge dessen sendete die Studenten Lsegion eine Deputation an das General- Kommando, um die Bewilligung von 2000 Stück Feuergewehren, ven 80,000 scharfen Patronen und einer ausgerüsteten Batterie, dann die Entfernung der gegen die Stadt gerichteten Kanonen zu erwirken, sie wurde jedoch über dieses Ansinnen ab-
islich beschieden. .
9 4 der Sitzung des National -Ausschusses vom 7. Juni sprach sich die Stimmenmehrheit für das Zweikammer-⸗Sostem bei dem boh— mischen Landtage aus. Auch dieses hielt man für eine Folge der Umtriebe der reactienairen Partei. Dazu kamen einige sehr aufregende Reden der in Prag versammelten Slaven und der unfreundliche Empsang, den die prager czechischen Studenten in den ersten Tagen des Monats Juni auf der Aula und in dem Studenten- Ausschusse zu Wien erfahren haben sollen. Ob außer diesen noch andere und welche veranlassende Ursachen den Ausbruch der blutigen Unruhen in Prag hervorriefen, und welche Tendenz diese Unruhen hatten, werden die darüber von den Landes-Behörden eingeleiteten Untersuchungen zeigen.
„Am 12. Juni wurde bei der St. Wenzelsstatue auf dem Roßmarkte ein feierlicher (Slaven⸗) Gottesdienst abgehalten, nach dessen Beendigung das zahlreich versammelte Voll vom Roßmarfte zu dem General-Kommando— Gebäude zog und böhmische Lieder sang. Vor dem Gebäude des General⸗ Kommando's soll dem Fürsten Windschgrätz ein Pereat gebracht, eine zahl—= reiche Bürger⸗Deputation, welche den Fürsten Windischgrätz um Beibehal⸗ tung seints Kommando's bat, soll von der Partei der Bewegung verhöhnt und ein Offizier soll von einer Civilperson thätlich be— leidigt worden sein. Gleich darauf kam es zu einem offenen Kampse zwischen dem herbeigeeilten Miltair und den immer zunehmenden Volksmassen. Es fielen von beiden Seiten Schüsse, und ein meuchelmörderischer Schuß aus dem gegenüber gelegenen Gebäude tödtete die Fürstin Windisch— gräß in ihrem Wohnzimmer, eine Frau, die ihrer hohen Tugenden wegen allgemein verehrt wurde. Bei der ersten Nachricht davon suchte der Gub. Präsident, Graf Leo Thun, aus dem Gubernial⸗ Gebäude auf die Kleinseite in das altstädter Nathhaus zu eilen, um im Einvernehmen mit der Orts⸗ behörde und dem kommandirenden General die nöthigen Verfügungen treffen zu können. Unterweges wurde er jedoch von den Studenten gefangen und in das Clementinum abgeführt.
„Inzwischen waren schon in allen Straßen Barrikaden errichtet worden. Fürst Windischgrätz ergriff sogleich energische Maßregeln; nach hartnäckigem Kampfe hatte er bis 8 Uhr Abends freie Verbindung von dem General— Kommando über den Graben, die neue Allee und die Kettenbrücke mit der Klein—= seite und dem dortigen Zeughause und andererseits durch die Zeltnergasse bis auf den Altstädter Ning wieder hergestellt, die von bewaffneten Studenten befetzte Anla (Carolinum) erstürmt, eine Anzahl von Studenten gefaugen genommen und eine imposante Stellung behauptet.
„Den solgenden Tag, nämlich am 13. Juni, fanden keine Feindselig keiten statt. Blos einzelne Schüsse aus den Fenstern auf die Varrikaden und umgekehrt fielen vor. Gegen 8 Uhr früh wurde das immerwährende Sturmläuten auf dem Thurme der Theinkirche durch Schüsse des Militairs zum Schweigen gebracht, worauf durch weiße Fahnen auf dem alistädter a n und durch eine beim Fürsten Windischgrätz erschienene Deputa— tion friedliche Gesinnungen der Stadt angekündigt wurden. Der Fürst Win—= dischgrätz erklärte sich geneigt, die militairischen Operationen einzustellen, gegen sogleiche Freilassung des Grafen Leo Thun und gegen die Wegräu⸗ mung der Barrikaden, worauf die Truppen zurückgezogen, den Bürgerwachen und der Studenten -Legion die Waffen belassen ünd alle vom Militair ge= machten Gefangenen der Civilbehörde übergeben werden sollten.
„Die erste Bedingung kam noch Abends am 13. Juni in Erfüllung. Der Gubernial-Präsident, Graf Leo Thun, wurde freigelassen, und derselbe versprach nach wiedererlangter Freiheit Vergebung für seine Gefangenneh= mung, so wie allen im Kampfe gefangenen Civil Personen, die keines br— sonderen Verbrechens schuldig befünden würden. Die zweite Friedensbedin= gung ist nur auf der Kleinseite eingehalten worden, nicht so auf der Alt— und Neustadt, da wurden am Vormittage die Barrikaden nicht nur nicht
abgeräumt, sondern sogar neue errichtet und die alten verstärkt; erst Nach— mittags hat man einen Theil der Barrikaden beseitigt. Am großen Ringe und auf anderen Plätzen wurden Reden gehalten, auch Flugblätter vertheilt, welche das Volk aufforderten, „sich nicht zu ergeben, Böhmen müsse selbst—⸗ ständig werden u. s. w.“ Dessenungeachtet hät Fürst Windischgrätz, um Vertranen zu erwecken, sich herbeigelassen, die mit Sturm eingenon— mene Aula (Carolinum) und die vom Militair besetzten Eckhäu⸗— ser der Zeltnergasse am Ring zu räumen und die vorgeschobenen Truppen näher zu dem General-Kommando-Gebäude zurückzuziehen.
(Schluß folgt.)
Innsbruck, 26. Juni. (A. 3.) Der tapfere Oberst Kopal vom 19ten Jäger-Bataillon, der bei Vicenza einen Arm verlor, ist an den Folgen der Amputation gestorben. Der Erzherzog Stephan und seine Minister sind heute wieder von hier abgereist.
Bayern. München, 28. Juni. (A. 3.) An sämmtliche Armeedivisions- und Corps- Kommandanten erging heute folgendes Königl. Ausschreiben vom 24. Juni:
„Dienstlichen Anzeigen sowohl als außerdienstlichen Nachrichten zufolge haben die baverischen Truppen an verschiedenen Orten ihrer Garnison und Standquartiere gelegentlich daselbst in neuerer Zeit stattgehabter tumultug— rischer Auftritte (sogenannter Krawalle) sich der Ehre ihres Standes wür— dig und so betragen, wie es von pflichtgetreuen Truppen zu erwarten war; sie haben weder Verführungsversuchen Gehör gegeben, noch sich in irgend einer Weise an Erzessen selbst betheiligt. Se. Königl. Majestät haben diese erfteulichen Nachrichten über den im Allgemeinen daraus zu ersehen- den guten Geist im Heer mit Vergnügen entgegengenommen und dem
Triegs Ministerium den allergnädigsten Auftrag ertheilt, den Stabs- und Ober Offzzieren, Unteroffizieren und Soldaten die allerhöchste Jufriedenheit und Anerkennung über dieses ehrenhaste Benehmen bekannt geben zu las⸗— sen. Sämmtliche Amed iissons? und Corps. Kommandanten erhalten da— her den Auftrag, diese allerhöchste Anerkennung den unterhabenden Abthei⸗ lungen behufs weiterer Zecigneten Verfügung mit dem Bemerken zu erbff=— neu, wie es in keiner Weise bezweifelt wird, daß alle Organe des Heeres dahin trachten werden, Lurch Wort und Beispiel diesen lobenswerthen
Geist bei ihren Untergebenen auch f z Hel a igel hm serner zu erhalten und mehr und mehr
München, 2 Juni. Abends 67 Uhr. (1. 3) So eben erfahre ich noch, daß nach heute hier , . . die von dem Königlich bayerischen Gesandten von Abel gemeinschaftlich mit dem Königlich preußischen interim stischen Geschäftsträger, von Wer= thern in Turin, wegen der Blekade von Triest gethansn Schritte bei e , n , . gewesen seien und eine efriedigende Lösung dieser deutschen Angelegenheit 6 . gen zu erwarten stehe. gelegenheit in den nächsten Ta⸗
Sach sen. Dresden, 29. Juni. (D. A. 3. Die zweite Kam⸗ mer begann in ihrer gestrigen Sitzung die spezielle Berathung der Hauptpunkte des Deputations⸗-Berichts über das neue Wahlgesetz. Der erste Punkt, die Figge; ob Ein oder Zweikammer-Syslem, f von der Minorität der Deputation zu Gunsten des letzteren entschie⸗ den worden, während die Majorität (Referent Abg. Tzschirner) in ihrem Gutachten als das Resultat ihrer reiflichsten Erwägung den Satz ausstellt: „Ohne Einkammer⸗System keine wahre Volks vertretung“, und sich für die Durchführung dieses Satzes in allen seinen Konsequenzen erklärt. Obgleich diese Frage schon bei der allgemeinen Debatte vielfach berührt worden war, so hatten sich doch heute über Punkt 1 noch viel Sprecher angemeldet.
Der erste Sprecher war Vice⸗Präsident Pfotenhauer; er erklärte sich für das Einkammer-System und fand die Beibehaltung einer ersten Kam⸗ mer als unverträglich mit der Richtung des jetzigen Staats-Spstems. Nur ein Wahlgesetz, das auf einer rein demokratischen Basis uhe, lönne die Errungenschasten der Neuzeit sicherstellen, und ein Unterschied der Stände in der Vertretung sei eine Verletzung der Gleichheit aller Staats bürger, sogar eine Verletzung des Prinzips der ronstitutionellen Menarchie. In demselken Sinne sprach der Abg. Leuner, der bis zu Tacitus zurückging und den Be— weis zu führen suchte, daß die konscquente Durchführung des zur Geltung gelangten demolratischen rinzips jede Einverleibung aristokratischer Ele⸗ mente abweisen müsse. Eine erste Kammer beibehalten, hieße nichts Ande— res, als der Negction ein Nest vorrichten, und die Berufung darauf, daß ohne eine erste Kammer der Berathung die Gründlichkeit fehlen werde, sei ein Armuthszeugniß, das sich die zweite Kammer ausstelle. Eine Gefähr dung des Besitzes vermöge er in der Aufhebung des Instituts der ersten Kammer nicht zu erblicken, und die Haltung des sächsischen Volls in der gegenwärtigen bewegten Zeit liefere den Beweis, daß eine Befürchtung in dieser Beziehung nicht gerechtfertigt sei; auch sei hier für Necht und Frei— heit noch ein anderer Schirm vorhanden: die Presse und die Vereine.
Der Abg. Brockhaus äußerte, daß er, obgleich im Allgemeinen kein Freund des Vielredens, über die lange Liste der angemeldeten Sprecher sich heute freue, weil es bei der Wichtigkeit des Gegenstandes nur erwünscht sein könnte, wenn Jeder seine Ansichten ausspreche. Er seinerseits erkläre sich für einen Anhänger des Zweikammer-Sostems und nebme keinen Anstand, dies hier offen auszusprechen, unbekümmert über die Ansichten des Moments, unbelümmert, ob ihm Lob oder Tadel deshalb zu Theil werde. Bei Grün— dung der Verfassung sei auch ihm eine erste Kammer in Sachsen nutzlos erschienen, allein er sei bekehrt worden durch sorgfältige Beachtung der Er— scheinungen des öffentlichen Lebens, durch die auf den Landtagen gemachten Erfahrungen; auch sprächen die Beispiele anderer Staaten für seine An— sicht, und er wolle nur auf die neueste Ständeversammlung in Hannover hinweisen. Ihm sei der Hauptgrund für das Zweikammer-System die dop— pelte Berathung, durch die auch bisher schon viel Gutes gefördert, manches Unzweckmäßige verhindert, manches Unreise beseitigt worden sei; Ungeduld sei im Staatsleben nicht immer am rechten Platze, denn wenn irgendwo, so sei Uebereilen und Ueberstürzen hier nicht zu empfehlen. Man weise von Seiten der Gegner au die eingegangenen Petitionen hin; er gebe zu, daß die Unterschristen derselben mehrere Tansend betragen, aber solle die Re— gierung deshalb die Hunderttausende, die nicht petitionirt, unberüclsichtigt lassen? (Unterbrechung von der Gallerie; aus der Kammer mehrfach der Ruf: Das ist zu arg! und von Seiten des Präsidenten die Erllärung, daß es sein fester Entschluß sei, sobald dergleichen noch einmal vorlomme, die Gallerie räumen zu lassen. ) Leider habe in dieser Beziehung, wo es Pflicht eines Jeden gewesen, sich auszusprechen, fährt der Sprecher fort, auf der anderen Seite viel politische Apathie sich gezeigt, allein dessenun— geachtet müßten doch diejenigen gezählt werden, die geschwiegen hätten. Bei seiner Ansicht müsse er daher bedauern, daß die Regierung sich nicht ent— schieden über diese Frage- ausgesproch'n, sondein sie offen gelassen habe. Eine Regierung mit einer neuen zweiten und der alten ersten Kammer halte auch er sür unmöglich, und es scheine ihm Pflicht der Regierung gewesen zu sein, sich über Sein oder Nichtsein der ersten Kammer schen jetzt offen auszusprechen. Eben so halte er es aber auch für eine Pflicht der Kammer, sich bestimmt in dieser wichtigen Angelegenheit zu äußern. Daß die erste Kammer in ihrer jetzigen Form nicht populair sei, daß sie früher viel ge— hindert, was die öffentliche Stimme verlangt habe, sei Thatsache, und er stimme hier vollkommen der Deputation bei, daß sie in dieser Form „offen bar zur Unmöglichkeit geworden.“ Eine Reorganisation sei also unbedingt nöthig, und er glaube, daß zu dieser die erste Kammer selbst bereit sein werde; ob dies aber in Bezug auf eine völlige Aufhebung der Fall sein werde, möchte er bezweifeln, und dann werde die Negierung, wenn sie das Einkammer⸗System trotzdem einführen wolle, sich zu einer revolutionairen Handlung gezwungen schen, sie würde gegen die Verfassung handeln müssen. Er stimme daher für den Hagseschen Antrag und werde, salls dieser abge— lehnt werden sollte, für den Schluß-Antrag der Majorität der Deputation stimmen, wenngleich aus anderen Motiven als diese.
Für das Zweikammer⸗-System sprach sodann in ausführlicher Rede auch der Abg. von Abendroth, der jedoch ebenfalls eine durchgreisende Re— sorm der ersten Kammer für nothwendig hielt und in Bezug auf deren künftige Zusammensetzung auch Hannover zum Muster nahm. In einer so sturmbewegten Zeit, wie die unsere, duͤrfe man ein Institut, wie das der ersten Kammer, nicht so ohne Weiteres als unnützen Ballast bei Seite werfen, wo es sich nur um eine falsche Anwendung desselben handle. Wenn die Deputation sage, daß ohne Einkammer-Sostem eine wahre Volfs⸗ Vertretung nicht möglich sei, so müsse er doch fragen, ob sie die Vertretung in Belgien und Nord-Amerika, wo beiderseits das Zweikam— mer- Spstem bestehe, nicht für eine „wahre Volksvertretung“ hafte. Das Zweikgmmer⸗System lasse jedenfalls das Gute sicherer herausfinden und sei nicht nur eine Garantie sdes Besitzes, sondern auch eine Garantie für die Errungenschaften der Neuzeit, so wie eine wesentliche Sicherheit für die dauernde Begründung der constitutionellen Monarchie. Eine solche Vertre— tung, wie die Majorität der Deputation sie wolle, sei nur in einer platoni— schen Republik möglich; man müsse die Menschen nicht nehmen, wie sie sein sollten, sondern wie sie eben sind. In gleichem Sinn erklärten sich dann im Laufe der Debatte noch die Abgg. von Criegern, Stockmann, Dr. Geißler, von der Beeck, Sachße und aus dem Winckell Der Erstere wies besonders darauf hin, daß man sich hüten müsse, die jetzige Zusammensetzung der ersten Kammer mit dem Sosteme zu verwechseln. So wie die erste Kammer jetzt zusammengesetzt sei, könne sie allerdings nicht fortbestehen; allein anders sei es, wenn eine Reform derselben in der Art erfolge, daß auch sie aus freien Wahlen hervorgehe und das aristokratische Element aus derselben entfernt werde, denn dann werde der Hauptgrund ihrer Unpopularität verschwunden sein. -
BVertheidigt wurde dagegen das Einkammer-Sostem hauptsächlich durch den Abg. Tzschirner als Referenten, der die Anstrengung nicht scheute, jedem Sprecher nach Beendigung der Rede sofort zu antworten; seine Er— wiederungen fanden bei der Tribüne mehrmals lauten Beifall. Sodann sprachen heute nur noch für das Masoritätsgutachten der Abg. Haden (Deputations- Mitglied) und der Abg. Wehner. Lätzterer meinte, er wolle es offen aussprechen, was die Anhänger des Zweikammer-Systems eigentlich bewege, für dieses zu stimmen: es sei der Wunsch, den Grundbesitz besen— ders vertreten zu sehen. Der Grundbesitz werde indessen auch bei einem Einkammer-System im Sinne der Masorität nicht Gefahr laufen, in der Kammer nicht vertreten zu sein, wenn nur die Besitzenden sich vollsihümlich zu machen wüßten. Derselbe Abgeordnete erklärte sich zugleich sehr entQ schieden gegen den Antrag des Abg. Dr. Haase, den er geradezu als ver— fassungswidrig bezeichnete, da er einen Antrag auf Abänderung der Ver— fassung enthalte, ein solcher aber der Verfassungs Urkunde gemäß auf einem außerordentlichen Landtage nicht gestellt werden dürfe, und provozirte die Staats-Regierung zu einer Erklärung hierüber.
Staats⸗Minister Oberländer erklärte, daß die Regierung etwas Ver— fassungswidriges in jenem Antrage, der nur den Wunsch, 9 die Negie⸗ rung eine neue Gesetzvorlage bringen solle, aber keinesweges eine dirette Abänderung der Verfassungs⸗-Urkunde enthalte, nicht erblicken könne, zumal dieselbe glaube, nicht so streng an den Buchslaben der Verfassungs-Urkunde halten zu müssen, als daß setzt nicht eine andere Interpretation des hier einschlagenden Paragraphen zulässig sei als früher.
Det letzte Sprecher war in der heutigen Sitzung der Abg. Hecker, der sich für das 3Zweikammer - System erklärte und besonders auf die ge— sunden Zustände hinwies, die durch dasselbe in Belgien, das in seinen Verhältnissen mit Sachsen sehr verwandt sei, geschaffen worden seien. Er glaube, daß ein solches Zweikammer - Sostem dem sächsischen Volt am dienlichsten sei; die erste Kammer müsse fallen, aber nicht das System, und er stelle deshalb den Antrag: die Kammer wolle die Staats-Regierung ersuchen, ein neues auf das Zweilammer-System gegründetes Wahlgesetz, nach dem Muster des in Belgien geltenden, und welches den Grundsaß sesthalte, daß beide Kammern aus Volkswahlen hervorzugehen haben, aus— zuarbeiten und den Ständen noch auf gegenwärtigem Landtag in Vorlage
zu nn, Nachdem dieser Antrag zur Unterstützung gebracht worden wär und diese ausreichend erhalten hatte, wurde die heutige Sitzung geschlossen.
In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer kam zuvörderst ein kurzer Bericht der dritten Deputatiön über das von dem dresdener Vaterlands⸗Verein an die Kammer gelangte Gesuch um Verwendung
zur Wahrung der deutschen Ostgränzen zur Berathung. .
Die Deputation (Referent Abg. Tzschirner) hat unter Hinweisung auf die Deutschland und besonders auch Sachsen ven Osten drohende Ge sahr dieses Gesuch besürwortet und ist der Ansicht, daß es Sache der in Nankfurt jetzt hoffentlich geschaffenen Exekutiogewalt sein werde, im Inter- esse Deutschlands die hier nöth g erscheinenden Mittel zu ergreifen, und diese daher darum angegangen werden müsse; sie stellt daher den Anirag: Die Kammer möge das bezeichnete Gesuch in gedachtem Maße der Staats⸗Re⸗ gierung zur besonderen Berücksichtigung empfehlen. Die Kammer trat die⸗ sem Anttage ohne Dis ku ssion einstimmig bei und erhielt hierauf durch den Staats, Mäinister Ob erlander Lie Zusicherung, daß es der Regierung nur erfreulich sein könne, bei der dem Baͤheriande allerdings von mehreren Sei= ten drohenden Gesahr einen solchen Antrag aus der Kammer hervorgehen zu sehen, und sie nicht ermangeln werde, demselben zu entsprechen.
Hierauf ging die Kammer zur Fortsetzung der Berathung über die Frage des Ein- oder. Zweitammer⸗ Spstems uber. Nachdem der Präsident angezeigt, daß sich für diesen Gegenstand noch 21 Sprecher angemeldet hätten, erhielt der Abgeordnete Dr. Kuntz sch das Wort, der ur Majori— tät der Deputation gehörend) für das Einkammer-System sprach. Die für das Einkammer-Spstem stimmende Majoritãt des Velks mache die Einfüh inng desselben zur Nothwendigkeit, und nicht eher werde das Verirauen und mit diesem Nuhe, Arbeit und Verdienst im Volke zurückkehren, bis man dem Volle durch diese Einführung die nöthige Garantie für die Erfüllung seiner Wünsche gegeben habe. So lange ein Institut bestehe, das sich hineingedrängt habe zwischen Fürst und Volk, das nicht nur dem Volke willen, sondern sogar oft dem Fortschritt der Wissenschaft, z. B. bei dem Gesetz über die Medizinalresorm, hindernd entgegengetreten, so lange könn- ten die Versprechungen, daß der Vollswille zur Anerkennung gelangen solle, keine Wahrheit werden. Der Abgeordnete Küttner, der sich bereits in der allgemeinen Debatte entschieden für das Einkammer-System ausgesprochen, glaubte, daß eine Vereinigung der Parteien möglich sei, wenn die Organi⸗ sation dieses Syostems, abweichend don der Ansicht der Deputation, so be— schaffen sei, daß in dieser Organisatien sür Handel, Fabriken und Gewerbe, so wie für den ländlichen und städtischen Grundbesitz, eine gleich hinreichende Garantie liege, und brachte einen Antrag auf einen neuen nach diesen Grundzügen aufgestellten Gesetz-⸗Entwurf ein, blieb jedoch damit ohne Unter— stützung.
Für das Einkammer-Sostem erklärten sich sodann noch die Abgeordneten Pusch, Albrecht, Helbig, Evans, Secretair Siegel, Müller aus Taura, Neidhardt, Elbel, Naundorf und Huth, die jedoch weniger neue Momente für dasselbe aufsuchten, als vielmehr nur zur Widerlegung oder zur Moti— virung ihrer Abstimmung sprachen. x
Das Zweikammer-System mit durchgreisender Reform den jetzigen eisten Kammer fand heute seinen eisten Vertheidiger in dem Abgeordneten Ritt— ner, der es geradezu für unmöglich hielt, daß eine Regierung mit dem Einkammer⸗Szsteme bei voller Geltung des Associationsrechts und freier Presse auf die Tauer sich zu halten veimöge. Die Kammer werde dann nichl nur alle Gewalt an sich zu reißen streben und regieren, sie werde auch Necht sprechen wollen. Dies müsse nothwendig zum Terrorismus, zur Vollsherr⸗ schast führen, die das Volk, wenn es dieselke satt habe, bei Seite werfen werde, wodurch völlige Anarchie eintreten müsse. Auch sei in praktischer Be ziehung wohl noch der Umstand zu berücsichtigen, daß zur Zeit noch kein bedeutenderer selbstständiger Staat den Beweis geliefert habe, daß das Ein⸗ kammer-System auf die Bauer haltbar sei, und daß auch das neue preußische Ministerium, Männer, wie Rodbertus und Milde, die ebenfalls die Mätz- Revolution anerkannt hätten, sich für das Zweikammer⸗-System ausge— sprochen. ; ö ö. 3a
Nicht minder warm sprach der Abg. Schenk für dasselbe, n, f hauptsächlich mit Widerlegung der im Deputations Gutachten von der dn. sorität aufgestellten Gründe beschäftigte und dem Referenten entgegenhielt, daß derselbe vor ungefähr sechs Wochen, wo doch die Märzsonne auch . geleuchtet, die jetzt bekämpfte belgische Verfassung selbst als eine solche . zeichne! habe, die auf demokratischer Grundlage beruhe, worauf der Abg. Tzschirner erkiärte, daß er sich damals geirrt habe, Der Sprecher hielt be; sonders das Zweikfammer-System um deswillen für das vorzüglicher, weil das konservative Prinzip zu einer gedeihlichen Staats Entwickelung eben so nothwendig sei, als das liberale, indem sonst das letztere leicht zu einer Despotie des Demolralismus führen könnte; sage man, daß beim Ein⸗— kammer⸗-System das konservative Prinzip durch die Regierung vertreten werde, so mache man die Regierung zur Partei, während sie über den Parteien stehen solle. 3 ö
Der Abg. von der Planitz nannte, auf einen Brief des Hofraths Thiersch gestützt, das Zweikammer-System „das letzte Bollwerk der consti= tutionellen Monarchie“, und äußerte, daß die Republikaner glauben könn— ten, die Einführung des Einkammer⸗-⸗Szstems sei der Anfang der „humguen Mittel“, um die Republik herbeizuführen. Nachdem sodann, mehr zur Mo— tivirung ihrer Abstimmung, noch die Abgeordneten von Beschwitz, Harkort, Meisel, Oehmigen und Eubasch für das Zweikammer⸗-Soystem gesprochen hatten und kein Abgeordneter weiter das Wort begehrte, betrachtete der Präsident die Debatte über Punkt 1 des Deputations-Berichts für geschlos— sen und gab den beiden Referenten, zuerst dem der Minorität (Abg. Schäf— fer) und sodann vem der Majorität (Abg. Tzschirner), das Schlußworkt. Ersterer hob hierauf nochmals hervor, daß sich die Minorität hauptsächlich im Interesse des platten Landes gegen Einführung des Einkammer-Sostems aussprechen zu müssen geglaubt habe, und machte aufmerksam, daß noch in keinem Lande, wo das Zweikammer-System bestehe, von Seiten der Kam— mern auf Aufhebung desselben angetragen worden sei. Der Letztere erklärte, daß die Majorität keinesweges eine Nivellirung der Stände außer der Kam— mer, sondern nur die Aufhebung der Vertretung nach Ständen in der Kam— mer anstreben, nur Sicherheit dafür erlangen wolle, daß das, was der März dem Volke gebracht, demselben nicht wieder entrissen werde. Sollten wieder Bevorzugungen eingeführt werden, so müsse das Vertrauen im Volke schwinden. Tie Kammer schreibe heute durch ihre Abstimmung in der Ge— schichte Sachsens ein Blatt, von dem er hoffe und wünsche, daß es die Nachwelt mit Freuden lesen weide. ⸗
Bei der Abstimmung stellte der Präsident die Frage: Erklärt sich die Kammer mit dem von der Majorität der Deputation sub 1 ihres Berichts befürworteten Einkammer- Sestem einverstanden? Diese Frage wurde durch Namens -Auftuf von 36 Mitgliedern mit Ja, von 42 Mitgliedern aber mit Nein beantwortet. Es wurte nun der von dem Abgeordneten Haase ein⸗ gebrachte Antrag (den ersten Theil des Gesetz⸗Entwurfs Wahlen der Nit⸗ tergutsbesitzer! abzulehnen und mit der speziellen Berathung der weiteren Bestimmungen der Vorlage so lange Anstand zu nehmen, vis ein neuer Entwurf über wahlgesetzliche Bestimmungen zur 1. Kammer, auf aleiche Prinzipien gegründei wie bei der II. Kammer, von der Regierung anher gelangt sein werde) zur Abstimmung gebracht, den die Kammer Ebenfalls durch Namens-Aufruf mit 41 gegen 32 Stimmen annahm, worauf der Ab⸗ geordnete Hecker seinen gestem eingebrachten Antrag (auf ein Wahlgesz nach Muster des belgischen) zurückzoz. — Die Berathung der Punkte 2 bis 8 des Deputations-Berichts wird morgen fortgesetzt.
Leipzig, 29. Jm, b. M. dn Die hiesigen Stadtverord⸗ neten haben durch Anschlag Folgendes veröffentlicht: .
„An die Bewohner Leipzigs. Mitbürger! Bei der Neugesialung 4 serer politischen Zustände ist Leipzig dem Vaterlande vorangegangen n 1 Forderungen der Rechte des Volkes; es ist ihm aber auch e g ö in der Bethätigung des Sinnes für Ordnung, in der Achtung . . sich setze. Jetzt gilt es, das Gewonnene auszubauen, das 6 6 . zu beglünden. Es ist leicht, ein morsches veraltetes e. e 6 zr * an aber nicht mit Einem Schlage läßt sich ein neues, sich tes , an 96 Stelle setzen und ausbauen. So ist es auch mit dem , ne, , dessen Umgestaltung erfordert Zeit und Besoꝛnenheit. wer. ge etz licher Vertretern?liegt es ob, diesen Bau, eins wahrhast volksthümliche und ah stitutionelle Nonarchle, auszuführen. Wo dies verlannt wird, wo der Ein. elne in übereilter Hast und leibenschaftlicher Verblendung, ohne Rücksicht n se 8 9 ĩ Ausbau des Staats eigenmächtig handelnd auf die Gesammtheit, bei, dem nnr e! ff 6 he,, , . eingrrifen will, da wird nichts Gutes geschaffen, sondern da 3
6 en. ö. ; 2 y. n,. Leipzigs sind überzeugt, daß ihre Mitbürger diese Grundsätze anerkennen. Aber verschweigen dürfen wir eben so wenig, daß in den letzten Wochen. sich leider Bestrebungen kundgegeben haben, De von der richtigen Einsicht der heiligen Pflichten eines Staats hirgers, He⸗ setz und Ordnung zu achten, kein Zeugniß ablegen. Das mit der Volks⸗ Souverainetät unzertrennlich verbundene Vereinigungsrecht betrachten wir
als eine der wichtigsten Errungenschasten unserer Zeit. Mißbilligen aber
müssen wir es und dagegen warnen, wenn eine rein willkürlich zusammen— tretende Versammlung sich anmaßt, die Thätigkeit der Behörden zu bestim— men. Ein solcher 3 würde zur Gesetzlosigkeit, zur Anarchie führen. Weder dieseer, noch Neaction sollen uns der Ce lu lange getäuschter Dossnungen nech einmal berauben. Nur wenn Ordnung und Gesetz in Leipzigs Mauern herrschen, werden Handel und Gewerbe sich wieder kräftig beleben, Arbeit und Verdlenst nicht fehlen. Möge somit jeder Einzelne da—= hin wirken, daß dieses Ziel baldigst erreicht und unsere Bebörde bei Wah⸗ rung von Gesetz und Ordnung krästigst unterstüßt werde! Leipzig, den 25. Juni 1848. Die Stadtverordneten. Werner, Vorsitzender.“
Sannover. Hannover, 30. Juni. (Hanno. 3tg.) In Folge einer durch die öffentlichen Blätter ergangenen Einladung des Handels-Vorstandes zu Hannover vom 3. Juni hat am 15. und 16. Juni eine Versammlung von einer größeren Anzahl theils Ab— geordneter, theils für sich erschienener Mitglieder des Handels- und Fabrikstandes des Königreichs hier zu Hannover im Börsen⸗ Lokale tattgefunden, um in gemeinsamer Berathung und Beschlußnahme ihre Ansichten über die bevorstehende Regelung der allgemeinen deutschen Zoll = und Handels⸗Verhältnisse durch die Neichs⸗Versammlung zu Frankfurt, mit besonderer Berücksichtigung der Interessen unseres Lan⸗ des, au den Tag zu legen und festzuͤstellen. Es wurden nachstehende Beschlüsse gefaßt und dem Ministerium überreicht:
1) Daß bei der Regelung der künftigen allgemeinen Zoll-, Handels⸗ und Verkehrs⸗-Verhältnisse für das gemeinsame deutsche Vaterland: a) Ei ge völlige Gleichstellung und Gemeinsamkeit aller etwanigen inneren Verbrauchs⸗ und Fabricat ons -Abgaben sämmtlicher deutschen Staaten eintreten müsse; b) daß ein Maß, ein Gewicht, ein Münzsuß, wo möglich unter Zugrunde⸗ legung des Dezimal-Sostems eingeführt, und eben so das Post⸗- und Ei⸗ senbahnwesen unter Anwendung der billigsten Grundsätze in Bezug auf Porto- und Tarifsätze für das vereinte Deutschland übereinstimmend möge regulirt und verwaltet werden; e) daß für den deutschen Handel an den Sceetüsten wie an den Mündungen der sich ins Meer ergießenden Ströme sreie Märkte und Lagerplätze zur Vermittelung der Ein- und Ausfuhr un— umgänglich erforderlich seien, und daß demnach auf die Anlegung neuer und Aufrechterhaltung schen bestehender Freihäfen an den Küsten - und Hasen— plätzen den Bedurfnissen nach thunlichst Rücksicht zu nehmen sein werde.
2 Daß, unter Aufhebung aller besonderen Konsulate der einzelnen deutschen Staaten, ein allgemeines deutsches Konsulatwesen gegründet und demselben die ausdrückliche Verpflichtung auferlegt werde, den Handels- und Fabritstand Deutschlands in fortlaufender Kenntniß, sowohl über die Han- dels⸗onjunlturen, als über die für die betreffenden Märlte einschlagenden Eisordeinisse aller deutschen, zum Export geeigneten Erzeugnisse des Bodens und der Industrie zu erhalten. Zugleich ist die Versammlung der Ansicht, daß die desfallsigen Nachrichten am leichtesten dadurch zur entsprechendsten Verbreitung gelangen würden, wenn in einigen der größeren Städte Deutsch= lands statistische Bäreaus mit der Anweisung errichtet würden, die regel⸗ mäsige Veröffentlichung der eingehenden Nachrichten entweder durch die . oder auf spezielle Ansragen der deutschen Produzenten zu bewerk— telligen.
„ Anhalt⸗Deßau. Deßau, 20. Juni. (Ewpzg. Ztg.) Ein Erlaß des Herzogs verfügt, daß, da die Arbeiten der deutschen Na— tienal-Versammluüng zur Zeit noch nicht so weit vorgeschritten seien, wie in dem Herzoglichen Patent vom 28. April d. J. dorausgesetzt war, er heschlossen habe, die Berathungen der Verfassung auf einen späteren Zeitpunkt, den 31. Juli d. J., zu verlegen. „Um jedoch heißt es in dem Erlaß) jeden möglichen Zweifel, als könne aus der Verzögerung der Verfassungs-Berathung dem Volke irgend ein Nach— theil erwachsen, zu beseitigen, erklären Wir hiermit ausdrücklich, daß Wir von den Volksrechten, welche in dem von Unserem Staats⸗Mi⸗ nisterium veröffentlichten Verfassunge⸗Entwurf aufgestellt sind, keines zurücknehmen werden, es sei denn, daß die Volksvertreter selbst dar⸗ . , würden, in welchem Falle Wir Uns weitere Eutschließung vorbehalten.“ ;
Schleswig Holstein. Apenrade, 28. Mai. (Alt. Merk.) Nachdem die Tannsche und Aldossersche Freischaaren diesen Morgen nach Norden ausgerückt waren, ist der Prinz Friedrich mit Schwadronen Kavallerie, 2 Bataillonen Infanterie, einer Batterie von 8 Kanonen und dem Bracklowschen Schützen -Corps hier wieder eingezogen, um morgen weiter nach Hadersleben zu gehen. Wie man hört, hat sich gleichzeitig im Westen Alles in Bewegung gesetzt, und die Preußen und Bundestruppen folgen.
Vorgestern Abend wurden in der Ferne ? feindliche Schiffe be—⸗ merkt, und da eine Landung als möglich vorausgesetzt ward, wurden von dem Major v. d. Tann sofort die nöthigen Vorsichts Maßregeln zur Vertheidigung der Stadt angeordnet. Die Barrikaden wurden geschlossen, die benachbarten Häuser besetzt u. s. w. Aber die Nacht verging, ohne daß sich ein Feind blicken ließ, und die Schiffe sollen ihren Lauf nach Sonderburg gerichtet haben.
Ans land.
Frankreich. National⸗Versammlung. Schluß der Sitzung vom 28. Juni. Nachdem die (gestern mitgetheilte) Pro— clamation einmüthig angenommen war, ging die (ebenfalls bereits gemeldete) Ernennung einer neuen provisorischen Regierung in fol⸗ gender Weise vor sich: General Cavaignac nahm das Wort und sagte unter tiefer Stille: „Wie ich der Versammlung schon gestern ankündigte, lege ich die mir von ihr anvertrauten Vollmachten in ihre Hände nieder. (Nein, nein) Wie ich gestern bemerkte, besteht voll— kommene Unabhängigkeit zwischen den zwei Thatsachen: dem Belage— rungs- Zustande, der beibehalten werden muß, und der diktatorischen Gewalt, womit Sie mich bekleideten und die nicht fortbestehen muß. (Murren). Ungesichts der vorgefallenen ernsten Ereignisse meine ich nicht, daß der Belagerunge⸗Zustand aufgehoben werden darf. Aber ich glaube nicht, daß die Gewalt der Ausdruck eines Gedankens sein soll, der aus einem Dringlichkeits-Votum hervorging; sie muß der Ausdruck eines reflich überlegten Gedankens sein. Ich lege demnach meine Vollmachten in die Hände der Versammlung nieder. Ich vergaß, beizuf igen, daß das Mini⸗ sterium mir so eben seine Abdankung eingereicht hat.“ Herr Flo— con: „Da die vollziehende Kommission abgetreten war, mußte mit ihr auch das durch sie ernannte Ministerium abtreten. Als General Cavaignac mit diktatorischer Gewalt bekleidet ward, ersuchte er die Minister, auf ihren Posten zu bleiben, um ihn zu unterstützen und ihm, ein Jeder in seinem Bereiche, nach Kräften Dienste zu leisten. Wir durften unsere Mitwirkung nicht versagen; aber unsere Demis⸗ sion ging der Ernennung des Generals Cavaignac vorher. Heute wollen wir sie nur der Veisammlung gegenüber regeln.“ Der Prä⸗ sident schlug nun ein Dank-Vokum für General Cavaignac vor. Der Antrag wurde unter lautein Beifalle mit dem Beifügen, daß in dem TVekrete gesagt werden solle, der General habe sich um das Va⸗ terland wohlderdient gemacht, einmüthig genehmigt und ferner auf Cavaignac's Verlangen beschlossen, daß der Dank auch die National= garde und Armee ausdrücklich umfassen solle. Weiter ward bestimnit, daß in dem, Dekrete der Präsident Senard und der Erzbischof von Paris ebenfalls mil Namen aufzuführen seien. Herr. Bonje an: „Bürger Sie dürfen jetzt He! In= teressen des Vaterlandes nicht aus dem Gesicht verlieren und daher bie vollziehende Gewalt nicht unbefetzt lassen. Ich glaube Ihren
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Wünschen nur entgegenzukommen, wenn ich Ihnen vorschlage, ent⸗ weder einen anderen Chef der vollziehenden Gewalt zu ernennen oder General Cavaignac zu bitten, daß er die von ihm so edel gehand⸗ habte Gewalt beibehalte.“ (Beifall. Herr Martin (von Straß—= burg) schlug die Annahme eines Dekret vor, welches General Ean—m vaignac zum Chef der vollziehenden Gewalt und Präsidenten des Minister-Conseils ernenne und ihn zugleich ermächtige, selbst das Ka= binet zu bilden. (Unterstützt! Unterstützt! Präsident: „Man ver langt die Theilung des Borschlags,.« Zahlreiche Stimmen; „Nein! Schreiten wir sofort zur Diskussion!“ Ber Präsiden bemerkte, die Theilung sei zulässig, falls die Versammlung den Vorschlag nicht als untheilbar betrachte. Herr Porkalis äußerte, er verlange die Theilung deshalb, weil Cavaig⸗ nac das Haupt einer starken Regierung sein müsse. Man solle nicht ein Ministerium entstehen lassen, gegen das sich nach acht Tagen lebhafte Opposition erheben würde. Die Versammlung selbst möge ein dauerhaftes Ministerium bilden. Der Präsident' wollte über die Frage, ob der Vorschlag theilbar sei, abstimmen lassen. Es erfolgten Einsprüche; man verlangte Ueberweisung an die Büreaus; es erhoben sich aber für diesen Antrag nur acht bis neun Mitglieder. Unter lärmender Aufregung, die immer zunahm und Herrn Du⸗ faure, der für die Theilung des Vorschlages und für Einzel⸗Abstim= mung über dessen drei Paragraphen sprach, lange nicht zum Worte kommen ließ, entschied endlich, da Cavaignac selbst für die Theilung sprach, die Versammlung in diesem Sinne. Es wurde sodann über die drei Paragraphen des vorgeschlagenen Dekrets einzeln abgestimmt. S. 1, welcher lautet: „Die National- Versammlung überträgt die vollziehende Gewalt dem General Cavaignac“, wurde mit Begeisterung angenommen. 8. 2: „Er wird den Titel eines Präsidenten des Minister-Rathes führen“, und z. 3: „Er wird sein Ministerium ernennen“ (wonach die gestrige Nachricht, daß das Mi— uisterium durch die National⸗Versammlung gewählt worden sei, zu berichtigen istt, wurden sodann der Reihe nach angenommen. Man stimmte sodann über das Ganze des Dekret-Entwurfes ab, und der— selbe wurde einmüthig genehmigt. Eine lange Aufregung folgte die⸗ sem Votum, und der Präsident setzte die Sitzung bis 4 ÜUhr aus. — Beim Wiederbeginne wurde die Fassung eines Dekrets festgestellt, durch welches die Versammlung ihren Schmerz über den Tod des Erzbischofs ausspricht. Herr Remilly äußerte, er habe der Ver= sammlung nützliche und wichtige Vorschläge vorzulegen. Er bitte sie, von ihrem Gesetzgehungs-⸗Comitèé zu verlangen: 1) einen Dekret Entwurf gegen die geheimen Gesellschaften; 2) einen Dekret-Entwurf, der die Klubs unter Reglement stelle; 3) einen Dekret⸗Entwurf gegen die Barrikaden (all⸗ gemeine Heiterkeit); Teinen Dekret⸗Entwurfgegen dae Anschlagen und Kol⸗ portiren von Drucksachen; 5) einen Dekret⸗ Entwurf über die Cau— tionsleistung der politischen Blätter und die Preßpolizei. Er bitte ferner die Versammlung, von ihrem Comité für das Innere zu be⸗ gehren; einen Dekret Entwurf über die Auflösung der National⸗ Werkstätten zu Paris und über die Unterstützung ihres Personals in anderer Gestalt und zu Hause; ein Dekrct über die Nichtbewaffnung der Bürger, die nicht zur Nationalgarde gehören. Endlich verlangte er vom Kriegs-Comité ein Dekret wegen Bildung eines Lagers zu Paris auf dem Marsfelde. (Bewegung) Der Antragsteller wollte die Dringlichkeit seiner Vorschläge sofort entwickeln; der Präsi— dent bemerkte aber, die Vorschläge würden später an die Reihe kommen, und suspendirte die Sitzung. — Als dieselbe um 2 Uhr Abends wieder eröffnet wurde, theilte General Cavaignac der Versammlung it, daß er das neue Ministerium in folgender Weise (wonach die gestrige Angabe der Namen zu ergänzen und in Bezug auf das Marine-Departement zu berichtigen) zusammengesetzt habe: Inneres, Senard; auswärtige Angelegenheiten, Bastide; Finanzen, Goudchauxj; Justiz, Bethmont; Krieg, General La⸗ moricière; öffentlicher Unterricht, Carn ot; Ackerbau und Handel, Tourret; öffentliche Arbeiten, Re cu rt; Marine, Admiral Leblane. Hierauf Lerlangte Herr Dahirel mit Ungestüm das Wort. Aufre—⸗ gung. Man fragt: Worüber? Heir Bahirel dringt auf die Tri⸗ büne, ohne vom Präsidenten das Wort erhaͤlten zu ha⸗ ben. Der Präsident verweigert es ihm. SDahirel: „Ich werde es doch nehmen; es darf Niemand zum Minister ernannt werden, wenn er nicht Repräsentant ist. Du pin der Aeltere: „Die vorläufige Frage!“ (Bravos.) Der Präsident: „Die vorläufige
Frage hat nach dem Reglement die Priorität.“ Große Aufregung.
Dahirel will nicht von der Tribüne weichen. Man fordert den Prä—
sidenten auf, sich zu bedecken; er greift zur Klingel. Endlich, nach
langem Widerstande, verläßt Dahirel die Tribüne, und nun ertheilt
ihm der Präsident das Wort, mit der Bemerkung, daß er vorerst die
Rechte des Präsidenten habe wahren müssen, daß er aber eben so
auch die Rechte der Tribüne achte. Dahirel: „Es darf und braucht
nicht außerhalb des Kreises der Mitglieder dieser Versammlung ein
Marine⸗Minister gewählt zu werden, da wir hier ihrer neunhundert
sind, die den Volkswillen repräsentiren. So etwas ist niemals geschehen,
niemals unter der gefallenen Regierung.“ Eine Stimme: „Der
Bürger Casy (früherer Marine-Minister) war auch nicht Repräsen—
tant.“ Dahirel: „Wenn man unter den vorigen Regierungen ei—
nen Minister außerhalb der Kammern hernahm, ernannte man ihn
zum Pair von Frankreich oder ließ ihn von gefälligen Wählern wäh—
ln; jetzt hätte man wohl auch in unserer Mitte einen Marine-Mi—
nister finden können; wir hatten schon alle Einen in Petto. (Bewe—
gung. Man ruft: Keine Namen! Ich nenne Niemand; ich sage nur, der Wille der Versammlung war zu erkennen, und man hätte ihn achten sollen.“ (Aufregung. Sarrans: „Ihr heutiges De⸗ kret hat dem Präsidenten des Ministerraths das Recht über— tragen, das Ministertum zu ernennen; er hat es unter seiner persönlichen Verantworflichkeit ernannt, es steht Keinem von uns zu, in die Beurtheilung der Ausübung dieses Rechts sich einzu— mischen. (Verschiedene Bewegung.! Wir müssen die Handlungen des Kabinets erst abwarten, ehe wir es billigen oder tadeln. (Zu⸗ stimmung.) Man hat gefragt, ob ein Minister außerhalb des Schoßes dieser Versammlung hergenommen werden dürfe? Allerdings. Der Konvent ging sogar noch weiter, er wollte nicht, daß die Minister aus seiner Mitte gewählt würden.“ Es wurde hierauf fast einstim— mig der Antrag auf die vorläufige Frage angenommen und, nach Verwerfung eines von Vesin gemachten Vorschlags, sofort zur Wahl eines neuen Präsidenten an die Stelle des zum Minister des Innern ernannten Herrn Senard zu schreiten, diese Wahl, laut der von dem Präsidenten bestimmten Tagesordnung, auf morgen anberaumt.
Paris, 28. Juni. (Köln. 3tg.) Die Hauptstadt ist fort⸗ während ruhig; der Verkehr ist in allen Vierteln hergestellt, und die Straßen haben ihren gewohnten Anblick wieder gewonnen. Stets trifft man eine große Menschenmasse auf den Stellen, wo die Haupt— Episoden der eben verflossenen beklagenswerthen Tage sich zugetragen haben. Namentlich bemerkt man viele der neuen Nationalgardisten aus den Departements. Die Zahl der eingekerkerten Insurgenten beträgt schon etwa 650. Sie erwarteten in Folge des Belagerungs- zustandes sofort vor ein Kriegsgericht gestellt und erschossen zu wer⸗ den. Anfangs zeigten sie eine gewisse Anmaßung; gleich darauf aber bekundeten sie tiefe Niedergeschlagenheit, und in den Verhören, die auf der Polizei und in der Orangerie der Tuilerieen unablässig fort⸗ dauern, behaupten Alle, blos zufällig unter die Meuterer gerathen zu
sein und an keinen Aufstand gedacht zu haben. Wie es heißt, wird das in der gestrigen Abendsitzung genehmigte Trangportations- Dekret unverzüglich zur Ausführung gebracht werden. Man will an- Leblich sämmtliche Gefangenen nach Otaheiti und den Marquesas⸗ Inseln transportiren. ginn die für die Industrie nöthigen r e. sollen in Paris bleiben dürfen. Zugleich wird man auch bie Masse von freigelassenen Sträflingen, schon bestrasten Dieben und sonstigen Gaunern, deren Zahl sich auf 2,009 belaufen soll, so viel irgend thunlich aus der Hauptstadt wegschaffen, da gerade sie, wie au diesmal, das gefährlichste und verwegenste Clement jeder Emeute bi den. Gestern Nachmittag und er wurden zwei Transporte Ge⸗ sangener aus den Tuilerieen unter starker Tri bedeckung nach Fort Montrouge abgeführt. Man hat bei den genten bedeutende Summen in Gold gefunden; ein auf den Ba vorgestern ge⸗ fangener Mann hatte 7 — 8000 Fr. in Gold bei sich. 87 junger Mensch, den man festnahm, hat ausgesagt, daß alle Arbeiter der National⸗Werkstätten für jeden Kampftag 25 und die Brigadier 50 Ir. empfangen hätten; außerdem war ihnen allgemeine Plün- derung versprochen. Den Arbeitern in der Umgegend von Paris hatte man ebenfalls 25 Fr. täglich angeboten, was sie jedoch ab⸗ lehnten. In das Gehölz von Vincennes sollen sich = S800 Insut⸗ enten geflüchtet haben; man wird sie aber heraustreiben und höffent⸗ lich der Mehrzahl habhaft werden. Den sirategischen Plan des Auf⸗ standes soll Kersausie entworfen haben, der sich um die Oberstenstelle der 12ten Legion bewarb. Man glaubt, daß der Belagerungs⸗Zu⸗ stand noch einige Tage dauern wird, um die Entwaffnung und die Haussuchungen zu erleichtern. Schon soll Befehl zur Ausrüstun einer Fregatte und zweier Last⸗Korvetten ergangen sein, auf welche man die gefangenen Insurgenten an den Ort ihrer Bestimmung brin⸗ ßen will. Die im Schoße der National-Versammlung gebildete Untersuchungs- Kommission hat schon mehrere höchst wichtige Aus⸗ agen gesammelt. Dem General der Mobilgard, Dames me) ist das Bein abgenommen worden. Ein Bataillons Chef der Mobil⸗ garde rettete vorgestern noch rechtzeitig 30 seiner Waffenbrüder, die man in die weiten Oefen einer Töpferei der Straße Roquette einge⸗= sperrt hatte und lebendig verbrennen wollte. Das Feuer war schon seit einer Viertelstunde angezündet. Die Boulevards vom Thore St. Denis bis zur Bastille sind ein sörmliches Lager: Reiter aller Waffen stehen dort auf Piket; in den Quer-Alleen liegt Stroh, auf welchem die Soldaten schlafen. Ueberall sind Schenken errichtet. Die National-Garden von Rouen, Amiens und Havre haben gestern ihre Heimfahrt angetreten. Die Zahl der aus der Provinz hier anwesen⸗ den National-Gardisten beträgt 50,9090, worunter 19,000 aus dem Departement Seine und Marne. Noch immer treffen Nationalgar⸗ den ein, selbst aus Entfernungen von Sh und 1090 Stunden. Marschall Soult zieht täglich ein Dutzend der fremden National⸗Gardisten zur Tafel; alle Neichen in der Vorstadt St. Germain folgen seinem Bei⸗ spiele. Vorgestern wurden über 500 Leichname, meistens ganz nackt, auf bedeckten Wagen nach dem Kirchhofe Montmartre ge⸗ bracht. Die Zahl der Todten und Verwundeten ist noch nicht bekannt; man rechnet, daß die Insurgenten wegen ihrer überall ge⸗ deckten Stellungen kaum einen Todten zählten, während ihre Gegner 14 bis 15 einbüßten. Unter den gestern Verhafteten sind Kersausie und Lebon. Man hat heute die Nationalgarden von Belleville und La Villette entwaffnet. Bourdon, Redacteur des Fa ubourien, ri⸗ nes ultrademokratischen Blattes, ist heute an den Wunden gestorben, die er als Führer einer Insurgenten-Bande davontrug. Unter acht auf der Barrikade der Vorstadt Poissonniere gefundenen Todten hat man fünf als Zwangssträflinge erkannt; einer von ihnen rief ster— bend: „Welch' Unglück, sich für zehn Franken tödten zu lassen!“ Eine Anzahl Insurgenten sollen in die unterirdischen Gewölbe des Pantheon geflüchtet sein, wo sie jedoch der Hunger bald zur Ueber⸗ gabe zwingen wird. Am Luxembourg bivonacquirten diese Nacht vier Generale, worunter Gourgaud, in den Reihen der Nationalgarde.
Paris, 29. Juni. Auf dem Eintrachtsplatze hielt gestern der Chef der vollziehenden Gewalt, General Cavaignac, die schon er⸗ wähnte Revue über 30,900 Mann Nationalgarden der Departements; 17 Städte und einige Gemeinden des Cher⸗-Departements waren da⸗ bei durch ihre bewaffneten Bürger vertreten. Eine Menge Repräsen⸗ tanten begleiteten Cavaignac zu Pferde; andere zogen an der Spitze der Bürger Miliz ihrer Departements einher. Viele Gardisten trugen Blousen; Maires, alte Offiziere der Armee und selbst Verwundete mar- schirten in den Reihen. Mehrere Tausend der herbeigeeilten Gardi⸗ sten sind schon heimgekehrt; einige haben ihre Todten mitgenommen. Eine telegraphische Depesche meldet, daß ein großer Theil ber Na= konalgarde von Bordeaux nach Paris unterweges sei. General Su- dinot, Befehlshaber der Alpen⸗-Armee, wohnte vorgestern der Natio⸗ nal-Versammlung kei. Es hieß im Saale, daß auf die Kunde von dem Aufstande zu Paris die Alpen-Armee sich hierher in Marsch ge⸗ setzt habe.
Der heutige Moniteur enthält folgende Berichtigung von Ge— rüchten: „Einige Journale haben gemeldet, es seien mehrere Weiber dabei festgenommen worden, wie sie eben den Soldaten vergifteten Branntwein verkauft hätten. Allerdings haben solche Verhaftungen stattgefunden, aber es muß bemerkt werden, daß die chemische Zer⸗ setzung, welche Herr Pelouze angestellt, aufs bestimmteste ergeben hat, daß in dem in Beschlag genommenen Branntwein kein Giftstoff befindlich war. Man hat auch berichtet, es sei am 27. Juni eine Mar! ketenderin verhaftet worden, unter der Anklage, im Stadtviertel Gros—= Caillou vergifteten Branntwein verkauft zu haben; dieselbe habe den lebhaftesten Widerstand geleistet, man habe ihr aber nicht die Zeit gelassen, Gebrauch von einem Pistol zu machen, und dergl. Die im Viertel Gros-Caillou Verhaftete ist keine Marketenderin, sie verkaufte keinen Branntwein, sie war nur von Branntwein betrunken. Falsch ist es auch, daß seit dem Ende des Kampfes irgend ein Gefangener erschossen worden wäre. Die letzten Tage, die wir durchlebt, sind von nur zu viel schmerzlichen Ereignissen bezeichnet, so daß man sich glücklich fühlen muß, dergleichen Angaben widerlegen zu können.“
Im Constitutionnel liest man: „Herr Senard, Präsident der National-Versammlung, hat mit einer gerechten Entrüstung von den durch die Insurgenten verübten Grausamkeiten gesprochen. Die sichessten Erkundigungen erlauben nicht mehr, diese Exzesse in Zwesffel zu ziehen, welche man den Annalen der amerikanischen Wilden ent— lehnt, glaubt. Man erzählt sich den Mord von fünf Offizieren der Mobilgarde, welche von einer Frau mit einem Küchenmesser enthauptet wurden. Diese Frau ist vierzig Jahre alt und befindet sich jetzt in den Nellern der Tuilerieen. Sie gesteht ihr Verbrechen mit der größten Kalt⸗ blütigkeit ein. Man spricht von vergiftetem Branntwein, welcher in vie⸗ len Vierteln den Nationalgardisten und den Linientruppen verkauft wurde (s. dagegen oben den Art. des Moniteur); man spricht von gekanteten Kugeln, welche aus den Wunden gezogen worden. Es sind noch andere derartige Thaten bezeichnet worden. Auf der Haupt⸗ Barrikade des Viertels von St. Antoine sah man die Leiche eines Gardisten liegen, gespießt, verstümmelt und mit ausgerissenen Ein= geweiden. Im Pantheon fand man die Leichen von n , 24 bilgardisten, bei den Handgelenken aufgehängt und . f ö. 69 1 Bajonnetstichen durchbohrt. Man hal nicht blos gekantete Nug
gefunden, sondern auch solche, die mit Stücken Kupfer gegossen waren.
Im Clos St. Lazare hatte man einem Infanterie⸗Offizser die beiben