Geldbuße bis zu 50 Thalern,
oder
Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen,
ort,, ger Züchtigung, an deren Stelle jetzt verhältnißmä⸗ hige Freiheit sstrafe tritt, . oder mit mehreren dieser Strafen zugleich bedroht sind, erfzlgt durch
kommissarisch dazu bestellte Einzelrichter mit Zuziehung eines Gerichts= ibers,
. Kompetenz der Einzelrichter tritt auch dann ein, wenn ne—
ben diesen Strafen zugleich auf Ehrenstrafen zu erkennen ist. —
Ausgeschlossen von der Zuständigkeit der Einzelrichter bleiben jedoch die Fälle, in welchen entweder zugleich auf Verlust von Aemtern, Titeln oder Würden oder des Rechtes zum selbstständigen Gewerbe⸗Betriebe zu erkennen ist, oder in welchen die Verurtheilung für den Verbrecher den Verlust von Ehrenrechten oder des Bürgerrechts nach den gesetzlichen Bestimmungen, unbedingt zur Folge hat.
r 28.
Die Geschäste des Staatsanwalts werden bei den Untersuchun⸗ gen dieser Art von Beamten verwaltet, welche der Regierungs-Prä—- sident nach Anhörung des Ober- Staatsanwalts kommissarisch hierzu ernennt, und über deren Amtsführung der Ober-Staatsanwalt die Aufsicht zu führen hat. Ueber Beschwerden, welche gegen diese Be⸗ amten wegen verweigerter Erhebung von Anklagen geführt werden, hat der Ober⸗Staaisanwalt zu entscheiden.
Im Uebꝛigen findet Alles, was über die Pflichten und Befug⸗ nisse der Staatsanwalte, über deren Verhältniß zu den Gerichten, so wie über die Noth wendigkeit ihrer Zuziehung bei der Verhand— lung vor dem erkennenden Richter, bestimmt ist, auch auf diese Poli⸗ zei⸗Anwalte Anwendung.
. Die Anklage kann schriftlich oder mündlich angebracht werden. §. 30.
Wird dem Richter beim Eingange der Anklage zugleich der An⸗ geklagte vorgeführt, und gesteht derselbe die ihm angeschuldigte That, oder sind die Beweismittel für die Anklage und Vertheidigung zur Hand, so hat der Richter in der Regel auf der Stelle die Unter⸗ suchung zu führen und das Urtheil zu fällen.
Ist der Angeklagte verhaftet, so muß dessen Vorführung beim Eingange der Anklage sofort geschehrn.
.
Kann im Falle des §. 39 das Urtheil nicht sogleich gefällt wer— den, der Angeklagte ist aber verhaftet, so muß derselbe sogleich über die zu seiner Vertheidigung dienenden Beweismittel vernommen und hierauf zum mündlichen Verfahren und zur Entschridung der Sache ein möglichst naher Termin anberaumt werden, zu welchem die bei- derseits über bestimmte Thatsachen vorgeschlagenen Zeugen vorzuladen sind, insosern der Richter die Umstände, über welche sie vorgeschlagen sind, für wesentlich erachtet.
37
Kann der Angeklagte nicht sofort vorgeführt werden, so ist der selbe zum mündlichen Verfahren durch eine schriftliche Verfügung vor— zuladen, welche die Thatsachen des ihm angeschuldigten Vergehens angeben und die Aufforderung enthalten muß:
zur sestgesetzten Stunde zu erscheinen und die zu seiner Vertheidigung dienenden Beweismittel mit zur Stelle zu bringen, oder solche dem Nichter so zeitig vor dem Termine anzuzeigen, daß sie noch zu demselben heibeigeschaffi wer den können. . Zugleich ist dem Angeklagten die Warnung zu stellen: daß im Falle seines Ausbleibens mit der Untersuchung und Entscheidung in kö verfahren werden solle⸗ §. 33.
Nur auf Grund bescheinigter erheblicher Hindernisse kann dem Antrage des Angeklagten auf Ansetzung eines neuen Termins statt— gegeben werden.
§. 34.
In dem Termine wird, nachdem die Anklage durch den Polizei Anwalt vorgetragen und der Angeklagte darüber vernommen worden, mit der Beweisaufnahme, so weit dies erforderlich ist, verfahren, der Polizei⸗Anwalt mit seinen Anträgen, so wie der Angeklagte mit sei⸗ ner Vertheidigung, gehört, sodann aber das Urtheil gefällt und mit Gründen verkündet.
Der Richter ist jedoch befugt, die Fällung des Urtheils auszu—
6
setzen und einen Termin zur Fortsetzung des Verfahrens zu bestimmen. 2 35
S. 35.
Erscheint der Angeklagte der gehörig erfolgten Vorladung ungeachtet in dem Termine nicht oder verweigert er in demselben, über die An⸗ klage sich zu erklären, so wird der Beweis aufgenommen und nach Anhörung des Polizei⸗Anwalts, so wie des für den Angeklagten etwa aufgetretenen Vertheidigers, das Urtheil gefällt und verkündet.
Dem ausgebliebenen Angeklagten ist das Urtheil in Ausfertigung zuzustellen.
§. 36.
Findet der Richter bei Beurtheilung der That des Angeklagten, daß solche ein Verbrechen enthält, dessen gesetz liche Strafe seine rich- terliche Kompetenz überschreitet, so hat er die Sache mittelst Be— schlusses an bas kompetente Gericht abzugeben.
Ueber Kompektenzstreitigkeiten hat das Gericht der höheren In— stanz zu entscheid en.
§. 37. . Ueber den Hergang im Termine wird von einem vereideten Ge richtsschreiber ein Protokoll aufgenommen, welches den wesentlichen Inhalt der Erklärungen des Polizei-Anwalts, des Angeklagten und der Zeugen entdalten muß, und in welchem zugleich das abgefaßte Urtheil mit dessen Gründen niederzuschreiben ist. Der Richter und der Gerichtsschreiber haben dieses Protokoll zu vollziehen. S. 38. Dit Uutersut 2. Bei Verbrechen. Die Untersuchung und die Entscheidung erster Ir mit Zuziehung eines Pen he ter f , ln e r n lei g e, , een drei Mitgliedern bestehen, in Ansehung ; . ) derjenigen im 8. 27 bezeichneten Vergehen, welche in der Schlußbestimmung desselben von der 1p ; ĩ ausgeschlossen , . Rompetenj der Cinzeirichter
2) derjenigen Verbrechen, welche in den Gesetzen mit l Geldbuße, deren höchstes Maß 50 Rthlr. übersteigt, oder
Freiheitestrafe, deren höchstes Maß sechs Wochen,
nicht drei Jahre übersteigt, 46 . oder
mit diesen beiden Strasen zugleich bedroht sind, auch wenn
sie noch außerdem den Verlust von Aemtern, Ehren- oder
anderen Rechten gesetzlich zur Folge haben; solcher Amtsverbrechen, welche entweder nur mit ,, d. Cassation und Unsähigkeits-Erklärung zu allen öffentlichen Aem- tern, oder zwar 9 außerdem mit Strafen bedroht sind, welche aber die zu 2 erwähnten Strafen nicht übersteigen;
3
34
renden Umständen begangenen und des ersten gewaltsamen
Hicbstahl⸗ . k .
In denjenigen Landestheilen, in welchen das Allgemeine Land— recht nicht Gesetzeekraft hat, entscheidet rücksichtlich der Kompetenz zu Nr. 1, 2, 3 das durch Gerichtsgebrauch hergebrachte Strafmaß, in hiernach zweifelhaften Fällen aber die Bestimmung des Allgemeinen Landrechts.
39
Zur förmlichen Eröffnung der Untersuchung gegen eine bestimmte Person ist erforderlich: ö.
15 eine vom Staats-Anwalt abzufassende Anklageschrift, welche ent=
halten muß: den Namen des Angeklagten, eine Darstellung der ihm zur Last gelegten That, die Beweismittel dasür, insbeson— dere die Namen der Belastungszeugen, deren Abhörung der Staals-⸗Anwalt verlangt, und die Bezeichnung des Verbrechens, dessen der Angekla te beschuldigt wird;
2) ein auf Grund dieser Anklageschrift die Eröffnung der Unter— suchung anordnender Beschluß der Gerichts⸗Abtheilung, in wel chem der Name des Angeklagten und das ihm angeschuldigte Verbrechen zu bezeichnen sind.
§. 40.
Die Berathung und Beschlußnahme der Gerichts ⸗-⸗Abtheilung darüber, ob auf die Anklage die Untersuchung zu eröffnen sei, erfolgt ohne Beisein des Staats⸗-Anwalts.
Erachtet das Gericht die Eröffnung der Untersuchung für nicht zulässig, so hat es in dem Beschlusse, wenn der Angeklagte verhaftet ist, zugleich dessen Freilassung zu verordnen.
Findet die Gerichté-Abtheilung die Sache noch nicht hinreichend vorbereitet, um über die förmliche Eröffnung der Untersuchung zu entscheiden, so hat sie die Punkte, in Ansehung deren es noch einer näheren Aufklärung bedarf, in dem abzufassenden Beschlusse zu be⸗— zeichnen und diesen Beschluß dem Staats⸗Anwalte zur Erledigung
n ; mitzutheilen.
8. 42.
Hält der Staats-Anwalt zur Begründung oder Vervollständigung der Anklage eine gerichtliche Voruntersuchung für nöthig, so hat auf seinen Antrag das Gericht einen , zu ernennen.
§. 43.
Der Uniersuchungerichttr hat bei der Voruntersuchung alle in der Kriminal-Ordnung für den Inquirenten gegebenen Vorschriften, insbesondere auch die Vorschrift wegen Zuziehung eines vereideten Protokollführers, zu beachten.
§. 44.
Der Zweck der Voruntersuchung ist: die Existenz und Natur des angezeigten Verbrechens, so wie die Person des Thäters und die zu seiner Ueberführung dienenden Beweismittel, so weit zu erforschen
und festzustellen, als dies zur Begründung einer Anklage und zur Vorbereitung der mündlichen Haupt- Untersuchung erforderlich er— scheint. Der Untersuchungsrichter hat daher seine Nachforschungen nicht weiter auszudehnen, als dieser Zweck es nothwendig macht. §. 45. 4 Die in der Voruntersuching vernommenen Zeugen sind durch den Untersuchungs-⸗Richter, wenn keine gesetlichen Gründe entgegen⸗ stehen (6. 22), zu vereidigen. §. 46.
men werden. Ist derselbe verhaftet, so muß seine Vernehmung stets ersolgen. §. 47.
Nach Abschließung der Voruntersuchung legt der Untersuchungs— Richter bie Akten dem Staats-Anwalte zur Stellung der nöthigen Anträge vor. Verfahrens an, so hat das Gericht hierüber zu befinden und, wenn es sich mit dem Antrage einverstanden erklärt, die Zurücklegung der Akten, auch sofern der Beschuldigte verhaftet ist, dessen Freilassung zu verfügen. Erachtet aber der Staats-Anwalt oder das Gericht die förm— liche Einleitung der Untersuchung für begründet, so hat der Staats⸗ Anwalt die Anklageschrift einzureichen, über welche alsdann die Ge— richts Abtheilung Beschluß faßt.
5
§. 48. Wird die Eröffnung der Untersuchung beschlossen, so hat die
ren zu bestimmen. §. 49. Ist der Angeklagte verhaftet, so wird ihm die Anklageschrift nebst dem Beschlusse vorgelesen, und er wird darüber vernommen; ob und welche Beweismittel zu seiner Vertheidigung er her— beigeschafft, insbesondere, welche Zeugen er vorgeladen zu sehen verlange. Kann der Angeklagte sich hierüber nicht auf der Stelle erkären, so ist ihm dazu eine angemessene Frist jr bestimmen. §. 50. Steht dem verhafteten Angeklagten ein Vertheidiger zur Seite, so ist dieser eine Abschrift der Anklage und des Beschlusses zu for⸗ dern berechtigt. 6 Li. Ist der Angeklagte nicht verhaftet, so wird derselbe unter Mittheilung einer Abschrift der Anklageschrift und des Beschlusses nach §. 32 schriftlich vorgeladen. . §. 52.
Als Zeugen werden, ohne Rücksicht darauf, ob sie schon in der Voruntersuchung vernommen sind oder nicht, alle diejenigen vorgela⸗ den, deren Abhörung der Staats⸗Anwalt oder das Gericht für er⸗ forderlich erachtet oder der Angellagte verlangt, insofein das Gericht bie Umstände, über welche die Abhörung der Zeugen beantragt ist, wesentlich findet. Zu diesem Zwecke müssen die Thatsachen ganz be⸗ stimmt angeführt werden. 9 Dem Staats-Anwalte und dem Angeklagten sind die nen Zeugen namhaft zu machen. .
§. 53.
In der Zwischenzeit bis zum Termine ist dem verhafteten Ange⸗ klagten, sofern er einen Vertheidiger besitzt, verstattet, sich mit dem= selben zu besprechen, und zwar ohne Beisein einer Gerichteperson, wenn der Vertheidiger ein in Eid und Pflicht stehender Justizbeam—
ter ist. §. 54.
Die Leitung der mündlichen Verhandlung, insbesendere das Ver⸗
Krrinrs Ang legten und d üßrt dem Vorsißenden der Drrichle· Abtei eng und der Zeugen, gebühr siß
vorgelade⸗
Di . §. 66. ie schon in der Voruntersuchung eidlich vernommenen Zeugen
werden bei ihrer nochmaligen Abhöru i n. dern auf den geleisteten ö , G
4) des zweiten und dritten großen gemeinen, oder unter erschwe—
. . S. 56. Erscheint der gehörig vorgeladene Angeklagte in dem Termine
Auch der Beschuldigte kann in der Voruntersuchung, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhältnisses zweckmäßig erscheint, vernom—
Trägt der Staats-Anwalt hierbei auf Einstellung des weiteren
Gerichts- Abtheilung zugleich einen Termin zum mündlichen Verfah—
nicht, so kann das Gericht, wenn dasselbe aus besonderen Gründen die Anwendung des Kontumazial-Verfahrens nicht für angemessen hält, unter Vertagung der Sache zu einem anderen Termine die Vor—⸗ führung oder Verhaftung des Angeklagten anordnen.
§. 57.
Die Berathung der Gerichts-Abtheilnug über das Urtheil er— folgt ohne Beisein anderer Personen. .
. S. 58.
Findet das Gericht bei Beurtheilung der That des Angeklagten, daß solche ein Verbrechen geringerer Art enthält, als derjenigen, welche seiner Kompetenz zunächst überwiesen ist, so hat dasselbe den⸗ noch das Urtheil zu fällen.
; S. 59.
Kann die Berathung nicht an emselben Tage beendet oder das Urtheil mit den Gründen nicht sogleich abgefaßt werden, so hat das Gericht zur Verkündung des Urtheils einen neuen Termin zu bestim—⸗ men, welcher jedoch nicht über acht Tage hinausgeschoben werden darf.
S. 60. 3. Bei schweren Verbrechen. Die Untersuchung und Entscheidung in Ansehung 1) derjenigen Verbrechen, welche in den Gesetzen mit einer härte— ren als dreijährigen Freiheitsstrafe bedroht sind, und welche nicht zu den im §. 38 bezeichneten gehören, 2) der politischen und Preß-Verbrechen, soll vor einem aus fünf Richtern und einem Gerichtsschreiber beste⸗ henden Gerichte, unter Zuziehung von Geschworenen, als beisitzenden Richtern, erfolgen. Den Vorsitzenden dieses Gerichts ernennt der Erste Präsident des Appellationsgerichts und kann hierzu auch eines der Meglieder desselben auswählen. S. 6
Als politische Verbrechen im Sinne dieses Gesetzes gelten die im Allgemeinen Landrechte Thl. II. Tit. 20. Abschnitt 2 bis Ab⸗ schnitt 5 einschließlich aufgeführten Verbrechen. In denjenigen Lan- destheilen, in welchen das Allgemeine Landrecht nicht Gesetz ekraft hat, entscheiden die in den landrechtlichen Abschnitten aufgeführten Gattungen von Verbrechen und in zweifelhaften Fällen die Bestim- mungen des Allgemeinen Landrechts.
Als politische Verbrechen sind jedoch nicht anzusehen die in den 8§. 5, 157 bis 160, 166, 180 bis 195, 2097 bis 213 gedachten Gesetzes-Uebertretungen; desgleichen gehören nicht hierher diejenigen durch die Presse verübten Vergehen, bei welchen die Bestrafung von dem Antrage einer Privatperson bedingt ist oder die Strafe nur in den durch das Gesetz vom 17. März 1818 (Gesetz Sammlung S,. 69) 5. 6 angedrohten Geldbußen besteht.
. Von den Schwurgerichten. §. 62.
Bildung der Geschworenenlisten.
Zum Geschworenen kann nur berusen werden: wer die Eigenschaft eines Preußen bisitzt, 30 Jahre alt ist, im Vollgenusse der bürgerlichen Rechte sich befindet, le⸗ sen und schreiben kann, und wenigstens ein Jahr in der Gemeinde, in welcher er sich aufhält, seinen Wohnsitz hat.
§. 63.
Zu Geschworenen können nicht berufen werden:
1) die Minister und Unter- Staats⸗Secretaire,
2) die richterlichen Beamten, die Staats-Anwalte und deren Gehülfen,
3) die Regierungs⸗Präsidenten, Provinzial⸗Steuer⸗Direktoren, Landräthe, Polizei⸗Präsidenten, Polizei-Direftoren,
4) die im aktiven Dienste besindlichen Militairpersonen,
5) die Religionsdiener aller Konfessionen,
6) die Elementar⸗Schullehrer,
7) Dienstboten,
8) diejenigen, welche 70 Jahre alt sind,
9) diejenigen, welche nicht wenigstens jährlich 18 Rthlr. an Klassensteuer oder 20 Rthlr. an Grundsteuer (ausschließlich der Beischlägt) oder 24 Rthlr. an Geweibesteuer ent⸗ richten,
oder unter Voraussetzung des Bestehens einer dieser Arten der Be—
steuerung nach ihren Verhältnissen zu entrichten haben würden.
Ohne Rücsicht auf den zu 9 erwähnten Steuersatz sind jedoch wählbar zu Geschworenen: die Rechts —Anwalte und Notarien, die Professoren, die approbirten Aerzte und diejenigen Beamten, welche entweder ven Uns unmittelbar ernannt sind oder ein Einkommen von wenigstens 500 Rthlrn. jährlich beziehen und nicht zu den oben aus⸗ geschlossenen Kategoricen gehören. ö
S. 64.
Für jeden landräthlichen Kreis wind alljährlich im Monat Sep⸗ tember durch den Landrath, und für jede Stadt, welche zu keinem landräthlichen Kreise gehört, durch den Magistrat, und da, wo kein Magistrats Kollegium besteht, durch den Vorstand der Gemeinde Ver⸗ waltung, eine Urliste angelegt, welche nach Vor⸗ und Zunamen, Stand, Alter und Wohnort in alphabetischer Ordnung und unter fortlaufenden Nummern diejenigen Personen enthält, welche zu Ge— schworenen berufen werden ö .
0.4.
Die Urliste muß an einem öffentlich bekannt zu machenden Orte drei Tage lang zu Jedermanns Einsicht offen gelegt werden. .
Behauptet Jemand, ohne Grund übergangen oder ohne Berück⸗ sichtigung des Befreiungsgrundes eingetragen zu sein, so hat er seine Einwendungen binnen der dreitägigen Frist zu Protokoll anzumelden.
Erachtet die Behörde, welcher die Ausstellung der Liste oblag, die Einwendungen für begründet, so eifolgt die nachträgliche Eintra= gung oder Löschung binnen drei Tagen nach Ablauf der dreitägigen
Einwendungsfrist. ; §. 66.
Die abgeschlossenen Urlisten werden vom Kreis- Landrathe, in großen Städten, welche zu keintm landräthlichen Kreise gehören, von dem Vorsteher der Gemeinde⸗Verwaltung, gesammelt und dem Prä⸗ sidenten der Regierung, in, deren Bezirke sie aufgenommen sind, eingesendet, welcher sie desinitiv feststellt und daraus für jeden Schwur⸗ gerichtsbezirk eine besondere Jahresliste derjenigen von ihm auszu- wählenden Personen aus diesem Bezirke anfertigt, welche, er zur Function als Geschworene für das bevorstehende Geschäftsjahr ge⸗ eignet erachtet. J
Außerdem wird von ihm eine Liste von geeigneten Ergänzungs- Geschworenen aus den Personen zusammengestellt, welche am Sitze des Schwurgerichts oder in dessen nächster Umgebung wohnen, und deren Zahl von ihm nach seinem Ermessen zu bestimmen ist.
Liegt ein Schwurgerichtsbezirk in mehreren Regierungs⸗Deßar⸗ tements, so entscheidet der Sitz des Schwurgerichts darüber, welchem Regierungs-Präsidenten die Urlisten einzusenden sind und die Auf⸗ stellung der Geschworenen-Listen .
§. 67. Vierzehn Tage vor dem Beginn jeder Sitzungs-Periode des be⸗ Erste Beilage
a“ 86 6.
treffenden Schwurgerichts sendet der Regierungs- Präsident ein Ver⸗
zeichniß von 60 aus der Jahres-Liste herausgezogenen Personen an
das am Sitze des Schwurgerichts befindliche Gericht. Die Ergän⸗
zungs-Liste wird dem Gerichte vor dem Anfange des Geschäftsjahres
zum Gebrauche während des Laufes desselben besonders übersendet. S. 68.
Der mit dem Vorsttze bei dem Schwurgerichte beauftragte rich⸗ terliche Beamte reduzirt jene Anzahl von 60 durch Auswahl der nach seinem Ermessen geeigneten Personen auf 36. Diese 36 Per⸗ sonen sind zu Geschworenen bei dem Schwurgerichte für die betref⸗ fende Sitzungs-Periode berufen.
Wer demzufolge als Geschworener an den Verhandlungen des Schwurgerichts Theil genommen hat, darf ohne seine Einwilligung während eines Jahres nicht . werden.
S. 69.
Die Termine zur Abhaltung der Schwurgerichts⸗Sitzungen sind von den betreffenden Gerichten nach dem Umfange der Geschaͤfte fest— zusetzen und bekannt zu machen. ;
§. 70.
Das Appellationsgericht hat die Befugniß, auf Antrag des Staats⸗ anwalts die Abhaltung des Schwurgerichts einem anderen Gerichte aufzutragen, wenn von der Verhandlung der Sache vor dem zustän— digen Gerichte eine Störung der öffentlichen Ordnung zu befürch— ten steht. J
i 71.
Die ausgewählten 36 Geschworenen werden von dem betreffen ö. . auf den zur Eröffnung der Sitzung festgesetzten Tag geladen.
—9
.
Der Gerichtshof entscheidet nach Vernehmung des Staats⸗An⸗ walts in öffentlicher Sitzung über die Entschuldigungsgründe der⸗ jenigen Geschworenen, welche entweder nicht erschienen sind oder ihre Entlassungsgesuche bei Eröffnung oder während der Dauer der Gerichtssitzung vorbringen.
Geschworene, welche ohne genügend befundene Entschuldigung nicht erscheinen oder sich entfernen, werden, nachdem sie verantwortlich gehört worden, in eine Geldstrafe bis zu 100 Rthlrn.ͥ, im Wieder holungsfalle in eine Geldstrafe bis zu 200 Rthlrn. genommen, und es findet gegen eine solche Strafverfügung innerhalb einer 10tägigen präklusivischen Frist nur Beschwerde bei dem Appellationsgerichte statt.
8 5
Sind beim Beginne der Verhandlung einer Sache, in Folge des Nichterscheinens einzelner Geschworenen oder der ihnen ertheilten Entlassung oder Beurlaubung, weniger als 30 Geschworene vorhan⸗ den, so wird von dem Vorsitzenden des Gerichts die Zahl der Ge— schworenen aus der Ergänzungsliste durch das Loos auf I6 ergänzt.
Die Ergänzungs-Geschworenen müssen der Ladung des Vor⸗ sitzenden bei Vermeidung der im §. 72 bestimmten Strafe unverzüg— lich Folge leisten.
§. 74.
Geschworene, welche weiter als eine Meile von dem Orte des Gerichts entfernt ihren Wohnsitz haben, erhalten, wenn sie es ver⸗ langen, für jede Meile der Hin- und der Herreise 8 Silbergroschen Reise⸗Entschädigung; Diäten werden ihnen nicht gezahlt.
—
8. 75. Eröffnung der Untersuchung
Bei politischen und Preßverbrechen, welche in den Gesetzen mit keiner höheren, als der im 5. 38 bezeichneten Strafe bedroht sind, kommen rücksichtlich der Eröffnung der Untersuchung die §§. 39 bis 47 einschließlich zur Anwendung. Wird die Eröffnung der Un— tersuchung beschlossen, so sind die zeitherigen Verhandlungen an das kompetente Schwurgericht und den diesem zugeordneten Staatsan— walt abzugeben.
In allen anderen Fällen muß dem mündlichen Verfahren vor den Geschworenen stets eine gerichtliche Voruntersuchung vorhergehen, in welcher der Angeklagte zu hören ist.
. 3 Beantragt der Staatsanwalt nach dem Schlusse der Vorunter—⸗ suchung, den Beschuldigten in den Anklagestand zu versetzen, so ist über diesen Antrag von einer aus drei Mitgliedern bestehen- den Abtheilung des kompetenten Gerichts zu befinden.
8
Hält jene Gerichtsdeputation eine Ergänzung der Voruntersu⸗ chung für nothwendig, so beauftragt sie hiermit den Untersuchunge⸗ richter, welcher nach Erledigung des Auftrags die Akten wiederum dem Staatsanwalte vorzulegen hat.
85
Erklärt sie sich für die Versetzung in den Anklagestand, so sind die Verhandlungen dem Appellations-Gerichte einzureichen, dessen aus fünf Mitgliedern bestehende Abtheilung, für Strafsachen nach Anhö⸗ rung des Ober⸗-Staatsanwalts definitiv über die Versetzung in den Anklagestand durch einen Beschluß entscheidet. Nach Maßgabe dieses Beschlusses, welcher zugleich die Verweisung der Sache vor ein be⸗ stimmtes Schwurgericht anordnet, hat der Ober⸗ Staatsanwalt binnen einer, der Regel nach auf nicht länger als acht Tage zu bestimmen⸗ den Frist die förmliche Anklageschrift anzufertigen, welche dem zur Abhaltung des Schwurgerichts kompetenten Gerichte und dessen Staats⸗ anwalte zu übersenden ist.
§. 79. Hauptverfahren. ) Vorladung und Kontumazialverfahren.
Zu dem Hauptverfahren vor den Geschworenen ist der nicht verhaftete ngk nh unter Mittheilung einer Abschrift der Anklage⸗ schrift und des im §. 78 erwähnten Beschlusses durch eine schriftliche Verfügung vorzuladen, welche die Aufforderung enthalten muß:
zur festgesetzten Stunde zu erscheinen und die zu seiner Ver⸗ sheidigung dienenden Beweismittel mit zur Stelle zu bringen oder solche dem Richter so zeitig vor dem Termine anzuzei⸗ gen, daß sie noch zu demselben herbeigeschafft werden können. Zugleich ist dem Angeklagten die Warnung zu stellen, — daß im Falle seines Ausbleibens mit der Entscheidung in contumaciam verfahren werden solle. .
Zwischen der Behändigung der Vorlabung und dem Termine muß eine Frist von mindestens acht Tagen, liegen, es sei denn, daß der Beschuldigte selbst auf . dꝛis verzichtet.
Erscheint der gehörig voꝛ geladene Angeklagte in dem Termine nicht, so ergeht, nachdem der Staats Anwalt gehört worden, ein Kon⸗ tumazial⸗Urtel, welches der Gerichtshof ohne Mitwirkung der Ge—
schworenen erläßt. 969 Erhebt der Verurtheilte innerhalb drei Tagen, nachdem ihm das
Erste Beilage zum Preußi
35
schen Staats-Anzeiger.
Sonnabend d. 6. Jan.
Kontumazial⸗Erkenntniß behändigt worden, Einspruch gegen dasselbe bei dem Gerichte, welches erkannt hat, so wird das Urtel als nicht ergangen erachtet, und die Sache gelangt zur abermallgen Verhand⸗ lung an das Schwurgericht.
Gegen das demnächst ergehende Urtel findet ein abermaliger Einspruch nicht statt.
8. 82.
Dem Angeklagten ist am Tage vor der Verhandlung der Sache ein Verzeichniß zuzustellen, welches Namen, Stand und Wohnort der⸗ jenigen Geschworenen enthalten muß, aus welchen das Schwurge⸗ richt für seine Sache genommen werden soll.
Sind am Tage der Verhandlung weniger als 30 Geschworene vorhanden, und mässen deshalb Ergänzungs- Geschworene berufen werden, so ist eine Bekanntmachung der Namen dieser Ergänzungs⸗ Geschworenen an den Angeklagten nothwendig, wenn er bei deren Auslosung nicht selbst gegenwärtig war.
§. 83. b) Bildung des Schwurgerichts.
Die Bildung des Schwurgerichts für jede Sache erfolgt an dem Tage, an welchem sie verhandelt werden soll, in öffentlicher Sitzung, in welcher der Vorsitzende des Gerichts, der Gerichtsschrei= ber und der Staats-Anwalt oder ein Bertreter desselben zugegen
sein müssen. §. 84.
Erheben sich über die Bildung des Schwurgerichts Streitigkei⸗ ten, so müssen die übrigen Richter der Abtheilung zugezogen werden, und es kann ohne deren Mitwirkung eine Entscheidung nicht ergehen.
8
Die Namen der Geschworenen werden in Gegenwart des An⸗ geklagten, welcher sich des Beistandes seines Vertheidigers bedienen kann, aufgerufen.
Der Name eines jeden Geschworenen, welcher auf den Aufruf antwortet, wird von dem Gerichtsschreiber in eine Urne gelegt, aus welcher die Namen auszuloosen sind.
§. 86. Die Ziehung der Namen aus der Urne erfelgt durch den Vor—
re:!
ö
Das Schwurgericht für den einzelnen Fall ist in dem Augen⸗ blicke gebildet, wo die Namen von 12 nicht abgelehnten Geschwore⸗ nen aus der Urne gezogen sind.
§. 88.
Das Recht zur Ablehnung erlischt jedenfalls, sobald nur noch
12 nicht abzelehnte Namen sich in der Loos⸗Urne befinden. §. 89.
Die Anführung von Gründen für die Ablehnung ist nicht er- forderlich.
§. 90.
Die Hälfte der Gesammtzahl der Ablehnungen steht der Staats- Anwaltschaft, die andere Hälfte dem Angeklagten oder, wenn in einer und derselben Sache deren mehrere sind, Allen zu.
8.
Ist die Gesammtzahl eine ungerade, so steht der Staats -An—
waltschaft eine Ablehnung weniger u, als dem Angeklagten. ö.
Sind bei einer und derselben Sache mehrere Angeklagte bethei⸗ ligt, so haben sie sich über eine gemeinschaftliche Ausübung des Ab— lehnungsrechts zu einigen.
. §. 93.
Das Schwurgericht für die Sache muß aus zwölf Personen,
bei Strafe der Nichtigkeit, ,,
Der Gerichtshof kann verordnen, daß außer den 12 Geschwo⸗ renen noch einer ober mehrere in der durch das Loos bestimmten Reihenfolge zugezogen werden sollen, welche den Verhandlungen als stellvertretende Geschworene für den Fall beizuwohnen haben, daß es einem der Geschworenen unmöglich werden sollte, bis zum Schlusse der Verhandlung anwesend zu bleiben.
§. 96.
Niemand kann in einer Sache Geschworener sein, in welcher er als Zeuge, Dolmetscher, Sachverständiger oder Polizei⸗Beamter thä— tig gewesen ist oder sonst nach allgemeinen gesetzlichen Vorschriften als Richter nicht würde mitwirken können, bei Strafe der Nich⸗ tigkeit.
S. 96.
Die Mitglieder des gebildeten Schwurgerichts nehmen in der
durch das Loos bestimmten Ordnung ihre Sitze ein. §. 977. Vor dem Beginn der Verhandlung muß der Vorsttzende des Gerichtshofes die Geschworenen mit den Worten: „Sie schwören und geloben vor Gott und den Menschen, in der Anklagesache gegen N. Sich den Pflichten Ihres Berufes als Geschworene mit Gewissenhaftigkeit, Festigkeit und Treue zu widmen und unparteiisch, Niemandem zu Liebe und Niemandem zu Leide, einen gewissenhaften Spruch zu fällen zwischen dem Angeklagten und dem Gesetze, dem Sie Geltung verschaffen sollen“,
als Geschworene verpflichten, und die Geschworenen übernehmen diese
Verpflichtung mit den Eidesworten: „ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe“,
indem sie die rechte Hand erheben.
S. 98. c. Verhandlung der Sache vor dem Schwurgerichte.
Die Verhandlung der Sache betzinnt mit Verlesung der Ankla— geschrift durch den Gerichtsschreiber.
Der Vorsitzende des Gerichts befragt den Angeklagten:
ob er sich schuldig bekenne oder nicht schuldig sei? Bekennt er sich schuldig und waltet gegen die Richtigkeit des Be⸗ kenntnisses kein Bedenken ob, so faßt das Gericht das Urtel sofort ohne Zuziehung von Geschworenen ab.
Anderen Falls beginnt die Untersuchung und Verhandlung der Sache vor den Geschworenen.
Die Leitung der Verhandlung, insbesondere das Verhör des Angeklagten und der Zeugen, gebührt dem Vorsitzenden des Ge⸗ richts. Dieser muß dem Staatsanwalte und kann dem Angeklagten oder 6 Vertheidiger, so wie den Geschworenen, gestatten, Fragen, welche sie zur Aufklaͤrung der Sache für angemessen erachten, un= mittelbar an die Betheiligten zu richten.
8 96.
Ueber den Hergang im Termine wird von dem Gerichtsschreiber ein Protokoll aufgenommen, welches die Namen der Richter und Ge⸗ schworenen, so wie den wesentlichen Inhalt der Erklärungen des Staatsanwalts, des Angeklagten und der Zeugen, enthalten muß, und in welchem zugleich das abgefaßte Urtel niederzuschreiben ist.
Dieses Protokoll wid am Schlusse von dem Vorsitzenden des Gerichts und dem Gerichtsschreiber unterzeichnet.
Die Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nicht anders, als durch das Protokoll bewiesen werden.
§. 100.
An die Verhandlung mit den Angeklagten und den Zeugen schließt sich die Ausführung des Staatsanwalts und des Vertheidigers über die Thatfrage. Der Vorsitzende muß sodann den Hergang und das Resultat der Beweisaufnahme in einer kurzen Darstellung zusam⸗ menfassen, auf gesetzliche Vorschriften, welche bei Beurtheilung der Thatfrage etwa in Betracht kommen, aufmerksam machen, schließlich aber die von den Geschworenen zu beantwortenden Fragen und zwar so stellen, daß sie mit: Ja oder Nein sich beantworten lassen.
§. 101. Die Frage beginnt mit den Worten: „Ist der Angeklagte schuldig?“ und muß alle thatsächlichen Merkmale des Verbrechens enthalten, wegen dessen die Anklage ausgesprochen worden ist. .
Sind in der Verhandlung erschwerende Umstände hervorgetre⸗ ten, deren in der Anklage keine Erwähnung geschehen ist, so stellt der Vorsitzende die zusätzliche Frage:
„Hat der Angeklagte die That mit diesem oder jenem Um⸗ stande begangen?“ k
Wegen der Thatsachen, welche die Verhängung einer Strafe ausschließen oder die Anwendung einer milderen Strafe nach aus⸗ drücklicher gesetzlicher Vorschrift begründen, ist geeignetenfalls eine besondere Frage zu stellen.
Die Frage über die Zurechnungsfähigkeit wird von den Ge⸗ schworenen bei dem Ausspruche über das Schuldig entschieden.
§. 1094.
Der Vorsitzende verliest die gestellten Fragen, bei Strafe, der Nichtigkeit. Werden gegen dieselben von der Staats⸗Anwaltschaft oder dem Angeklagten Erinnerungen vorgebracht, so entscheidet der Gerichtshof.
§. 105.
Der Vorsitzende muß den Geschworenen, bei Strafe der Nich⸗ tigkeit, bemerklich machen, daß, wenn sie mit einer Mehrheit von nur sieben Stimmen den Angeklagten der That oder der die That beglei⸗ tenden erschwerenden Umstände für schuldig erklären sollten, sie dies bei Abgabe ihrer Erklärung ausdrücklich anzuzeigen haben, daß es aber zur Annahme von Umständen, welche nach Vorschrift der Ge⸗ setze die Strafbarkeit mildern, nur der Stimmen von sechs Geschwo⸗ renen bedürfe (5§. 111).
§. 106.
Der Vorsitzende übergiebt die schriftlich abgefaßten Fragen den Geschworenen und läßt den Angeklagten aus dem Sitzungssaale ab⸗ führen.
§. 107.
Die Geschworenen begeben sich in ihr Berathungszimmer und wählen daselbst durch Stimmenmehrheit ihren Vorsteher, welcher die Berathung leitet und deren Resultat verkündet.
§. 108.
Die Geschworenen dürfen das Berathungszimmer nicht verlas⸗ sen, bevor sie ihren Ausspruch beschlossen haben.
Niemand darf in das Berathungszimmer eintreten, ohne eine schriftliche Ermächtigung des Vorsitzenden des Gerichts, welcher den Befehl zu ertheilen hat, daß der Eingang zu dem Zimmer bewacht werde.
S. 109.
Der Vorsteher der Geschworenen befragt sie nach der Ordnung, in welcher die Fragen gestellt sind, und jeder Geschworene antwortet wie folgt:
1) Ist der Geschworene der Ansicht, daß die That nicht bewiesen oder der Angeklagte derselben nicht überführt sei, so erklärt er:
Nein, der Angeklagte ist nicht schuldig.
96 diesem Falle hat der Geschworene nichts weiter zu beant-
worten.
2) Ist er der Meinung, daß der Angeklagte der That mit den in der Frage enthaltenen Umständen (88. 102 und 103) schuldig sei, so antwortet er:
Ja, der Angeklagte ist schuldig mit den in der Frage ent⸗ haltenen Umständen.
3) Ist er der Meinung, daß der Angeklagte der That schuldig, aber daß keiner jener besonderen Umstände erwiesen sei, so ant= wortet er:
Ja, der Angeklagte ist schuldig, aber keiner der besonderen Umstände ist erwiesen.
4) Ist er der Meinung, daß der Angeklagte der That schuldig, daß aber nur einzelne der Umstände erwiesen seien, so er⸗ klärt er:
Ja, der Angeklagte ist schuldig, die That mit dem und dem Umstande begangen zu haben, aber der oder die übri⸗ gen Umstände sind nicht erwiesen.
S. 110.
Bei der Beurtheilung der Schuld oder Nichtschuld hat jeder Geschworene unter genauer Prüfung aller Beweise für die Anklage und Vertheidigung nach seiner freien, aus dem Inbegriffe der vor ihm erfolgten Verhandlungen geschöpften gewissenhaften Ueberzeu⸗ gung zu entscheiden:
ob der Angeklagte schuldig oder nicht schuld ig sei. 8e 4
Die Entscheidung erfolgt nach Mehrheit der Stimmen.
Ist jedoch das Schuldig rücksichtlich der That oder der die That begleitenden erschwerenden Umstände nur durch eine Mehrheit von sieben Stimmen gegen fünf ausgesprochen, so tritt das Gericht selbst in Berathung und eutscheidet nach Mehrheit der Stimmen über den von den Geschworenen nur mit einfacher Mehrheit festgestell⸗
ten Punkt. Zur Annahme solcher Umstände, welche nach ausdrücklicher Vor-
schrift der Gesetze die Strafbarkeit mildern; ist es genügend, wenn sechs Geschworene sich für das Vorhandensein derselben aus⸗
sprechen. 8 11 Nachdem die Geschworenen ihren Aus spruch beschlossen haben