1848 / 62 p. 2 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

1 ö 3 1 J . .

8

n. Berlin, 4. Juli. Die heute ausgegebene Nr. 28 . ng enthält die proövisorische Verordnung, die Zoll⸗ und Steuersätze vom ausländischen Zucker und Syrup und vom inländischen Rübenzucker für den Zeitraum vom 1. September 15818 bis dahin 1850 betreffend. Vom 18. Juni 1843.

„Wir Friedrich Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preu—

ßen ꝛc. ꝛc. ;. . ; ; . ĩ verordnen, in Folge der früher bereits mit den Regierungen sämmtlicher

übrigen Zollvereins -Staaten eingegangenen , und unter vor- behaltener Zustimmung der zur Vereinbarung der preußischen dr, , . rufenen Versammlung, so wie in Verfolg Unseres Erlasses vom 25. Juni 1817 (Gesetz-Sammlung Seite 2. was folgt: S. 1.

Während des zweijährigen Zeitraums, vom Ersten September dieses Jahres bis dahin 1850 ist an Eingangszoll vom ausländischen Zucker und Syrup zu erheben, und zwar vom

H nach dem nach dem 14 Thaler⸗ 24 Gul⸗ Fuß. den ⸗Fuß.

Für Tara wird vergütet vom Centner Bruttogewicht

Rihlr. Sgr. Pfund.

1. Zucker:

a) Brod⸗ und Hut-, Kandis, Bruch⸗ oder Lumpen und 14 in Fässern mit Dau⸗ weißer gestoßener ben von Eichen⸗ Zucker, vom Cent⸗ und anderem harten

Holze.

10 in anderen Fässern. 13 in Kisten.

13 in Fässern mit Dau⸗ ben von Eichen- und anderem harten Holze.

10 in anderen Fässern.

16 in Kisten von 8 22 . Centnern und dar— Rohzucker für in über. ländische Siedereien 31 i e,. 3 in Kisten unter 8 um Raffiniren un— 13 z aff . Centnern.

ter den besonders

dorzuschreibenden 10 in außereuropäi- Bedingungen und schen Nohrgeflechten Kontrollen, vom (Canassers, Cran-

Centner . jans). 7 in anderen Körben. 6 in Ballen.

b) Rohzucker und Farin (Zuckermehl) vom 1

2. Sprup, vom Centner 11 in Fässern.

53 5 Während des im §. 4 bezeichneten Zeitraums soll die Steuer von dem im Inlande aus Rüben erzeugten Rohzuücker Zwei Thaler für den Zollcent= ner betragen und von den zur Zuckerbereitung bestimmten Rüben mit 3 Silbergroschen von jedem Zollcenmer roher Rüben erhoben werden. 8 3. Der Finanz -Minister ist mit Ausführung der gegenwärtigen Verord- nung beauftragt. ̃ Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedruck— tem Königlichen Insiegel. . Gegeben Sanssouci, den 18. Juni 1848. (L S.) Friedrich Wilhelm.

Hansemann.

Ferner den Allerhöchsten Erlaß vom 24. Juni 1848, die Ver— legung der Gerichtsferien im Bezirke des rheinischen Appellations⸗ Gerichtshofes zu Köln betreffend.

Da nach Ihrem Berichte vom 12. Juni d. J. die Verlegung der in dem Bezirke des rheinischen Appellations⸗-Gerichtshofes zu Köln stattfinden— den Gerichtsferien angemessen erscheint, so bestimme Ich, unter Abänderung des Artikels 31 des Dekrets vom 6. Juli 1810 und des Artikels 37 des Dekrets vom 18. August 1810, wie folgt: ;

Die Ferien der Civilkammern des rheinischen Appellations⸗Gerichtshofes und der Landgerichte seines Bezirks sollen künftig vom 1. August bis zum 1. Oktober statthaben.

Diese Bestimmung ist durch die Gesetz⸗Sammlung zur öffentlichen Kenntniß zu bringen.

Sanssouci, den 24. Juni 1848.

Friedrich Wilhelm. Bornemann. An den Staats und Justiz⸗Minister Bornemann.“

Das Amtsblatt der Königl. Regierung zu Köslin enthält folgende Allerhöchste Kabinets-Ordre:

„Auf Ihren Antrag bestimme Ich hierdurch, unter Aufhebung der wegen des landesherrlichen Pathengeschenks für Aeltern von sie— ben Söhnen ergangenen Erlasse, daß dasselbe fernerhin nicht mehr gezahlt werden soll. Sie haben hiernach das Weitere anzuordnen.

.

Sanssonci, den 8. Juni 1848. (gez) Friedrich Wilhelm. (contras.. Hansemann. An den Staats- und Finanz-Minister H ansemann.“

Oesterreich. Bien, 2. Juli. Die offizielle Wiener Ztg. enthält folgenden Artikel- „HMenstgnor Morichins, Erzbischof von R sibi, befindet sich seit einigen Tagen in Wien. Er war lleberbringer eines päpstlichen Schreibens an Se. Majestät den Kaiser, worin Se. Heiligkeit als oberster Hirt der katholischen Kirche seine Wünsche für die baldige Herstellung des Friedens in Italien ausdrückt und der Großmuth Sr. apostolischen Majestät die Allenfalls in Gefangenschaft gerathenen Unterthanen des Kirchenstaates empfiehlt. Monsignor Mo⸗ richini gedenkt nächstens wieder in die päpstlichen Staaten zurück⸗ zukehren. ;

So viel zur Berichtigung der Gerüchte, welche mit der An— wesenheit dieses Präsaten in ker Dauptstart liaterhandlungen in Ver— bindung bringen wollten.“

Sachsen. Dresden, 1. Juli. (T. A. 3.) In der heu⸗ tigen Sitzung der ersten Kammer kam eine auf der Registrande be— findliche, an die Stände⸗Versammlung gerichtete Abresse aus Schlet= tau zum Vortrag, deren 199 Unterzeichner sich entschieden für die Erhaltung der constitutionellen Monarchie aussprechen und die Er—⸗ wartung an den Tag legen, daß Regierung und Stände die repu— blikanischen Bestrebungen gewisser Parteien, welche „im Namen des Volks“ zu handeln vorgäben, während das Volk dergleichen Bestre⸗ bungen fremd sei, mit aller Kraft zu unterdrücken suchen werden.

Gegenstand der Tagesordnung war ein Bericht der dritten Deputation über eine Petition mehrerer Ortschaften um Aufhebung des die Natural⸗ Leistungen an Geistliche und Schullehrer betreffenden Gesetzes vom 14. Juli 1810, welches die Bestimmung enthält, daß das Ablösungsgesetz von 1832 auf die Ablösung des an Geistliche und Schullehrer zu entrichtenden Natu—⸗ ralzehntens ferner nicht mehr Anwendung sinden, jedoch der Garbenzehent in Sackzehent verwandelt werden solle. Die Petenten bezeichnen dieses Ge⸗ setz von 1510 als eine Härte gegen die Verpflichteten, als ein Ausnahme— . welches die Gleichheit des Rechts beeinträchtige, und wollen aus die- sen Gründen dasselbe beseitigt wisen. Die Deputation (Referent Graf Hohenthal-Püchau) erklärt sich unter Bezugnahme auf die über diesen Ge— genstand auf den letzten Landtagen in den Kammern stattgehabten Verhand- lungen gegen das Gesuch der Petenten und räth der Kammer an, die tref— sende Petition auf sich beruhen zu lassen. Sie motivirt diesen Antrag da— durch, daß nach ihrer Ansicht der früher für das Gesetz von 1810 geltend gemachte Hauptgrund, der nämlich, daß die Ablösung des geistlichen Ze— hents nach dem Ablösungs - Gesetze von 1832 eine Benachtheiligung der geistlichen Stellen und eine Schmälerung der Besoldungen der Geistlichen ei, auch noch jetzt fortbestehe, und daß ferner, da die Ablosung des Zehents die Ueberweisung eines Grund-Kapitals von 37 Millionen Thaler auf die Landrenten-Bank nöthig mache, in den finanziellen Verhältnissen der Ge— genwart ein doppelt dringender Grund liegen müsse, von einer Aufhebung des Gesetzes vom 14. Juli 1840 abzusehen.

Der Abg. von Thielau, der schon beim Eingange dieser Petition dieselbe zu der seinigen gemacht hatte, nahm sich auch heute wieder dersel— ben auf das wärmste an und formulirte einen bestimmten Antrag im Sinne der Petenten, dessen Hauptsatz dahin ging, das Gesetz vom 14. Juli 1840 außuheben und dem Ablösungsgesetzs von 1832 auch in Bezug auf den Zehent freien Lauf zu lassen. Dieser Antrag, den der Abgeordnete durch Gründe des Rechts, der National-Ockonomie, der Moral und der Finanz“ Gesetzgebung motivirte, und als dessen Zweck derselbe die Aufstellung einer Möglichkeit, wie der Staat den Verpflichteten gerecht werden könne, be— zeichnete, fand zahlreiche Unterstütznng und führte zu einer lebhaften De— batte, an der sich außer dem Referenten die Herren Prof. Dr. Steinacker, von Watzdorf, von Zehmen, Pr. Großmann, von Nostiz⸗Wall— witz, von Posern, Graf Einsiedel, Dr. von Ammon, Graf Solms, Bürgermeister Schanz, von Welck und die Staats Minister von der Pford— ten und Georgi betheiligten. Sämmlliche Sprecher, sowohl die, welche für als auch die, welche gegen den Antrag von Thielau's oder zur Vermittelung sprachen, waren über den Jweck desselben vollkommen einverstanden, so wie auch dar über. daß wohlerworbene Rechte Einzelner nicht beeinträchtigt, namentlich die Stellen der Schullehrer, von denen, wie Staats Minister von der Pfordten bemerkte, ohnedies viele „unwürdig kärglich“ besoldet seien, nicht noch mehr e. werden dürften, und konnten sich nur über die Mittel zu diesem Iwecke nicht vereinigen. Als jedoch Slaats-Minister Georgi die Erklärung abgab, daß die Regierung auf das sorgfältigste pruͤ⸗ fen werde, wie den Verpflichteten geholfen werden könne, und daß der nächste ordentliche Landtag eine die letzten Reste der Ablösungs— Gegenstände betreffende Vorlage an die Stände bringen werde, worin

auch diese Frage gelöst werden solle, schienen aue Parteien hier- durch befriedigt, und der Abgeordnete von Thielau änderte seinen obenge— dachten Antrag dahin ab: die vorliegende Petition der Staats- Regierung zur sorgfältigsten Erwägung zu übergeben, um auf dem nächsten ordentli⸗ chen Landtage geeignete Vorschläge zur Beseitigung der in dieser Petition Prügten Uebelstände unter Berücksichtigung des Gefammt-Interesses an die Stande zu bringen. Mit diesem Antrage erklärte sich nunmehr auch die Deputation einverstanden, machte ihn zu dem ihrigen, und es fand sodann derselbe eine einstimmige Annahme. .

Am 29. Juni ging bei der ersten Kammer ein Dekret, den Entwurf eines Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der dentsch-katholischen Glaubens genossen betreffend, ein.

Dresden, 3. Juli. (D. A. 3. In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer erhob sich nach Vorkrag des Protokolls der Staats⸗Minister Dr. Braun zu folgender Ansprache an die Kammer: „Wenn auch nur für einen Augenblick, aber für einen Augenblick, der Epoche zu machen geeignet ist, erbitte ich mir Ihre Aufmerksamkeit. Was jüngst in Frankfurt beschlossen worden ist, das ist Ihnen bereits bekannt; es ist damit erst der Grund zur Einigung Deutschlands ge— legt, zur Verwirklichung der großen Idee, welche vor kurzem noch als ein Traum erschien, wenn auch als ein Traum von den Besten der Nation geträumt. Sachsens edler Fürst zaudert nicht, den Beschlüssen der, konstituirenden Versammlung seine Anerken— nung zu ertheilen, der er, treu dem gegebenen Worte, bereit ist, die Rechte der Krone zu opfern, wo es gilt, die Einheit des großen deutschen Vaterlandes zu erzieltn. Seine Räthe sind beauftragt, dies der geehrten Kammer zu verkündigen und ihre Zu— stimmung darüber einzuholen. Indem ich das darauf bezügliche Be kret dem Herrn Prässdenten überreiche, bitte ich diesen, dieses Dekret der verehrten Kammer mitzutheilen. Die Kammer wird in ihrer Weisheit und in ihrem Streben, nach Kräften mitzuwirken zur Ein— heit, zur Stärke, zur Größe des deutschen Vaterlandes, wissen, was sie zu beschließen, was sie darauf zu erklären hat.“

Präsident Rewitzer nahm das betreffende Dekret aus der Hand des vorsitzenden Staats⸗Ministers entgegen und richtete, nachdem das Dekret durch den Secretair Kasten vorgetragen worden war, folgende Worte an die Kammer: „Meine Herren! In dieser erhebenden Stunde diktire die Begeisterung für unser großes neuerstandenes deutsches Vaterland unseren Beschluß. Ich schlage Ihnen daher vor, durch allge— meine Erhebung Ihre Beistimmung zu dem Königlichen Dekrete zu er theilen. (Hier erhob sich die Kammer zum Zeichen ihrer Beistimmung bis auf die sechs Abg. Tzschirner, Helbig, Wehner, Müller aus Taura, Voigt und Evans.) Möge diese Stunde eine neue Aera für unser Vaterland sein; möge sie der Anfang einer besseren Zeit, möge sie der Anfang der Freiheit, der Stärke und des Friedens Deutschlands werden! Stimmen Sie mit mir in den Ruf ein: Das einige, freie, starke deutsche Va— terland, es lebe hoch! (Ein stürmisches Hoch der Kammer und der Tribüne folgte hierauf. Und mit herzlicher Freude knüpfe ich hier den Ruf an, in den jeder Sachse einstimmen wird: Unser allverehr— ter König, er lebe hoch! (Hier erfolgte ein dreimaliger Jubelruf, zu dem sich in der Kꝛwmmer alle Mitglieder von ihren Plätzen er— hoben und in den alle Tribünen auf das lebhafteste einstimmten.) Der Präsident schloß hierauf die heutige Sitzung, indem er bemerkte, wie er die Ueberzeugung habe, daß die Kammer nicht wünsche, nach einem solchen Entschlusse noch zu verhandeln.

Dasselbe Dekret wurde sodann auch um halb 12 Uhr in der l. Kammer durch den Staats-Minister von der Pfordten übergeben. Auch hier wurde dasselbe auf Vorschlag des Präsidenten durch Accla— mation genehmigt chier erhoben sich sämmtliche Anwesende zur Bei— stimmung), und ein dreimaliges Hoch auf den König wurde nicht min— der warm als in der II. Kammer aufgenommen.

Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 23. Juni. Wegen des Ablebens Sr. Königl. Hoheit des Großherzogs von Hessen und bei Rhein hat der Großherzogliche Hof vom 23. d. M. an in den gewöhnlichen drei Abstufungen auf 14 Tage Trauer angelegt.

Sachsen⸗Altenburg. Altenburg, 30. Juni. (D. A. 3.) Dem gegenwärtig versammelten Landtage liegen folgende Gegenstände zur Berathung und Schlußfassung vor: 1) Die Verwilligung von 14,100 Rthlr. aus Landesmitteln für Unterstützung des gedrückten Nahrungsstandes; 2) Verwilligung von 2000 Rthlr. zu einem Chaus⸗ see Bau zwischen Ronneburg und Gera; 3) ein Gesetz Entwurf, be—⸗ treffend die Ausgabe von Kassen-Scheinen für Benutzung des Kredits der altenburgischen Finanz⸗-Verwaltung in dem Maße, daß dabei kei⸗ nesweges an eine Vergrößerung der Schuldenlast des Landes um den vollen Betrag des Papiergeldes' gedacht wird; 4) Vorlage der Kammer=

und Ober⸗-Steuer⸗Rechnungen der vorigen Finanzperiode zur Prüfung; 5) Vorlage wegen des Aufwandes, welchen die deutsche konstituirende Versammlung und die Mobilmachung des Kontingents erheischt; 6) Vorlage wegen Erleichterung und Verminderung der Abgabenlast und gerechterer Besteuerung. Zu dem Ende ist vorgeschla⸗ gen: Aufhebung der Fleisch⸗- Steuer vom 1. Juli 1818 an, Wegfall der sogenannten Polizei⸗Steuer vom 1. Juli 1818 an, Wegfall der Hausgenossen-Steuer von demselben Termine an und dafür Einführung einer Einkommensteuer, wie solche im Großherzogthum Weimar besteht; die Salzsteuer kann erst dann wegfallen, wenn die von dem thüringischen Zoll- und Handelsverein eingeleiteten Verhandlungen wegen Lösung dieser Regie- Abgabe und der Salz Regie überhaupt zu einem gedeihlichen Ende gekommen sind; 7 eine Vorlage wegen nener Regulirung der Grundsteuer; 8) eine Vorlage wegen des Standes der Landesbank, deren Passiva am Schlusse des ersten Quartals dieses Jahres 5, 935,805 RRthlr., die Aktiva 6, 423, 588 Rthlr. betrugen, so daß sich ein reines Vermögen von 487,783 Rthlr. herausstellt; 9) Vorlage wegen Vereinigung der Verwaltung der Steuern mit jener der Domainen, trotz und unbeschadet ihrer verblei—⸗ benden separaten rechtlichen Natur und Eigenschaft als Hausfideikom— miß-Eigenthum des Gesammthauses der Herzoge von Sachsen auf die Dauer der hiesigen Speziallinie dergestalt, daß Ertrag und Substanz des Kammervermögens zunächst zur Befriedigung der Civilliste und unter⸗ pfändlichen Sicherheit dient, das dermalige Rechts- und thatsächliche Verhältniß aber wieder hergestellt wird, wenn die zu vereinbarenden Bedingungen nicht gehörig erfüllt werden; 10) Vorlage wegen Aus— übung des Jagdregals; 11) Vorlage wegen der Domainen⸗Waldungen im westlichen Landestheile; 12) Vorlage, die Erweiterung der Ablös⸗ barkeit von Zwangs- Verhältnissen betreffend; 13) Patent wegen einiger Aenderungen im Subhastations-Verfahren, Gesetz wegen Holzdiebstähle und Waldfrevel, Vorlage über die Grundzüge bei der Ueberleitung der aufzuhebenden Patrimonial-Gerichte und der Ausübung der Kri⸗ minal= und Civil-Justizpflege durch die Herzogl. Justiz-Aemter, als eine Vorbercitunge-Maßregel für die völlige Trennung der Justiz und Verwaltung bei den Unter-Instanzen und deren Organisation, und für die Einführung der Geschworenen-Gerichte und des öffentlichen und mündlichen Verfahrens in Strafsachen, indem die Verwirklichung der letzteren wichtigen und tief eingreifenden Reform⸗Maßregeln zur Zeit noch als davon abhängig betrachtet wird, daß damit in dem Königreiche Sachsen in verfassungemäßigem Wege vorgegangen und dadurch der hiesigen und den übrigen sächsischen Regierungen die Möglichkeit eröffnet werde, eine möglichste Uebereinstimmung der Rechtspflege im ganzen Umfange der sächsischen Lande ins Leben zu rufen; 14 Vorlage wegen der Diener⸗Wöttwen-Sezietät; 15) Gesetz über die Wahlen der landschaftlichen Abgeordneten; 16) Gesetz⸗ Entwurf über Heimatsrecht und Armenwesen; 17) Vorlage einer Dorf⸗Ordnung. .

Bei der vorgenommenen Wahl dreier Kandidaten für, die Stelle des Präsidenten wurde ein Antrag des Abgeordneten Dölitzsch, diese Wahl öffentlich und mündlich laut vorzunehmen, mit 14 gegen 15 Stimmen angenommen. Die Abstimmung ergab, daß Abgeordneter Lorenz zum ersten, Abgeordneter Schwepfinger zum zweiten, Abgeord neter Douai zum dritten Kandidaten erwählt wurde. Eine lebhafte Debatte rief der Antrag der Republikaner hervor, mit einigen auf der Tribüne Anwesenden wegen Uebernahme des Amtes als Proto⸗ kollführer zu verhandeln, was als unschicklich bezeichnet wurde. Eine Verloosung der Sitze der Abgeordneten wurde nicht beliebt, sondern der Antrag des Alters-Präsidenten angenommen, die von den einzel⸗ nen Abgeordneten gegenwärtig eingenommenen Sitze für den gegen⸗ wärtigen Landtag beizubehalten.

Schleswig Holstein. Flensburg, 1. Juli. (H. C.) General von Wrangel war am 28. v. M. mit dem größten Theile seiner Armee aus seinen Cantonnements zwischen Flensburg und Apen⸗ rade aufgebrochen, weil er vernommen hatte, die Dänen hätten sich in der starken Stellung bei Hadersleben verschanzt und gedächten dort eine Schlacht anzunehmen. Am 29. v. M. waren die deutschen Trup— pen der feindlichen Stellung gegenüber; am 30. v. M. in aller Frühe gingen sie vor, um dieselbe anzugreifen, aber vergeblich, der Feind war während der Nacht abmarschirt und hatte hinter der Kol— dings⸗Au, auf jütischem Grund und Boden, Schutz gesucht. Nur den holsteinischen Jägern und einigen Abtheilungen preußischer Husaren ist es gelungen, den im Rückzuge bewunderungswerth schnellen Feind einzuholen und ihm einige Gefangene abzunehmen. Die jütische Gränze beabsichtigt der General von Wrangel nicht zu überschreiten, weil ihm bisher nur ein sehr geringer Theil der vom deutschen Bunde verheißenen Unterstützungen zugegangen ist; dagegen aber wird er eine solche Vertheilung seiner Truppen vornehmen, daß dadurch das nördliche Schleswig gegen erneuerte Unternehmungen der Dänen ge— schützt sein dürfte.

Schleswig, 28. Juni. (H. C.) Anm gestrigen Nachmittage hat die lübeckische Kavallerie ⸗-Abtheilung ihre Cantonnements bei Rendsburg verlassen und ist nach Schleswig verlegt. Sie wird zu Eskorten, zum Patrouillen -Dienst und zu Srdonnanzen bei der hiest⸗ gen Kommandantur verwendet. Die bremische Kavallerie⸗Abtheilung ist bei Rendsburg zurückgeblieben. Die erste (hamburgische) Schwa— dron marschirte ebenfalls hierher, ist jedoch heute Morgen nach Flens⸗ burg gezogen. Die Leute haben hier in der Nähe der Stallung Quartier mit Verpflegung bei den Einwohnern erhalten.

x

Vn ses d.

Frankreich. National-Versammlung. Sitzung vom 30. Juni. In der heutigen Sitzung der National-Versammlung nahm der ge⸗= siern gewählte Präsident, Herr Marie, seinen Sitz ein und dankte der Versammlung für den ihm erzeigten Achtungsbeweis und für ihren nochmaligen Aufruf an feine Hingebung in so schwieriger Zeit. Aus den vergangenen unglücklichen Tagen erwüchsen für Alle große Pflich ten; er wisse es und nehme sie an. Habe Frankreich einen Augen blick seine Stirn vor einem ruchlosen Kriege umschleiern müssen, o könne es sie heute mit Stolz, mit Hoffnung wieder erheben. u Republik“, sagte er, „bleibt stark und rein; sie wird 6 26 fruchtbar bleiben, denn die Anarchie hat nicht obgesiegt, 3h nich gegen sie obstegen. Nein, nicht das Volk des Februgn, . 69 so groß im Kampfe, so groß im Siege war, hat diese verruchten 6 rikaden errichtet, auf welchen nie, Gott sei . j. ö. n reich angenommene Fahne geweht hat. Nein, ö 8 n . es, welche die Republik bekämpft hat; die Bar i, ,, noch einmal ihr Haupt gegen die Civilisation zu erheben wagte. In den Gesetzen ber Humanität selbst war für uns der Sieg geschrie⸗ ben. An uns ist es jetzt, Bürger, ihn durch die Weisheit unserer Arbeiten, durch dle Festigkeit unseres Verhaltens, durch die gemäßigte, aber beständigẽ Entüickelung der Grundsätze zu befestigen, welche die Republik aufgestellt hat. Frankreich, weiß dies, ud wird Ihnen Rechenschaft abfordern. Sie haben ein unermeßliches Werk vor sich; aber Sie haben auch einen unermeßlichen Muth und den festen Wil⸗ len, es zu vollführen. Mit der Zeit als Hülfsgenossen, mit dem Frieden in der Stadt und vor Allem mit der Ordnung, diesem ober⸗ sten Gesetze der Gesellschaft, werden alle Leiden gelindert, alles Elend

ünterstützt, alle Springfedern der Arbeit und des Gewerbefleißes in Bewegung gesetzt werden können. Der Ernst der Umstände erheischt Ernst in den Dis kussio nen; Sie werden mir zur Aufrechthaltung desselben beiste⸗ hen. Sie werden auch die Freiheit aller Meinungen aufrecht halten. Auf diese Bedingungen, Bürger, werden wir, seien Sie dessen gewiß, jene großen parlamentarischen Tage erstehen sehen, auf welche Frankreich in der Vergangenheit so stolz ist, und deren es noch bedarf, um die Constitution, welche es erwartet, auf unerschütterlichen Grundlagen aufzubauen.“ (Allgemeiner Beifall. Die Versammlung bildete nun durchs Loos ihre Büreaus und schritt sodann zu der Berathung des auf die Wahlen der Munizipal⸗-, Bezirks- und Departemental⸗ Conseils bezüglichen Gesetzentwurfz. Mehrere Artikel wurden theil— weise mit Abänderungen angenonimen und der Entwurf sodann zur Begutachtung eines Amendements an die Kommission zurückgewiesen. Das wichtigste Amendement war ein von Herrn Picard vorgeschla⸗ gener Zusatz, wonach der Maire und seine Adjunkten von und aus dem Munizipal-Conseil (Gemeinderath) gewählt werden sollen. Herr Freslon, ehemaliges Mitglied des Gemeinderaths von Angers, wel— cher lange Zeit gegen den Maire dieser Stadt, Herrn Augustin Gi—⸗ raud, ankämpfte, sprach für das Amendement, welches mit dem 77. Artikel des vorgelegten Verfassungs Entwurfs Übereinstimme und auch aus dem 63. Artikel desselben hätte abgeleitet werden können, wonach der Präsident der Republik das Recht haben solle, die Maires und anderen Agenten der vollziehenden Gewalt auf eine Zeit von nicht über drei Monat zu suspendiren. Herr Senard, Minister des In⸗ nern, sprach sich folgendermaßen über die Ansicht der Regierung in Betreff dieser Frage aus: „Drei Systeme liegen vor. Das eine ist das System des ursprünglichen Regierungs-Entwurfs, welches die Kommission angenommen hat, und das die frühere Gesetzgebung nicht alterirt, indem es der Wahl der Regierung die Ernennung der Malm res überläßt. Das zweite System, in einem Amendement des Bür— ger Babaud-Laribidisre enthalten, ist die direkte Wahl der Maires und Adjunkten durch die Wähler selbst. Die Maires und deren Ad— junkten (Bürgermeister und Stadträthe) würden hiernach auf dieselbe Art gewählt werden, wie die Mitglieder des Gemeinde -Rathes Stadtverordneten). Das dritte System endlich ist das von Herrn Picard vorgeschlagene. Ich glaube, ehe die Diskussion sich entspinnt, den Entschluß kund thun zu müssen, zu welchem wir im Minister= Rathe gekommen. Wir glaubten, daß es von hoher Wichtigkeit sei, die Konflifte zu vermeiden, welche sehr häufig aus der Schwierig keit entsprangen, in welche die Regierung gerieth, wenn sie einen der Gemeinde nicht zusagenden Maire wählte. Es entstanden so ernste Ungelegenheiten, daß jede andere Rücksicht vor ihnen weichen muß. Das von dem Bürger Babaud-Laribidinre ent⸗ wickelte System weisen wir durchaus zurück; dagegen neigen wir uns zu dem System des Bürger Picard hin. Nur schlage ich vor, daß s zwar für die größte Zahl von Fällen angenommen, aber auf die Gemeinden von einer gewissen Bevölkerungszahl beschränkt werde. (Einiges Murren.) Diese Frage ist äußerst ernst und muß reiflichst erwogen werden. Es wäre sehr nützlich, wenn es einige Zeit vor der Annahme der Verfassung praktisch versucht würde. Daran jedoch muß ich, festhalten, daß das in dem Picardschen Amendement enthal= tene Prinzip nicht ohne das ganze System, nicht ohne die Schran⸗ ken, welche der vorliegende Gesetz-Entwurf nicht enthält, angenom-= men werden kann, damit es nicht ein Werkzeug zur Untergrabung oder Schwächung der Regierungsgewalt werde.“ Herr Babaud⸗ Laridibiere nahm hierauf sein Amendement zurück und schloß sich dem des Herrn Picard an.

Herr Recurt, der neue Minister der öffentlichen Arbeiten, legte dann einen Dekret-Entwurf für Bewilligung von 6 Millionen zur Vollendung der Bahn von Paris nach Lyon zwischen Collonges und Ghalons vor. Er äußerte, der Entwurf sei dringend, weil der Dekret— Entwurf wegen Staats- Uebernahme der Eisenbahnen auf Begehren des Finanzministers, der diese Frage erst reiflich prüfen wolle, von der Tagesordnung zurückgezogen worden sei. (Aufsehen.) Herr Delongrais protestirte gegen diese Kreditforderung. Die Versamm— lung beschloß, daß die Diskussion darüber schon morgen statifinden solle. Nachdem Herr Carnot, der Unterrichtsminister, einen Gesetz⸗ Entwurf über den Elementarunterricht vorgelegt hatte, wurde die Sitzung aufgehoben. Vorher setzte noch der Präsident durchs Loos eine Deputation von 9 Mitgliedern zusammen, welche morgen die Leiche des Generals Negrier nach Lille begleiten soll.

Paris, 1. Juli. Von den Mitgliedern der früheren vollziehenden Kommission Camartine, Arago, Marie, Garnier Pagäs und Ledru Rollin) ist keines in der neuen provisorischen Regierung. Marie ist gestern zum Präsidenten der National-Versammlung gewählt worden., Armand Marrast ist Maire von Paris geblieben. Cavaignac, der jetzige Prä⸗ sident des Minister⸗Raths, hatte in dem Ministerium der vollziehen⸗ den Kommission zuletzt das Portefeuille des Krieges. Von deu an— deren Mitgliedern des vorigen Kabinets sind in dem neuen folgende verblieben: Bastide, Recurt, Bethmont und Carnot, und zwar haben die beiden Letzteren ihre Departements (Justiz und Unterricht) behal— ten, die beiden Ersteren aber ihre Stellen gewechselt, indem Ba— stide von den auswärtigen Angelegenheiten zur Marine, Re— curt vom Innern zu den öffentlichen Arbeiten übergegangen. Ausgeschieden sind von den früheren Ministern: Duclerc, an dessen Stelle Goudchaux wieder die Finanzen erhalten hat, die er in der ersten provisorischen Regierung nach den Februartagen schon einmal verwaltete; Trelat, der das Portefeuille der öffentlichen Arbeiten hatte; Flocon, der in dem Departement des Handels und Ackerbaues durch Tourret ersetzt ist; und Admiral Casy, anstatt dessen Bastide nun Marine-Minister geworden. Neu eingetreten sind: für Letzteren als Minister des Auswärtigen der General Bedeau, dann General Lamo⸗ riciüre als Kriegs⸗Minister an Cavaignac's Stelle, ferner Senard, bisheriger Präsident der National-Versammlung, als Minister des Innern an Recurt's Stelle, endlich die beiden schon genannten Minister der Finanzen und des Handels, Goudchaux und Tourret. Das Journal des Débats sagt: „Wir haben über das Ministerium keine Ansicht auszusprechen; wir warten seine Thaten ab. Wir fragen nicht darnach, ob Herr Vastide Seemann oder ob General Bedeau Diplomat gewesen; wir glauben nicht an die Noth— wendigkeit spezieller Qualitäten. Dasselbe sagen wir hinsichtlich des neuen Ministers des Innern. Herr Senard hat uns eine Verwaltung versprochen, welche die Unordnung unterdrücken und die Ordnung wiederherstellen solle. Dies ist das erste Bedürfniß des Landes. Was wir verlangen, ist das, was man uns verspricht, nämlich eine Negierung, die sich Gehorsam und Achtung zu verschaffen und vor Allem Liebe zu gewinnen wisse. Was die Programme betrifft, so sind wir dagegen etwas abgestumpft. Möchten wir nicht aber— mals getänscht werden. Wir wollen sehen, wir wollen abwarten.“ Der Constitutionnel dagegen äußert: „Diese Wahlen sind der gage gemaß und verdienen Billigung. General Cavaignae, General Lamoriciere und Herr Senard haben an dem beendigten großen Kambfe bedeutenden Antheil genommen; sie haben zum Triumphe der Didnuung, er,. die Gewalt mußte ihnen natürlich übertra— gen werken.« Galignani's Messen ger bemerkt: „Im Allge— 3 genommen, ist man mit dem neuen Kabinet zufrieden; das

lurren jedoch, mit dem in der National-Versammliung der' Name Carnot's aufgenommen wurde, und welches vermuthlich einc Folge eini⸗

343

ger seiner Runbschreiben war, die er, ein wenig im Style Lebru Rollin's, vor den Wahlen hatte ergehen lassen, wird von mehreren Journalen auf eine Art und Weise hervorgehoben, welche Mißver⸗ gnügen über die Beibehaltung Carnot 's andeutet.“ In der National Versammlung heißt es, daß Carnot nicht UnterrichlsMinister blei⸗ ben, sondern Herrn Falloux oder Herrn Barthelemy St. Hilaire zum Nachfolger erhalten werde. General Cavaignac hat den provisori⸗ schen Sitz der vollziehenden Gewalt in das Kriegs ministerlum ver— legt. Der neue Finanz- Minister Goudch aur soll fast allen von sei⸗ nem Vorgänger vorgeschlagenen Finanz- Maßregeln abgeneigt fein und neue Pläne ausarbeiten wollen.

Der Moniteur zeigt heute folgende diplomatische Ernennungen an, welche durch Dekrete vom 8.R, 13. und 28. Juni vorgenommen worden: zu außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Mi⸗ nistern, bei den Vereinigten Staaten von Nord⸗Amerika, Herr Guil⸗ laume Tell Lavallse Poussie; beim Kurfürsten von Hessen, Herr Hu⸗ mann; beim König von Sachsen , Herr Reinhard; bei der NRepublit Mexiko, Herr Levasseur; beim König von Schweden und Norwegen, Herr Lobstein; zu Geschäftsträgern, in Lissabon, Herr Feliciten Malle— fille; in Rio Janeiro, Herr Guillemot; zu Legations-Secretairen, in Bern, Herr von Salignac-Fenelon; im Haag, Herr von Breteuil; in Teheran, Herr Dano; in Stockholm, Heir David; und zum At— taché, in Konstantinopel, Herr Edmund von Bourqueney.

Dasselbe Blatte berichtet: „Die Stadt Troyes, nicht zufrie⸗ den, ihre Nationalgarde abgeschickt zu haben, um zur Erhaltung der Ordnung und zur Vertheidigung der durch Vereinigung aller ihrer inneren und äußeren Feinde bedrohten Republik mitzuwirken, hat auch mehrere mit Lebensmitteln beladene Fahrzeuge nach Paris gesandt, um zur Ernährung der jetzt in der Hauptstadt angehänften seßhaften und mobilen Nationalgarden und Linientruppen beizutragen. Die patriotische Gabe der Stadt Troyes besteht in 60,000 Pfund Brod, 60,000 Pfund Schinken und anderen Eßwaaren und 10 Stückfaß Wein. Diese durch den Bürger Hermonowska, Abgeordneten der Stadt Troyes, nach Paris gebrachten Lebensmittel sind am Stadthause ab—⸗ geladen worden und sollen unter die noch auf den Straßen, Plätzen und Boulevards bivouakirenden verschledenen Corps vertheilt werden.“

Galignani's Messenger meldet: Im Minister Rath ist be⸗ schlossen worden, daß die Entwaffnung, welche jetzt in Paris vor sich geht, auf alle Städte Frankreichs ausgedehnt werden soll, in denen sich eine zahlreiche Arbeiter⸗Bevölkerung findet, und wo aufrührerische Kundgebungen stattgefunden haben.“ Man berechnet, daß schon 40,9090 Flinten und 20,900 Säbel in Folge der Entwaffnung nach Vincennes abgeschickt worden sind. Alle diejenigen Gardisten, welche in den Ta gen des Kampfes nicht unter den Waffen erschienen sind, sollen als unwürdig, ein Gewehr zu tragen, in den Compagnie-Listen gestrichen werden.

Das Journal des Débats bemerkt über den Kampf der vier Junitage:

„Wir haben in einem früheren Artikel die Zahl der Insurgenten auf 25,000 bis 30, )00 Kämpser veranschlagen zu müssen geglaubt. Allein jetzt, wo das Ganze der Thatsachen besser gewürdigt werden kann, veranschlagt man die Zahl auf 40,000. Diese Zahl scheint auch nicht übertrieben, wenn man erwägt, daß man nicht weniger als eine doppelt so große Streitmacht bedurfte, um diesen Ausstand zu besiegen, den bestgeleiteten und verzweifelt⸗ sten, welchen man bis jetzt unter uns gesehen hat. Wie man sich erinnert, waren dem wirklichen Ausbruche des Aufstandes schon vier Tage hindurch Unordnungen und Zusammenrottungen vorhergegangen. In diesen früheren Unordnungen haben die Insurgenten sich gerüstet. Man gab den Kämpfern die Versammlungsorte an; man bildete Tepots für Waffen und Schießbe— dars; man bezeichnete die Posten; und die Führer hielten Rath. Die Führer und Unterführer der Insurgenten waren, wie man sagt, folgende: erstens die Chefs und Unter-Chefs der National-Werkstätten, nach einer offiziellen Angabe des Ministers des Innern; zweitens die Offiziere der republikanischen Garde, welche bei der neulichen Neorganisation dieses Eorps aus derselben entfernt waren; die Gemeinen, welche aus dieser Garde ausgewiesen waren, und die Mon— tagnards (die Mitglieder eines früheren anarchischen Freicorps); drittens einige wenige Deserteure der mobilen National-Garde und selbst einige Offiziere derselben, aber in sehr geringer Anzahl; viertens die heftigsten Klubisten; endlich fünftens die Fähigsten und Entschlossensten der befreiten Sträflinge. Also viele alte Soldaten, mehrere Männer von Geist und Fähigkeit und andere Leiter von höherer Stellung organisirten, lenkten und führten diese große Bewegung, diese neue Jacquerie gegen die gesellschaftliche

Ordnung und die Eivilisation. Bei allen Aufständen, deren Schauplatz Paris seit siebzehn Jahren gewesen ist, hat man immer eine gewisse Anzahl junger Leute aus den höheren Schulen und aus dem Handelsstande eine Rolle spielen sehen. Noch im Februar hatten sich der Bewegung alle hö— heren Schulen mit Eifer angeschlossen. Diesmal hat nichts der Art statt— gefunden. Der Aufstand hat zu seinen Soldaten nur die Arbeiter gehabt, wir meinen nur die schlechten Arbeiter, und eine blinde Masse, welche von den Wüthendsten unterjocht gehalten wird, wenn dieselben ihr die unsinnig sten Abgeschmacktheiten und einen sozialen Krieg als einziges Mittel zur Verbesserung ihres Looses predigen; verderbliche Lehren, welche größere und gebildetere Geister schon viel früher vorzutragen begonnen hatten. Zu die ser Aufzählung der Armee der Insurgenten müssen wir noch einige Tausend befreite oder entsprungene Sträflinge hinzufügen, welche das Volk als solche nicht kannte, und welche, wie die Anderen, für Arbeiter galten. Man muß sich erinnern, wie früher schon behauptet wurde, daß die National-Werkstätten allein zweiundzwanzigtausend befreite Sträflinge enthielten. Vielleicht haben diese nicht alle an dem Aufstande theilgenommen, aber man darf wohl vermuthen, daß diese Verbrecher von Gewerbe unter den Kämpfenden die größte Wuth und die größte Hartnäckigkeit entwickelt, und daß ihnen die Grausamleiten gegen die Gefangenen, diese Raffinirungen wilder Barbarei, über welche noch die ganze Bevölkerung vor Schrecken zittert, vorzugsweise zugeschrieben werden müssen. Nach der Persönlichkeit der Führer, wie wir sie vorhin an⸗— gegeben haben, daif man sich nicht wundern, daß hier ein sehr großer und sehr verständig gefaßter Kriegsplan zum Grunde lag, dessen Entwickelung Alle bewunderten, und der selbst unsere Generale in Staunen setzte. Es ist traurig, es zu sagen, aber eine große Anzahl der National-Garden der Sten und der 12ten Legion, welche daher auch jetzt entwaffnet werden, haben mit mehreren ihrer Offiziere offen für den Auf— stand Partei ergriffen. Man mag sich bei dieser, Gelegenheit erinnern, daß man bei diesen Legionen, und besonders bei der zwölsten, welche Herrn Barbes zu ihrem Obersten erwählte, früher bei der Wahl der Offiziere von den Kandidaten verlangt hatte, zu erklären, ob sie der Natio- nal⸗Versammlung zu Hülfe ziehen würden oder nicht, im Fall das Volk die National-Versammlung stürzen wolle. Die Theilnahme von Nationalgarden und Offizieren in Uniform hat zu der furchtbaren Ausdehnung, welche die Bewegung in diesen beiden Arrondissements nahm, wesentlich beigetragen und in diesen Stadttheilen das traurigste Beispiel gegeben. Wir müssen mit Schmerz wiederholen, was wir schon gesagt haben, und was alle Welt weiß, daß nie ein Bürgerkrieg sich so furchtbar, so hestig, so wüthend unter uns gezeigt hat, und daß nie so viel französisches Blut von französischen Händen vergossen worden ist.“

Die hiesige Nationalgarde unterzeichnet eine Petition an die National-Versammlung, worin sie begehrt, daß in Bezug auf den Aufstand Gerechtigkeit geübt werde ohne Leidenschaft, aber auch ohne Schwäche, und daß man die zahlreichen und tüchtigen Führer, die unleugbar an der Spitze des Aufruhrs standen, aufsuche und, gleich⸗ viel wer sie seien, streng bestrafe. Die Nationalgarde verlangt ferner, daß unverzüglich ein Gesetz erlassen werde, welches ihre sofortige und gänzliche Neorganisation anordne und diejenigen Nationalgardisten mit schweren Strafen belege, welche nicht beim ersten Nappel auf ihren Posten eilen, sie müßten denn triftige Abhaltungs-Ursachen nachweisen können. Man schätzt die Zahl der Nationalgardisten von auswärts, denen gestern Rationen verabfolgt wurden, auf 91,909. Mehrere Präfekte

und stäbtische Behörden haben dein Abzuge von Freiwilligen nach Paris alle

von Notre⸗

möglichen Hindernisse in den Weg gelegt; mehrfach mußten die Gar⸗ disten mit Gewalt die Hemmnisse beseitigen. Auch einige Eisenbahn⸗ Verwaltungen zeigten sich dem Zuzuge nach Paris abgeneigt. Man will jetzt in vielen Provinzstädten einen Theil der Nationalgarde mo⸗ bil machen, um stets Hülfscorps für Paris bereit zu haben. Der

Minister des Innern hat angeordnet, daß dürftigen Familien gefalle⸗ ner National⸗Gardisten sofort aus der Kasse seines Ministeriums

Hülfe geleistet werden soll. In den Reihen der National⸗Garde haben vierzehn Generale gefochten; aber ein Gerücht, daß auch Bu⸗ geaud nach Paris abgereist sei, wird für ungegründet erklärt. Vor⸗ gestern erkannten die Bewohner der Straße St. Jacques in den Reihen der patrouillirenden National-Garde viele Leute, die sie hin⸗ ter den Barrikaden hatten kämpfen sehen, und die nun auf diese Weise eine Zuflucht suchten.

Die einbalsamirte Leiche des Erzbischofs von Paris ist im erz⸗ bischöflichen Palaste auf einem Katafalk ausgestellt. Das Kapitel Dame wird die Generalvikare wählen, denen bis zur Wahl eines Erzbischofs die Verwaltung der Erzdiözese anheimfällt. Der Maire von Paris hat angeordnet, daß eine Bildsäule des im Alter von 55 Jahren verstorbenen Erzbischofs, der sein hohes Amt seit dem Mai 1840 bekleidet hat, im Hofe der Quinze-Vingts auf⸗ gestellt werden soll.

Victor Hugo hat sich, wie berichtet wird, während des letzten Kampfes wiederholt den Kugeln und Kartätschen ausgesetzt. Ganz allein und unbewaffnet schritt er auf eine Barrikade los und redete den Jusurgenten zu, die ihre Flinten auf ihn gerichtet hatten. Seine Vorstellungen schienen sie augenblicklich zu rühren; dann aber erklär⸗ ten sie ihm, daß sie eher sterben als nachgeben würden. Ungehindert kehrte er hierauf in die Reihen der Seinigen zurück. Die Barrikade ward erst am folgenden Tage genommen. Auch bei den Angriffen auf die furchtbare Redoute in der Tempel-Vorstadt war Victor Hugo zugegen; neben ihm wurde ein Oberst von einer Kugel getroffen, die jedoch von dem Kreuze der Ehrenlegion, das derselbe auf der Brust trug, unschädlich abglitt.

Der Justiz-Minister soll den General-Prokurator Corne ermäch⸗ tigt haben, das gerichtliche Verfahren gegen die neuen Journale, welche noch keine Caution hinterlegt haben, vorläufig einzustellen. Man will von der National-Versammlung ein neues Gesetz über diesen Gegen⸗ stand begehren.

Großbritanien und Irland. London, 30. Juni. In der gestigen Unt erhaus-Sitzung wurde endlich die Debatte über die westindischen Kolonieen beendigt, und die Abstimmung über das dem ministeriellen Vorschlage entgegenstehende Amendement des Sir J. Pakington, welches die Erhöhung des Differentialzolles für Ko⸗ lonialzucker auf 15 Sh. beantragt, ergab eine Majorität für das Ministerium von 15 Stimmen. Die Fortdauer des Russellschen Ka⸗ binets, wenn auch mit so geringer Masorität, scheint demnach vorläu⸗ sig gesichert. Die Debatte bot bis auf die Rede Sir R. Peel s kein besonderes Interesse, da der Gegenstand schon vielfach durch⸗ gesprochen war; Sir R. Inglis eröffnete dieselbe. Er erklärte, eine Erhöhung des Zolles um 10 Sh. für den Centner würde den Preis für das Pfund Zucker kaum um einen Pfennig erhöhen, und den würde auch der Aermste gern hergeben, wenn er bedächte, daß dieser Pfennig Blut erspare. Durch das Gesetz von 1846 hätte der Sklavenhandel einen solchen Aufschwung genommen, daß allein nach Brasilien jährlich 73,000 Sklaven eingeführt würden, und 300,000 Schwarze würden jährlich von der Küste Afrika's weggeschleppt und auf der schaudervollen Ueberfahrt dem grausamsten Tode ausgesetzt. Er las eine Beschreibung einer solchen Ueberfahrt vor, welche ein englischer Schiffsgeistlicher herausgegeben hat unter dem Titel: Fifi) days on hoard a slave-ship. Sir R. Inglis ward, während er vorlas, zu Thränen gerührt. In einer stürmischen Nacht wurden von 100 Negern 54 zu Tode gequetscht, als sie mit Gewalt versuchten, um in der schrecklichen Schwüle ein

wenig frische Luft zu schöpfen, die Luken in die Höhe zu heben! Herr Labvuchere sprach für die Maßregel des Ministeriums, Herr Goul⸗ burn dagegen, 6hne daß wesentlich Neues von ihm vorgebracht wäre. Sir Nobert Peel erhob sich wie gewöhnlich gegen das Ende der Berathung. Er begann damit, die große Wichtigkeit der westindischen Besitzungen für England hervorzuheben. In den Krie⸗ gen mit Amerika und Frankreich hätten sie treu zum Mufterlande ge— halten und ihm wesentlich genützt. Je kleiner die Zahl der Weißen auf diesen Inseln sei, um so mehr erfordere die Sache der Mensch⸗ lichkeit, Bildung und Religion, ihnen Unterstützung angedeihen zu lassen. Von allen Seiten sei anerkannt, daß sie setzt einer Unter— stützung besonders bedürften. Indeß behauptete er doch, daß eine Er— höhung des Zuckerzolls die westindischen Pflanzer aus ihrer traurigen Lage nicht befreien könne. Er werde daher zu dem vorliegenden Antrage Sir J. Pakington's seine Zustimmung nicht geben. Er verzweifle nicht an der Zukunft Westindiens; aber er sei überzeugt, wenn wir unseren Pflan— zern auch den Alleinhandel auf dem britischen Markte verleihen woll⸗ ten, so würde es doch nicht zu ihrem Heile dienen. Augenblicklich mögen Kuba und Brasilien mit ihren Sklaven blühen; aber man muß blind sein für die Zeichen der Zeit, wenn man glaubt, daß Sklaven-Arbeit in diesen Besitzungen sich auf die Länge behaupten könnt. Weder auf Kuba noch in Brasilien habe man Zutrauen zu dem gegenwärtigen Zustande. Niemals und unter keinem Umstande könne eine Regierung auf sicheren Bestand hoffen, wenn ihr Land mit dem Fluche der Sklaverei belastet sei. Frankreichs gewaltige Zuckun⸗ gen werden bereits an der anderen Seite des Weltmeers verspürt. Brasilien, Kuba und die Vereinigten Staaten mögen sich warnen las⸗ sen. Er glaube, der Sklaverei nahe der letzte Tag. (Lauter Bei⸗ fall. Lord J. Russell machte zum Schluß darauf aufmerkfam, daß der sehr unbestimmte Antrag Sir J. Pakington's so angelegt sei, um alle Stimmen gegen den Plan der Re⸗ gierung zu sammeln. Mancher, der für diesen Antrag stimmen möchte, würde seine Stimme doch nicht hergeben zu Schütz Maß⸗ regeln, wie sie Sir J. Pakington demnächst vorzuschlagen gedächte. Da Sir R. Peel seine Meinung geäußert: die Einwanderung bliebe am besten dem Unternehmungsgeiste der Einzelnen zu überlassen, so erklärte Lord J. Russell sich nicht abgeneigt, die den westindischen Inseln vorzuschießende halbe Million auch für andere gemeinnützige Pläne verwenden zu lassen. Nachdem Herr Anstey noch viel Miß⸗ fallen und Gelächter erweckt, kam es zur Abstimmung. Sir J. Pa⸗ kington's Antrag ward mit 260 Stimmen gegen 245 ver⸗ worfen. Dieser schon sehr bezweifelte Sieg erregte auf den Bän⸗ ken der Ministeriellen großes Frohlocken. Das Haus konstituirte sich pro Forma zum Comité über ministerielle Anträge und vertagte sich.

Im Oberhause wurde die Bill zur Aufhebnng der Fideikom⸗ misse in Schottland zum zweitenmal verlesen und einem Comité überwiesen.

Die amtliche London Gazette zeigt an, daß der Staats⸗Se⸗ cretair des Aeußern, Lord Palmerston, von dem britischen Geschäfts= träger in Caraccas eine Depesche vom 29. Mai erhalten habe, welche melde, daß die Regierung von Venezuela, in welchem Staate bekannt lich innere Unruhen herrschen, den Hafen Maracaibo und die umlie⸗ gende Küste in Blokadestand erklärt habe.

i ü ĩ. Rathe von Schweiz. Bern. (E. 3.) Ochsenbein hat im Großen Ra Bern . . Sieg erfochten. Er wurde im ersten Skrutinium mit