1849 / 354 p. 4 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

behufs Herbeiführung einer Vereinbarung der deutschen . gierungen über die Verfassungs- Angelegenheit von Berlin aus an denselben ergangen ist und welche der, den preußischen Ständen dieserhalb gemachten bekannten Eröffnung genau entspricht. ö.

Wir haben bereits vor Empfang dieser Mittheilung den Herrn Gesandten von der Bereitwilligkeit der Regierung in Kenntniß ge⸗ setzt, an einer desfallsigen Verständigung Theil zu nehmen und der hierunter gegenwärtig vorliegenden Einladung, die auch an den K. K. österreichischen Hof ergangen sein wird, wird daher von hieraus bereitwillig Folge gegeben werden. : . .

Man glaubt hiestgerseits dabei voraussetzen zu dürfen, daß die

Königlich preußische Regierung den nach Frankfurt eingeladenen Be⸗ vollmächtigten der übrigen deutschen Bundes⸗Regierungen mit be⸗ stimmten Vorschlägen über die zu vereinbarende Verfassung entge⸗ genkommen werde. . Die von der preußischen Regierung ausgesprochene Ueberzeu⸗ gung aber, daß eine definitive Erklärung über die deutsche Sache schon binnen längstens 14 Tagen werde abgegeben werden können, so wie der geäußerte Wunsch, in Frankfurt solche Bevollmächtigte bestellt zu sehen, welche bindende Erklärungen abzugeben im Stande seien, macht eine nähere Kenntniß der von Preußen dabei gehegten Absichten allhier um so wünschenswerther, da diese aus der ergan genen Mittheilung, insbesondere aus den in dieser hervorgehobenen Erklärungspunkten mit hinlänglicher Sicherheit nicht haben entnom men werden können.

Zur möglichst baldigen Herbeischaffung der vermißten Auf— schlüffe wünschen Wir daher, daß der Herr Gesandte sich unver⸗ züglich im Wege vertraulicher Verhandlung mit dem Königlich preußischeu Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten in Com⸗ munication setze, um dieserhalb das Nöthige in Erfahrung zu bringen.

In Beziehung auf die zuvörderst gewünschte Erklärung „über den Beitritt zum Bundesstaat und die Bedingungen, unter denen er stattfindet“, ist vor Allem nothwendig, zu wissen, was dort unter dem „Bundesstaat“ verstanden wird; ob man dabei vorzugsweise eine Vereinigung der sämmtlichen deutschen Bundesstaaten, welche durch die „noch bestehenden Bundes -Verhältnisse“ mit einander verknüpft sind, oder einen engeren Verein vor Augen hat, wie er sich bilden könnte, wenn auch nur ein Theil jener Staaten mit ein⸗ ander in einer derartigen Gemeinschaft bliebe.

Man glaubt, auf eine Klarstellung dieses Punktes hiesigerseits ein besonderes Gewicht um deswillen legen zu müssen, weil davon eine Erklärung Über die beiden anderen Punkte wesentlich abhängt.

Vorzugsweise wird unter dem neu zu bildenden Bundes staate zwar eine Vereinigung der sämmtlichen deutschen Regierungen ver⸗ standen sein; theils weil ein engerer Verband die im Interesse der Einheit, Macht und Größe Deutschlands unstatthafte Ausschließung Oesterreichs bedingen, und je nach dem Außenbleiben uoch anderer Staaten sich verschieden gestalten, theils weil der engere Bundesstaat eine weitere Vereinbarung mit der jetzigen National-Versammlung, zusammgesetzt aus den Vertretern sämmtlicher deutscher Volksstämme, dem Anschein nach ausschließen, mithin eine Erklärung über die Stellung der zu vereinigenden Regierungen

„zu der deutschen National-Versammmlung und den von ihr be—

reits gefaßten Beschlüssen“ kaum übrig lassen würde.

Sollte man aber von Königlich preußischer Seite einen solchen engeren Bundesstaat mit im Auge gehabt und dabei eine, eventuell anscheinend unentbehrliche Modification des bisherigen auf die Theil nahme sämmtlicher deutschen Staaten berechneten Verfassungs-Ent wurfs mit berücksichtigt haben, so würde die königliche Regierung mit besonderem Danke eine Aeußerung entgegennehmen, welche so— wohl die bei dieser Vereinsform zu verfolgenden Zwecke, als auch den Weg deutlicher erkennen ließe, auf welchem dieselbe zu bilden sein möchte. .

Erst mit Hülfe solcher Aufklärungen würde die Königliche Regierung glauben, eine bestimmte Ansicht

uͤber das Verhältniß zu denjenigen deutschen Staaten fassen zu

können, welche diefem Bundesstaate beizutreten Anstand nehmer

möchten. Endlich wird, sofern Se. Kaiserl. Hoheit der Reichsverweser bei dem Beschlusse, von der provisorischen Centralgewalt zurückzutreten, beharren sollte, die Uebernahme der provisorischen Leitung der deut schen Angelegenheiten abseiten Sr. Majestät des Königs von Preu⸗ ßen den hiesigen, aus dem Bedürfniß des Augenblicks geschöpften Wünschen allerdings entsprechen. Aber auch in dieser Rücksicht macht die in Frage gestellte „definitive Erklärung binnen längstens 14 Tagen“

eine weitere Aufklärung über den Zweck einer so kurz zu bemessen— den provisorischen Thätigkeit jener Art wünschenswerth.

Die gegenwärtige Verfügung wird dem Herrn Gesandten durch den Klosterrath von Wangenheim überbracht werden, welcher von dem Inhalte derselben unterrichtet ist und im Stande sein wird, den Inhalt des gegenwärtigen Reskripts näher zu erläutern.

Hannover, den 7. April 1849.

Königl. Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten.

(gez Bennigsen. An den Herrn Gesandten Grafen Knyphausen zu Berlin. 3

Ew. ꝛc. geehrtes Schreiben vom 9gten d. M. habe ich nebst der gefälligen mitgetheilten Anlage des Schreibens Sr. Excellenz des Herrn Grafen von Bennigsen vom 7Ften d. M. zu erhalten die Ehre gehabt.

Ew. ꝛc. drücken im Auftrage Ihrer Regierung den Wunsch aus, nähere Erläuterungen in Betreff der Punkte zu erhalten, über welche unsererseits durch die Cirkular⸗Depesche vom Zten d. M. von den deutschen Regierungen definitive Erllärungen erbeten wor— den waren, und ich ersehe aus dem Erlasse des Herrn Grafen von Bennigsen an Ew. Hochgeboren, daß die Zweifel der Königlich han— noverschen Regierung hauptsächlich den Punkt betreffen, ob Preußen vorzugsweise eine Vereinigung der sämmtlichen deutschen Bundes⸗ staaten, welche durch die noch bestehenden Bundes-Verhältnisse mit einander verknüpst sind, oder einen engeren Verein vor Augen habe, wie er sich bil en könnte, wenn auch nur ein Theil jener Staaten mit einander in eine derartige Gemeinschaft träte?

In Erwiederung darauf kann ich Ew. ꝛc. nur zunächst daran erinnern, wie es auch der Königlich hannoverschen Regierung nicht

unbelannt ,, daß es fortwährend Preußens innigster Wunsch dd

uch Sglieder gleichmäßig daran betheiligen könnten, und daß es uns eben so wenig in den Sinn gekommen, irgend Je mand von der nenen Gestaltung auszuschließen, als zur Theilnahme an derselben durch irgend welche Einwirkung zu veranlassen.

Eben so wenig aher ist ez der Königlich hannoverschen Regie— rung unbekannt geblieben, daß wir schon in der Cirkulardepefche vom 23. Januar die Eventualität eines engeren Bundes, ih innerhalb des Staatenbundes (inen Bundesstaat bilde, ins Auge fassen mußten, und daß wir zugleich erklärten, Preußen werde in einem solchen Bundesstaate die Stellung in Anspruch nehmen, welche

2320 ihm nach seiner thatsächlich vorhandenen Bedeutung in Deutschland und Europa gebühre.

Wir können nicht umhin, diese Eventualität als nunmehr ein⸗ getreten anzusehen. Es ist daher erforderlich, daß die deutschen Regierungen sich eben über die Sr. Majestät dem Könige zuge⸗ dachte Stellung äußern, und die Königliche Regierung muß daher ihrerseits zunächst die Erklärungen der anderen Regierungen über den Beitritt zum Bundesstaat erwarten, d. h. die Erklärung über die Bereitwilligkeit, in einen Bundesstaat einzutreten, an dessen Spitze die Krone Preußen stehen soll.

Daß die Königliche Regierung zunächst und direkt zu einer solchen Erklärung auffordert, dazu schöpft dieselbe die Berechtigung in der Stellung, welche sie in Deutschland einnimmt, in dem Be⸗ schluß der National⸗Versammlung, welche Se. Majestät den König an die Spitze Deutschlands beruft und in den vielfach an sie ge⸗ langten Aussorderungen deutscher Fürsten und Regierungen, sich diesem Rufe nicht zu entziehen.

Der weitere oder engere Umfang dieses Bundesstaates aber kann lediglich erst durch die Erklärungen der Regierungen selbst fe stgestellt werden. Die Erklärung über diesen Punkt also, welche Staaten bereit seien, in einen Bundesstaat, mit Preußen an der Spitze, eintreten zu wollen, bildet die nothwendige Vorfrage für sede weitere Verhandlung über den Inhalt der Verfassung des Bun⸗ desstaates. Die Königliche Regierung hat daher auch schon in ihrer Eirkulardepesche vom 3ten d. Mts. jenen Punkt vorangestellt und zugleich ausgesprochen, daß die Formen. dieses Bundesstaates sich erst bestimmen lassen würden, wenn feststehe, wie viele und welche Staaten denselben zu bilden bereit sind. Eben so wird sich dann auch erst das ebenfalls in dem Schreiben des Herrn Grafen von Bennigsen berührte Verhältniß zu der für ganz Deutschland berufenen und noch bestehenden NalionalVersammlung in Frankfurt bestimmen lassen.

Es läßt sich in Bezug auf die Bedingungen, unter welchen deutsche Regierungen in diesen Bundesstaat, mit Preußen an der Spitze, eintreten möchten, die doppelte Voraussetzung machen: ent— weder, daß sie beizutreten bereit sind unter Annahme der von der National-Versammlung berathenen Verfassung, oder daß sie eintre ten wollen, mit dem Wunsche bestimmter Modificationen der Ver⸗ fassung. Ersteres ist schon von mehreren Regierungen erklärt wor⸗ den. Für eine Verhandlung über das letztere dagegen ist es klar, daß eine bestimmte und feste Basis erst erlangt werden kann durch die Beitritts-Erklärungen der Regierungen. Denn es ist unver⸗ kennbar, daß zu einer Verhandlung oder Vereinbarung mit den Regierungen, welche in einen Bundesstaat, mit Preußen an der Spltze, nicht eintreten wollen, in dem gegenwärtigen Falle die Ver⸗ anlassung nicht vorliegt, und daß eben nur in jener Voraussetzung der Grund zu derjenigen Initiative liegen konnte, welche wir in der ECirkulardepesche vom 3Zten d. M. ergriffen haben.

Indem ich Ew. ꝛc. ersuche, die hier ausgesprochenen Ansichten der Königlichen Regierung

zur Kenntniß des Königlich hannover schen Kabinets zu bringen, darf ich mich der Hoffnung hingeben, daß das letztere nunmehr nicht säumen werde diejenige Erklärung abzugeben, welche dem Willen Sr. Majestät des Königs von Han nover und den Absichten von Allerhöchstdessen Regierung entsprechen wird.

Ich ergreife ꝛc.

Berlin, den 11. April 1849.

(gez Graf Arnim. Sr. Hochgeboren - dem Herrn Grafen zu Inn 16 Knyphausen. ,

Die Königliche Regierung hat, wie dem Herrn Gesandten be— kannt ist, wiederholt Gelegenheit gehabt, die Bereitwilligkeit auszu⸗ sprechen und zu bethätigen, mit welcher sie die in Beziehung auf die deutsche Verfassungs⸗ Angelegenheit von der Königlich preußi schen Regierung an die übrigen deutschen Bundesstaaten ergangenen Mittheilungen und Vorschläge in Erwägung zu ziehen geneigt ist.

Gleichwie in diesem Sinne die Mittheilungen des berliner Ka binets vom 16. Februar d. J. über die frankfurter Verfassungs⸗

Beschlüsse allhier eine entgegenkommende Berücksichtigung gefunden haben, eben so ist auch die Cirkular-Depesche vom Zten d. M. einer ernsten Berathung unterworfen und ist bereits unter dem Tten d. M. Gegenstand einer an die Königliche Gesandtschaft gerichteten Ver fügung gewesen, welche eine uähere Ermittelung der jener epesche zum Grunde liegenden Absichten Preußens bezweckte. .

Die auf eine eptsprechende Mittheilung dem Herrn Gesandten zugegangene Erwiederung des Herrn Grafen von Arnim vom 11. d. NR. hat zwar die allhier gewünschte Auskunft über Preußens Ansichten von dem Zwecke und der Bedeutung eines engeren Bun desstaats, dessen Bildung in der Cirkular Depesche als Haupterklä— rungspunkt vorangestellt worden, insofern nicht dargeboten, als, je ner Erwiederung zufolge, der weitere oder engere Umfang dieses Bundezstaats, der Inhalt seiner künftigen Verfassung, wie dessen Formen erst durch die, bis dahin ermangelnden Beitritts-Erklärun⸗ gen der Regierungen selbst bedingt erscheinen. . ; Die Mittheilung des Herrn Grafen Arnim hat indeß der niglichen Regierung eine lebhafte Befriedigung durch die darin aus gesprochene Fortdauer der innigsten Wünsche Preußens gewährt, die deutschen Verhältnisse so gestaltet zu sehen, daß sich alle deut schen Bundesglieder gleichmäßig daran betheiligen könnten.

Wie sehr die Wünsche mit denen der Königlichen Regierung übereinstimmen, bedarf kaum der Erwähnung.

Hannover ist von ihnen bei jeder Kundgebung seiner Absichten über die Verfassungs-Angelegenheit geleitet worden, und hat sie ins⸗ besondere auch den Bemerkungen vorangestellt, welche seiner Erklã rung über den Beitritt zu der Kollektiv⸗Note verschiedener deutscher Reglerungsbevollmächtigten in Betreff der Verfassungsbeschlüsse der Nationalverfassung (vom 23. Februar d. J.) erläuternd hinzuge fügt sind. Bei dieser, den Inhalt, der Verfassung selbst bezielen⸗ ben, Erklärung bleibt die Königliche Regierung auch gegenwärtig stehen. Es liegt ihren Wünschen insbesondere die Ueberzeugung zum Grunde, daß weder eine im Interesse der Einheit, Macht und Größe Deutschlands gedeihliche Umgestaltung seiner Gesammtver⸗ fassung ohne eine einhellige Verständigung der deutschen Regierun⸗ gen, und namentlich ohne ein Einvernehmen Ler beiden deutschen Großmächte über die Oberhauptsfrage zu erreichen, noch daß auf einem anderen Wege den von Seiten Preußens wie Oesterreichs neuerlich wiederholt als bestehend anerkannten Bundesverhältnissen zu genügen sein werde. .

Das vol der Rational-Versammlung zu Frankfurt inne gehal tene Verfahren bei zweiter Lesung der Verfassungz der einseitige Beschluß derselben über die Sberhauptsfrage; die dadurch hervorgerufenen, von einander abweichenden Erklärungen Oesterreichs und Prenßens; endlich der frankfurter Beschluß vom Iiten d. M., an der in zweiter Lesung beschlossenen Verfassung unwandelbar festzuhalten, haben allerdings als geeignet betrachtet werden können, ein einhelliges Zusammenwir⸗ ken der beiden deutschen Großmächte in der Verfassungs⸗Angelegen⸗

heit in Zweifel zu stellen.

Je tiefer die Königliche Regierung die Verwirklichung einer

derartigen Besorgniß beklagt haben würde, zu um so größerer Be⸗ ruhigung hat derselben diejenige Erklärung gereicht, welche unter dem 2isten ' d. M. von dem Königlich preußischen Minister⸗Präsiden⸗ ten, Herrn Grafen Brandenburg, in der zweiten Kammer der dor⸗ tigen Ständeversammlung über die Ansichten Preußens in Betreff. der deutschen Verfassung ertheilt worden ist.

Das auch in dieser Erklärung angedeutete Rechtsgültigkeits⸗ Erforderniß einer Vereinbarung mit den Regierungen der deut⸗ schen Staaten über die von der National-Versammlung beschlossene Verfassung; die gegründete Bemerkung über die Nichtberücksichti⸗ gung der von den Negierungen aufgestellten Erinnerungen bei zwei⸗ ter Lesung der Verfassung; die Darlegung der dringenden Noth⸗ wendigkeik einer Abänderung der frankfurter Verfassungsbeschlüsse, deren Aufrechterhaltung auch nach hiesiger Ansicht mit dem Wohle Deutschlands unvereinbar sein würde: diese Aeußerungen lassen, dem erwähnten frankfurter Beschlusse vom 11ten d. M. gegenüber, die Absicht Preußens erkennen, gegen die deutsche National -Ver— sammlung eine Stellung zu behaupten, welche eine, Annäherung gegen Oesterreich und eine Verständigung mit dem wiener Kabinet über die deutsche Verfassungs-Angelegenheit ermöglichen würde.

Mit einer solchen Verständigung dürfte das Verbleiben Oester reichs innerhalb des neu und inniger zu gestaltenden Vereins der deutschen Staaten gesichert und damit diejenige Eventualität ent⸗ fernt erscheinen, deren Eintritt oder Fortdauer die Begründung eines engeren Bundesstaates auch nach der Erklärung des Herrn Grafn Brandenburg allein zur Frage gebracht haben kann.

Die hiesige Regierung legt auf eine Lösung der Verfassungs— frage in diefer Richtung einen zu großen Werth, als daß sie der⸗ malen einen Verlauf der Sache näher ins Auge fassen dürfte, der auf entgegengesetzten Annahmen beruhen würde.

Im Hinblick auf den ausgesprochenen eigenen innigen Wunsch des Königlich preußischen Kabinets glaubt die Königliche Regierung vielmehr der Billigung desselben sich versichert halten zu dürfen,

wenn sie bei der gegenwärtig veränderten Sachlage ihre Erwiede⸗ rung auf die Cirkular-Depesche vom Zten d. M. auf. die wieder⸗ holte Aeußerung des dringenden Wunsches beschränkt, daß die Kö⸗ niglich preußische Regierung sich bewogen finden möge, eine bundes⸗ freundliche Verständigung mit dem Kaiserlich österreichischen Kabi⸗ net, wie mit den übrigen deutschen Regierungen über das deutsche Verfassungswerk eintreten zu lassen.

Für die Gewährung dieses Wunsches bürgen die Gesinnungen patriotischer, nur Deutschlands rechtverstandenes Wohl bezielender Hingebung, welche Preußen wiederholt und namentlich am Schlusse per Cirkular-Depesche vom 23. Januar d. J. auf das Bestimmteste ausgesprochen hat. .

Wir beauftragen den Herrn Gesandten, den Inhalt dieser De pesche durch abschriftliche Mittheilung zur Kenntniß des Königlich preußischen Herrn Ministers der auswärtigen Angelegenheiten zu bringen.

Hannover, den 24. April 1849.

Königliches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten. (gez Bennigsen. An den Herrn Gesandten, Grafen

Knyphausen zu Berlin.

. ö .

Die Lage, in welche Deutschland dadurch versetzt ist, daß die größeren Bundes „Regierungen sich genöthigt gesehen haben, eine donk ver National Versammlung zu Frankfurt a. M. in Anspruch genommene Alleinberechtigung zur Begründung einer neuen deut— schen Verfassung zurückzuweisen und die von dieser Versammlung einseitig beschlossene, mit dem Wohle des deutschen Volks jedoch un⸗ verträglich erkannte Verfassung abzulehnen, hat Se. Ma jestät den König und Allerhöchstdero Regierung zu der Ueber zeugung geführt, daß, zur Beruhigung des gemeinsamen Va kerlandes, gegenwärtig für die deutschen Regierungen keine drin⸗ gendere Obliegenheit bestehe als die, der Natien die Zuversicht zu gewähren, daß es den Regierungen ein wahrer Ernst ist, auf dem von ihnen fest gehaltenen Wege der Vexeinbarung eine, Verfassung herzustellen, welche das Bedürfniß nach Deutschlands größerer Eini gung und Kräftigung dauernd zu befriedigen geeignet sein wird. Mit besonderer Genugthuung haben daher Se. Majestät der König in der zu Ihrer Kenntniß gelangten Cirkular⸗Depesche des Königl. preußischen Herrn Minister-Präsidenten, Grafen Branden burg, vom 28sten v. M., den Ausdruck lder hierunter von Ihnen selbst gehegten Wünsche angetroffen und haben gern den Beschluß gefaßt, der bezüglichen Einladung gemäß, Bevollmächtigte nach Berlin zu entsenden, um sich mit den Bevollmächtigten Preußens und der übrigen deutschen Bnndesstaaten über eine Verfassung zu verständigen, welche, an die Arbeiten der Nationalversammlung in dem durch die Cirkular⸗De pesche näher bezeichneten Sinne anschließend, wenn irgend möglich durch versöhnendes Zusammenwirken der Regierungen und der Ver— treter des deulschen Volks zu Stande zu bringen, oder dem letzte⸗ ren von den Regierungen darzubieten sein wird. ;

Se. Majestät ükerlassen Sich dabei der auf entsprechende Mittheilungen des Königlich preußischen Kabinets; gegrün deten Hoffnung, daß auch die Kaiserlich österreichische Re⸗ gierung, in gleicher Sorge für die Ruhe und das Wohl Deutschlands, einen derartigen Schritt beifällig betrachte und selbst in dem Falle unterstützen werde, wenn Umstände obwalten sollten, welche eine unmittelbare Betheiligung Oesterreichs bei der eingelei teten Verständigung zeitweilig erschweren. ;

Von diefer Hoffnuug und der obigen Ansicht geleitet, haben Se. Majestät ferner zu bestimmen geruht, daß nach Beendigung der über die Verfassung bei dem Königlichen Gesammt Ministéerium unverzüglich eingeleiteten Berathungen der Herr Mi⸗ nisterial-Vorstand Dr. Stüve sich, in Begleitung des Herrn Klo sterraths von Wangenheim, nach Berlin begeben, um an. den dort zu eröffnenden einschlagenden Verhandlungen Theil zu nehmen.

Wir setzen den Herru Gesandten hiervon mit dem Auftrage in Kenntniß, eine weitere Anzeige hiervon ohne Zet oerlus an das Königlich preußische Ministerium ber auswärtigen Angelegenheiten gelangen zu lassen, und halten Uns gern versichert, daß der Herr Gesandte sich werde angelegen sein lassen, den Wünschen e . nannten Herren Bevollmächtigten auf jede irgend thunliche Weise fördernd entgegen zu kommen.

Hannover, den 3. Mai 1849. . . ö

Königliches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten.

. (gez Bennigsen. An den Herrn Gesandten, Grafen Knyphausen zu Berlin.

Frankfurt a. M., 21. Dez. Die O. P. A. 3. nachstehende, auf das (bereits er⸗

Jo⸗

Frankfurt. ,

ält in ihrem amtlichen Theile e

, n , * Kaiserlichen Hoheit des Erzherzogs hann aus seinem Amte bezügliche Aktenstücke:

Geschehen ; .

Frankfurt am Main, im Palais Seiner Kaiserlichen Hoheit, des

Erzherzog-Reichsverwesers, Donnerstag den 20. Dezember 1819. Nachdem Seine Kaiserliche Hoheit der Erzherzog Reichs ver⸗ weser wiederholt den Wunsch ausgesprochen, daß Ihm die Möglich⸗

keit gegeben werde, der von Ihm bekleideten Würde eines deutschen Reichsverwesers zu entsagen, und nachdem die wegen Errichtung ei⸗ ner anderweitigen Bundes-Centralgewalt eingeleiteten Verhandlun— gen unter dem 30. September l. J. zu einer Uebereinkunft zwischen der Kaiserlich österreichischen und Königlich preußischen Regierung geführt und die deutschen Regierungen genannter UÜebereinkunft bei- getreten, auch Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich den wirkichen Herrn Geheimen Rath und Kanzler des Leopold— Ordens, Karl Freiherrn Kübeck-LKübau, und den wirklichen Herrn Geheimen Rath und Feldmarschall-Lieutenant Karl von Schönhals, ; und Seine Majestät der König von Preußen den Herrn General-Lieutenant von Radowitz und den Herrn Oberpräsidenten Dr. Bötticher zu Mitgliedern der Bundeskommission in Gemäßheit genannter Uebereinkunft ernannt, und diese sich als solche durch Vollmachten ihrer hohen Souveraine legitimirt, so hatten sich in Folge Einla dung Seiner Kaiserlichen Hoheit des Erzherzog -Reichsverwesers vorbenannte Herren Kommissäre versammelt, um die Entsagung auf Seine Würde entgegen zu nehmen und zu beurkunden. . Das Protokoll führt der Ministerialrath Doctor Mettenius. Um 1 Uhr trat Seine Kaiserliche Hoheit der Erzherzog-Reichs verweser eiu, umgeben von Seinem Ministerium, nämlich:“ dem Präsidenten des Reichsministeriums, auch Reichsminister des Krieges, Herrn Fürsten zu Sayn-Wittgenstein- Berleburg, Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten und der Marine, Herrn Jochmus, . Reichsminister der Justiz, des Herrn Detmold

dem

dem Innern und des Handels, und dem Reichsminister der Finanzen, Herrn Merck.

Zunächst legten die Herren Kommissare beider Regierungen die zwischen der Kaiserlich Oesterreichischen und Königlichen Preußi schen Regierung unter dem 30. September l. J. zu Wien geschlos sene Uebereinkunft wegen Errichtung einer neuen Bundes Central gewalt sammt Ratifications Urkunden vor, so wie die Beitritts Erklärungen sämmtlicher deutschen Regierungen, mit Ausnahme jener von Oldenburg, von der jedoch die vorläufige Zusicherung des Beitritts bereits gegeben ist, und jener von Luxemburg, in Beziehung auf welche über den Beitritt kein Zweifel obwaltet, da der König⸗Großherzog bereits als Herzog von Limburg seine Zu⸗ stimmung förmlich erklärt hat.

Diese Aktenstücke, so wie die Vollmachten der Herren Mitglie⸗ der der Bundes-Kommission von Seiten ihrer Souveraine, werden dem Protokolle in beglaubigten Abschriften unter

Nummer 1 bis 40

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beigefügt.

Se. Kaiserl. Hoheit der hierauf zu erklären:

( „Meine Herren!

„Es ist Ihnen bekannt, daß Ich seit längerer Zeit den Wunsch gehegt habe, das Mir anvertraute Amt niederzulegen.

Nachdem aber bei Meinem Antritte die Bundes-Persammlung ihre Thätigkeit beendet und später auch die National ⸗Versammlung

Erzherzog-Reichsverweser geruhte

sich aufgelöst, ohne das deutsche Verfassungswerk zu Staude gebracht

zu haben, so würde mit der Ausführung jenes Wunsches der Fort bestand des Bandes, welches die deutschen Staaten zusammenhält, zerstört und Deutschland abermals den Gefahren preisgegeben sein, denen dasselbe noch bei unserem Gedenken fast erlegen ist.“

„Die von Mir übernommenen Pflichten erheischten daher Mein Verharren, bis ein anderweitiges Organ für die gemeinsamen An— gelegenheiten des Vaterlandes geschaffen war.“

„Dieser Augenblick ist gegenwärtig gekommen.“

„Die beiden Faktoren. der Mir übertragenen Gewalt waren die Gesammtheit der deutschen Regierungen und die deutsche Na tional Versammlung. Beiden für die der provisorischen Central gewalt gewährte Mitwirlung und Unterstützung zu danken, fühle Ich Mich auf das Innigste gedrungen.“

„Letztere bestehk indessen nicht mehr. Sie selbst hat ihr Ende herbeigeführt, indem sie diejenige Stellung, welche das Gesetz ihr angewiesen, überschritt und sich von derselben gerade da am Be deuͤkendsten entfernte, als die Ereignisse sich so gestaltet hatten, daß jede Abweichung von ihrer Rechtssphäre ihr selbst zum Verderben gereichen mußte.“

„Die Geschichte der National-Versammlung, ihr Untergang giebt dem deutschen Volke die große Lehre, daß seine Verfassung auf keinem andern Wege heilsam entwickelt werden kann, als auf dem des ruhigen und steten Fortschrittes, unter gewissenhaftem Festhalten an dem, was durch Recht und Gesetz einmal geheiligt ist.

Nach dem Ausscheiden der National-Versammlung konnte durch Meinen Rücktritt die Mir anvertraute Gewalt nur an die Gesammt heit der deutschen Regierungen zurückkehren. Um für diesen Fall die einstweilige Leitung der gemeinsamen Angelegenheiten des Va terlandes zu vegeln, haben Oesterreich und Preußen unter Meiner Mitwirkung durch Uebereinkunft vom 30. September . . n einen zu diesem Ende den übrigen Bundesgliedern zu machenden Vorschlag geeinigt.“

„Leßtere haben diesen Vorschlag angenommen.“ .

„In Gemäßheit Meiner bereits unter dem E. tober J. J. erfolgten eventuellen Zustimmung entsage Ich in Vollziehung des §. der geschlossenen Uebereinlunft Meiner Würde als Reichsver⸗ weser und lege die Mir übertragenen Rechte und Pflichten des Bundes in die Hände Ihrer Majestäten des Kaisers von Oester reich und des Königs von Preußen nieder. .

Ich nehme das Bewußtsein mit Mir, getreulich gestrebt zu ha⸗ ben, die Mir anvertraute Gewalt zum Ruhm und zur Wohlfahrt des Vaterlandes auszuüben.

„Noch ist es nicht gelungen, dasselbe zu schlingen, welches des Volkes Rechte, landes Größe und Macht, dauernd sichert und stärkt. Wohl gher ist das gemeinsame Band erhalten und der Friede gewahrt. Be— ruhigt werde Ich auf die Zeit Meiner Waltung erst dann zurück⸗ blicken koͤnnen, wenn die Zukunft des Vaterlandes durch dauernde Einigung gesichert ist. Allein Mieine Sorge für dieselbe fühle Ich erleichtert, indem deren Obhut nunmehr dem zusammenwirken der⸗ jenigen beiden deutschen Regierungen anbefohlen ist, welche durch ihre Macht zunächst dazu berufen sind. Wo beide vereint, treu an dem Rechte festhallend, vorangehen, können die anderen Regierun gen getrost folgen, und das Gelingen wird nicht ausbleiben.

„Möge Deutschland der vielfachen schweren Erfahrungen ein⸗ gedenk, möge sein Geschick unter des Allmächtigen Beistand der Eintracht und Vaterlanbsliebe der deutschen Fürsten und dem guten Geiste der Nation empfohlen sein!“

Der Kaiserlich österreichische wirkliche Herr Geheime Rath Frei⸗ herr Kübeck⸗Kübau erwiederte:

„Gnädigster Herr!

„Als Ew. Kaiserliche Hoheit dem Rufe folgten, das hohe Amt

eines deutschen Reichsverwesers zu übernehmen, waren alle staat—

ein neues Verfassungsband um so wie des Vater

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lichen und gesellschaftlichen Verhältnisse in einem großen Theile Europg; s, insbesondere auch in Deutschland in Frage gebracht, und einer Bewegung anheimgefallen, deren Ergebnisse zu den größten Gefahren führten. Ihrem Muth und Ihrer Standhaftigkeit, gnä—⸗ digster Herr, ist es vorzüglich zu verdanken, daß diese Gefahren, als sie im Herbste vorigen Jahres das staatliche Dasein eines gro⸗ ßen Theiles des Vaterlandes bedrohten, glücklich abgewendet wur—

den, und Deutschland nicht anarchischen Bestrebungen anheimgefallen

ist. Ew, Kaiserliche Hoheit, erhaben über alle eigensüchtigen Zwecke, haben sich einer großen Pflicht aufgeopfert und sich dadurch für alle Zeiten Ansprüche auf die Bewunderung und die Dankbarkeit

unseres deutschen Vaterlandes erworben.“

Ihre Tage rühmlich bezeichnen.“

„Allerdings haben Sie, gnädigster Herr, den gerechten Wunsch gehegt und mit gewohnter Offenheit ausgesprochen, Sich wieder jener Stellung zuwenden zu können, in welcher die Ihrem erhabe— nen Kaiser gewidmeten Dienste und die Weihe der Wissenschaft

Empfangen Sie, gnädigster Herr, in dem Augenblick des Scheidens aus Ihrem hohen Ämte die dankbare Huldigung, welche wir Ihnen heute darzubringen verpflichtet sind. Indem wir, in Folge des Einverständnisses der hohen deutschen Regierungen und in Folge der uns ertheilten Vollmachten, die Functionen der ein gesetzten provisorischen Bundes⸗Kommissien im Sinne der Ueberein kunft vom 30. September 1849 übernehmen, geben wir im Namen unserer erlauchten Allerhöchsten Vollmachtgeber, Sr. Majestät des

Kaisers von Oesterreich und Sr. Majestät des Königs von Preußen,

vorgezeichnete Bestimmung

die feierliche Versicherung, keine Anstrengung zu scheuen und nach Umständen alle gesetzlichen Mittel in Anwendung zu bringen, um für die bestimmte Zeit der Dauer der Bundes-Kommission die ihr zu erfüllen.“ Hiermit wurde das gegenwärtige Protokoll geschlossen und Beifügung der Unterschriften genehmigt. . Wittgenstein.

durch (gez.) Erzhe (gez) Jochmus. (get) Merck. Karl Freiherr Kübeck-Kübau, Kaiserlich österreichise Kommissär der deutschen Bundes-Kommission. von Radowitz, Königlich preußischer Kommissär der deutschen Bundes-Kommission. Schönhals, Feldmarschall-Lieutenant, Kaiserlich österrei chischer Bundes-Kommissär. Dr. Bötticher, Königlich preußischer Ober-Präsident und Mitglied der deutschen Bundes-Kommission. Der Protokollführer: (gez Dr. Mettenius.

rzog Jo hann.

(gez.) (gez. Detmold.

(gez.) (gez.) (gez.)

(gez).

wissenschaft und Kunst. Zur historischen Literatur.

Historisches Taschenbuch, herausgegeben von Friedrich von RNaumer. Dritte Folge. Erster Jahrgang. Leipzig F. A. Brockhaus.

Das historische Taschenbuch für 1850 enthält folgende fünf Aufsätze 1) die erste Abtheilung einer Lebensbeschreibung der Pfalzgräfin Eli— sabeth, von Guhräuer. Elisabeth, Tochter Friedrichs V. von der Pfalz, die Schülerin und Freundin des Cartesius, gehörte zu den bedeutendsten Frauen, deren Erinnerung die Geschichte aufbewahrt hat. Wegen, ihrer glänzenden Geistesgaben und ihrer vorzüglichen wissenschaftlichen Bildung wurde sie von ihren Zeitgenossen das Wunder des Nordens genannt. Auch den Inhalt des zweiten und dritten Aufsatzes, die beide höchst zeitgemäßes Themen behandeln, werden wir sogleich eiwas näher eingehen. In dem vierten von Gustas Friedrich Waagen wird ein Bild von dem Lehen und Wirken der Maler Andrea Montegna und Luca Signorelli entworfen. Im fünften, einer Skizze aus dem Leben des berüchtigten Karl Friedrich Bahrdt, der seiner Zeit ein bewunderter Schriststeller, Kanzelredner und akademischer Lehrer, zuletzt als Bierwirth starb, hat Robert Prutz einen interessanten Beitrag zur Sittengeschichte des acht= zehnten Jahrhunderts geliefert.

Der zweite Aufsatz, die Geschichte der Bildung des deutsch en Bundes auf dem wiener Kongresse, aus gedruckten und unge druckten Quellen, von Adolph Friedrich Schaumann, enthält eine

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.

höchst lebensvolle und übersichtliche Darstellung der Verhandlungen und Bestre—

bungen, aus denen die deutsche Bundedalte von 18135 hervorging. Der Verfasser wirft sich am Schluß der Arbeit die Frage auf: „welchen Zn eck es haben könne zu einer Zeit, wo neues Leben treibt, den Geist des wie⸗ ner Kongresses wieder aus seinem Grabe herauf zu beschwören?“ Aber

wenn auch feines Bleibens nicht mehr unter der jetzigen Generation ist, so

.

soll er doch berichten über Vergangenes. „Des Menschen eigene, Weisheit reicht nicht für alle Fälle aus, und schon mehr als einmal hat er gemeint, an die Geisterwelt eint Frage stellen zu müssen. Dabei wird man aber stets am besten thun, sich an den Geist der Vergangenheit zu wenden; er ist noch immer der freundlichste und auch der zuverlässigste und gehört nicht zu jenen bösen Wesen, die sich ihre Dienste mit Blut in trü— gerischen Pakten versichern lassen. Nur Blut und Unglück zu hindern ist seine Sache.“

An der traurigen Ueberhebung unserer Zeit, welche sich dazu erufen hielt, mit Verleugnung der ganzen Vergangenheit, die Weltgeschichte gleich= sam von vorn anzufangen, haben wir die edelsten Bestrebungen, die schön= sten Hoffnungen scheitern sehen. Die meisten Reorganisationstendenzen des vorigen Jahres gingen eben daran zu Giunde, daß sie an nichts Bestehen⸗ des anknüpften, vielmehr die ganze Vergangenheit, alle Arbeiten früherer Geschlechter, als onerose Erbschaft zurückwiesen. Es ist natürlich, daß eine Zeit, die sich allein für die gotibegnadigte hielt und in allem früheren nur Unrecht und Verirrung erblickte, von der nächsten Zukunft gerichtet werden mußte. Die Geschichte ist der nothwendige Fortschritt zu einem letzten Ziele, und ihre Perioden sind nur Glieder einer großen Kette. Es liegt nicht in der Macht der Menschen, diesen vernünftigen Zusammenhang an einer be— liebigen Stelle abzubrechen; und die Geschicke der Völker in neue Bahnen zu leiten.

Der vorliegende Aufsatz zieht eine interessante Parallele zwischen dem wiener Kongreß und dem frankfurter Parlament. Beide hatten den Be— ruf, durch eine Verfassung die einzelnen so lange getrennten Glieder des Vaterlands zu einem Ganzen zu verbinden und beide, obwohl getragen durch das Einheitsgefühl der Nation, konnten doch ihre Aufgabe nicht lösen. Den Grund davon, daß der wiener Kongreß den begeisterten Er— wartungen des Volls nicht entsprach, und so vielen gerechten Forderungen weiter nichts entgegen zu halten hatte, als die dürftige Abschlagszahlung der Bundesakte, findet der Verfasser in zwei Umständen, nämlich einmal darin, daß in Wien das Verfassungswerk einseitig von den Fürsten und ihren Abgesandten in die Hand genommen wurde und dann, daß man von

vornherein in den Allianzverträgen mit den gegen Napoleon Verbündelen

fremden Mächten ihnen einen Einfluß au sdie Gestaltung der inneren Ver— hältnisse Deutschlands gestattet hatte.

In den Befreiungskämpfen gegen Frankreich war zuerst der Gevanke eines einigen Deutschlands in das allgemeine Bewußtsein getreten; denn gemeinsame Thaten, Leiden und Siege sind ein mächtigeres Band, als die— selbe Abstammung oder Verfassung. Dieser Gedanke war aber zunächst noch ein ganz formloser und unbestlimmter, nicht vielmehr als ein Ideal, mit dem sich die Phantasie gern beschästigte; eine festere Gestaltung gewann er erst in dem Allianz - Traktat von Töplitz vom 9. September 1813 zwi— schen Preußen und Rußland einerseits und Oesterreich andererseits, oder vielmehre in den geheinien Verträgen und Verabredungen, die sich an ihn knüpften. Hier entsagte Oesterreich ein für allemal, der deutschen Kaiser⸗ krone, den kleineren Staaten wurde ihre Selbstständigkeit garantirt und ein lünftiges Föderativband in der Weise festgesetzt, daß zwei Bundesspsteme geschaffen werden sollten: ein süddeutsches mit Oesterreich und ein nord—

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deutsches mit Preußen an der Spitze? der Main sollte die Gränze bilden. Dle auswärtigen Großmächte erblickten aber in der Nealisirun dieses Pla nes eine Störung des europäischen Gleichgewichts: deshalb . Dester · reich und Preußen sich genöthigt, ihn fallen zu jassen, und in Folge der in Chaumont gepflogenen Verhandlungen überreichte der Minister Stein am 10. März 1814 dem Kaiser Alexander, dem Staatskanzler von Hardenberg und dem Grafen Münster einen vollständig ausgearbeiteten Entwurf einer künftigen deutschen Reichs verfassung. Der leitende Gedanke hierin war; die deutschen Staaten werden unabhängig und durch ein Föderativband vereinigt sein. Dieser Grundsatz wurde auch durch den ersten pariser Frieden bestaä⸗· tigt. Das war also nach langer Anstrengung die gewonnene Grundlage, auf welcher die deutsche Ration das weitere Gebäude ihrer Hoffnungen und Wünsche aufbauen sollte. Das Gebäude eines neuen, durch Einheit ver⸗— bundenen Vaterlands. Da war wohl Jeder darüber einig, daß dies Ge— bäude nicht allein nach außen eine feste Burg bilden müsse, um gegen Ue= bergriffe übermüthiger, niemals ruhiger Nachbarn zu schirmen, es mußte vielmehr auch im Innern bei den vielen Wohnungen, die es zählte, so ein- gerichtet sein, daß Keiner den Andern drückte und drängte, vielmehr Jeder mit dem behaglichen Gefühl der Zufriedenheit aufstehe und sich niederlege, welches dargus entsteht, daß ihm sein eigenes Recht unverkümmert bleibt, wofern er nur wieder unverkümmert dem Bruder das Seinige gegeben. Jedoch die äußere Form des Gebäudes ist zunächst abhängig von dem Grundraum, der verwendbar ist. Diesen hat Deutschland sich nicht ganz frei und unabhängig abstecken dürfen, er ist ihm nämlich unter Theilnahme von ganz Europa angewiesen. Es ergab sich daher, als man auf dem wienen Kongreß daran ging, die deutschen Angelegenheiten zu ordnen, so⸗ gleich der Mißstand, daß den deutschen Staaten zweiten und dritten Ran- ges, die den pariser Frieden nicht unterzeichnet hatten, von vorn herein ihr freies Beschließungsrecht genommen war, und daß sie gleichsam als Peten- ten vor einer großen eurbpäischen Kommission erscheinen mußten. Schon vor der förmlichen Eröffnung des Kongresses hatte der Fürst Hardenberg am 13. September 1814 dem Fürsten Metternich den Entwurf einer Bun- desverfassung für Deutschland den darüber vorläufig abgeschlossenen allge⸗ meinen Bedingungen gemäß, vorgelegt. Deutschland war hier in vier Kreise getheilt, die Leitung der Kreisangelegenheiten lag dem Kreisobersten ob, an der Spitze des Ganzen sollte eine Bundesversammlung stehen, die aus dem Rathe der Kreisobersten und dem der Fürsten und Stände gebildet würde. Das Direltorinm war bei Oesterreich und Preußen. In allen Staaten sollte die landständische Verfassung eingeführt werden, und den Ständen sollte ein Minimum von Rechten garantirt fein. Endlich war ein oberstes Bun⸗ desgericht angeordnet. Die Bestimmungen dieses Entwurfs wurden zu⸗ nächst in 12 Artikel gebracht und einem engeren Ausschuß, der aus den Abgesandten der Staaten Oesterreich, Preußen, Hannover, Bayern und Württemberg bestand, zur Berathung vorgelegt. Diese Kommission, nach⸗ dem sie in der Zeit vom 14. Oktober bis zum 16. November 13 Sitzungen gehalten hatte, löste sich indessen wieder auf, ohne das Verfassungswerk ge⸗ fördert zu haben. Bavern und Württemberg wollten von der ihnen zuge⸗ sicherten Souverainetät auch nicht den geringsten Theil aufgeben und vor Allem nicht auf das Recht der Bündnisse und des Krieges und Friedens verzichten. Die Verwirrung wuchs noch durch die an sich berechtigte Fer derung der 31 kleinen deutschen Staaten, bei der Berathung der Verfassung auch ein Wort mitsprechen zu dürfen, und zu dem Allen kam endlich, daß die auf dem Kongteß vertretenen Mächte über die großen europäischen Angelegenhei⸗ ten sich nicht vereinigen konnten und die immer größer werdende Spannung fast in offene Feindschaft auszubrechen drohte.

Bei diesem großen Kampfe der konnte das deutsche Einigungswerk leinen gedeihlichen Fortgang nehmen und Alles, was in dieser Beziehung geschah, beschränkte sich auf vereinzelte Versuche und Entwürfe, in denen die Betheiligten das ihnen vorschwebende Verfassungsideal zu verwirklichen strebten. So über- reichte Schmidt- Phiseldeck aus Braunschweig im Namen der kleineren Staaten dem Grafen Münster eine Note, welche die Wiederherstellung des Kaiserthums sordert. Der hannöversche Gesandte ging auch mit vieler Wärme auf den Plan ein, der aber an dem Widerstande Oesterreichs schei⸗ terte, welches in feinen Allianzverträgen mit den europäischen Großmächten ausdrücklich anf die Wiederannahme der Kaiserwürde verzichtet hatte. Ein preußisches Kaiserthum, an welches der Freiherr von Stein dachte, hatte damals weit weniger Chancen, als vierunddreißig Jahre später. An allen Ecken und Enden von Deutschland tauchten in Büchern, Zeitungen und Brochüren die verschiedenartigsten Verfassungs⸗Entwürfe auf und jeder der⸗ selben hatte eine Partei des Volkes hinter sich und wurde von einem der in Wien versammelten Diplomaten vertreten. Im Dezember 1814 hatte Oesterreich eine vom Herrn von Wessenberg ausgearbeitete Verfassung in 15 Artikeln eingereicht, die bald wieder ad acta gelegt wurde. Am 10. Fe⸗ bruar übergab Preußen einen von W. von Humboldt verfaßten Entwurf, in dem die zukünstige Gestaltung D eutschlands ausführlicher, als je vorher bestimmt war. Die gemeinschaftlichen Angelegenheiten besorgt hier eine Bundesversammlung, bestehend aus den Bevollmächtigten aller Mitglieder. Sie besteht aus einem ersten und zweiten Nathe. Zugleich wird Deutsch⸗ land in Kreise getheilt, über welche gewisse Fürsten das Kreisvorsteheramt führen. In allen Staaten sollen Landstände eingeführt werden, die das Recht der Mitberathung der Gesetze, der Steuerbewilligung und der Be— schwerden haben. Ferner müssen alle Bundesmitglieder ihren Unterthanen wenigstens folgende Rechte einräumen: Freiheit, in jeden Bundesstaat ohne Abgaben auszuwandern und dort in Kriegs- oder Civildienste zu treten; Freiheit, sich auf jeder deutschen Lehranstalt zu bilden; Freiheit der Person und des Eigenthums gegen jede Beeinträchtigung auch gegen den Nach⸗ druck, so wie das Recht nur vor dem ordentlichen Richter zu stehen; Auf⸗ hebung der Leibeigenschaft und Preßfreiheit mit Verantwortlichkeit der Schriftsteller, Buchhändler und rucker. Ein ständiges Bundesgericht ent⸗ scheidet in allen Bundessachen. Ein zweiter Entwurf war beigelegt, der sich vom ersten nur duich Weglassung der Kreiseintheilung unterschied. Im April überreichten abermals die preußischen Abgeordneten die Grund⸗ züge einer deutschen Bundesverfassung in 14 Paragraphen. An der Spitze des Bundes steht hier die aus allen Fürsten gebildete Bundesversammlung; aus ihr wird ein permanenter Vollziehungsrath ausgeschieden. Die Ver- einigung der Streitkräfte geschieht durch die Stellung angemessener Kon- tingente. Alles Uebrige ist nur ein dürftiger Auszug aus dem früheren Entwurf. Zu den allgemeinen stgatsbürgerlichen Rechten kommt hier nur noch die freie Religionsübung. Im Mai übergab Oesterreich einen Ent- wurf, in welchem die wichtigsten Bestimmungen der späteren Bundesakte schon enthalten sind. In materieller Beziehung unterscheidet er sich von dem preuß schen dadurch, daß von keiner Festsetzung eines Minimum der landständischen Rechte mehr die Rede ist und durch die Beschränkung der allgemeine staatsbürgerlichen Rechte. Am 28. Mai legte der Fürst Met⸗ ternich endlich einen Bundesplan in 17 Paragraphen vor, worin die Ver⸗ mittelung ver früheren österreichischen und preußischen Vorschläge enthalten ist und welcher mit wenig Modification die spätere Bundesakte wurde. Am 23. Mai hatten nämlich schon die Abgesandten aller deutschen Staaten mit Ausnahme Württembergs und Badens, die erst viel später dem Bunde beitraten, sich zu einer Versammlung geeinigt, welche in elf Sitzungen bis zum 109. Juni die Berathung der deutschen Verfassung vollendete. So entstand statt eines Bundesstaats der deutsche Staatenbund das fö⸗ derative Band mit seiner kleinen und schwachen Grundlage, der deut⸗ schen Bundesakte, die am 8. Juni zur Welt gefördert, gleich dem neuge⸗ bornen Kinde nur einige Laute hören ließ sich aber über nichts Wichtiges vernehmbar und verständig aussprach.“ Die athemlose Hast, mit der man zuletzt gerade im Gegensatz zu dem früher beobachteten System des Zau— derns und Hinausschiebens das Versassungswerk vollendete, erklärt sich aus der Rückkehr Napoleon's nach Frankreich und aus den ungeheueren Er⸗ folgen, welche jeden seiner Schritte begleiteten. Alles Uebrige trat von da an in den Hintergrund und, um nun recht rasch mit den inneren deutschen Angelegenheiten fertig zu werden, ließ man einen Punkt nach dem anderen bei denen sich Verschiedenheit der Meinungen zeigte, fallen und war zu? frieden, ein Paar allgemeine Bestimmungen zum großen Theil nur fraft⸗ und sastlose Anweisungen auf die Zukunst zu Stande gebracht zu haben.

Im letzten Kapitel seines Aufsatzes wirft der Verfaͤsser einen Blick auf die Arbeiten des frankfurter Parlaments. Der Grundfehler, durch den alle Bestrebungen dieser Versammlung vereitelt wurden, sieht er darin, daß sie das Verfassungswerk usurpatorisch zur einseitigen Sache des Volks machte, während der wiener Kongreß eben so einseitig eine Prfiv- atelngelegenheit der Fürsten darin erblickte. Ein falsches Souverainetätsgefüh! habe die Män- ner in der Paulskirche dazu verführt, zuerst eine unmögliche Verfassung zu entwerfen, und dann an ihrer Schöpfung hartnäckig und um jeden Preis

verschiedenartigsten Interessen

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