1850 / 12 p. 2 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

betrachtet werden könne, so lange die Nation nicht beigestimmt habe. Was die Zukunft Deutschlands anbetreffe, so bleiben dem Volke seine Rechte auf eine Neugestaltung Deutschlands, in welcher Be⸗— ziehung die Regierungen die festesten Zusicherungen gegeben haben. Die schweren Kämpfe über den Umfang der n ff des Volkes zur Konstituirung einer Verfassung haben für jetzt ihre faktische Er ledigung gefunden. Ein Festhalten an den bisher eingeschlagenen Wegen konne er für rathsam nicht halten, denn auch in politischen Dingen müsse ein zeitiger Vergleich einem langen Prozesse vorgezogen werden. In diesem Sinne halte er gegenwär⸗ tig Verständigung und Verhandlung mit Regierungen für das einzige zum Ziele führende Mittel. Um das zu solchen Ver⸗ handlungen nothwendige gemeinsame Organ zu schaffen, bedürfe es der Wahl einer neuen National-Versammlung, und möge die Ent— scheidung darüber vorbehalten bleiben, ob man auf das frühere Wahl 39 zurückkommen oder über ein neues mit den Vertretern der Einzel⸗-Staaten sich verständigen wolle. Daß, wenn irgend möglich, auch Oesterreich zu Deutschland gezogen werde, sei gewiß zu wünschen, aber wenn Oesterreich fortfahre, an der Centralisation seiner Staaten festzuhalten, so müsse es dem übrigen Deutschland vorbehalten bleiben, einen besondern Bundesstaat zu bilden. Daß eine solche Eventualität in dem Antrage hervorgehoben werde, halte er weder für nöthig noch rathsam, da vor Allem die engere Ver⸗ einigung mit Oesterreich angestrebt werden müsse. . . Weinhag en räumt ein, daß die eben gehörten Gründe viel für sich haben, kann sich aber doch auf diesen geschichtlichen Standpunkt nicht stellen. Der Redner führt die dem Antrage entgegenstehenden Bedenken aus und hält den Antrag seines Freundes Bucren für den allein richtigen und praktisch auch wohl ausführbaren. Er wird daher zunächst für diesen Antrag stimmen, bei dessen Nicht⸗ annahme aber für denjenigen Lang's II. sich erklären, da er das kleinere Uebel sei. Sollte auch dieser Antrag abgelehnt werden und der Antrag Windhorst's zur Abstimmung kommen, so wolle er zu diesem den nachfolgenden Verbesserungs-Antrag stellen: „Mit Bedauern haben Stände aus dem Schreiben des Königlichen Mi⸗ nisteriums vom 10. Dezember v. J. die wiederholte Benachrich⸗ tigung entgegengenommen, daß das deutsche Ver fassungswerk noch nicht zu dem Ziele und Abschlusse gelangt sei, dessen Erstrebung seit dem Frühling 1848 von dem deutschen Volke, auch von dem hannoverschen Volksstamme gefordert und von den resp. deutschen Regierungen zugesagt wurde. Indem Stände voraussetzen dürfen, daß der Königlichen Regierung der vom Volke bezeichnete Weg zu demselben nicht unbekannt sei, wollen sie, zur Zeit von einem näheren Eingehen anf das Schreiben des König⸗ lichen Ministeriums vom 10. Dezember v. J. und die damit ge— machten offiziellen Mittheilungen absehen, sie glauben jedoch schon jetzt die Erklärung nicht zurückhalten zu dürfen: Daß das von Seiten der Königlich hannoverschen Regierung mit der Königlich preußischen und sächsischen Regierung abgeschlossene Bündniß be⸗ huf Herausstellung eines deutschen Lr fl ene zwischen den einzelnen deutschen Staats-Regierungen, so wie die Einsetzung eines Bundes⸗ Schiedsgerichts und des sogenannten Interims, eben z we⸗ nig geeignet sind, die unzweifelhaften Neigungen und gerechten Wünsche des hannoverschen Volkes zu befriedigen, als öffentliche Rechts⸗ zustände von gesicherter Dauer in Deutschland zu begründen.“ Hiernächst spricht Freudentheil in leidenschaftlicher pathetischer Rede sich gegen den Windthorstschen Antrag aus und hebt alle von seinem Standpunkte aus dagegen vorzubringenden Bedenken hervor. Schließlich sucht er den Antrag Lang's zu vertheidigen. Windt⸗ horst weist die seinem Antrage gemachten Vorwürfe entschieden zu⸗

rück und sucht deren Unhaltbarkeit im Einzelnen nachzuweisen. Ge⸗ w D MM He, Cee = == , r n, s- = 2 = 9 T., = -14h- , Ce tere deñselben, fallõ erzur Abstimmung gelange, in folgenden 4 Punkten Salva redactione verbessert zu sehen wünscht. Er beantragt nämlich, in dem Antrage 1) die geschehene Zurückberufung der hannoverschen Ab— geordneten zur National⸗Versammlung bestimmt zu tadeln, 2) den von vielen Abgeordneten sogar als Vertrauens-Votum aufgefaßten dunklen Tadel hinsichtlich des Interims deutlich auszusprechen, als das einzig anwendbare Wahlgesetz den Bundesbeschluß von 7. April 1848 zu bezeichnen, und 45 auszusprechen, daß zur Zeit, und so lange Oesterreich auf seiner Centralisation bestehe, von dort keine Abgeordneten zugezogen werden können. Hierauf erhebt sich Stüve, um in einem längeren und ausführlicheren Vortrage die bislang gestellten Anträge zu beleuchten. Er habe wenig Posltives bislang vernommen, wohl aber viel Wortgeklingel hören müssen, und hatte gern ein positiveres Resultat gewünschk. Die der Re⸗ gierung gemachten Vorwürfe der Hinterlist und Doppelzüngigkeit wolle er gern vergessen. Die Regierung habe keine Hintergedanken gehabt, habe gerade gesprochen und dabei denke sie zu bleiben. Er geht dann die einzelnen Anträge durch. Was zuerst den Antrag auf Anerkennung der Reichsverfassung anlange, so stütze sich derselbe angeblich auf das formelle Recht; aber das sei eben die Frage, ob dieses formelle Recht vorhanden sei, und darüber eine neue Dis⸗ kussion herbeizuführen, scheine ihm sehr überflüssig. Wolle man bei den frankfurter Beschlüssen beharren, so könne nichts erreicht werden, denn es existiren die Gesetze nicht, auf welche man sich be⸗ rufen habe. Dieses habe ein Theil der Versammlung gefühlt und deshalb einen Antrag eingebracht, welcher eine Vermittelung ver⸗ suche, eine Vermittelung, die er jedoch als eine entschieden unglück⸗— liche bezeichnen müsse. Schon im ersten Satze des Antrages liege ein großer Irrthum, nämlich die Voraussetzung, daß die Regierung von dem Bündnisse vom 26. Mai zurückgetreten sei. Die Regie⸗ rung wolle dieses Bündniß durchführen und zwar in seiner vollen Bedeutung. Es sei ein Unterschied zwischen dem Bündnisse selbst und der Verfassung, welche dadurch erzielt werden solle. Das Bünd⸗ niß selbst sei insofern jetzt überflüssig, als die gefährdete Ordnung jetzt außerdem gesichert erscheine, aber nicht überflüssig sei es, was die Durchführung der deutschen Verfassung betreffe. Diese Verfas⸗ sung werde die Regierung durchführen, denn sie müsse ihr gegebe— nes Wort halten. Die Stände können die Regierung vielleicht daran hindern, diese selbst aber werde der Durchführung keine Hindernisse ent⸗ gegenstellen. Die Regierung sei vollkommen zu einem solchen Bündnisse det Berfassung zufolge berechtigt gewesen, und nur, wenn zur Aus⸗ führung des Bündnises, Gesetze rf eh l seien, werde es der Zustim⸗ ung der Stände bedürfen; nicht aber zu dem Bündnisse selbst. 1 würde es zur Ausführung des Wahlgesetzes der stän⸗ ischen zustimmung beburft haben, und wenn vie Stände solche Zu= stimmung nicht eriheilen wollten, so würde die Regierung ihre Ver— flicht 1 MJ 9 9 h Pflichtungen nicht haben erfüllen können und dann welter zusehen müssen, was in der Sache zu thun sei, der Antrag gehe dann zu äinzm Bebguern äber, Laß bie Reichs oerfasfung nicht“ anerkangt worden. Auf ein solches Bedauern könn? nicht viel ankommen wohl äber sei der Passus von Gewicht, wodurch die Zustimmung w , 5 , z i eine unberechtigte Handlung 6 e Regierung habe diesen Vertrag, wie jed = deren, völlig ültig, ohne Justimmun d g w ? n an learn. r, f e . rl wien fene hee, söbschließen Ehe das Interim zu Stande nl ect gwesen, r, ü. . ,, sse sei zwischen Desterreich und Preußen, zwischen Norb- und

68

Süddeutschland, eine feindselige Stimmung entstanden. Es gebe Lagen, . ein n , gend m ei sei und manchmal als da! kleinere Uebel erscheine; aber ein Krieg zwischen Desterreich und Preußen würde ein Bürgerkrieg sein, und Deutschland könne eher Alles! dulden, als einen solchen Bürgerkrieg. Hannover habe jedoch nicht das Verdienst, die Einigung zwischen Oesterreich und Preußen hergestellt zu haben, dieses sei vielmehr den ausdauernden und wohlgemeinten Bestrebungen von anderer Seite zuzuschreiben. Man habe gegen das Interim Befürchtungen aus einer früheren österreichischen Note hergeleitet. Es erllärs sich dlese aus der da⸗ maligen Lage Deutschlands, aus welcher die Befürchtung hervor= gegangen sei, daß es in Deutschland überall zum offenen Aufruhr kommen werde, und da habe es dann nahe gelegen, für das Beste zu halten, der Gewalt mit Gewalt zu kegegnen. Eine solche Ge⸗ walt zu üben, haben Oesterreich und Preußen vereint wohl die Macht gehabt, und man müsse es als ein Glück bezeichnen, daß das Interim als ein Institut mit gesetzlich beschränkter Macht zu Stande gekommen sei. Ber interimistischen Bundes -ommission stehen nur die beschränkten Rechte des engeren Rathes der früheren Bundes⸗ versammlung zu, und sei sie verpflichtet, die Bundesgesetze aufrecht zu erhalten. Darin sei ein neuer Grund des Rechtes zu sinden in einer Zeit, wo die Gefahr der Gewalt sehr nahe gelegen, Auch er wünsche nicht, daß das Interim über den 1. Mai d, J. hinaus ausgedehnt werde, aber er müsse es für höchst bedenklich halten, dieses als bestimmte Forderung hinzustellen, denn dann müsse man mit Bestimmtheit wissen, was nach dem 1. Mai kommen solle. Köoͤnne man bis zum 1. Mai nichts Anderes schaffen, so bleibe nur übrig, zum deutschen Bunde zurückzukehren, und sehr fraglich sei es, ob Oesterreich hierzu einmal geneigt sein werde. Sollte dieses nicht der Fall sein, so würde Deuͤtschland der größten Gefahr wie⸗ derum blosgestellt sein. Dahin dürfe man es nicht kommen lassen, denn das schlechteste Band sei besser als gar keines. Bezüglich dessen, was geschehen folle, könne der Antrag auf den Vorzug der Konse⸗ quenz keinen Anspruch machen, müsse vielmehr als vollkommen in—⸗ konsequent bezeichnet werden, denn die Konsequenz würde zur Anerkennung der Reichsverfassung führen. Eine Inkonsequenz sei es ferner, wenn der Antrag, der sich auf den Bundes⸗ beschluß wegen Berufung einer National-Versammlung stütze, Oesterreich don dieser National-Versammlung ausschließen wolle. Ein solches Ausstoßen Oesterreichs sei reine Willkür, und könne er den Antrag deshalb nur für ein Blendwerk halten. Was werde auch mit dem Antrage erreicht? Zunächst müßte eine Einigung der Regierungen stattfinden, und diese Einigung würde nicht zu erzielen sein. Preußen würde sich nicht darauf einlassen, einen Reichstag nach Maßgabe des früheren Wahlgesetzes zu beschicken, es sei denn, daß es durch eine neue Revolution dazu genöthigt werde. Sehr zweifelhaft sei es aber auch, ob das Volk wirklich ein solches Wahl- gesetz wolle, und oft täusche man sich sehr, wenn man glaube, das ganze Volk hinter sich zu haben. Wie sollte aber auch eine solche Ueberzeugung geltend gemacht werden? Man drohe mit einer neuen Revolution. Möglich sei es, daß eine solche später wieder statt⸗ finde, sobald werde sie aber nicht eintreten, denn die Nachtheile der letzten Revolution lasten noch schwer genug auf dem Volke. Eine Erbitterung möge in einzelnen deutschen Staaten hin und wieder sich noch finden, eine solche aber führe noch nicht zu einer Revolu⸗ tion. Jedenfalls würde es unstatthaft sein, in dieser Versammlung auf dergleichen sich zu berufen, und glaube er auch nicht, daß man dieses habe thun wollen. Leider sei die Ansicht sehr verbreitet, daß es einen Mittel-Instand gebe zwischen Gewalt und Recht, nämlich die Demonstration. Solche Demonstrationen seien nur halbe Ge⸗ walt und haben nach einer Revolution keine Wirkung mehr. Ent⸗ wert müsse man sich an Recht und Vernunft halten oder klar zur Gewalt übergehen. Für den Langschen Antrag könne nur der stimmen, welcher wünsche, daß nichts geschehen solle, und gerade so werde die Sache liegen, wenn die Verbesserungs-Anträge zu dem Windthorstschen Antrage angenommen werden, und wenn die Stände verlangen, daß nichts geschehen solle, so werde die Regierung sich dabei beruhigen können. Daß Oesterreich und Preußen auf einen solchen Antrag nicht eingehen werden, liege außer Zweifel, und wollten Hannover und die übrigen Staaten allein einen Reichstag berufen, so würden die Regierungen sich nur lächerlich machen. Der Antrag von Groß habe anscheinend wenig Beifall in der Kammer gefun⸗ den, und könne er demselben nur entschieden entgegentreten, da er von dem, was die Regierung anstrebe, gänzlich ableite und zur Zerreißung Deutschlands führe. Ein solches Ziel habe Hannover nie vor Augen gehabt, und wenn man dieses leugne, so ignorire man die klarsten Thatsachen, denn Hannover habe nie einen Theil Deutschlands für sich allein konstituiren wollen. Allerdings habe man, als die Revolution in Oesterreich und Süddeutschland ge⸗ wüthet, die Möglichkeit eines kleineren Bundes sich denken müssen, aber ein solcher auf Nord- und Mittel ⸗Deutschland beschränkter Bund würde niemals auf solchen Grundlagen haben geschlossen werden können, wie ein Bund für ganz Deutschland. Ein solcher kleinerer Bund würde immer nur ein völkerrechtliches Bündniß haben sein können, in welchem jedem einzelnen Staate das Wider spruchsrecht habe vorbehalten bleiben müssen, wenn man sich Preu— ßen nicht völlig habe unterwerfen wollen. Man könne zu keiner Zeit eine Bundesverfassung sich denken, in welcher ein Staat alle anderen überrage. Jeder Staat müsse seine Bedürfnisse voran— stellen, das liege in der Natur der Sache, und deshalb würden die Angelegenheiten ves Bundesstaats bei dem entschicdenen Ueberge— wichte Preußens so geleitet werden, wie es die Bedürfnisse Preu— ßens verlangten. In einem solchen Falle sei es für den kleineren Staat noch besser, dem größeren ganz einverleibt zu werden, als ein Anhängsel des größeren zu sein, welches, ohne der Fürsorge sich zu erfreuen zu haben, nur Leiden tragen müsse. Hannover müsse die Ueberzeugung haben, daß es seine Selbstständigkeit nur im Verein mit ganz Deuischland sich erhalten könne. Die früher mögliche Existenz kleinerer Staaten sei bei jetziger Lage der Ver⸗ hältnisfe nicht mehr zu halten, und kein dauernder Wohlstand für einen Staat zu hoffen, der nur in der Eifersucht anderer größerer Staaten die unsichere Möglichkeit seiner Existenz suchen . Bei der Frage, was jetzt geschehen müsse, um eine Einigung Hannovers mit Deutschland zu bewahren, sei ein Rückblick in die Geschichte nothwendig. Die ältere Verfassung Deutschlands, wie sie vor 1815 bestanden, sei vernichtet, die damals entstanden, aber zugleich unent⸗ wickelt geblieben. Die Hemmung der nothwendigen Entwickelung des rohen Werkes der Bundesverfassung habe sich schwer gerächt, als die Entwickelung der Welt im Jahre 1848 plötzlich hereinge⸗ brochen und Deutschland furchtbar Üüberrascht habe. In der 30 Jahre langen Hemmung der Entwickelung Deutschlands liege ein großer Theil der Schuld, den jetzt die frankfurter Rational Ver⸗ sammlung trage. Sie habe ein unmögliches Werk begonnen, und wie man ihren Fall beklagen müsse, so werde die Geschichte sie einst milder beurtheilen, als das jetzt von Manchem geschehe. Zu An=

fang habe die National-Versammlung davon ausgehen dürfen, daß sie mit gänzlich gelockerten Nea tunen es zu thun habe, und kaum habe damals wohl Jemand daran gedacht, daß Oesterreich nicht in seine einzelnen Provinzen zerfallen werde. Allein als im November 1848 die Regierungen Oesterreichs und Preußens wieder zur frü—⸗

heren Macht gelangt seien, da habe die National-Versammlung ein- ehen müssen, daß ohne Zustimmung der Regierungen eine Verfas⸗ . Deutschlands nicht zu erreichen sein werde. Im hohen Grade schwierig zwar sei es damals gewesen, einen gesunden Ausgang in ber Sache zu finden, da Oesterreich wohl kaum auf irgend eine Verfassung sich würde eingelassen haben, und es dessenungeachtet bei Deutschland bleiben müsse, wenn dieses nicht ganz machtlos werden solle. Wolle man . aus Deutschland herausdrängen, dann müsse Deutschland seine Stellung in Europa aufgeben. Eine Trennung Oesterreichs von Deutschland sei gleich der Thei⸗ lung Polens zu betrachten, denn der Trennung Oesterreichs würde die Absonderung anderer Staaten gar bald folgen. Vorläufig wenigstens haben sich nun Oesterreich und Preußen darüber ge⸗ einigt, daß man auf friedlichem Wege thatsächlicher Entwickelung die Verfasfsung Deutschlands ausbilden wolle. Was man darunter verstehe, sei zwar nicht ganz klar. Undenkbar sei es nicht, daß der Erfolg einer solchen Entwickelung eine Theilung Deutschlands sei; denn wenn Oesterreich und Preußen einen solchen Gedanken auch jetzt nicht hegen, so könne man doch leicht darauf zurückkommen. Der Gedanke der Mainlinie sei in verschiedenen Staatsschriften bis auf die neueste Zeit festgehalten. Durch seinen Zollverein habe Preußen zuerst diesen Gedanken beseitigt, und darin habe die haupt— sächlichste Bedeutung des Zollvereins, so lange er in ungeschwächter Kraft bestanden, gelegen, daß er ein Bindemittel zwischen Süd- und Nord Deuischland gebildet habe, das leider nunmehr geschwächt sei. Oesterreich habe keine Kraft gegen Frank⸗ reich, wenn es nicht sofort den Ober- Rhein besetzen könne. Dazu bedürfe es der Festung Mainz, und ohne diese zu schützen, könne Oesterreich sich selbst kaum schützen. Sollten Hessen-Darmstadt und Baden einst wieder von Preußen sich tren— nen, dann liege die Gefahr einer Theilung in Nord- und Süd— deutschland wiederum sehr nahe. Eine solche Theilung zu verhin⸗ dern, dahin müsse das hauptsaͤchlichste Bestreben der mittleren deut⸗ schen Staaten gerichtet sein, welche noch eine gewisse Unabhängigkeit sich erhalten haben. Als einzigen Schutz haben diese mittleren Staaten noch die Bundesverfassung, denn darin habe sie das ein— zige Mittel, die Einigkeit Deutschlands zu fordern. Alles nun, was den Regierungen die Freiheit der Thätigkeit verkümmere, führe den Moment der Theilung Deutschlands näher herbei, der Windt⸗ horstsche Antrag habe insofern weniger große Bedeutung, als er über das Verhältniß gegen Preußen und über das Interim sich nicht äußere. Lob oder Tadel in dieser Beziehung könne für die Regierung von großer Bedeutung nicht sein; das Hauptgewicht liege darin, daß die Regierung nach diesem Antrage die wenige Kraft behalte, die sie noch habe, für Deutschland zu wirken. „Die Geschicke Deutschlands“, schließt der Redner, „kön⸗ nen wir gar nicht lenken, aber darin liegt die Kraft, daß die Regierung ein Wort sprechen kann zur Wahrung des Rechtes, daß man nöthigenfalls sagen kann: das darf nicht geschehen. Hilft das nicht mehr, dann freilich muß man sich in das schwere Schicksal fügen, wie solches Deutschland bis zum Jahre 1813 getragen. Die Gefahr ist groß; die Stände können nur dagegen wirken, wenn sie der Regierung die Möglichkeit erhalten, fret zu wirken. Mögen die Stände das bedenken!“ Zum offenbaren Mißbehagen eines großen Theiles der Versammlung spricht darauf Gerding noch für den Buerenschen Antrag, und wird von mehreren Seiten auf den Schluß der Debatte provozirt. Der Präsident glaubt in dieser hochwichtigen Angelegenheit Keinem die Möglichkeit der Meinungs⸗ Aeußerung abschneiden zu dürfen, und da noch mehrere Mitglieder ihre Absicht erkennen geben, zu reden, von anderen Seiten aber man sich zum längern Diskutiren außer Stande erklärt, so wird die Berathung vom Präsidenten bis morgen vertagt.

Hannover, 8. Jan. (H. 3.) In heutiger Sitzung der ersten Kammer stellte von Honstedt einen Urantrag, welcher dahin ging, die Regierung um eine Gesetz Vorlage zu ersuchen, wonach bei der Ablöfung gewisser, den Werth des verpflichteten Grund⸗ stücks übersteigenden gutsherrlichen c. Lasten eine Ermäßigung des Ablösungs-Kapitals nach Maßgabe des Werthes des Grundstücks ermöglicht werde. Der Gesetz-Entwurf über Einrichtung von An— waltskammern wurde zum erstenmale berathen und an die Justiz—⸗ Kommission verwiesen. Die Beschlüsse der zweiten Kammer über den Gefetz- Entwurf, die Aufhebung der Mannestifter betreffend, wurden nach erstattetem Vortrage des General-Syndikus angenom⸗— men. Gegenstand der heutigen Sitzung zweiter Kammer bildet die Fortsetzung der Berathung über die Regierungs-Vorlagen in der deutschen Frage. Es sprachen heute noch Oppermann, Klee, Bue⸗ ren, Detering, Meyer (Landdrost), Hirsch und Lang II. Um 3 Uhr ist die Debatte noch nicht geschlossen und noch nicht abzusehen, ob es zum Schlusse derselben heute wird kommen können.

Hannover, 9. Jan. (H. 3.) In der gestrigen Sitzung der zweiten Kammer wurde nach Ankündigung von 34 neu eingegan— genen Petitionen die abweichenden Beschlüsse erster Kammer über die hier beliebten Abänderungen der Geschäfts-Ordnung mitgetheilt, und beschließt man auf Antrag des Vice-General⸗Syndikus, auf den hiesigen Beschlüssen zu beharren und auf eine Konferenz zu provoziren. Hiernächst wird fortgefahren in der gestern abgebro⸗— chenen Berathung über die deutsche Frage. Zuerst spricht Opper⸗ mann in einem ausführlichen Vortrage zur Vertheidigung des Lang⸗ schen Antrags, so wie zur Widerlegung der von Stüve gestern diesem An⸗ trage gemachten Vorwürfe. Man habe dem Antrage vorgeworfen, daß nach dessen Annahme von der Regierung nichts werde geschehen können; aber auch in den Vorlagen der Regierung finde er keine Andeutung darüber, daß etwas und was geschehen solle, so wenig als in dem gestrigen Stüveschen Vortrage. Die Regierung ver⸗ lange volles und ganzes Vertrauen und vollkommen freie Hand, so wie auch Vertrauen zum Interim. Er und seine Freunde können zu diesem Interim jedoch lein Vertrauen haben, denn schon ein altes Sprüchwort sage: „das Interim hat den Schalk hinter ihm.“ Der Kern des gestrigen Stüveschen Vortrages liege in der Behaup⸗ tung, daß die Politik der mittleren deutschen Staaten ein starres Feschalten an dem Rechte von 1815 verlange. Das beanspruchte Vertrauen könne man der Regierung nicht schenken, denn sie stehe nicht auf einem festen Boden, weshalb ihr Bestreben, die Stände auf einen festen Boden zu stellen, durchaus erfolglos sein müsse. Nach Hinweifung auf die Erlasse der Regierung aus dem Jahre 1848 verfolgt der Redner monatsweise weiter die deutsche Politit der hannoverschen Regierung im vergangenen Jahre und unterzieht dieselbe einer Kritik, welcher es nicht an Ironie und Komik fehlt. Er sucht ferner nachzuweisen, daß die Souverainetät, an welche die deutschen Fürsten sich jetzt so ängstlich klammern, eine durchaus un⸗ berechtigtö sel, da das deutsche Volk ein Recht auf, ein deutsches Reich habe, welches ihm urch die Entsagung des österreichischen Kaisers auf die deutsche Kaiserkrone nicht habe genommen werden können. Das Festhaltenwollen an dem alten Bundesrechte gleiche dem Anklammern an einem letzten, aber sehr schwachen Rettungs⸗ anker, und glaube er nicht, vaß es jemals wieder zu dem Bundes⸗ rechte kommen werde. Sollte, wie ihm vorgeworfen, der Langsche Antrag nach Erfurt führen, so werde das am Ende auch kein gro⸗ ßes Unglück fein. Der Antrag habe den Vortheil, daß er etwas ganz

Bestimmtes wolle, denn er berufe sich auf das Recht des Volkes 44 den Bundes- Beschlüssen vom Jahre 1848. Man habe ge⸗ sagt, ein zeitiger Vergleich sei einem langwierigen Prozesse vorzu⸗ ziehen; dem stimme er zwar vollkommen bei, aber er könne nur in dem Windthorstschen Antrage den Vergleich nicht entdecken. Even⸗ tuell werde er für die Verbesserungs- Anträge Lang's J. stimmen. Auch Klee fühlt sich gedrungen, Einiges über die gestellten An⸗ träge zu äußern. Dem Buerenschen Antrage müsse er. beizutreten Bedenken finden, weil er sonst Gefahr laufe, dem Metier der Re⸗ surrectionisten zu verfallen. Die Bedeutung des Langschen Antra⸗ ges fei ihm Anfangs nicht klar gewesen und begreife er jetzt, nach= hem er dessen Bedeutung erfaßt, nicht, wie die gothaer Partei in⸗ konsequent mit ihren Ansichten für diesen Antrag werde stimmen können. Ihm sage der Antrag nicht zu, weil er kokettirend mit vem einen Fuße auf dem Rechtsprinzipe und mit dem anderen auf vem Prinzipe der Octroyirung stehe. Der Weg der Verein⸗ harung sei der sicherste und praktischste, was bei Gelegenheit der Berathung über das Staatsgrundgesetz in diesem Hause schon frü⸗ her anerkannt sei. Er werde aus den von seinem Freunde Hirsch vorgebrachten Gründen für den Windthorstschen Antrag stimmen, wodurch die Rechte des Landes nach innen und außen gewahrt werden und der Regierung für ihr ferneres Verhalten möglichst sreie Hand verbleibe. Er werde für den Antrag stimmen ohne die von Lang J. dazu proponirten Verbesserungen. Freudentheil glaubt in der Berufung auf die Verhandlungen über das Staatsgrund— gesetz eine Verletzung der Ehre der Kammer finden zu müssen und geräth darüber mit dem Vorredner in einen Streit, welcher ihm eine Zurechtweisung des Präsidenten zuzieht. Sodann erhebt sich Bueren zu einem ausführlichen Vortrage, um auch seinerseits die gestellten Anträge näher zu beleuchten und seinen eigenen Antrag zu vertheidigen. Den Windthorst⸗ schen Ankrag unterzieht er in seinen einzelnen Theilen einer genauen kritisirenden Erörterung und glaubt, daß diesem An⸗ trage auch die von Lang J. proponirten Verbesserungen nichts hel⸗ fen können. Sodann entwickelt er die Gründe, weshalb er auch für den Großschen Antrag nicht stimmen könne, und verwahrt dabei Ostfriesland gegen die Behauptung, daß dort Sympathieen für die preußische Politik sich finden. Ostfriesland sei nur deshalb für Preußen und gegen Hannover eingenommen, weil ersteres seine freie Verfassung geachtet habe, was von dem letzteren leider nicht gesche— hen sei. Endlich sucht er unter Widerlegung der vorgebrachten Vor⸗ würfe seinen Antrag ausführlich zu vertheidigen. Nach einer be— dauernden Aeußerung Gerding's darüber, daß man das Festhal— ten an der Reichs-Verfassung verhöhnt habe, und nach einer Ver wahrung Freudentheil's gegen die aufgestellte Behauptung, daß die Reichs-Verfassung kein Gesetz sei, legt Detering in aus—⸗ führlicher Rede seine Ansichten über die gestellten Anträge dar. Die Hauptbedenken gegen den Windthorstschen Antrag findet er darin, daß nur der Einheit und nicht auch der Freiheit Deutsch⸗ lands darin gedacht, und daß eine Aeußerung der Stände über das Interim für überflüssig erachtet werde. Er tadelt das Reichs-Mi⸗ nisterium darüber, daß es in den Rücktritt des Reichsverwesers und die Konstituirung des Interims gewilligt habe, eine Handlung, wo⸗ für es demnächst zur Rechenschaft gezogen werden müsse. In dem Antrage Lang's II. findet er eine mehrere oder mindere Uebereinstimmung mit demjenigen Bueren's, nnd wenngleich dem ersteren der Vorwurf der Koketterie mit Recht nicht gemacht wer— den könne, so müsse er doch insofern dessen Unentschiedenheit bekla⸗ gen, als er nicht unbedingt das Festhalten an der Reichs⸗ verfassung ausspreche. Er könne diesem Antrage nur inso⸗ weit beistimmen, als er das Wahlrecht der Nation wahre, nicht aber könne er sich für die Ansschließung Oesterreichs erklären. Mit dem Buerenschen Antrage, welcher in aller Maße auf das for— melle Recht sich kütze sei er völlig einverstanden. Meyer (Land⸗ drost) theilt die Ansicht, das man sich an das formelle Recht halten müsse, nur werde seine Ansicht über das, was Recht sei, wohl sehr verschieden von derjenigen des Vorredners sein, denn ihn werde der— selbe Grund bestimmen, für den Windthorstschen Antrag sich zu er— klären. Man habe besonders ,, daß der Antrag zu wenig tadle und zu viel Vertrauen gegen die Reglerung ausspreche. Diese Vorwürfe aber seien gerade die Vorzüge des Antrages. Es sei früher gesagt, daß die Regierung viel Vertrauen im Lande habe; auf der anderen Seite aber habe man der Regierung kein Ver— trauen schenken zu können gemeint, weil es ihr an einem Rechtsboden fehle. Das nun, glaube er, übersteige alle mensch— lichen Kräfte, in so stürmischen Zeiten ohne Rücksicht auf die wechselnden Ereignisse in allen Einzelnheiten einen fest vor— gezeichneten Weg stets konsequent zu, verfolgen. Die Re—⸗ gierung aber habe mit Festigkeit, Offenheit, Klarheit, und ohne um die Volksgunst zu buhlen, in den Gränzen des Exreichbaren ihren Weg verfolgt und mit anerkennenswerther Entschiedenheit und Klugheit für die Einigkeit und Freiheit Deutschlands gestrebt. Wenn sie leider das vorgesteckte Ziel noch nicht erreicht habe, so könne ihr daraus kein Vorwurf gemacht werden; denn sie habe das Ihrige gethan, und darauf beruhe eben das der Regierung im Lande so vielfach geschenkte Vertrauen, daß sie trotz aller Schwierigkeiten stets fest und klug ihren Weg verfolgt habe. Hannover sei fast der einzige deutsche Staat, wo keine Ausnahme— Zustände stattgefunden und wo man keinen Fuß breit von der Verfassung abgewichen sei. Eine Regierung, welche im Innern so ehrlich gehandelt, verdiene wohl das Vertrauen, daß sie auch in größeren Verhältnissen ehrlich zu Werke gehen werde. Um end— sich etwas zu schaffen, bedürfe es des Festhaltens am Rechte und des Vertrauens zu den Regierungen. Deshalb werde er für, den Windhorstschen Antrag stimmen, weil dieser der Regierung möglichst freie Hand lasse, mit ihren Fähigkeiten das Bessere zu erstreben. Hirsch will nicht auf alle Vorwürfe einge⸗ hen, welche gegen den Windthorstschen Antrag laut geworden zu⸗ mal sie zum großen Theile gegen von ihm nicht gektheilte Gründe gerichtet seien, und bedürfte es namentlich nicht einer Vertheidi— gung gegen Vorwürfe, welche mit Leidenschaft gemacht und Ver— dächtigungen enthalten. Der Antrag gehe davon aus, daß jetzt eine dauernde Verfassung nur durch eine Vereinbarung des Volktg mit den Regierungen zu Stande kommen könne im Wege der Ent⸗ wickelung des bestehenden Rechtes. Daß der Antrag keln bestimm⸗ tes Wahlgesetz bezeichne, darin liege gerade ein großer Vorzu

weil er darin gerade das Praktische vor Augen habe. Praktisch sei . jenige, was einen nothwendigen und nützlichen Zweck verfolge und am meisten ausführbar erscheine. Es sei schon hervorgehoben, wie vielen Bedenken die Anwendung der früheren Bun c heschliisse auf di Wahlen zu einer neuen Nationalversammlung unterliege, und ö dem auch sein möge, so müsse jedenfalls anerkannt werden daß über das anzuwendende Recht die größten Zweifel obwalten Des! halb müsse man zunächst aus Zweckmaͤßigkeits⸗Rücksichten ein neues Wahlgesetz zu begründen suchen, und werde er selbst ein freisinniges octravlrtes Wahlgesetz für rechtsbeständig halten, sofern es vom Volke nachträglich durch Theilnahme an den Wahlen angenommen würde Dafür, daß eine Mißbilligung der Abberufung der hannoverschen Deputirten aus Frankfurt in den Antrag aufgenommen werbe konne er sich nicht erklätren. Zwar sei die Regierung zur Ah.

69

berufung der Deputirten an sich und so lange die Nationalver— sammlung bestanden, nicht berechtigt gewesen; ob aber die Re⸗ gierung nicht zu einer Zeit, als durch den Rücktritt und die Abbe— rufung einer großen Anzahl Deputirten anderer Staaten die Na⸗ tionalversammlung schon im Zustande der Auflösung begriffen ge⸗ wesen und von ihr durch extravagante Beschlüsse bereits Beweise ge⸗ liefert worden, daß sie ihre Kompetenz überschreiten werde, ob die

Regierung zu dieser Zeit auch unter solchen Umständen nicht Veran- lassung gehabt habe, die hannoverschen Deputtrten vor einer länge⸗

ren Thellnahme an den Berathungen der Nationalversammlung zu

warnen und' die fernere Diäten-Zahlung einzustellen, das sei min Dem Vernehmen nach bleibt der lisherige Hin ick *! 8.

destens sehr zweifelhaft, und könne man daher eine offene Mißbilligung dieses Schrittes nicht wohl aussprechen. Gegen den Weinhagenschen Verbesserungs-Antrag müsse er sich erklären, weil er nicht klar hin⸗ stelle, ob er ven Weg der Vereinbarung wolle oder nicht, und eben so wenig könne er für den Buerenschen Antrag stimmen, weil er der Meinung sein müsse, daß es ker National-Versammlung nicht gelungen sei, das Verfassungswerk zu Stande zu bringen, da es der beschlossenen Verfassung an einer Spitze fehle. Lang II. spricht zur Widerlegung der für den Windthorstschen Antrag vorgebrachten Gründe, und will eventuell für die Verbesserungs-Anträge Weinha— gen's und Lang's J. stimmen. Er unterzieht dann den Bueren⸗ schen Antrag in seinen einzelnen Theilen einer näheren Kritik. Den ersten Theil des Antrages findet, er unbedenklich, da auch er der Ansicht huldige, daß die Reichs -Verfassung gültig erlassen sei, wenngleich sie wegen mangelnder Zustim— mung des Königs von Preußen zur Ausführung nicht habe kom— men können. Für den zweiten Theil könne er jedoch nicht stimmen, denn unmöglich dürfe unter den jetzt obwaltenden Verhältnissen der hannoverschen Regierung jedes Recht abgesprochen werden, den in Frankfurt beschlossenen Gesetzen den Gehorsam zu versagen. Für den 3Zten und 4ten Theil werde er nur stimmen, wenn sie nach Verwerfung seines eigenen Antrages zur Abstimmung gelangen sollten. Gegen den 5sten und 6ten Theil aber müsse er bestimmt bissentiren, denn vor der Thatsache der Auflösung der Reichs-Ver— sammlung könne man unmöglich die Augen verschließen, und eine Ergänzung derselben erscheine unter den jetzigen Verhältnissen ganz unmöglich. Der Redner sucht dann die in dem gestrigen Vortrage Stüves seinem Antrage gemachten Vorwürfe im Einzelnen ausführlich zu widerlegen und kann in dem Interim keinen Rechtsschutz gegen die Uebermacht Oesterreichs und Preußens finden. Groß erklärt hier⸗ auf, seinen gestern gestellten Antrag zurücknehmen zu wollen; einer seits, weil sich fast keine Stimme dafür erhoben habe, und ande— rerseits, weil sein Freund Ellissen, mit welchem er sonst vollkommen übertinstimme, anscheinend mit einiger Entruͤstung, sich dagegen aus⸗ gesprochen. Er wünscht, daß Hannover es nie bereuen möge, den erfurter Reichstag nicht beschickt zu haben, und spricht nach einigen gegen die gestrige Rede Stüve's gerichteten Worten dann noch zur Abwehr der der National-Versammlung von linker und rechter Seite gemachten Vorwürfe neben einer Verwahrung gegen die von Bueren ihm untergelegte Behauptung, daß man in Ostfriesland Sympathieen für die jetzige preußische Poli⸗ tik hege. Darauf erhebt sich Stüve, um noch einige wenige Bemerfungen zu machen. Er bezeichnet das gegen das Drei⸗ Königsbündniß vorgebrachte Argument, daß darin ein octroyirtes Wahlgesetz sich befinde, für unrichtig, denn es habe keinesweges in der Absicht gelegen, das Wahlgesetz zu octroyiren, vielmehr würde jedenfalls die ö der Stände von der Regierung dazu beantragt sein. Er spricht sodann gegen dasjenige, was von Lang II. über das Interim gesagt worden. Man sei es gewohnt, bei dem gedachten Redner eine eigenthümliche Interpretation der Bundesgesetze zu finden. So habe derselbe die Berechtigung zu einem Separat⸗Bündnisse innerhalb des deutschen Bundes aus dem Artikel 6 der wiener Schluß-Akte herleiten wollen, während doch die Bundesgesetze ausdrücklich vorschreiben, daß durch eine Veränderung in den Territorial-Verhältnissen der deutschen Staaten das Stimmen ⸗Verhältniß nur mit Zustimmung aller Theile geändert werden könne, und während eine ein— seitige Veränderung in den Verhältnissen der Militair-Hoheit durch die Bundes⸗-Kriegszerfassung geradezu verboten sei. Er , gesagt, daß die Regierung, wenn der Langsche

g angenommen werde, alle Thätigkeit in der deutschen Sache einstellen müsse. Wenn man es nun selbst als feststehend angenommen habe, daß der Zustand Dautschlands ein gefahrvoller sei, und wenn man dennoch die Regierungen in ihrer bisherigen, auf die Abwendung der drohenden Gefahren gerichteten Thätigkeit hemmen wolle, dann möge man sich lieber ganz losmachen von einer Regierung, zu der man kein Vertrauen habe. Die Regierung könne, der auf ihr ruhenden Verantwortlichkeit sich wohl bewußt, auf dem betretenen Wege nur sortfahren, wenn die Stände ihr nicht hemmend entgegentreten. Billige man das Verfahren der Regie⸗ rung nicht, so müsse er wünschen, daß dieses klar und unumwunden ausgesprochen werde, und daß man Gebrauch mache von dem durch die Verfassung gebotenen Mittel, die Verantwortlichkeit der Regierung zur Geltung zu bringen. Nachdem hierauf noch Bueren, Freudentheil, Lang II., Ellissen, Hirsch, Lang J. und Windthorst theils ausführlicher, theils in wenigen Worten für ihre Ansicht ge⸗ sprochen, schließt der Präsident die Debatte, um zur Abstimmung zu schreiten, bevor es jedoch zur Abstimmung kommt, sprachen noch von Garssen, Pagenstecher, Büttner, Wißmann, Weh— mann, Groß, Fründt, Weber und Wilkens zur Motivirung ihrer Vota für den Windthorstschen Antrag, Gerding, Oppermann und Ellissen gegen denselben. Da bei dieser Gelegenheit mehrfach Zeichen des Beifalls oder Mißfallens auf der Tribüne laut werden, so sieht sich der Präsident zu wiederholten Ermah— nungen zur Ruhe veranlaßt, und, als dessenungeachtet die Motivi— rung des Ellissenschen Votums wiederum mit einem lauten Bravo von der Tribüne begrüßt wird, so sordert endlich der Präsident die Zuhörer auf, die Tribünen zu räumen, und sistirt die Verhandlung. Üngeachtet einer mehrfachen Wiederholung dieser Aufforderung wer— den die Tribünen nicht geräumt, weshalb der Präsident, nachdem Freudentheil für die Zurücknahme der Präsidial-Verfügung sich aus—⸗ gesprochen, da es ihm augenblicklich an ausreichenden Mitteln ge⸗ bricht, seinem Befehle Nachdruck zu verschaffen, sich genöthigt sieht, nach Feststellung der morgenden Tagesordnung die Sitzung für heute zu schließen.

In heutiger Sitzung der ersten Kammer wurde der Urantrag von Honstedt's wegen Ablösung gewisser übermäßiger Grundlasten berathen. In der zweiten Kammer hatte Groß von Leer seinen Antrag im gothaer Sinne schon gestern zurückgezogen. Lang J. zog seine vier ÜUnter-Verbesserungs Anträge zu dem Windhorstschen Antrage heute ebenfalls zurlick. Das Resultat der Abstimmung über die noch übrigbleibenden war folgendes: Die Buerenschen 6 Anträge wurden sämmtlich verworfen; nämlich 1) mit 56 gegen 20 Stimmen; 2) mit 69 gegen 7; 3) mit 70 gegen 6; 4 mit 69 gegen 7; 5) mit 71 gegen 5, und 6) mit 71 gegen 5 Stimmen. Der Antrag Lang's II. wurde mit 43 ge⸗ gen 33 Stimmen verworfen. Weinhagen's Verbesserungs-A Antrag zu Windthorst's Antrag wurde mit 43 gegen 33 Stimmen ver—

*

worfen. Windthorst's Antrag (s. das gestrige Blatt d dagegen mit 42 Stimmen gegen . rn e, z. ö

Sachsen⸗Weimar. Weimar, 8. Jan. (D. A der in der heutigen Landtagssitzung 3 an 6 X geordneten für das Staatenhaus wurde ber Staatsminister von Watzdorf mit 24 Stimmen gewählt, während J Stimme auf den Vicepräsidenten Schüler siel und 12 Abgeordnete sich der Abstim⸗ mung enthielten.

Frankfurt. Frankfurt a. M., 8. Jan. (O.

Kaiserlich österreichischen, Königlich bayerischen und frankfurter Truppen, Feldmarschall- Lieutenant Baron von Schirnding einst⸗ weilen noch in seiner bisherigen Stellung. ;

Von den Mitgliedern der Bundes Kommission wird General Baron von Schönhals die Gartenwohnung inne haben, welche Se. Kaiserl. Hoheit Erzherzog Johann bisher bewohnte, während Herr ven Kübeck nebst dem Herrn General-Secretair, Baron von Brunner, das Thurn und Taxissche Palais in der Eschenheimer Gasse beziehen wird. Herr General von Radowitz wohnt bereits seit einiger Zeit in der großen Bockenheimer Hasse, und Herr von Bötticher hat eine Wohnung in der Hochstraße genommen.

Hoher Senat hiesiger freier Stadt hat den Schöffen Herrn Dr. Harnier zum Bevollmächtigten der freien Stadt Frankfurt bei der Central⸗Bundes-ommission ernannt; der Bevollmächtigte hat letzterer sein Kreditiv bereits überreicht.

Was die Agitation zu den bevorstehenden Wahlen für den am 21sten d. M. zusammentretenden gesetzgebenden Korper anbelangt, so waren gestern Abend die Ausschüsse des patriotischen, des Bür⸗ ger⸗, des Künstler⸗ und Handwerker-Vereins versammelt, um sich über eine Kandidaten⸗Liste hinsichtlich der 35 Wahlmänner zu ver⸗ einigen, welche die 45 Mitglieder des gesetzgebenden Körpers zu ernennen haben, während das Montags-Kränzchen, mit welchem der im April 1848 davon ausgeschiedene deutsche Verein sich wieder vereinigt hat, in seiner gestrigen General⸗Versammlung nach leb⸗ hafter Debatte beschloß, sich an den bevorstehenden Wahlen zum gesetzgebenden Körper nicht zu betheiligen.

Ausland.

Oesterreich. Vene dig, 4. Jan. Zufolge einar Kundmachung des Freiherrn von Puchner, Civil⸗ und Militairgouverneurs für die vene⸗ tianischen Provinzen, wird vom 1. Januar an die Insel St. Gior⸗ gio maggiore zum Freihafen⸗Bezirk erklärt und ist innerhalb dessen Gränzen der Verkehr mit allen nicht monopolisirten Waaren völlig frei. Spätestens bis zum 15ten l. M. haben alle Kaufleute ein genaues Verzeichniß der in ihren Magazinen befindlichen Waaren anzugeben. Die ausländischen, deren Einfuhr in Oesterreich gegen Zoll erlaubt ist, können der gesetzlichen Verzollung unterzogen wer⸗ Den, und die Finanz-Intendanz darf dabei eine angemessene Zah⸗ lungsfrist zugestehen. Vom Zolle frei sind alle Viktualien, welche in Venedig seit dem 27. August eingeführt wurden; 2) alle Boden- und Industrie-Erzeugnisse der Stadt und des Bezirks Venedig, mit Ausnahme jener der Dampfmühle und der Zucker-Raffinerie; 3) alle aus dem österreichischen Zollgebiete eingeführten Waaren; alle Waaren, welche bereits der Verzollung unterzogen worden sind. Die Waaren, welche in Folge der Aufhebung des Freihafens aus⸗ geführt werden sollen, sind vom Ausfuhrzolle befreit. Waaren, de⸗ ren Einfuhr in Oesterreich verboten ist, dürfen nicht verzollt, son⸗ dern müssen ausgeführt oder in den Freihafen⸗Bezirk gebracht wer⸗ den; doch ist es den Kleinhändlern, die solche bereits in ihren Ge⸗ wölben haben, gestattet, dieselben nach Entrichtung eines Drittheiles des gesetzlichen Zollbetrages zu verkaufen. Der 1. Februar ist als der Tag bestimmt, an welchem die Zollschranken zwischen Venedig und dem österreichischen Zollgebiete fallen werden.

Frankreich. Gesetzgebende Versammlung. Sitzung vom 8. Januar. Die Kammer beginnt die Berathung über den Gesetzvorschlag des Herrn Parieu in Betreff der Ab⸗ und Einsez⸗ zung der Gemeindelehrer. Das Gesetz stellt diese Lehrer bis zur Verbffentlichung des organischen Gesetzes unter die Präfekten. Der Präfekt soll sie nach dem Wunsche des Gemeinderaths aus den weltlichen Elementarlehrern und aus den Mitgliedern der relt⸗— giösen Gesellschaften ernennen. Herr Lavergne spricht ge⸗ gen den Gesetz⸗Vorschlag als unconstitutionell und macht außerdem auf das Ungesetzmäßige aufmerksam, die Lehrer, die vom Unterrichts-Minister abhängig, unter die Aufsicht der Präfekten zu stellen und ihre Ernennungen von ihnen abhän⸗ gig zu machen. Der Berichterstatter nimmt das Wort und klagt die Gemeindelehrer an, Sozialismus zu predigen, statt den Kindern Unterricht zu ertheilen. Herr Pascal Duprat weist diese An⸗ griffe zurück. Er sucht nachzuweisen, daß die Gesetzvorlage eine politische Bedeutung habe. Man wolle die Lehrer, die demokrati⸗ sche Gesinnungen haben, entfernen und den Unterricht den Ordens⸗ Congregationen in die Hände geben. Der Redner bemerkt im Ver⸗ folg seiner Darstellung, die so angegriffenen Rothen seien nichts als die Republikaner. Die sogenannten weißen Republikaner seien die, welche nur vom Egoismus lebten und ihr Vaterland dem Auslande preisgegeben hätten. Der Redner bemerkt ferner, daß Napoleon mit 3 Millionen Stimmen zum lebenslänglichen Konsul nur mit Hülfe der Schullehrer ernannt worden sei. Der Minister des öffentlichen Unterrichts klagt über die Propaganda der Schullehrer. Elf General-Staatsanwalte haben sich über den So—⸗ zialismus derselben beschwert. Die allgemeine Diskusston wird ge⸗ schlossen, und die Kammer schreitet zur Abstimmung darüber, ob zur Diskussion der einzelnen Artikel übergegangen werden soll. Dies wurde mit 352 Stimmen gegen 208 bejaht.

Paris, 8. Jan. Die Regierung wird, wie es heute heißt, fürs erste 2500 Mann nach dem La Plata schicken. Diese sollen aus der Mobilgarde und der republikanischen Garde rekrutirt wer— den. In 3 Monaten will die Regierung angeblich der Kammer eine definitive Entscheidung vorlegen.

Der Kriegs-Minister hat einen Gesetzvorschlag eingebracht, um den Sold der Unteroffiziere um 20 Centimen täglich zu erhöhen.

Die Course stiegen heute bedeutend, die 5proz. Rente um 55 Cent., die Zproz. um 55 E.

Das neue Journal Le Napoleon, angeblich amtliches Organ der Präsidentschaft, ist gestern erschienen; es ist ein Wochenblatt, das mit einer Titelvignette geschmückt ist, die den Triumphbogen de l'Etoile vorstellt. Diese erste Nummer enthält unter Anderem Arti⸗ kel über das erste Jahr der Präsidentschaft Louis Bonaparte's, über die Republikaner, über den La Plata und über die Elementarlehrer. Unter der Rubrik „Vermischtes“ findet sich die Angabe, daß Louis Bonaparte unter den jetzigen Umständen von dem Gedanken an eine Amnestie eben so weit entfernt sei, als er früher gewünscht habe, dieselbe am Jahrestage seiner Wahl vorschlagen zu können. Am Schlusse heißt es: „Wir sind in einem Zeitraume der Niederhal⸗ tung; jener der Gnade ist noch nicht gekommen.“

Vorgestern Abend war großer Empfang im Marine ⸗Ministe⸗