Die Bürger Wiens und der Gemeinderath an ihrer * 6 Vertretung werden das Amt, Ordnung zu gründen un fe gi a ng irrer mst Hingebung aufnehmen, sobald sie jeder anderen mn, ö. werden entledigt sein. Sie sehen gegenwartig die 4 6. art, ja der gesammten Monarchie gelähmt, Verarmung über diese ereinbrechen und den alten Jor beider verkümmern. * j;
Nur auf versöhnlichem Wege kann erstrebt werden, was Ew, Majestat selbst wünschen. Viele obschwebende Fragen, die dem Herzen des Bürgers ahr lagen, haben indessen schon in den Vertretern des Volkes ihr gesetzli= es Oigan bei Ew. Majestät gefunden. . ‚
HFleichwohl ist der Gemeinderath durch seine Pflicht gedrängt, folgende Punkt? der Erwägung Ew. Majestät zu unterbreiten, von deren Erfüllung é Rückehr eines bleibenden friedlichen Zustandes und die Entwickelung unserer Institutionen, mit der dauerhaften Besestigung des constitutionellen Thrones zuverläßlich zu erwarten ist.
SGeruhen Ew. Majestät 1) Die Entfernung des Ban von Croatien in iner Weise, daß die Stadt Wien durch seine Armee nicht mehr bedroht sei, mit Vorbehalt der durch den Reichstag weiter zu stellenden Anordnun⸗ gen, sein Verbleiben auf österreichischem Boden betreffend, baldigst zu ver- ugen.
; 2) Die Vertheilung der Truppen in einer der bisherigen Gepflogenheit entsprechenden Weise, jedoch nur mit Verwendung volksthuͤmlicher Militair= orper zu veranlassen, auf daß der Verkehr der Stadt nicht mehr gehemmt verde.
3) Dem Drange ihres Herzens folgend, eine allgemeine Amnestie nach dem Antrage des Reichstages zu erlassen.
4) Endlich die baldige Bildung eines voltsthümlichen Ministeriums zu genehmigen, um hierdurch den gefährlichen Folgen vorzubeugen, welche der äangere Mangel einer gesetzlichen Exekutivgewalt herbeiführen müßten.
Dies sind die Bitten, welche auszusprechen der Gemeinderaih durch die ihm anvertrauten Interessen der Stadt Wien, so wie durch die unerschüt-— ferliche und treue Anhänglichkeit an Ew. Majestät, sich verpflichtet fühlt.
Vom Gemeinde-Rathe der Stadt Wien, am 17. Oktober 1848.
Gleichzeitig mit der Deputation des Gemeinderathes zur Ueber reichung einer Adresse an Seine Majestät hat auch die Nationalgarde der Stadt Wien sammt den zur Hülfe der Hauptstadt herbeigegilten Wehrmannschaften der Städte Brünn, Linz und Gratz eine Deputa⸗ ton zu demselben Zweck abgeschickt. Von Seiten des Obe ⸗Kommando's wurde aus seinem Stabe der Major Haugh dieser Deputation bei⸗ gegeben. Der Inhalt der Adresse ist folgender:
w. Majestät! Die ehrfurchtsvoll Gefertigten, von Ew. Majestät . J. aus eigenem Willen ins Leben gerufenen Bürger- und National -Koörperschaften im Gebiete der Stadt Wien erfüllt es in diesem wichiigen Momente mit tiefem Schmerze, daß Ew. Majestät Sich bewogen gefunden haben, wegen der Ereignisse des 6. Oktobers d. J. Wien zu ver— lassen. Es handelt sich dermalen nicht um zu rechten, sondern darum, solche Vorschläge und Maßregeln Ew. Majestät zu unterbreiten, welche das künf— tige Wohl der Gesammt - Monarchie, ja den Frieden von ganz Europa dauernd sicher stellen können. — Diese Entzwecke, abgesehen von allem An— deren, können aber nur erreicht werden, wenn Ew. Majestät Sich bewogen sinden, die nachstehenden ehrfurchtsvoll gestellten Bitten in Erwägung zu ziehen:
1) Der Herr General der Kavallerie, Graf Auersperg, beziehe mit seinem Militair die Garnison Wien, deren Anzahl aber 10,900 Mann in Allen nie übersteigen möge. .
2) Das Militair sei auf das Allerhöchste Patent vom 15. März und 15. Mai l. J. zu beeiden, mit Vorbehalt der allgemeinen Beeidigung auf die vom Reichstage zu berathende Constitution.
3) Daß Ew. Majestät Sich sechs Männer aus dem gesammten Na— tionalgarde-Institute zum Adjutantendienste in die Hofburg bestimmen möge.
IH Daß die Herren Generale Jellachich und Windischgrätz nicht nach Wien kommen, sich vielmehr aus der Umgebung von Wien alsobald ent— sernen, und die Linien -Regimenter Nassau, Latour, so wie auch Wrbna Chevauxlegers nicht die Garnison von Wien beziehen.
5) Daß die Volkswehr auf Grundlage eines tadellosen Rufes, In⸗ telligenz oder Besitz nach einem vom Reichstage sogleich, wenigstens provi= sorisch, zu erlassenden Gesetz organisirt werde, wo jedoch die Besitzhabenden
se dem Nationalgarde⸗Dienste sich entzieben dürfen. e alsobaldige Bildung eines fteisinnigen volksthümlichen Ministe= Majestät geruhen, Sich in Ihr allzeit getreues Wien durch Ruhe und Ordnung schnellstens hergestellt
Dieses letztere ist um so nöthiger, als Ew. Majestät angeborene Her— zensgüte gewiß nicht will, daß die schöne Stadt Wien und ihre Bevölterung ter der Last der jetzigen Verhältnisse einem unfehlbaren Unglücke noch nger vreisgegeben sei. Unberechenbare Folgen hängen von den zu treffen—
Maßregeln ab. — Millionen treuer Einwohner sehen mit Sehnsucht
Ew. Majestät, 2c. 20. (Folgen die Unterschristen.) Wien, am 20. Oktober 1848. Die Adresse, welche die Deputation des Gemeinde⸗-Rathes dem Erzherzog Johann zu überreichen hat, lautet: ö „Ew. Kaiserliche Hoheit!
„Ew. Kaiserl. Hoheit haben an dem Tage Ihres Abschiedes von Wien die Bürger Wiens aufgefordert, wenn immer ein Anliegen sie bedrücke, sich vertrauensvoll an Ew. Naiserl. Hoheit zu wenden. Dieses Wort ist tief in das Derz der Bürger Wiens gegraben, und nur zu früh ergab sich der An— laß, der seine Erfüllung ins Leben rief. Der Gemeinderath der Stadt Wien hat in der Ew. Kaiserl. Hoheit nicht unbekannten traurigen Lage der Kommune eine Deputation an Se. Majestät den Kaiser abgesandt, welche demselben eine Adresse zu überreichen hat, in welcher der Zustand der Stadt Wien geschildert und an Se. Majestät jene Bitten gestellt werden, welche die Wiederherstellung der bürgerlichen Ordnung anbahnen, der Monarchie und der Stadt Wien einen dauernden Frieden zusichern, sie seiner Zeit neuer Zlüthe entgegenführen sollen. Der Gemeinderath erlaubt sich, die besagte Adresse zur näheren Einsicht beizuschließen. Ew. Kaiserlichen Hoheit haben durch ein fleckenloses und rühmliches Leben das Vertrauen des Bürgers und die Achtung Ihrer Standesgenossen zugleich erworben. Ihre echtdeut— sche sreiheits liebende Gesinnung, ist längst erprobt. Bereits einmal hat Wien den segensteichen Einfluß Ihrer Vermittelung in Anspruch genommen, und es sind ihm jene Tage unvergeßlich, da Ew. Kaiserl. Hoheit die Pforten der Freiheit, durch Eröffnung des konstituirenden Reichstages erschlossen. Es waren Tage der Ruhe für Wien, Tage, seit welchen ein' unauslösliches Band die Person Ew. Kaiserl. Hoheit und die Bürger Wiens, ein Band der Liebe, die Letzteren hoffen es, Beide umschlingt. Jene schönen Hoff⸗ nungen, welche damals erblühten, haben sich seitdem verdüstert. Ew. Kaiserl. Hoheit sind Bürgerfreund. Es ist die bürgerliche Ordnung in Wien gestört, es ist theilweise das Recht der Bürger verletzt worden, sie wiederherzustellen; feine Thätigkeit ist gelähmt. Wenden Ew. Kaiserl. Hoheit von dem hohen Standpunkte, auf welchen Sie das Vetrauen der deutschen Männer berief, Ihren Blick auf jene Stadt, welche auch die Wiege der deutschen Freiheit war. Sie ist schwer bedroht in den innersten Näümen ihres einst so fröhlichen Lebens. Das Wort, der Rath Ew. Kaiserl. Hoheit ist von hoher Bedeutung in der Kaiserl. Burg, wie im frankfurter Parlament; Europa blickt auf Sie und ehrt Ihr Handeln, ehrt Ihre Beschlüsse. Verwenden Sie Ihren schützenden Einfluß für Ihre zweite Vaterstadt, für die Monarchie Ihrer Ahnen, unter⸗ stützen Sie mit Ihrem gewichtigen Einfluß die Bitten, welche die Bürger Wiens ihrem Kgiser vorzutragen sich gedrungen fanden. Ihr Andenken wird in Oesterreich nie erlöschen und Ihr Ruhm, zum neuen deutschen Reich den Grundstein gelegt zu haben, verherrlicht werden, durch die nicht minder bedeutungsvolle That, Oesterreich und Wien Freiheit und Friede zurückge= geben zu haben. Vom Gemeinderathe der Stadt.“
Wien, am 20. Oltober 1848.
Der Reichstag hat nachstehende Proclamation an die Völker Desterreichs erlassen: — „Völker Oesterreichs! „Durch Euer Vertrauen zu dem friedlichen Werke der Konsti⸗
922
tuirung unserer Freiheit berufen, ist der Reichstag durch die Gewalt der Ereignisse plötzlich mitten in den Kampf der Jeit gestellt. Der Reichstag muß in diesem Kampfe vor Allem seinem Friedensberufe getreu bleiben, deshalb hat er bis zu dieser Stunde alle seine Kräfte aufgeboten, um das Losbrechen des Gewaltkampfes zu verhindern, um aus den verworrenen Verhältnissen des Augenblickes den Pfad der Versöhnung und des Friedens zu finden und zu zeigen. Die Bemühungen des Reichstages sind bis jetzt ohne den erwünschten Er= folg geblieben. Zwar hat das edle Voll von Wien seine Erbitte⸗ rung und Kampfeelust bezähmt und den Angriff auf die offenbar seindlich verfahrenden Truppen vermieden, zwar haben selbst Se. Majestät der Kaiser Allen, was der Reichstag zur Hint⸗ anhaltung der drohenden Anarchie verfügt, die volle An— erkennung gezollt; aber nichtédestoweniger ist Wien noch immer in derselben kriegerisch bedrohten Lage, und nur dadurch allein ist die Möglschkeit aufrecht erhalten, daß der blutige Kampf und in Folge dessen die Auflösung der gesetzlichen Ordnung loebreche. Der Ein⸗ marsch des dem constitutionellen Boden Desterreichs fremden kroati- schen Heeres bedrohte unmittelbar die Thore Wiens; vergebens bot der Reichotag unter Mitwirkung des verantwortlichen Ministeriums Alles auf, um den Rückzug dieses Heeres durchzusetzen. Vielmehr bildete dasselbe nur den Vortrab immer größerer Truppenmassen, welche bereits die Hauptstadt Wien eng umschlossen haben. Ihre Vorposten dringen bis in die Straßen der zu Wien gehörigen Ort⸗ schaften, bis an die Linien der Stadt. Die auf des Naisers Wort gesetzmäßig organisirte Nationalgarde der Umgebung Wiens wird eunt⸗ waffuet, friedliche Reisende werden gefänglich zurückgehalten, Briefe erbrochen und vorenthalten, die Zufuhr von Lebensmitteln abge— sperrt, Kanonenkugeln flogen bereits in die Straßen der Vorstädte, ja selbst Abgeordnete zum Reichstage wurden festgehalten und un—
würdig behandelt; kurz, mit jedem Tage erfährt Wien mehr und mehr das schwere Verhängniß einer belagerten Stadt. Vergebens hat der
Reichstag mit dem ganzen Gewichte seines Ansehens dagegen prote⸗
stirt. Solchen Thatsachen gegenüber mußte der Reichstag das Be—
streben des wiener Volkes, sich in Vertheidigungsstand zu versetzen,
als eine Nothwendigkeit anerkennen. Wien ist die durch das Ansehen
der Jahrhunderte geweihte Hauptstadt des Reiches, und keine andere
Stadt kann es sein. Wien ist der Mittelpunkt der Interessen aller Völker Oesterreichs, und jedes Unglück, welches Wien trifft,
wird bis in die fernsten Theile des Reiches schmerzlich nach—
empfunden. Wien ist der einzig mögliche Sitz eines Neiche⸗
tages, welcher der Gleichberechtigung so verschiedener Völker
entsprechen soll. Wien ist die Wi ge und Birg unserer Freiheit.
Völker Oesterreichs! Ihr Alle seid in der Bevölkerung Wiens ver⸗
treten. Wien ist auch Allen stets eine gastliche Hauptstadt gewesen.
Wer daher für das Vaterland, wer für den constitutionellen Thron,
wer für die Volksfreiheit ist, der muß für Wien sein. Der Reiche⸗
tag erkennt es daher als seine heilige Pflicht, sowohl der Reaction,
als der Anarchie entgegenzuwirken. Die Reaction soll uns nicht
den kleinsten Theil unserer Freiheit rauben, die Anarchie nicht den
ganzen Schatz deiselben vernichten. Dies will der Reichstag, dies
will er für alle Völker und für alle Stände des Volkes, für den
freien Bürger, wie für den tapferen Krieger des Vaterlandes.
Aber um dieses vollbringen zu können, muß Wien ge—
rettet, muß es in seiner Kraftfülle und Freiheit erhalten
werden. Völker Oesterreichs! Vertraut denen, die ihr zur Wahrung
eurer und eurer Kinder Rechte erwählt habt, vertraut denen, die
euren Boden von Robot, Zehent und allen übrigen drückenden Lasten
befreiten, und die so eben im Begriffe sind, jene Gesetze zu schaffen,
durch welche eure volle Freiheit auf fester Grundlage gesichert wird.
Kräftigt uns daher mit eurer ganzen moralischen Kraft für das be—
drängte Wien, unterstützt unser offenes Wort duich die Allgewalt eurer Stimme, helfet uns ben Kaiser beschwören, daß er durch Ein—
setzung eines neuen volksthümlichen Ministeriums, durch Zurückziehung
der Truppen aus Nieder-Oesterreich, durch Beeidigung des Militairs
auf die freien Volksrechte der Stadt Wien und dem Neiche den
Frieden gebe, damit im Segen des Friedens das neue Heil des Va—Q—
terlandes gedeihe.
Wien, den 20. Oftober 1848. Vom konstituirenden Reichstage.“
Der proxisorische Ober-tommandant hat an den Fürsten Win- dischgrätz nachstehendes Schreiben gerichtet: „An Se. Durchlaucht den Kaiserl. Herrn Feldmarschall-Lieutenant Für= sten Alfred von Windischgrätz, Befehlshaber der am linken Donauufer sich
konzentrirenden Truppen.“ ᷣ
„Die Stellung, welche die Truppen Sr. Excellenz des Herrn Banus unter den Mauern Wiens einnahmen, scheint nun auch diejenige des Armee— Corps werden zu wollen, welches unter den Befehlen Ew. Durchlaucht gegen die Nord- und Westseite der Stadt heranzieht.
Eben eiugelaufenen Nachrichten zufolge soll sich das Hauptquartier Ew. Durchlaucht bereits in unmittelbarer Nähe befinden. Es wird Ew. Durchlaucht von dem Herrn Kommandanten Ihres Vorpostens jenseits Floridsdorf die Meldung über dassenige zugekommen sein, was ich in der mir von dem hohen Reichstage aufgetragenen Pflicht, die Stadt Wien sammt Umgebung in Vertheidigüngs Zustand zu setzen, genöthigt war, dem— selben zu erklären. / ; . 3
Ich habe die Ehre, mein erstes Ersuchen an einen Ihrer Unter- Rom mandanten zudem zu erweitern, daß ich Ew. Durchlaucht dringend ersuche die Zufuhr von Lebensmitteln nicht hemmen zu wollen, Es ist im Lause des gestrigen Abends eine Deputation des Gemeinderathes und des meinem Ober- Kommando provisorisch unterstehenden Wehrkörpers an das Hoflager St. Masestät abgegangen. Niemand zweifelt daran, daß diese Abgeordne⸗ ten von ihrem gütigen constitutionellen Kaiser Gewährung ihrer billigen und ehrfurchtsvollen Bitte finden werden. .
„Demnach ist 94 meine von Klugheit und Menschlichkeit gebotene Pflicht, Ew. Durchlaucht in diesem meinem Schreiben zu beschwören, das Ihrige aus ganzen Kräften beizutragen, das nahe Versöhnungswerk zwi⸗ schen' Monarch ünd Volk nicht durch vorgreifende Akte der , . trüben zu wollen. Das Abschneiden der Zufuhr ist jedoch eine solche Maß⸗ regel, und kann unter einer Bevölkerung, entschlossen, muthig und auf seine Freiheit eifersüchtig, wie jene Wiens, nur maßlose Aufregung zur Folge haben. Indem ich meiner Aufgabe der passiven Vertheidigung netreulichst nachkomme, habe' ich nichts unterlasen, um im Sinne der höchsten Behörde fest' aber auch zugleich nach allen Seiten hin versöhn— lich zu wirken. Im Falle das so nahe Friedensziel nicht er= reicht werden sollte, wälze ich die ungeheure Verantwortung vor den Völ— kern Oesterreichs, vor dem gesammten Deutschlande, vor der ganzen eivili-· sirten Welt denjenigen zu, die durch ossenbaren Verfassungsbruch und Er— öͤffaung von Feindseligkeiten, welche die wiener Bevölkerung in ihrer Ver theidigungsrolle nur zu ihrer Selbsthülfe erwiederte und weiters erwiedern 1. die schöne Friedenssendung der erwähnten Deputation gewaltsam tören.
„Genehmigen Ew. Durchlaucht den Ausdruck meiner ausgezeichneten Hochachtung.
Wien, den 20. Oltober 1848.
Messenhauser, provisorischer Ober-Kommandant.“
— Breslau, 22. Olt, (Schles. Ztg.) Die Reichs-Com- n sind über Wien, das bereits gänzlich Cernirt ist, nach Olmütz gereist.
Gratz, 18. Okt. (Allg. Oest. Ztg.) In der Sitzung des provisorischen Comité's berichtete Heinrich von Kalchberg, er habe sich
der Reichstags⸗Ausschuß habe nur die Vertheidigung Wiens vor Au— gen; sodann habe er sich zum Minister begeben, ihm die Sympathien Steyermarks für die Sache Wiens ausgtsprochen und ihn gefragt: ob der Landsturm aufgeboten werden solle? Der Minister gab eine nicht völlig bestimmte Antwort. Nachmittags sei er in den Krieasrath gegangen, der provisorische Ober- Kommandant der wiener Garde habe ihm da unumwunden erklärt, daß der Landsturm organisirt wer⸗ den müsse; übermorgen, er sprach am Freitag, müsse der Kampf zwi⸗ schen Kossuth und Jellachich entscheiden, und was habe dann die Steyermark zu erwarten? Jedenfalls sei der fliehende Feind der ärgste ꝛc. Nach diesem Berichte wird nun einstimmig der Beschluß gefaßt, mit der Landsturms-Organisirung inne zu halten, bis vom Reichstage durch das Ministerium dazu der Befehl an den Gouverneur ergan— gen. Dieser hat gleich nach dieser Schlußfassung folgende Depesche vom General Auersperg verlesen: . . 4
Un Se. Ercellenz den Kaiserl. Herrn Geheimen Rath und Landes— Gouverneur c. 2c., Grafen Wickenburg, Hauptquartier Inzersdorf, den 14 Oktoher 1848. a. 6. ; —
„Es sind mir schon auf verschiedenen Wegen und nun auch aus sehr verläßlichen Quellen Nachrichten zugekommen, daß Ew. Excellenz im Begriff stehen, einen steyermärkischen Landsturm zu formiren und selben zur Unter— stützung der wiener Aufrührerischen nach Oesterreich abzusenden.
„Ich könnte einem solchen Gerüchte kaum Glauben beimessen, muß aber gegenwärtig dennoch besorgen, daß vielleicht durch irgend einen Irrthum eine solche Verfügung heivorgerufen worden sein könnte. Indem ich Ew. Ercellenz demnach dringend ersuche, mich über das Wahre oder Unwahre an der Sache alsogleich auf das genaueste aufklären zu wollen, kann ich dieselben nur versichern, daß ich bereits alle nöthigen Einleitungen getroffen habe, daß derlei zuzüge in Gloggnitz, Neustadt und wo sie sich so nst zei- gen sollten, sogleich durch die dort aufgestellte Militairmacht angehalten, entwaffnet und in ihre Heimat zurückgesendet werden.
ö Graf Auersperg, Feldmarschall⸗Lieutenant.“
Hierauf ertheilte der Graf Wickenburg nachstehende Antwort:
An Se. Ercellenz den Kaiserl. Hern Geheimen Rath, Feldmarschall— Lieutenant und Kommandirenden Herrn Grafen von Auersperg.
„Ueber die so eben erhaltene gefällige Zuschrift vom 14ten d. M. habe ich die Ehre, Folgendes zu erwiedern:
„Am 11ten d. M. erhielt ich durch telegraphische Depesche eine Mit- theilung des Neichstags-Ausschusses des Inhalts, daß, nachdem die Natio—⸗ nalgarde Wiens brreits sehr ermüdet sei, eine Unterstützung von Garden aus Stepermark sehr eiwünscht sein würde. Dieser den sämmtlichen hierländigen Nationalgarden bekannt gegebene Wunsch hatte zur Folge, daß sich unge— fähr 400 Garden und Studenten zu einem Zuge nach Wien bewogen fan— den, dem sich dann noch einige Hundert Arbeiter anschlossen. — Inzwischen veranlaßte die Nachricht von der Ankunft des Baron Jellachich mit einem bedeutenden Heere vor Wien nicht nur bei einem großen Theile der Bewohner von Gratz, sondern auch vom Lande eine außerordentliche Aufregung, und es gab sich nebst lauten Sympathieen für das Schicksal der Stad? Wien und des dort versammelten Reichstages die Besorgniß kund, es möchte bei einem etwaigen Rück- oder Durchzuge der kroatischen Truppen die Sicherheit der Provinz gefährdet sein. In diesem letzteren Sinne mußte ich mich uͤnter dem Beirathe von Vertrauensmännern aus allen Meinungs- Richtungen bestimmt sehen, die Organisirung eines Land sturmes zum Schutze der Gränzen am Semmering und in der Gegend von Hartberg zu beschlicßen. Der unerwartete Einmarsch von 14,ü 000 Kroaten, unter Anfuͤhrung des Generals Theodorovich, und dessen friedliche Gesinnungen haben die gänzliche Sistirung jener Maßregel in der letztbezeichneten Gegend und die Modification herbeigeführt, daß auch im Mürzthale mit einer weiteren Mobilisi⸗ rung innegehalten werde. — Obwohl für den Augenblick durch, das Ver— halten des Generals Theodorovich in etwas beruhigt, ist doch die hierlän= dige Stimmung eine sehr gespannte und das Verlangen nach Aufbietnng des Landsturmes in einem größeren Umfange zur Wahrung gegen jeden Angriff auf Sicherheit und Freiheit so lebhaft, daß ich, weil ich mich hierzu nicht für ermächtigt halte, die Befehle des Ministeriums und des Reichs⸗ tages unter Einem einhole. So lange ich also von dort nicht bestimmte Weisungen empfange, wird die erwahnte Vorkehrung nicht in das Leben treten, és wäre denn, daß die Provinz, von aller Verbindung mit dem Mi— nisterium und dem Reichstage abgeschnitten, sich selbst überlassen bliebe und eine ernstliche Gefährdung der eigenen Sicherheit zu besorgen stände.
Gratz, am 15. Oktober 1848.
Wickenburg.“
Olmütz, 21. Okt. (Bresl. Ztg.) Se. Majestät der Kaiser hat unterm 19. Oktober nachstehendes Manifest erlassen:
„Wir Ferdinand der Erste, constitutioneller Kaiser von Oesterreich, König von Ungarn z. 2c, entbieten Unseren getreuen Völkern Unseren vä— terlichen Gruß. Durch die blutigen Ereignisse, welche seit dem oten dieses Unsere Haupt- und Residenzstad Wien in einen Schauplatz anarchischer Wirren umgewandelt haben, auf das tiesste betrübt und in Unserem Innern erschüttert, sahen Wir Uns genöthigt, Unseren Sitz zeitweilig nach Unserer Königlichen Hauptstadt Olmütz zu verlegen. — Mit gleicher Betrübniß er— süllt Unser Herz die eintretende Nothwendigkeit, zur Wiederherstellung der gesetzlichen Ordnung und zum Schutze der an den Gräueln des Ausstandes nicht betheiligten Staatsbürger, militairische Maßregeln zu ergreifen; doch wollen Wir, daß in der Anwendung dieses Uns abgedrungenen außersten Mittels nur so weit gegangen werde, als es zur Herstellung der Ruhe und Sicher- heit und zum Schutze Unserer getreuen Staatsbürger, so wie zur Aufrechthaltung der Würde Unseres constitutionellen Thrones, nöthig sein wird. — Es ist Unsenfe⸗ ster unveränderlicher Wille, daß die Unseren Völkern gewährten Rechte und Freiheiten, wenn sie auch von einzelnen Böswilligen oder Mißgeleiteten miß— braucht worden sind, in ihrer ganzen Ausdehnung ungeschmälert bleiben, und Wir verbürgen solche neuerdings durch Unser Kaiserliches Wort. Auch wollen Wir, daß die von dem konstituirenden Reichstage bereits ge— faßten und von Uns sanctionirten Beschlüsse, namentlich jene über die Auf— hebung des Unterthans-Verbandes, der Entlastung und Gleichstellung des Grundbesitzes gegen die im Prinzipe vom Reichstage anerkannte billige Ent schädigung aufrecht erhalten und Unserer bereits erlasenen Anordnung ger mäß in Vollzug gebracht werden. — Eben so ist es Unser fester Wille, daß das begonnene Verfassungswerk ven dem konstituirenden Reichstage in ei⸗ ner der vollen Gleichberechtigung aller Unserer Völker entfprechenden Weise ungestört und ununterbrochen fortgesetzt werde, damit solches in Bälde mei⸗ ner Sanction unterlegt und einem gedeihlichen Ende zugeführt werden könne — Dieses möglich zu machen, wird der Gegenstand Unserer einsten — org= falt sein, und Wir rechnen dabei auf die Einsicht, Anerkennung und ber währte Loyalität Unserer getreuen Völker. — Gegeben in Unserer Königli= chen Hauptstadt Olmütz, den 19. Oktbr. 1848.
Ferdinand. .
Wessenberg.“ Die Haltung des Volkes ist friedlich, die Geschäfte gehen den gewohnten Gang, die öffentliche Ruhe ist ungefährdet. In einigen Ortschaften der Umgebung wurde das Kirchweihsest im Stillen ohne Tanz begangen. Ein wackerer Landmann äußerte? . Wie ehen wir ' fröhlich sein, indeß vielleicht schon unsere Brüder in Wien bluten.“
Bayern. München, 20. Okt. , esse stittgefunden, die sich gegen die Pschorrsche Bierbrauerei richte⸗ sen. Es wurben Linientruppen, Landwehr und Freicorpé dagegen aufgeboten, und nachdem etwa 60 Verhaftungen trsolgt waren, stellte sih elbends die Ruhe wieder her. Patrouillen durchzogen während ber Jacht die Stabt, und, gestern bihct. Alles zubig. sie nee, serung hatte, fachdem die Aufruhrakte in Den , . bern war, eine Bekanntmachung an den Straßenecken anschlagen kassen, in welcher bei Wiederholung des Tumults die Verkündung des
Slanbrechts angedroht wurde.
19. Olt, O. P. A. 3.) Den zsterreichischen Bo⸗ den hal , haben die Reichscommissaire Welcker und Mosle fol— gende Proclamation erlassen: Im Ramen des deu tfchen Reichs—
Vorgestern haben hier Er-
über die Nothwendigkeit des Landsturmes beim Reichstag erkundigt;
derwesers. Der Reichsverweser von Deutschland, Erzherzog
Johann von Oesterreich, in Betracht seiner Pflicht, über die Sicherheit und Wohlfahrt in allen deutschen Landen zu wachen, sen⸗ dete uns, die Unterzeichneten, als Reichs commissaire nach Desterreich. Er beauftragte uns, so viel als möglich zur Wiederherstellung der friedlichen Verhältnisse in den deutsch- österreschischen Landen zu wirken. Wir erachten es daher für unsere Pflicht, die biederen Bewohner dieser Lande offen um freundliche Aufnahme und Un⸗ terstüzung unserer Sendung zu bitten. Dieselbe bezweckt die Sicherung ihrer constitutionellen Freiheit, ihres Lebens und Wohl standes gegen die allergesährlichsten Störungen. Dutch diese Botschaft will die unter Mitwirkung österreichischer Abgeordneten mit Zustimmung der österreichischen Regierung entstandene neue TDeutsche Reichs gewalt, deren ehrwürdiges Haupt wir Desterreich und seinem glorreichen Färstenhause verdanken, den österreichischen Stammlanden ähnliche Dienste erwiedern, wie sie frü⸗ her oftmals Kaiserliche Vermittelungs-Kommissionen Namens des al⸗ ten deutschen Reichs einzelnen Staaten in unheilvollen inneren Zer⸗ würfnissen mit glücklichstem Erfolge leisteten. Unsere Sendung ist eine Mission des Friedens und der Versöhnung. Wir kündigen dieselbe bei unserem Eintritte in die österreichischen Lande feierlich als eine solche an. Sie nimmt nur das Vertrauen und die besonnene rechtliche Ueberzeugung und Mitwirkung der öffentlichen Behörden und der Bürger in Anspruch. Völlig unwahr sind alle Gerüchte, als seien preußische und bayerische oder andere deutsche Truppen zum Einniarsche in Oesterreich aufgeboten, als könne diese Mission, von Männern übernommeu, welche schon seit den deutschen Freiheitskriegen länger als ein Vierteljahrhundert ohne Wechsel der Grundsätze und ohne Wanken ihr Leben dem Slege gesetzli⸗ cher deutscher Freiheit widmelen, jetzt reactionair gegen diese Freiheit, ja frevelhaft gegen die deutsche Nationalität in Oester⸗ reich und gegen Oesterreichs Verbindung mit Deutschland gerich= tet sein. Der Mangel vollkommener constitutioneller Freiheit ist gerade das höchste bisherige Unglück Deutschlands und auch die Quelle der unheilvollen Zerwürfnisse in Oesterreich, ihre reactionaire Unterdrückung würde beide zum Untergange führen. Die deusch— österreichischen Lande aber sind durch Gott, durch das Vaterland und seine Geschichte mit Deutschland verbunden. Be de gehören so un— zertrenglich einander an, wie das Glied dem Körper und der Körper dem Gliede. Ihre völlige Zerreißung wäre Zerstörung der Lebens⸗ gesundheit für beide, wäre Anfang des Bürgerkrieges und Unter⸗ stützung aller feindlichen Gelüste in Ost und West, in Nord und Süd. Wir aber fordern nun Euch, wackere, verständige Oesterrei⸗= cher, feierlich auf, es besonnen zu überlegen, ob nicht gerade die Fortdauer Eurer unglücklichen Zerwürfnisse, ja, ob nicht ein blutiger Sieg, wie eine blutige Vernichtung der einen oder der anderen der in Eurer vielfach verwickelten Lage jetzt einander gegenüberstehen— den Parteien für die Freiheit, für die Verbindung der deutsch— österreichischen Stämme mit dem deutschen Gesammtvaterlande, für die Ehre, Blüthe und Macht aller unter dem Kaiserlichen Oberhaupte vereinigten Völker gleich verderblich wirken müßten! Darum hört die Stimme des deutschen Reiches und des deutschen Reichsverwesers, vertauschet, noch ehe er weiter entbrennt, den blutigen Kampf der Waffen mit der friedlichen Unterhandlung und nehmt, so weit ihr derselben irgend Vertrauen schenken könnet, unsere freundliche Ver⸗ mittelung an, welche wir persönlich Euch anzubieten im Begriffe stehen. Es lebe Oesterreich und sein ruhmvolles Kaiserhaus! Es lebe Wien! Möchte Oesterreich und möchte Wien baldmöglichst und im— mer mehr Wohlstand und heiteren Lebensgenuß, gleich den freien Briten und ihrer blühenden Hauptstadt, mit einer vollständigen aber gesetzlichen und mit männlicher Reise gehandhabten constitutionellen Freiheit vereinigen! Passau, den 19. Oktober 1848. Die Reichs—⸗ Kommission. Welcker. Mosle.“ ;
Vl us land.
Oesterreich. Karlowitz, 30. Sept. (Wien, Ztg.) Der Herr Dberst Mayerhofer hat nachstehende Erklärung abgegeben:
„Der Kaiserl. Feldmarschall-Lieutenant und Banus von Croatien, Jo- seph Baron Jellachich, als Vertreter der zwischen dem kroatischen Landtage und der serbischen Nation in Bzug auf ihre am sten und 3ten Mai a. St. d. J. ausgesprochenen lovalen, gerechten und, vollsthümlichen Ansprüche und Wünsche bestrhenden Allianz, hat mich bei der Unwirksamleit der bei—⸗ den hierländigen GeneralcKommanden und in Abwesenheit des zu erwarten— den Vojvoden mit der Reorganisirung der Militair-Gränz-Regimenter und Bataillons in Syrmien und dem Banate beauftragt, damit die zur noth⸗ wendigen Entwickelsng der Streitkräste heilsame innere Ordnung hergestellt und der Nation in ihrer Bedrängniß durch die magyarische Executions- Armee alle mögliche Hülfe an Mannschaft, Munition, Waffen und militai— rischem Rathe durch die reichen Mittel der Kaiserl. Militair-Gränze geboten werde.
„Ich habe diese mir auferlegte Verpflichtung bisher im Interesse des Allerhöchsten Dienstes Sr. Masestät des Kaisers sowohl, als der ser— bischen Nation in den Kaiserl. Staaten getreulich und mit allem Eifer er— füllt und habe nicht nöthig, dte am Tage liegenden Beweise dieser mächti— gen Hülfe näher anzuführen. Gegenwärtig aber finde ich mich veranlaßt, öffentlich zu erklären, daß ich weder von Sr. Excellenz dem Banus, noch von irgend Jemand Anderen beidieser Dienstleistung einen Auftrag oder Andeutung zu einer wie immer amen habenden Reaction oder Schmälerung der von Sr. Majestät dem Kaiser Ihren östeneichischen und ungarischen Staaten gewährten constitu— tionellen Freiheiten erhalten habe, noch annehmen würde, sondern vielmehr durch meinen oben erwähnten Auftrag dahin zu wirken habe, daß der sen— bischen Nation die von Sr. Majestät dem Kaiser ausgesprochene Theilnahme und Gleichberechtigung an allen diesen constitutionellen Freiheiten eben so wie ihre früheren Privilegien gesichert werden, und sie im Sinne der prag— matischen Sanction ihren alten Verband mit der österreichischen Gesammi— Monarchie aufrecht erhalte.
„Mit dieser Erklärung weise ich zugleich alle in den ungarischen Blät— tern enthaltenen Zumuthungen einer gegen die geheiligte Krone und Ver— sassung dieses Königreichs gerichtete Tendenz der Militairgränze und die Beschuldigung zurück, jener sogenannten Kamarilla oder irgend einer ande— ren Partei durch den Mißbrauch der militgirischen Kraft dieser Truppen, die Jedermann als unmöglich einleuchtende Wiederherstellung früherer unhalt— barer Zustände, denen auch ich von Herzen widersage, vorzubereiten.
Karlowitz, am 18. (30.) September 18483.
Mayerhofer, Oberst.“
Frankreich.
om 20. Oktober. Anfang 121 Uhr. Präsident Maͤrrast An der Tages-Ordnung ist die Verfassungs - Debatte. Ehe dieselbe beginnt, bildet sich eine große Gruppe fast in der Mitte bes Saales, in deren Mittelpunkt man den Kriegs-Minister Lamoricihre in lebhaftem Gespräch erblickt. Es handelt sich un das neue Re⸗ krutirungs-Gesetz. Während dieser Scene tritt Cavaignac in den Saal. Er unterhält sich aufs freundlichste mit Thiers und dann mit Fayet, Bischof von Orlegns. Odilon. Barrot verlangt das Wort. Dupont (aus Bussac) betritt jedoch die Eribüne, um im Namen des 13ten Büreaus über die Wahlen auf Guadeloupe zu berichten. Perinon, Charles Daim, Loisy, Wallon und der bekannte Negerfreund Schölcher werden als Reprä— sentanten proklamirt. Odilon Barrot erhält nun das Wort, um im Namen des Verfassungs⸗Ausschusses über die Amendements zu berichten, die noch zu den Artikeln 74, 75 und 76 beantragt und noch nicht zur Diekussion gebracht worden waren. Alle diese Amen dements verlangen Selbstregierung für jede Dorf⸗Gemeinde. Der
National ⸗ Versammlung. Sitzung
923
Ausschuß trägt auf unbedingte Verwerfung derselben an. Lungau, Declongrals, Dabe aur und de LargY halten lange Vor— träge über die Notbwendigkeit, die von. Napoleon herstammende Alleinherrschaft von Paris in administrativer Hinsicht zu brechen, doch Sdilon Barrbt bekämpfte dieselben im Namen des Ver— en i g' g. Hier wurde die Debatte unterbrochen. Ma⸗ rie, Justiz⸗Minister, besteigt die Rednerbühne, um ein neues Gesetz gegen die periodische Presse vorzulegen. (Hört! hört Artikel 1. Im Falle von Preßvergehen oder Verbrechen, darf. der Untersuchungs⸗ richter die Confis cation anordnen. Artikel 2. Die Staate⸗Anwalt= schaft zieht den Berfasser u. s. w. vor die Assisen. Artikel 3 han= delt vom Urtelsmodus des Assisenhofes. Flocon fragt, ob sich die Regierung mit dieser Waffe begnügen wolle. Da sie in diesem Punkt Wort halte, möchte er w ssen, ob sie auch die Juni⸗Insurgenten be— gnadigen und nach Algier schicken, oder zurückkehren lassen werde.
erour (Pierre) legt eine Petition von 500 Insurgenten-Fa— milien auf den Tisch. (Zur Tagesordnung!) Nach Etledigung der Einsprache bei der Vorlegung des neuen Preßgesetzes und nach definitivem Votum über die amendirten Artikel 75, 76 und 77 der Verfassung kehrt die Versammlung zum Artikel 107 zurück, der von der Stellvertretung im Militairdienst handelt und den Charakter einer Kabinetsfrage anzunehmen droht. Der Artikel lautet: „Jeder Fran= zose, mit Ausnahme der im Gesetz festgestellten Fälle, hat im Heere und in der Nationalgarde in Person zu dienen. Die Stellvertre= tung ist untersagt“. Die Verfassungs -Kommission beantragt die Streichung der Worte „in Person“. De ville wundert sich, daß die Kommission diese Streichung verlange. Die Frage sei entschieden demokratisch. Er trägt darauf an, im Artikel 107 ausdrück—⸗ lich zu erklären: „Das Stellvertretungs-Wesen ist abge⸗ schafft“. Lamoriciere, Kriegsminister, trägt im Namen der Regierung darauf an, alle Diskussion des Stellvertretungs— Wesens bis zur Berathung der organischen Gesetze zu verschieben, die über das neue Rekrutengesetz zu entscheiden haben werden. Tas rochejaquelin protestirt dagegen. Er möchte dasselbe zur Beru— higung des flachen Landes sofort diskutirt wissen. Das Land sei sehr bewegt. (Ohh Thiers protestirt ebenfalls. Man werde doch dieser wichtigen Frage einige Stunden widmen können! Ein Ab—
schaffen der Stellvertretung würde die Armee vollständig aus den
Fugen bringen. (Oh! Oh) Dieselbe würde Frankreich ganz preußisch machen. Lam oriciere: Es solle ja über das Prinzip des Heeres selbst eine Diskussion nicht gehindert werden. Nur über
das Stellvertretungswesen möge man sein neues Rekrutirungsgesetz
erst abwarten. Vorläufig bestehe das alte noch, kraft dessen er bin—
nen heute und zwei Monaten noch 80 — 90,000 Mann unter die
Fahnen rufen werde. Morn ay, Schwiegersohn Sotult's, bekämpft
den Kriegsminister. Tourret, Ackerbau⸗Minister, erklärt, daß das
Ministerium keine Kabinetsfrage daraus mache. Die Versammlung
trennt sich um 7 Uhr.
Sitzung vom 21. Oktober. Anfang 1 Uhr. Präsident Mar— rast. In einzelnen Gruppen erzählt man sich, Lamorieière wolle sich in Folge des gestrigen Votums zurückziehen. An der Tagesordnung ist der Artikel 197 der Verfassung, bezüglich der Militairpflicht. Bourbousson schlägt vor, den Schlußsatz dahin zu ändern: „Die Art des Stellvertretungsrechts für die Armee soll durch ein Gesetz geregelt werden.“ Simiot liest ein langes Manuskript zu Gunsten des Antrages. Niemand hört darauf. Alles überläßt sich Privat gesprä⸗ chen. Thiers gegen die Abschaffung des Stellvertretungsrechts: „Bürger Repräsentanten! Ich besteige die Rebnerblhne, um die vorliegende Frage zu behandeln. Dies geschieht nicht, weil ich Ihr Votum für zwei⸗ felhaft halte, sondern weil ich es nothwendig halte, das Land über diese Frage zu beruhigen. (Ah!) Meine Ansicht datirt von lange und hat sich aus den Zuständen unserer Nachbarstaaten gebildet. Ich bitte Sie nur um ein wenig Aufmerksamkeit. Wir sind verschie dener Meinung; Alle sind mehr oder weniger demokratisch. Doch diese Verschiedenheit fällt gänzlich, wenn es sich um Größe des Vaterlan— des handelt. In diesem Falle müssen wir Alle einig, von gleichem Patriotismus beseelt sein. Meine Ansicht über die Militairmacht steht eben so fest, als über die Nothwendigkeit der Centralisation. Sollte ich daher im Verlauf meines Vortrages gegen Ihr Interesse verstoßen, so darf ich wohl auf Ihren Patriotismus rech— nen.“ Nach dieser Einleitungs⸗Verwahrung geht der Redner zur Sache über. Es handle sich um Berathung der Macht der Republik; er hofft, daß das Kabinet dieselbe Röcksicht beobachten werde, wie bisher, d. h. die Lösung der Frage rein der National -Versammlung überlassen. Man stelle das Loskaufungsrecht als dem Gleichheits⸗ prinzip widersprechend dar; er aber werde beweisen, daß dies nicht der Fall sei, sondern im Gegentheile die relative Gleichheit, an die er überhaupt nur glaube, bedinge. Ferner werde er beweisen, daß das Stellvertretungsrecht, statt zu desorganisiren, die Macht des Heeres im Gegentheile stärke. Diese beiden Punkte werde er erledigen. Nun folgte eine Darstellung der Militair-Aushebung seit Ursprung der stehenden Heere bis auf Napoleon. Von 1789 an habe alle Welt Soldat sein müssen, das Stellvertretungsrecht sei erst später aufge—⸗ kommen. „Ein junger Mann zieht sein Loos; derselbe ist schwächer lich und ungeschickt; er hat aber Geld und läßt sich vertreten. Nimmt er einen Schwächling? Nein, im Gegentheile einen gesunden, starken Ersatzmann. Also gewinnt der Staat; also statt zu schwä⸗ chen, stärkt das Stellvertretungsrecht die Militairmacht.“ Gegen die Freiheit und Gleichheit verstoße dasselbe ebenfalls nicht. Der Ersatz geschehe ja freiwillig, es sei ein Vertrag zwischen zwei völlig freien Kontrahenten. Ohne Stellvertretung wäre keine wissenschaftliche Lauf⸗ bahn mehr möglich! Man schreie über die Ungleichheit. Heiße das nicht aber die größte Tyrannei einführen, Jedermann unter den Sol⸗ datenrock zu zwingen? Jede absolute Pflicht sei Despotismus. Im alten Rom, bei den Barbaren, Arabern u. s. w. lasse sich so etwas begreifen, aber im civilisirten 19ten Jahrhundert unerhört. Man wolle das preußische System einführen und alle Welt militairisiren. Das sei gegen den französischen Charakter. Gut unterrichtete Offiziere seien die wahre Stärke eines Heeres. Die Losung habe zum Ruhme der fran⸗ zösischen Heere am meisten beigetragen. Selbst zu dieser Losung habe es schon schwer gehalten den Landmann zu führen. Ackerbau und Militair vertrügen sich einmal nicht. In der Vendée habe die allgemeine Militairpflicht zuerst die Fackel des Bürgerkrieges ange— zündet. Das Stellvertretungs-System sei ins Volksblut übergegan= gen, und wer sein Vaterland liebe, werde nicht ein neues an dessen Stelle setzen wollen. Diese Rede dauerte zwei Stunden. Die Sitzung wurde auf 20 Minuten aufgehoben, und dann besteigt La—⸗ moriciere die Rednerbühne. So glänzend Herr Thiers gesprochen, habe er doch keine seiner Ueberzeugungen erschüttert. Er vertheidigt nun sein System. Mit der ihm eigenthümlichen Schnelligkeit erklärt La⸗ moriciere, daß es durchaus nicht in seiner Absicht liege, das Vor— kaufsrecht absolut und plötzlich abzuschaffen. Aber er nebme keinen Anstand, zu erklären, daß, so lange dieses Recht bestehe, für die Re—= gierung keine Garantie im Heere liege. Dasselbe enthalte nicht we= niger als 20,000 Stellvertreter. Diese Leute seien disziplinunfähiger als alle Anderen. Die Sitten müßten sich ändern, um allgemeine Militairpflicht einzuführen, habe Thiers behauptet: „Wehe der Repu= blik“, entgegnet Lamoricidre, „wenn sich die Sitten nicht ändern! Frankreich hebt jährlich 3ö0, 000 Rekruten aus; 15 pCt. treten wirk=
lich unter die Fahnen, 5 pCt. sind dienstunsähig, 30 pCt. möchten sich vertreten lassen (Erstaunen), aber nur 15 pCt. haben die dazu nöthigen Gelder. Bies Mißverhältniß müsse auf⸗ hören; erbeantrage daher die Abstimmung über den Ar⸗ tifel 107, wie ihn der Verfassungs-Entwurf vorschlägt. Lebreton, General, tritt gegen die absolute Unterdrückung des Loskaufsrechts auf. Die Form, in welcher er diee that, rief einen großen Tumult hervor. Die Abschaffung des Stellvertretungsrechts sel außerdem ine Eigenthumsfrage, der Kriegsminister überschreite mit seiner Abschaffung die Gesetzlichkeit, wie er dies in anderen Fällen schon gethan habe... Lam orictäre heftig unterbrechend: Erklären Sie sich! Lebreton streitet sich noch eine Weile unter fürchterlichen Lärmen und verläßt dann die Nedner— bübne. Cavagignac kömmt dem Kriegsminister zu Hülfe, und sagt, daß Lamoricisre durch seine großen Vert ienste den ersten Platz statt seiner verdiente. Ein solcher Vorwurf, wie er gegen denselben erhoben worden, sei ungerecht. Lebreton tritt aber noch einmal gegen Lamoricière auf und eriegt einen fürchterlichen Skan— we. Lamoricire: „Ich verlange öffentliche Debatte.“ Diesem Verlangen wird jedoch nicht nachgegeben. Leydet, General, lobt das Loslaufsrecht. Die allgemeine Diskussion wird nun als geschlossen erklärt, und man schreitet zur Abstimmung. Die absolute Abschaffung des Loskaufsrechts wird mit 663 gegen 140 Stimmen verworfen. (Aufsehen.) Artikel 107 bis 112 werden dann rasch nach einander votirt und die Sitzung um 6 Uhr geschlossen.
Paris, 21. Okt. Am Schluß der gestrigen Sitzung der Na⸗ tional-Versammlung wurde von 563 unter 762 Stimmen der An⸗ trag des Kriegs⸗Ministers Lamorscière auf Verschiebung der Debatte über Abschaffung oder Aenderung des Militair-Stellvertretungswesens Artikel 107 der neuen Verfassung) verworfen. Lamoricisreis neues Rekrutirungsgesetz will zwar nicht ganz das preußische System ein— führen, indem es die Stellvertretungs-Befugniß für Reiche beibehält, aber es will den Geld-Ertrag dieses Handels in die Hände des Staats leiten und einen Fonds daraus bilden, aus welchem Prämien für alle diejenigen Soldaten gezahlt würden, die nach Ablauf ihrer Dienstzeit neue Dienste nähmen. (S. oben die weitere Entscheidung der National-Versammlung.)
Der Moniteur zeigt an, daß Sotomayor seine Papiere als spanischer Gesandter dem General Cavaignac überreicht habe.
Großbritanien und Irland. London, 20. Okt Graf Reventlow ist gestern nach Kopenhagen abgereist. Die Admi⸗ ralität hat demselben das Dampfschiff „Lightning“ zur Verfügung gestellt, und die Times bemerkt, daß dieser Besuch des dänischen Ge⸗ sandten durch die Unterhandlungen, welche noch immer über Erledi⸗ gung der schleswig⸗holsteinischen Frage schweben, nothwendig gewor- den ist.
In der vorgestrigen Sitzung des Gerichtshofes zu Clonmell wurde das Zeugenverhör gegen Meagher fortgesetzt. Dem Lord Lieutenant gehen noch immer Adressen aus verschiedenen Theilen Irlands zu Gunsten Smith O'Brien's zu. Wie die Stadt Dublin, so hat auch Cork petitionirt und dieselbe Antwort wie jene erhalten.
Die Ereignisse in Wien werden auch in den englischen Blättern besprochen. Die Times schreibt, die wahre Einsicht, das Eigenthum, die politische Ansicht derer, welche unter den Deutschen befähigt sind über öffentliche Verhältnisse zu urtheilen, müssen bei einer Wieder⸗ herstellung der Ordnung in Wien durch gesetzliche und entschiedene Maßregein stark betheiligt sein. Der Sieg der revolutionairen
Partei in Wien würde den Anfang eines neuen Zeitabschnittes für die Erschütterungen in Deutschland und selbst in den anderen Theilen von Europa bilden. Der älteste und bis jetzt der sicherste Thron des Festlandes kann nicht erschüttert werden, ohne jede Krone zweiten Ranges zu stürzen, und diese allgemeine Anarchie könnte nur in den furchtbarsten Kämpfen des Bürgerkrieges durch den Sieg einer Partei über die andere beendigt werden.
Die „Acadia“ überbringt New⸗Yorker Nachrichten vom 3. Okt., die Post ist jedoch unvollständig angekommen, da der zwi⸗ schen New⸗Nork und Boston fahrende Steamer unterwegs zusammen- gebrochen ist. Das wichtigste Ereigniß in den Vereinigten Staaten ist daß die beiden Parteien der Whigs sich für Taylor und Filmore als Kandidaten für die Präsidentschaft und Vicepräsidentschaft geeinigt haben, nachdem Clay sich entschieden geweigert hat, als Bewerber aufzutreten. — In Mexiko ist äußerlich Alles ruhig; den beabsichtig-⸗ ten Freischaarenzug, welchen eine Schaar amerikanischer Abenteurer unter dem Vorwande einer Büffeljagd gegen die Provinzen von Nord= Mexiko beabsichtigten, wird die Washingtoner Regierung mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln verhindern. Senator Benion hat an die Californier ein Schreiben gerichtet, in welchem er ihnen räth, auf eigene Hand „eine wohlfeile Regierung“ zu konstituiren, bis der Kon- greß für sie sorgen könne.
Um den Geldmarkt zu erleichtern, hat die washingtoner Regie⸗ rung beschlossen, 200, 000 Dollars Schatznoten zum Paripreise zu kaufen, was von der Handelswelt als eine große Wohltbat begrüßt wird. Der Baumwollenmarkt wenig verändert, die Preise in Folge der europäischen Nachrichten eher etwas niedriger; indeß find die In⸗ haber von Vorräthen geneigt, auf eine bessere Konjunktur zu warfen. Brodstoffe wenig verändert. Cours auf London 9 zu 9 mit gerin ger Nachfrage; Paris 5 Fr. 20 bis 25 C. 3
Belgien. Brüssel, 21. Okt. Der Moniteur bringt das Dekret, welches die Kammern auf den 6. November zusammenruft.
Italien. Neapel, 5. Okt. (D. 3.) Aus Palermo wird die An—⸗ kunft von zwei für Rechnung der sicilianischen Regternng in England er— bauten Dampf-Fregatten ersten Ranges (600 Pferdekraft) gemeldet. Zwei andere Fregatten gleicher Stärke, die noch im Bau begriffen sind, werden später folgen. ö
Hier sind zur Schlichtung der sicilianischen Angelegenheiten eigens ernannte französische Bevollmächtigte eingetroffen, und die Unterband— lungen sollen die Trennung der beiden Reiche, aber unter einer Krone, nämlich des jetzigen Königs, zur Basis baben. Diese Projefte dürf⸗ ten aber in Sicilien kaum Anklang finden, in Betracht der seit der Zerstörung Messina's auf einen unglaublichen Grad gesteigerten Er= bitterung. Das Parlament in Palermo bat jeden Sicilianer, der von Seiten der neapolitanischen Regierung in den unterworfenen Städten Messina und Melazzo irgend ein Amt annimmt, in Kon- tumaz zum Tode verurtheilt, worauf alle vom General Filangieri eingesetzten Autoritäten sich beeilten, ihre Stellen niederzulegen und Niemand anders solche anzunebmen sich getraute. Dagegen hat die biesige Regierung allen denjenigen in Neapel wobnbaften Sicilianern, welche wegen besonderer Verhältnisse oder in Folge von — — oder Bürgschaft von dem im verflossenen Sommer , . treibungsdekret eine Ausnabme erlangt batten, den , . zukommen lassen, unverzüglich das Königreich Nenhe Lac mnig, Bru=
Am Hofe foll die Stimmung trüb sein⸗ 2 — gegen die der der Königin, soll sich entschieden. = 0 Gr nigs, ausgespro⸗ Rückkehr des berüchtigten Cocle, Beichtva p
aben. J u blutigen Han- ben een ten Königl. Truppe, mmm eee ele dsnloseen deln getommen sein. Zur Bestreitung