1850 / 217 p. 4 (Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Grade stellt sich aber die Verletzung dar durch den Beitritt zu der münchener Uebereinkunft. Da macht man uns nun bedentende Vorwürfe darüber, daß wir durchaus nicht gelten lassen wollen, daß diese münchener Uebereinkunft ein bloßer Entwurf sil. Es hat sic die württembergische Regierung in Verbindung mit Bayern, Sachsen und Oesterreich verbindlich gemacht, dieser Uebereinkunft zuzustimmen, allerdings, wie die Worte lauten, solche zunächst nur vorläufig zu halten und sobald die übrigen Mitglieder des Bundes ihre Zuslim— mung gegeben haben, eine Bundes- Regierung einzusezen, und es war nicht nur Ehrensache, sondern staatsrechtliche Pflicht der württembergischen, bayerischen, sächsischen und sterreichischen Re⸗ gierungen, nachdem sie einmal den Vertrag abgeschlossen hatten, an demselben festzuhalten, für den Fall, daß die übrigen Regierungen ihm beitreten werden, und ich möchte wohl wissen, ob, 1 die übrigen Regierungen wirklich beigetreten wären und nun 66 desversammlung die Behauptung geltend gemacht hůtte, 2, . noch nicht gebunden, denn es handle sich um einen bloßen , man alsdann nicht der Landesversammlung ins Gesicht gehalten hätte, wir haben uns durch diese llebereinkunft verbunden und kön⸗ nen nicht mehr zurück, auch bei dem besten Willen. Kaͤme jene Uebereinkunft zu Stande, so handelte es sich keinesweges mehr um einen Vorschlag, nein, in diesem Augenblick würde eine Bundes⸗ regierung eingesetzt, ohne daß man der sogenannten National⸗Ver⸗ sainmlung, die später berufen werden sollte, noch eine Stimme dar— über gab. Es liegt somit in der Zustimmung hierzu dieselbe Ver⸗ letzung der Verfassung, die in der Zustimmung zu dem Interim gelegen ist. Der zweite Punkt, in Beziehung auf welchen die mün— chener Convention blos ein Vorschlag ist, betrifft die Bestimmungen über die Wahl der National-Vertreker. Indem Sie wählen, sagte der Beklagte, stimmen Sie ja bei; wenn Sie aber nicht wählen, hat man uns geantwortet, dann wählen eben die Anderen, und dann werden allerdings, ungeachtet des Widerspruchs der württembergischen Landes versammlung, die deutschen Geschicke durch jene Nationaͤlvertreter fest⸗ gestellt. Es handelt sich also hier nicht um einen freien Willen und eine Zustimmung. Nimmermehr! Die Regierungen sagen nicht, ihr werdet zu wählen aufgefordert; wählt ihr, so stimmt ihr damit der Uebereinkunft zu, wählt ihr aber nicht, so ist die Regierung nicht gebunden. Nein, die Landesversammlungen haben nur die Wahl, ob sie wählen wollen oder nicht. Wählen sie nicht, dann geht die Sache ohne sie ihren Gang fort. Es ist also durch die münchener Convention ein Wahlgesetz octroyirt, und zwar das schlech⸗ teste, welches sich denken läßt. Das Wahlgesetz ist aber Alles, und don ihm hängt die Beschaffenheit der zu gründenden Verfassung selbst ab. Eben damit, daß man ein Wahlgesetz vornweg fest⸗ stellt, giebt man schon für die ganze Verfassung den Inhalt an. Das ist gerade das wichtigste Recht. Die Eonventiön enthält endlich noch Grundsätze in Beziehung auf eine Verfassung, an die sich die Regierung gebunden hat, und es ist von der öster reichischen Regierung als Bedingung des Beitritts ausdrücklich erklärt worden, daß diese Grundzüge bei der Bearbeitung des Verfassungs -Entwurfs und nicht weniger bei der Vereini— barung über denselben in ihrem Wesen werden beibehalten werden. Durch die Zustimmung hat sich also die württembergische Regierung verpflichtet, diese Grundzüge festzuhalten, und eben bamit ' in di Souverainetätsrechte, die neben dem Fürsten auch dem Volk zu stehen, aufs empfindlichste eingegriffen. Außerdem hat sie aber vollends die Grundrechte geradezu über den Haufen geworfen. Ich glaube den Beweis geführt zu haben, daß der betreffende Paragraph der Verfassung durch die Justimmung zu dem Interim und zur münchener Convention verletzt ist, und zwar so, daß man von einer vollendeten Handlung sprechen muß. Es sind bestimmte Landes— gesetze übertreten. Iwar sind theilweise die Rechte der Staatsbür—

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ewöhnlichen Leben da, wo der Richter auf die ir gl end n * de jeder Denkende eine bestimmte Meinung fassen und haben, ohne Weiteres den Dolus, nämlich das Bewußt⸗ fein der Rechtsverletzung, auch ohne Geständniß annimiut, so muß dies doch in viel höherem Grade bei dem Beklagten der Fall sein. Indessen würde es dem Beklagten wohl auch nicht viel helfen, wenn eine solche Wissentlichkeit nicht angenommen werden wollte, denn alsdann wäre doch gewiß die Culpa vorhanden, und gewiß s es wahr, was die Motive zu dem Entwurf eines badischen Gesetzes

über die Minister-erantwortlichkeit sagen: auch gegen Leichtsinn, Nachlässigkeit und Schwäche eines Ministers müsse der Staat ge⸗ sichert sein, und da nun unsere Verfassung die kulpose Verletzung derselben nicht ausdrücklich von denjenigen Verletzungen der Ver? fassung ausnimmt, die von dem Staalsgerichtshoͤf zu beurtheilen sind, so muß angenommen werden, daß auch schon die Culpa straf⸗ bar ist. Es wäre auch eine ganz sonderbare Anomalie, sagt Ro⸗ bert Mohl, wenn eine blos kulpose Verletzung der Rechte eines Bürgers im gewöhnlichen Leben an einem noch so ungebilde⸗ ten und geistig unbedeutenden Menschen gestraft würde, die— selbe Handlung aber unantastbar wäre, wenn sie ein Mann be— ginge, der ein hohes Amt bekleidet, bei dem sich ein bedeuten⸗ des Maß von geistigen Kräften und Kenntnissen voraussetzen läßt, und den die große ihm anvertraute Gewalt zu besonderer Vorsicht auffordern muß. Wenn also auch hier nicht Wissentlichkeit angenommen werden würde, so würde gerade in diefem Mangel der Wissentlichkeit ein Beweis der Nachlässigkeit und Culpa liegen, und darauf ist geklagt, nicht blos auf den Bolus. Es ist nicht gesagt, ob wegen vollendeter oder blos wegen versuchter, ob wegen doloser oder blos kulposer Handlung die Anklage erhoben wird. Ich glaubte, diese Bemerkungen machen zu müssen, weil ich hier schon und da Zweifel darüber äußern hörte, ob auf bloße Culpa werde Gewicht gelegt werden. Indessen nehme ich selbst in erster Linie an, und glaube der Betreffende wird es gewiß beklagen, wenn man von ihm eine bloße Culpa annehmen wollte, denn er muß als früherer De⸗ partements⸗-Chef und gebildeter Jurist selbst den Anspruch darauf machen, daß, wenn die Verfassung verletzt ist, er es hat wissen müssen und es auch wirklich gewußt hat. Daher glaube ich aber unbedenklich, daß, so wie die Verfassung verletzt ist, angenommen werden muß, er habe sie wissentlich verletzt, und ist dies der Fall, so hilft die Berufung auf den guten Glauben nicht, wodurch der Abgeordnete Römer ihn schützen wollte, denn Sie kennen Alle den Art. 55 des Straf— gesetzbuchs, der da sagt: der rechtswidrige Vorsatz wird weder durch den Wahn, als ob die durch das Gesetz verpönte Handlung nach dem Gewissen oder der Religion erlaubt gewesen, noch durch die Beschaffenheit des Beweggrundes zur That oder des Endzwecks derselben ausgeschlossen. Wenn diese Bestimmung des Gesetzes nicht gelten würde, so sehen sie die Gefängnisse voll von Unschuldigen. Ich fürchte nicht, daß man mir entgegenhalten werde, der Staats⸗ gerichts hof habe nicht, blos einen rechtlichen Standpunkt, sondern vorzugsweise einen politischen einzunehmen. Auf diesen Standpunkt kann sich vielleicht die Landes-Versammlung stellen, bei der Frage, ob sie eine Anklage erheben soll. Der Richter hat lediglich über nichts zu entscheiden, als darüber: bin ich nach bestem Wissen und Gewissen der Ueberzeugung, daß der Beklagte die Verfassung wissentlich verletzt hat? Der Beweggrund kann beider Strafe berücksichtigt werden, bei der Frage von der Ueberweisung nicht. Die Verfassung sagt nichts von einem selchen außerordentlichen Standpunkt, und indem sie nichts davon sagt, verweist sie den Staatsgerichtshof auf diejenigen Grunwsätze, die bei allen unseren Gerichten gelten. Die Verfassung verbindet einmal die Regierung in Dingen, die der Zustimmung der Landes-Versammlung bedürfen, dieselben einzuholen, ohne irgend etwas in das Belieben der Regierung zu stellen. Sie sorgt für

ger noch nicht beseitigt, aber es sind Verbindlichkeiten eingegangen, die, wenn sie zur Erfüllung kommen, die Aufopferung jener Rechte in ihrer natürlichen Folge haben, und dieses genügt. Im anderen Fall wäre jedenfalls ein bollendeter Versuch vorhanden, der im Grunde auch hinreichend ist. Diese Ansicht ist nun aber nicht blos von demjenigen Theile der Landesversammlung ausgesprochen worden, dem man so gern Parteileidenschaft und Halten an Hirngespinnsten vorwirft, sondern auch ein Antrag, dahin gehend, der Staats-Re— gierung zu erklären, daß die Landes-Persammlung jedes Bündniß, welches die Regierung mit anderen Mächten, sei es auf der Grund⸗ lage der Bundesakte von 1815, sei es als burchaus neue Ueber- einkunst, definitiv oder auch nur provisorisch ohne Zustimmung der Landesvertreter abschließen würde, insoweit für gesetzwidrig und unverbindlich erkläre, als dadurch staatsrechtliche Verpflichtungen irgend welcher Art für Württemberg eingegangen oder dasselbe sonst nach dem §. S5 die Zustimmung der Landes⸗Vertretung er— forderte wurde in der Landes-Versammlung mit allen gegen 4 Stimmen, nämlich Bentel, Huck, Kuhn und Walser, angenommen. Ich glaube, nun bewiesen zu haben, daß der 8. S5 der Landes- Verfassung durch die Zustimmung des damaligen Ministers zu dem sogenannten Interim und der sogenannten münchener Convention verleßt worden ist. Ehe ich nun auf die innere Seite ver That eingehe, will ich eine Einwendung der Vertheidigungs— Rede beantworten. Der Beklagte bemerkte nämlich, es sei auffallend, daß nur gegen ihn und nicht gegen das Gesammtministerium Klage erhoben werde. Wir hatten dabei einen verfassungsmäßigen An⸗ land. Hätte ich die Erläuterung, die von dem Beklagten in dieser hinsicht erfolgt ist, und besonders das Citat von Mohl, schon da— mals gekannt, so hätten wir vielleicht im Verfassungs Ausschuß die Sache näher erwogen. Es heißt aber im 8. 51 der Verfassung und das ist der einzige Grund, der uns abhielt, auch die übrigen Minister anzuklagen alle von dem Könige ausgehenden Verfü gungen, welche die Staatsverwaltung betreffen, müssen von dem De— bartements - Chef unterzeichnet fein, der für ihren Inhalt verant⸗ wortlich ist. Da nun die übrigen Minister die betreffenden Ver— träge nicht mitunterzeichnet haben, so mußten wir annehmen, daß blos der Beklagte sich nach §. 51 als verantwortlich gerire, und die Zustimmung, welche von Seiten des Gesammtministeriums erfolgt ist, nichts weiter als eine BVerathung war. Dies und nichts Am a, und am wenigsten Gehässigkest, ist der Grund, warum wir . en kontrasignirken Minister angeklagt haben. Ich komme nun ele, dee, . der dem Beklagten nach der Ansicht der Landesver⸗ 9 . an . . Handlungsweise. Es ist einleuchtend, daß pilgern . . bei dem Ministerium der auswärtigen An= al agi i n en . und besonders die Einsicht der von . eine . vollmächtigten erlassenen Instructionen

aten. Ich habe deshalb auch an den Staatsge⸗

ichte a. die ouch zu stellen mir erlaubt, sämmtliche Akten einzu⸗ Diesem Gesuch

ist jedoch . wär zur Einsicht gestellt' werben. Indeß glaube ich, daß

gicht stattgegeben worden. die Annahme des vorhandenen Do⸗

een arr. ar, n. wieser Kiten ist. s gehört denn zu vem nde ; rhaupt 6c em Dolus bei einer Ver⸗

klin kern ge ei einem anderen Vergehen? be in der Gelb a , 2 2 . daß ein Mann, gliedes ö. 1 Berichtz, eines ß ij , Raths un lug es eines Departement Ehe den men sich dieses ewußtsein hat nothwendig,

derschaffen müssen. Wie man

außerordentliche Fälle durch den 8. S9, der über alle hier natürlich nicht Platz greifen kann. Die Verfassung hat somit vollständig Jürsorge getroffen. Thut die Regierung elwas, wozu es der Zu? stimmung der Landes-Versammlung bedarf, und holt sie diese Zu

stimmung nicht ein, so hat der Staatsgerichthof, wenn ber Beweis erhoben ist, ohne Rücksicht auf die Beweggründe, das Schuldig auszusprechen. Wollte der Staatsgerichtshof den Standpunkt ein

nehmen, daß er darüber zu urtheilen habe, ob bei einer Verfassungs

Verletzung die Regierung besondere politische und Nützlich keits⸗Rück⸗ sichten gehabt, so wäre dies gefährlich für das Volk und für die Krone. Gefährlich für das Volk in einer Zeit, wo die Organe der Regierung sich nicht scheuen, den Umsturz der Verfassung als konserva— tive Maßregel darzustellen, und wo es dahin kam, daß kein geschriebener Buchstabe mehr gelten solle, angeblich aus Rücksichten des höheren Wohls. Wenn Sie diesen Standpunkt aufstellen, so kann es dazu kommen, daß für uns nur noch der §. 89 der Verfassung gilt, der eigentlich die ganze Verfassung umstoͤßt, denn an der Betheuerung, daß man blos aus Rücksichten für das Wohl des Landes handelte, wird es keiner Regierung fehlen. Es wäre aber auch gefährlich für die Regierung. Wie, wenn die Landes⸗Versammlung im In— teresse des Volkswohls die Rechte der Krone oder durch die Ver— fassung begründete Verbindlichkeiten gegen die Krone einseitig be schränken wollte, blos um den Bedürfnissen des Volks zu genügen, oder wenn das Volk in Zeiten, wo die Mächtigen wieder schwach werden, einen Ausspruch des Staatsgerichtshofes, daß nicht blos das geschriebene Recht, sondern des Staates Wohl das entscheidende sei, zur Richtschnur nehmen, wenn es sich erinnern würde, daß nicht an den Völkern, nicht an dem deutschen Volk, sondern an dem Partikularis⸗ mus der Dynastieen das deutsche Verfassungswerk gescheitert sei, das ein zige, von dem ein seiner Zeit berühmter Mann sagte, daß es das deutsche Volk verlange und nimmermehr entbehren könne! Ich glaube nicht, daß die Krone alsdann Anlaß hätte, dem Staatsgerichtshof für die Eröffnung eines solchen Weges dankbar zu sein. Sie sind Geschwo— rene, d. h. Sie haben Ihr Urtheil nach bestem Wissen und Ge

wissen zu geben. Sie haben, wie auch die übrigen Geschworenen, nur darüber sich auszusprechen, ob das Vergehen wissentlich wider— rechtlich vollbracht worden sei. Aber selbst der besprochene Stand— punkt wäre für die Sache des Beklagten ungünstig. Fasse ich in dieser Hinsicht zunächst die Zustimmung zu dem Interim ins Auge, so wird hier entgegengehalten, ein unübersteigliches Hinderniß sei vorhanden gewesen. Wo war denn aber dieses unübersteigliche Hin derniß? Vlelleicht war es unmöglich, die National⸗Versammlung zusammenzubringen. Das kann sein, allein die Landesversammlung zusammenzubringen, die nach dem bestimmten Paragraphen der Ver— fassung mitzustimmen hat, war kein unübersteigliches Hinderniß. Es ist in der Anklage⸗Akte das betreffende Aktenstück mit⸗ getheilt, woraus hervorgeht, daß der Reichsverweser, der da⸗ mals noch anerkannt worden ist, die Niederlegung feiner Gewalt ausdrücklich abhängig machte von der freien Zustimmung der Re⸗ gierungen, und es ist bekannt, daß in dem Verkrage zwischen Oester= reich und Preußen über das Interim ausdrücklich gesagt wird, daß es ihrer freien Zustimmung anheimgegeben sei. Die Verhãltnisse nach außen so wenig, wie die inneren Verhältnisse in Deutschland, machten eine solche Centralgewalt nothwendig, und um das Bun⸗

des Eigenthum nicht in Auflösung gerathen zu lassen, war eine ein⸗ ache Abmin sstratio- Behßhrhe , . durch deren Einsetzung we⸗ U der ein württembergisches Landesgesetz, noch Rechte der württem⸗ bergischen Bürger gefährdet worden wären. Man hat sich indessen

damit nicht begnügt, sondern sich entschlossen, eine solche Behörde zu schaffen, welche die Befugnisse des engeren Rathes haben solle, und darin liegt das Vergehen, und dafür kann man sich auch nicht auf das Wohl des württembergischen Volkes berufen, denn offenbar konnte die Uebertragung so wesentlicher Souverainetäts⸗ Rechte an die zwei mächtigen Staaten Preußen und Oesterreich dem Volks wohl nicht förderlich sein. Daß hierdurch nicht eine Einigung Deutschlands herbeigeführt, vielmehr die Zerstückelung in zwel große Staaten, in zwei Deutschländer angebahnt wird, liegt auf der Hand. Für die Freiheit aber konnte diese Maßregel nur trost— los sein, denn es wurden hier gewisse Souverainetätsrechte, ohne Verantwortung gegen irgend wen, zweien Regierungen überantwor— tet, welche den ganzen Rechtszustand des württembergischen Volkes leugnen. Nach jenem Interim wurden die Befugnisse des inneren Rathes auf die Central Kommission übertragen, und nach jenem Vertrag gälte die Bundes-Akte von 1815 noch. Preußen hatte in der Denkschrift zu dem sogenannten Dreikönigsbund ausgesprochen, daß die Grundrechte, so weit sie die völkerrechtlich begründeten Rechte des standesherrlichen Adels aufheben, ungültig seien, daß es der National-Versammlung so wenig als den Fürsten zugestanden sei, diese Grundrechte anzuerkennen, und Oesterreich hat sich in ähnlichem Sinne erklärt. Während also unsere Regierung gegen— über von dem württembergischen Volk und seiner Landesversamm⸗ lung erklärt: wir halten fest an den Grundrechten, an der Abschaf— fung des standesherrlichen Vorrechts in dem Wahlgesetz vom 1. Juli, überantwortet sie die Vollziehung jener Gesetze zweien Mäch⸗ ten, welche erklären, so weit sie die standesherrlichen Rechte be⸗ treffen, seien sie nichtig, und es ist nur ein. Wunder, daß nicht auch noch diese letzte Konsequenz aus dem Interim gezogen wird. Wenn also auch die Grundrechte hierdurch nicht geradezu vernichtet sind, so sind sie doch im höchsten Grade gefährdet, und dagegen verlangt das Volk wie die Landes Ver sammlung Schutz von dem Staatsgerichtshofe. Auf die eine mögliche Folge, welche die Einsetzung dieser provisorischen Centralgewalt und die von un— serer Regierung hierzu ertheilte Zustimmung mit sich brachte, ist schon in der Anklageschrift des Naͤheren eingegangen worden, näm⸗— lich, auf die Auflösung des Post-Lehen-Verhältnisses, wodurch Württemberg in eine Lage gebracht worden ist, daß entweder das ganze Ansehen der Regierung vernichtet, oder das Land der Ge— fahr, eine österreichische oder preußische Occupation zu bekommen, ausgesetzt worden ist. . . „Ich komme nun zu der münchener Convention, und da steht es noch viel schlechter, wenigstens was die innere Seite der That, namentlich die Frage betrifft, ob der Angeklagte dadurch das Wohl des deutschen Volks und insbesondere des württembergischen ge⸗ fördert oder seinen ganzen Rechtszustand vernichtet habe. Man sagt, diese münchener Convention sei nothwendig gewe⸗ sen, um das zerrissene Deutschland endlich einmal zu einer besseren Einigung zu bringen und dadurch dem wohlbegründeten Verlangen des deutschen Volkes zu entsprechen. Niemand fühlt schmerzlicher, als ich, und mit mir das ganze württembergische Volk, den schmählichen und erbärmlichen Zustand des Landes; Niemand beklagt schmerzlicher, als ich, jene durch die Folgen des deutschen Bundes und die Verwerfung der deutschen Reichs verfassung herbei⸗ geführte Zerrissenheit Deutschlands, durch welche die gesellschaftliche Ordnung untergraben, der Wohlstand zerstört und Deutschland zum Spott, zur Verachtung und zum Spielball des Auslandes gemacht wurde. Wahrlich, einem Staatsmanne, dem es gelingen wurde und wäre er auch aus einem noch so kleinen Lande den Weg zu bahnen, um jenen schmählichen Zustand endlich dauernd zu be— seitigen, ihm würde vielleicht die Landesversammlung, die aber allein dazu berechtigt wäre, auch einen kühnen Griff verzeihen. Aber ist eine solche rettende Politik diejenige, die man jetzt in Deutschland be⸗ folgt und zu welcher Württemberg als Anhänger von Oesterreich und Bayern seine Zustimmung giebt? Ist eine solche rettende Politik diejenige, welche, nachdem das Werk der National -Ver— sammlung verworfen war, den einzigen gesetzlichen Rettungsanker, die Wiederberufung einer neuen National— Versammlung, verwirft? Diejenige Politik, welche den alten deutschen Bund mit seiner Ver— fassung als fortbestehend erklärt? Diejenige Politik, welche sich vor den Füßen einer auswärtigen Macht windet und von ihr Zu⸗ stimmung oder Gutheißung mit zerknirschtem Herzen erwartet? Diejenige Politik, welche trotz der heiligsten Versprechungen und Schwüre ein edles deutsches Volk und ein kostbares Land, von dessen Erhaltung die künftige Größe und Macht Deutschlands ab— hängt, dem Feinde preisgiebt? welche das in vielen Friedensjah ren mit dem theuren Schweiße des deutschen Volles unterhaltene deutsche Heer von demjenigen Platze, wo es allein hingehört, mit Gewalt zurückhält? Diejenige Politik, deren Vertreter in Frank— furt mit dem dänischen Gesandten über die Umgestaltung der deutschen⸗ Verfassung Verhandlungen pflegen, während das kleine Häuflein der Schleswig- Holsteiner mit der dänischen Uebermacht zu kämpfen hat? Diejenige Politik, welche auch jetzt noch nicht zu dem sich ermannt, was deutsche Ehre und deutsche Treue gebieten, nachdem die Kunde von dem unglücklichen Ausgange der ersten Schlacht jedes deutsche Gemüth mit Trauer erfüllt hat? Meine Herren Richter! das ist nicht die rettende Politik, wegen der man vielleicht einen kühnen Griff in die Rechte eines linzelnen Landes verzeihen kann; das ist keine Politik, welche taugt für die Leiden und die Ehre des deutschen Volkes; das ist die dynasti⸗ sche Politik, welche schon seit so vielen Jahren Deutschland zerrissen hat und auch künftig zerrissen halten will; das ist die Politik der jenigen, die da sprechen: Meine angestammte Macht von Gottes Gnaden, meine Souverainetät muß erhalten werden um jeden Preis! und weil hiermit ein einiges Deutschland, weil die bisherige Zer⸗ rissenheit mit der Aufklärung und Freiheit des Volkes sich nicht vereinigen läßt, darum ist diese Politik der Todfeind der Einheit und Freiheit Deutschlands. Diese und keine andere Politik ich behaupte es ungescheut ist nun auch diejenige, welche in der mün⸗ chener Convention ihren Ausdruck gefunden hat. Wo soll da eine Einheit herauskommen! Es ist anerkannt worden in der, National⸗Versammlung und sonst überall, daß eine deutsche Einheit unmöglich ist, wenn die völker⸗ rechtliche Vertretung in den Händen der, Einzelstaaten liegt, anstatt nur eine gemeinschastliche zu sein, und ich denke, die Erfahrungen, welche der Gesandte der Reichsgewalt, Herr von Raumer, in Paris gemacht hat, die Erfahrung über die Thätigkeit des damals neben ihm zu Paris befindlichen preußischen Gesandten, welcher nichts An- deres zur Aufgabe hatte, als die von Herrn ven Raumer betriebene Anerkennung der Centralgewalt zu hintertreiben oder zu lähmen, ich denke, diese Erfahrungen sollten Jedem einleuchtend sein. Eine völkerrechtliche Vertretung für ein ganzes Deutschland wurde durch die münchener Uebereinkunft nicht geschaffen; hinsichtlich der Entscheidung über Krieg und Frieden und der Oberleitung der be⸗ waffneten Macht ist es eben wieder, wie zur Zeit des alten deut⸗ schen Bundes geblieben. Mit einer bloßen Ober⸗Aufsicht über die gemeinsamen Handels- und Zoll Angelegenheiten, so wie über die Anstalten für den Verkehr ist dem Bedürfniß nicht gedient, und auch hier ist es eben wie zur Zeit des alten Bundestages, während doch in dieser Sache mehr, als in irgend einer an= deren die Macht einer Centralgesetzgebung und Centralregierung er—

forderlich ist, wenn etwas geleistet werden soll, und so ist es in aller und jeder Beziehung.

Die Einheit Deutschlands wird keines weges gefördert durch den münchener Vertrag, die Freiheit aber wird vollends vernichtet, der Rechtszustand zerstört, den wir, Gott sei Dank, durch unsere Grundrechte gewonnen haben, und auf den das Volk ein heiliges Anrecht hat, das durch keine Sophistereien und durch keine Gewalt auf die Dauer entzogen werden kann. Unsere Regierung glaubte, das Wohl des würktembergischen Volkes zu befördern, wenn sie mit Regierungen, welche ausgesprochen haben, daß unser Rechtszu— stand unvereinbar mit dem öffentlichen Wohl sei, einen Vertrag über rine künftige Gestaltung Deutschlands einging, wenn sie einen solchen Vertrag einging, nachdem eine der kontrahirenden Mächte zur ausdrücklichen Bedingung gemacht hatte, daß die Grundrechte, als unvereinbar mit dem offentlichen Wohl, nicht statuirt werden dürfen! Also von einem guten Einflusse dieser münchener Convention auf unse⸗ ren Rechtszustand kann nicht die Rede sein. Desterreich und Preu⸗ ßen haben sich schon erklärt, Bayern hat sich gleichfalls gegen die Grundrechte erklärt, Sachsen, der andere mitkontrahirende Staat, hat seiner Zeit die Grundrechte zwar angenommen, es liegt aber dort einer willkürlich wieder zusammenberufenen rechtlosen Ver samm⸗ lung schon ein Gesetz⸗ Entwurf vor, dessen einziger Artikel lautet: Die Grundrechte sind aufgehoben. Und mit solchen Staaten und unter der ausdrücklichen Bestimmung, daß die Grundrechte nicht gelten, und daß über die Grundzüge einer neuen deutschen Ver fassung, wie sie vereinbart seien, nicht hinweggegangen werden dürfe, kontrahirt unsere Staats-Regierung ohne Zustimmung der Landes

Versammlung und untergräbt, ja vernichtet damit den Rechtszustand des deutschen Volkes! Für die deutsche Einheit wirkt diese münchener Convention lediglich nichts, nein, sie stellt gewaltsam den alten Zu⸗ stand wieder her. Das soll für das Wohl des Volkes gehandelt sein! Ueberdies, was die Einheit betrifft, hat die münchener Con— vention, wie jeder Denkende und Besonnene zum voraus sich ein⸗ bilden konnte, nie und nimmermehr die Zustimmung der preußi— schen Regierung erlangen können. Daß die preußische Regierung in ein staatsrechtllches Verhältniß eintreten werde, in welchem Preu

ken nicht nur nicht gleich Oesterreich wäre, sondern noch unter Oesterreich stände, weil daffelbe mit Bayern, Württemberg und an

deren Staaten die Uebermacht der Stimmen hätte, daß Preußen in ein solches staatsrechtliches Verhältniß eintreten werde, konnte man nimmermehr annehmen, und man hat also durch Zustimmung zur münchener Convention den Riß zwischen den deutschen Staaten vollends unheilbar gemacht, daneben aber dem Volke bie Freiheiten, die es noch hatte, vollends entrissen. Das, meine Herren Richter, soll der gute Glaube sein, die Rücksicht auf das Wohl des Volkes, weswegen der Beklagte straflos bleiben soll! Darum beharrt die Landes ⸗Versammlung durch mich auf dem Antrage, daß der Staatsgerichtshof erkenne, es habe sich der Beklagte, Staatsrath Freiherr von Wächter⸗-Spittler, damals Departements - Chef der auswärtigen Angelegenheiten, der Verletzung der Verfassung schul⸗ dig gemacht, er solle seines Dienstes entlassen werden. Es ist zwar von dem Beklagten und auch sonst eingewendet worden, daß er ja schon vor Anfang des Verfahrens vor dem Staatsgerichts⸗ hofe von seiner Stelle abgetreten sei und deshalb eigentlich der Staatsgerichtshof die Anklage nicht mehr hätte annehmen sollen. Allein, nichts ist unrichtiger, als die letztere Behauptung. Abgesehen davon, daß die Strafbefugniß des Staatsgerichtshofes nicht blos auf Entfernung eines Ministers vom Amte, sondern auch auf andere Strafen, z. B. Verweis und Geldbuße, welche auch ge— gen einen Nichtminister erkannt werden können, sich erstreckt, so legt der 8. 205 der Verfassungs⸗Urkunde einer durch den Staatsgerichts

hof verfügten Dienstentlassung eine ganz besond ere Wirkung bei, eine Wirkung, welche nach unserem Verlangen auch im vorliegen⸗ den Falle noch gegen den vom Amte abgetretenen Minister platz greifen soll. In §. 205 ist nämlich bestimmt: der König werde „das ihm zustehende Begnadigungs-Recht nie dahin ausdehnen, daß ein von diesem Gerichte in die Entfernung vom Amte verurtheilter Staatsdiener. .. in einem anderen Justiz oder Stagts⸗Verwal⸗ tungs-Amte angestellt würde, es wäre denn, daß in Rücksicht auf Wiederanstellung das gerichtliche Erkenntniß einen ausdrücklichen Vorbehalt zu Gunsten des Verurtheilten enthielte.“ Eben, indem die Landes-Versammlung auf Entfernung des betreffenden De⸗— partements Chefs von seinem Amte geklagt hat, ist von ihr zugleich auch darauf angetragen worden, daß er in einem anderen Justiz oder Staatsverwaltungs-Amte nicht mehr angestellt werden solle, und dazu hatte die Landes-Versammlung ihren guten Grund. In einer Zeit wie die jetzige, wo, wie gesagt, die Regierungsorgane nichts als den Umsturz der Verfassung predigen, da ist es noth

wendig, daß einmal ein Exempel statuirt werde, und daß der Staats- gerichtshof das arme Volk davor schütze, daß ihm die Rechte, welche man ihm bis jetzt noch ließ, vollends genommen werden, und zwar schütze der Staatsgerichtshof das Volk, hauptsächlich indem er es verhindere, daß solche Männer noch zugelassen werden, welche gezeigt haben, daß sie die Verfassung für niedriger halten, als das angeb

liche Wohl des Volkes. Ich komme zu demselben Resultate, wenn ich auch die frühere sonstige Amtsführung des Beklagten überdenke. Ich spreche hier natürlich blos von dem politischen Systeme, welches die damaligen Minister befolgen zu müssen glaubten. Wenn ich ein Bild von den politischen Zuständen der Zeit geben soll, in welcher das Ministerium, dessen Mitglied der Beklagte war, regiert hat, so möchte ich sagen: die Beschlüsse der Volks— Vertretung wurden nicht beachtet, gegebene Gesetze im Wege des s. 89 der Verfassungs-⸗Urkunde oder im Wege der sogenannten red lichen Auslegung eine neue Erfindung im Gebiete des deutschen Constitutionalismus entweder vernichtet oder mit der Vernichtung bedroht, die unter der Protection der Regierung stehenden Blätter predigten ungescheut offenen Bruch der Verfassung, und wenn ich den ganzen inconstitutionellen Sinn jenes Ministeriums in Einem zusammenfassen will, so darf ich Sie, meine Herren Richter, nur erinnern an jenen Ausspruch, den der Beklagte in der ersten auf— gelösten LandesVersammlung gethan hat: Ihr seid nicht das Volk, wir bleiben, so lange wir das Vertrauen des Königs besitzen! Dies ist der inconstitutionelle Sinn, der sich nicht daran gewöhnen kann, daß die vor dem Jahr 1819 bestandene Alleinsouverainetät des Re— genten durch die Verfassung von 1819 aufgehoben worden ist, daß nun dem Regenten und seinen Ministern in ebenbürtiger Weise die Vertretung des Volks zur Seite steht, und daß alle die Handlungen, zu deren Gültigkeit nach der Verfassung die Zustim— mung der Volksvertretung erfordert wird, von der Regierung nicht für sich allein vorgenommen werden können. Wozu haben wir also noch Stände, wozu noch Landesversammlungen, wenn es einem Ministerium gestattet ist, zu erklären: wir bleiben, so lange wir das Vertrauen des Königs besitzen? Man richtet gar nichts gus, wenn man sagt, die Wahlen seien eben nicht im Sinne des Volkes ausgefallen. Meine Herren Richter! es giebt constitutio⸗ nell gar keine andere Erkenntnißquelle für den Willen des Volkes, als den Ausspruch der Mehrheit seiner Vertreter. Mögen Einzelne, mag die Regierung einer anderen Ansicht sein, rechtlich und consti⸗ tutionell ist, eine solche Ansicht nicht, die Regierung hat allerdings das Recht, an das Volk zu appelliren, sie hat appellirt, und das

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Volk hat in kräftiger Weise geantwortet, aber die Folge war, daß eben die alte Wirthschaft fortdauerte und das Ministerlum nach wie vor der Landesversammlung zurief: Ihr seid das Volk nicht, wir bleiben, so lange wir das Vertrauen des Königs besitzen! Ein solcher Sinn taugt nicht für die Minister eines constitutionellen Staats. Giebt ein württembergischer Minister einen solchen Sinn kund, dann ist es geboten, daß die Landesversammlung und der zum Schutze der Ver⸗ fassung berufene Staatsgerichtshof aussprechen, er solle immer mehr fähig sein, auf Seiten der Regierung in die Geschicke des Landes einzugreifen. Es ist ein starkes Beispiel nöthig mit Rücksicht auf das damalige Ministerium. Allein was soll ich erst von den Zu⸗ ständen sagen, wie sie seit dem Eintritt des neuen. Ministeriums geworden sind? Was soll ich davon sagen, daß, während die Steuern nur bis zum letzten August dieses Jahres verwilligt sind, die Regierung noch nicht einmal die Wahlen zu einer neuen Lan⸗ des⸗Versammlung ausgeschrieben und daß sie sich auch schon in die Lage gesetzt hat, ganz nothwendig unverwilligte wenigstens indi rekte Steuern erheben zu müssen.“

Präsident: „Das scheint mir nicht zur Sache zu gehören.“

Schoder: „Es ist eben ein Beweis, daß es in jetziger Zeit bei unseren Regierenden so weit gekommen ist, daß man sich nicht mehr streng an die Bestimmungen der Verfassung hält, und diesem zu steuern, ist der Staatsgerichtshof verpflichtet. Es kommen aber auch noch unsere deutschen Verhältnisse zur Sprache. Wir haben ge lesen, daß der Gesandte der württembergischen Regierung zu Frankfurt schon zugestimmt habe zu dem Plane, die deutsche Bun des Versammlung wiederherzustellen. Da die unverdächtigsten Nachrichten hierüber vor liegen, so hat sich der Ausschuß der Landes⸗Versammlung genöthigt gesehen, die Regierung um nähere Auskunft zu ersuchen. Statt dessen hat man sich an einzelne Förmlichkeiten gehalten, eine Aus— kunft hat man nicht gegeben, was man aber durchblicken ließ, war genug, nämlich es war die Bestätigung, daß wir vielleicht zu ge⸗ wärtigen haben, daß mit der Zustimmung unserer Regierung, somit wieder mit Uebertretung des 5. S5 der Verfassungs Urkunde, die alte Bundes-Versammlung wieder hergestellt werde. Jetzt gilt es doppelt, daß der Staatsgerichtshof ein entschiedenes Halt ge bietet, und insofern glaube ich allerdings, daß diese Reminiscenzen hierher gehören; jetzt gilt es, daß der Staats gerichtshof dem Volke zeigt, wie er nicht der Ansicht sei, daß das angebliche Volkswohl über der Verfassung stehe. Der Staats- A nzeiger

hat schon triumphirend ausgesprochen, es werde eine Freisprechung erfolgen. Ich glaube, er hat dabei drei Dinge zu gering geschätzt; er hat zu gering geschätzt das Bewußtsein der Richter von der Erhaben heit ihres Berufs, zu gering geschätzt die Selbstständigkeit und Un abhängigkeit des höheren Richterstandes, zu gering geschätzt vor Al lem aber die Macht der Wahrheit. Die Landesversammlung ist sich bewußt, daß sie den wichtigen Schritt, den sie that, erst nach reif licher Erwägung gethan hat; sie ist diesen Weg erst gegangen, nach dem alle ihre Mahnungen und Warnungen an die Regierung, auf den Boden des Rechts zurückzukehren, sich ihr als vergeblich gezeigt hatten, und nachdem sie sich überzeugt hatte, daß die von der Re gierung betretene Bahn zur völligen Zerrissenheit Deutschlands und zur Entziehung der Freiheit des deutschen Volkes führen müsse. Im Namen des Volkes daher, im Namen der Vertreter des Volkes stehe ich hier vor Ihnen, meine Herren Richter, und bilte Sie: richten Sie über den Beklagten zur Sühne für begangenes, zur Abwehr für drohendes Unrecht!“

Präsident: Herr Beklagter! Sie haben das letzte Wort.

Staatsrath Freiherr von Wächter ⸗— Spittler: „Die Zeit ist schon so weit vorgerückt, und ich habe vielleicht durch meinen er— sten Bortrag die Geduld des hohen Gerichtshofes schon so erschöpft, daß ich nur wenige Worte beizufügen mir erlaube, besonders, balich nicht für nöthig erachte, auf politische Digressionen, auf die Vor— würfe, welche dem früheren Ministerium Und dem jetzigen gemacht wurden, einzugehen. Es handelt sich einzig und alfein von der Frage: Habe ich die Verfassung verletzt, indem ich meine Unter schrift, dazu gab, die münchener Uebereinkunft und die über das Interim von Seiten Württembergs zu genehmigen? Ob diese Ver⸗ träge schädlich oder zuträglich für das Land, für Deutschland über haupt seien, diese Frage kommt jetzt zunächst nicht in Betracht, son dern blos die: Habe ich die Verfassung verletzt oder nicht, indem ich meine Unterschrift zu jenen Verträgen gab? Der Ankläger, wie auch die Anklageakte selbst, hat den Beweis der Verfassungs⸗Ver letzung auf den §. 85 der Verfassungs Urkunde gestellt. Wenn die ser Paragraph maßgebend wäre, so wäre eine Verfassungs⸗Verletzung vorhanden, wenigstens objektiv. Allein diese Frage hängt ganz genau zusammen mit der weiteren, ob der deutsche Bund noch existire oder nicht. Existirt er, so war die Regierung berechtigt, ohne Zustimmung der Landesversammlung jene Verträge zu genehmigen. Der Herr Ankläger hat demjenigen, was die Anklage⸗Akte in dleser Beziehung geltend macht, nichts Neues von Erheblichkeit beigefügt; er hat blos noch die Argumentation gebraucht: da die organischen Beschlüsse, welche die verfassungsmäßigen Verhältnisse eutschlands betreffen und nach §. 3 unserer Verfassungs- Urkunde von dem Könige für sich ver kündigt werden können, von der Bundes Versammlung auszugehen haben, diese aber nicht mehr existire, so set eben damit der §S. 3 der Verfassungs⸗Urkunde weggefallen und in Folge davon die Ver bindlichkeit für die Regierung entstanden, sich nur nach dem §. 85 zu richten. Diese ist aber die nämliche betitio principii, von der schon in meinem ersten Vortrage die Rede war.! Fällt! das Organ eines Vereins weg, so hört damit der Verein selbst nicht auf. Es ist oft gut, juristische Begriffe durch triviale Beispiele zu er läutern. Nehmen wir an, es sei von einer Museums⸗Gesellschaft die Rede, dieselbe habe zur Besorgung ihrer Angelegenheiten einen Ausschuß ernannt, und dieser Ausschuß sei später abgetreten, habe aber seine Befugnisse einem Direktor übertragen. Ange nommen nun, es träte auch dieser Direktor ab, oder der werde sogar abgeschafft, hört dadurch der Museums-Verein auf, eine Gesellschaft zu sein, und fallen die Gesellschaftszwecke hin weg? Keinesweges; blos das Organ der Gesellschaft ist weggefal len, und wenn die Gesellschaft sich kein neues Organ giebt, so bringt die Natur der Sache mit sich, daß eben die Gesammtheit der Vereins Mitglieder die Geschäste des Vereins besorge. Das ist ganz die Argumentation, von welcher das Oktober ⸗Ministerium beim Vertrag über das Interim und bei der münchener Ueberein kunft ausging. Wir haben insbesondere bei dem Vertrag über das Interim ein besonderes Gewicht darauf gelegt, die Bedingung bei zufügen, daß sämmtliche deutsche Regierungen ihr Einverständniß mit dem Vertrage erklären, und daß wir nur unter diesen Vor— aussetzungen unsere Zustimmung gaben. Wir haben dies gethan, weil zu organischen Bundesbeschlüssen Einhelligkeit nothwendig ist. Diese Stimmen-Einhelligkeit war bisher erforderlich von Seiten der Bundes⸗Versammlung, welche aber nichts Anderes, als ein Verein von Bevollmächtigten der einzelnen Regierungen und an deren Instructionen gebunden war. Nun ist es doch in der Hauptsache völlig gleichgültig, ob diese Regierungen in ihrer Gesammtheit diese organischen Beschlüsse selbst einhellig zu Stande brachten, oder ob sie es durch Vertreter thaten. Der Herr Ankläger behauptet, weil die Vertreter wegfielen, sel auch das Bun⸗ desrecht weggefallen, allein das ist es eben, was ich bestreite, und

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worauf das Fehlerhafte seiner ganzen Schlußfolgerung sich gründet. In Beziehung auf einzelne Behauptungen des Anklägers, welche namentlich die münchener Uebereinkunft betreffen, habe ich nur We⸗ niges zu bemerken. Es ist ein Mißverständniß, wenn er annimmt, ich leugne, daß der gemeinsame Vorschlag etwas sei, wozu die Regie⸗ rung sich gegenüber von den Mitkontrahenten verbindlich gemacht habe. Schon in meinem ersten Vortrage habe ich dies zugegeben. Allerdings wäre die Regierung auch in Beziehuug auf das Mate⸗ rielle gebunden, wenn jener Vorschlag pure angenommen würde, aber das ist an und für sich etwas so Unwahrscheinliches, daß die Regierung sich dieser Chance wohl aussetzen konnte. Sodann aber kommt noch hinzu, und dies ist die Hauptsache, daß in der münchener Uebereinkunft ausdrücklich festgesetz; ist, es müsse eine Verfassungs⸗Urkunde von der Centralgewalt erst noch aus⸗ gearbeitet werden, und wenn dies geschehen sei, so müsse sie die Zustimmung aller deutschen Regierungen haben. Wenn daher in viese Verfassungs⸗ Urkunde auch nur ein einziger, noch so unbedeu⸗ tender Punkt aufgenommen würde, welcher den verabredeten Grund⸗ linien nicht entspräche, so wäre die Regierung durchaus nicht ge⸗ bunden an das, was von der Centralgewalt in dieser Hinsicht aus—⸗ ginge, sondern sie wäre berechtigt, zurückzutreten. Hieraus geht also die Richtigkeit meiner Behauptung hervor, daß das Ganze nichts Anderes war, als ein Vorschlag. Ich gebe zu, daß in Be⸗ ziehung auf das Interim, welches zugleich Zweck der münchener Uebereinkunft war sie hatte allerdings auch eine interimistische Centralregierung im Auge der Ankläger recht hat, wenn er be⸗ hauptet, daß diese Regierung sogleich nach Annahme der münchener Uebereinkunft von Seiten aller einzelnen Regierungen sich konstitui⸗ ren sollte; allein es trifft in dieser Beziehung alles dasjenige zu, was ich über die Berechtigung der Regierung, für sich allein dem Vertrag über das Interim zuzustimmen, gesagt habe; auch hier war die Regierung berechtigt, allein zu handeln, da das Bundesrecht an und für sich noch existirt.

„Eine andere Behauptung des Anklägers war die, die Zustim⸗

mung der Landes⸗Vertretung, von welcher ich gesprochen habe, sei nur immaginär; es werde zwar an die Landes⸗-Vertretung das An⸗ sinnen gestellt werden, die Abeordneten zur National⸗Versammlung zu wählen, aber wenn sie nicht wählen, so werde der Vertrag eben doch vollzogen. Wo steht das? Nirgends; weder von mir, noch von meinen Kollegen ist diese Behauptung aufgestellt worden, wir haben auch keinesweges ein solches Verfahren im Auge gehabt. Allerdings würde die Regierung in dem bezeichneten Falle keinen Anstand genommen haben, eine solche Versammlung aufzulsösen, viel⸗ leicht mehrere Versammlungen, aber daß sie selbst vorangehen werde, wenn die Landes-Versammlung beharrlich verneine, lag nicht in un⸗ serer Absicht, somit fällt Alles, was der Ankläger in dieser Bezie⸗ hung gesagt hat, in sich, zusammen. Der Ankläger geht davon aus, die österreichische Regierung habe die Bedin⸗ gung gemacht, daß die Grundrechte nicht gelten, und die württembergische Regierung habe diese Bedingung acceptirt. Dies ist keinesweges der Fall, die württembergische Regierung hat in ihrer Ratifications- Urkunde die Voraussetzung aus⸗ gesprochen, daß in die künftige Verfassungs- Urkunde die Grund⸗ rechte aufgenommen werden mit den durch den Zweck der Verein- barung nothwendig gewordenen Modificationen, und wenn ich noch jetzt an der Spitze der Geschäfte wäre, so würde ich diese Voraus⸗ setzung nicht fallen lassen, sondern wahren. Allerdings hat Oester⸗ reich das Gegentheil ausgesprochen, es hat als Voraussetzung bei seinem Beitritt erklärt, es gehe davon aus, daß die Grundrechte nicht aufgenommen werden; hier steht nun Voraussetzung gegen Vorgussetzung; welche davon eintreten wird, das wird sich fragen; die künftige Verfassungs-Urkunde wird es zeigen; vorläufig leugne ich, daß wir die Bedingung zugestanden haben, die Grundrechte fallen zu lassen.“ Präsident: „Ich erklaͤre die heutige Verhandlung für ge⸗ schlossen. Tag und Stunde einer etwaigen weiteren Verhandlung oder der Verkündigung des Urtheils mit Gründen werden rechtzei⸗ tig durch die Presse zur öffentlichen Kunde gebracht werden. Die Sitzung ist aufgehoben.“

Ausland.

Frankreich. Paris, 4. Aug. seil von Marmande hat die schnelle Revision der Ver⸗ fassung in Berathung gezogen. Es hat überdies den Wunsch ausgesprochen, die General Conseils mit unbeschränkter Macht zu bekleiden, wenn ein Handstreich die Regierung in die Gewalt der Insurgenten liefern sollte. Dagegen hak sich das Bezirks ⸗Conseil von Rochechouart in einem mosivirten Beschlusse für Verfassungs⸗ Revision zum legalen Zeitpunkte entscheiden. Die Nachricht, welche einige Journale, worunter die Union, aus dem Bulletin de Paris genommen hatten, daß eine Note an die General⸗Conseils über die Revision der Verfassung gerichtet werden solle, wird für falsch erklärt.

Es geht das Gerücht, daß die Spaltung, welche in der Berg⸗ partei der National⸗Versammlung herrscht, zur Folge haben werde, daß ein großer Theil des Berges sich von den sozialistischen Reprä sentanten lossage und sich dem constitutionellen Kreise, der von den Generalen Cavaignae und Lamoricière präsidirt wird, anschließe.

Mehrere Repräsentanten waren in Verwaltungsräthe kalifor nischer Gesellschaften eingetreten. Man hatte in der National— Versammlung diese Rückkehr zu Gewohnheiten, welche unter dei letzten Regierung so viel Skandal verursacht, übel vermerkt, und dieselben wurden dadurch genöthigt, ihre Demisston zu geben.

In dem Berichte der Budget-⸗Kommission heißt es: Wiederaufnahme der Baarzahlung der Bank wird ein neues Zeich von der Besserung des öffentlichen Kredits sein.“ Das Sidel fragt nun: „Kann ein gewesener Finanz⸗-Minister, der frühere Chef eines Bankhauses erster Ordnung, der Berichterstatter der Budget-Kommission, eine solche Phrase niederschreiben? Und dies gerade an demselben Tage, an welchem der Handels stand einstimmig klagt, daß man ihm Noten verweigert und Baargeld aufdringt, gerade zur Zeit, wo Banknoten mit 1 bis 2 Franken Agio bezahlt werden. Wen will man denn eigentlich betrügen?“ Da man schon zwei Wege versucht habe: Unbeschränkte Noten-Ausgabe gegen Baarzahlung nach Sicht und beschränkte Aus gabe unter Garantie der legislativen Gewalt, welche ein jeder seine Uebelstände mit sich führten, so solle man den dritten versuchen: Unheschränkte Ausgabe bezüglich der Baarverwechslung, beschränkte bezüglich des Diskonto⸗Geschäftes.

Die Regierung hat heute mittelst telegraphischer Depeschen die traurige Nachricht erhalten, daß das Departement Niederrhein auf zwei Punkten, Straßhurg und Altenheim, durch Austreten des Rheins überschwemmt zu werden drohe.

An der Stelle, wo General Brea im Juni 1848 ermordet wurde, wird nun eine Kapelle erbaut. Der Hochaltar kömmt genau auf den Platz zu stehen, wo der General zu Boden sank.

Nachrichten aus Algier zufolge, war die Cholera in Tunis vom 16. Juli an im Abnehmen begriffen. Man zählte nur noch im Durchschnitt 48 Todesfälle täglich statt der früheren 160.

Das Bezirks- Con-