1796
Baiern. München, 11. Oktober. Die verwittwete Gräfin Henriette von Giech, Tochter des verstorbenen preußischen Staats⸗ Ministers Freiherrn von und zu Stein, ist heute im 660sten Jahre ihres Alters gestorben. (N. C.) N
Großbritannien und Irland. London, 12. Oktober. Die Admiralität ist noch immer damit beschäftigt, die Zahl der Riesen⸗Schrauben⸗Linienschiffe zu vermehren, obgleich deren be⸗ schränkte Brauchbarkeit wenigstens in dem gegenwärtigen Kriege eklatant genug dargethan ist. Auf den Werften in Portsmouth wird noch 6. an der Vollendung des Schrauben-Dreideckers „Royal Sovereign“ gearbeitet, und doch werden zugleich alle Vor— kehrungen getroffen, um den Kiel zu einem neuen Riesen⸗Dreidecker zu legen, der den Namen „Victoria“ erhalten soll. Außerdem ist in Devonport gestern der Kiel zu dem Dreidecker „Donegal“ gelegt worden, der so schnell wie möglich vollendet werden soll.
In Portsmouth werden heute 1100 Offiziere und Soldaten der britisch-deutschen Legion von Shorneliffe erwartet, um an Bord der „Imperatriz“ nach dem Orient befördert zu werden.
Spanien. In der Cortes-Sitzung vom 8. Oktober waren nur 66 Deputirte anwesend. Der Bauten-Minister verlas einen Gesetzentwurf bezüglich der Fabrik-Industrie, der an die Büreaus verwiesen wurde und eine Art von organischem Gesetz bildet, worin man Regeln aufstellt für die gegenseitigen Beziehungen zwischen Fabrikanten und Arbeitern; die Freiheit der Industrie und der Kontrakte wird darin anerkannt. Die Diskussion über die Artikel der Verfassung ward sodann eröffnet; über Art. 10 konnte aber nicht mehr abgestimmt werden, weil zu wenig Deputirte anwesend waren.
Eine Depesche aus Madrid vom 19. Oktober lautet: „Die Aufständischen von Catalonien sind bei Morguefa geschlagen und zerstreut worden. Die Führer Poful und Ferrer sind getödtet, Rengos und Lerides gefangen genommen worden; sechsundzwanzig Aufrührer wurden erschossen. — Der Kommandant Forges hat die Bande des Tristany zerstreut. Man kennt die Richtung nicht, welche letzterer eingeschlagen hat.“
Unter dem 12. Oktober wird gemeldet: In ihrer heutigen Sitzung haben die Cortes den Gesetz-Entwurf angenommen, welcher den Armeebestand für 1856 auf 70,9000 Mann festsetzt. Auch haben sie die Ernennung des Generals San Miguel zum Befehlshaber der Garde⸗-Hellebardiere genehmigt.
Italien. Aus Turin wird über das Befinden Sr. Majestät des Königs gemeldet, daß dasselbe zwar erfreuliche Fortschritte mache, nichtsdestoweniger aber die Rekonvaleszenz eine lange und mühsame sein dürfte, daher man an dem Antritt der Reise Sr. Majestät zu zweifeln beginnt.
Turin, 11. Oktober. Die Parlamentssitzungen sollen am 11. November d. J. eröffnet werden.
Die Einschiffung der nach der Krim bestimmten Truppen in Genua ist am Sten d. M. sistirt worden. So meldet die „Gazz. di Milano“.
Türkei. Die „Pr. C.“ erhält Nachrichten aus Konstan⸗
tinopel vom 1sten d. M., aus denen hervorgeht, daß erst in Folge neuerer Berathungen zwischen der Pforte und ihren Verbündeten eine veränderte Verwendung des englisch-türkischen Kontingents beschlossen worden ist. Eine Abtheilung desselben hatte sich bereits nach Schumla in Bewegung gesetzt, als sie zurückberufen wurde, um nach Kertsch und Jenikale geschickt zu werden. Es werden 7000 Mann ditekt dahin abgeschickt werden, während 2000 Mann, welche sich schon in Varna befinden, von dort aus sich nach derselben Richtung in Bewegung setzen sollen. Andere Mannschaften werden sich mit den Baschi-Bozuks des Gene— rals Beatson vereinigen, um gleichfalls nach der Krim zu gehen. In dem Lager zu Bujukdere bleiben 4000 Mann zurück. — In Bezug auf die Absetzung des griechischen Patriarchen erfährt man, daß eine mit mehr als 2060 griechischen Unterschriften bedeckte Petition gegen dieselbe an den Sultan gerichtét wurde. Derselbe verwies jedoch die ganze Angelegenheit an den hohen Rath, welcher, dem Antrage der griechischen Synode gemäß, die Absetzung des Patriarchen beschloß. .
Auf dem englischen Kriegsministerium ist folgende Depesche des Generals Simpson eingetroffen:
„Sebastopol, den 29. September.
Mylord! Seit meiner letzten Depesche waren täglich 95600 Mann beim Bau des Weges von Balaklava nach dem Lager beschäftigt, und da, wenn es ein paar Stunden geregnet hat, die ganze Strecke in eine einzige große Masse tiefen Schlammes verwandelt ist, so wird die zu verrichtende Arbeit aus diesem Grunde sowohl, wie wegen der großen Entfernung, aus welcher die Steine herbeigeschafft werden müssen, ein Werk großer Mühe und Schwierigkeit. Starke Arbeiter-Compagnieen sind täglich in der Stadt damit beschäftigt, Bauholz und anderes Material aus den Trüm⸗ mern zu entfernen, vermittels dessen ich einem großen Theile der Truppen vor Eintritt des schlechten Wetters Obdach zu schaffen hoffe. Der Feind hat aus den Batterieen der Nordseite auf die Arbeiter in der Stadt ge⸗
feuert; doch haben dieselben, obgleich sie einigermaßen dadurch belästig Fast von Anbeginn die Vertheidiger der Festung in eine
welcher sich
wurden, ihre Arbeit deshalb nicht eingestellt, und es gereicht mir zur Freude, melden zu können, daß ein Todter und ein Verwundeter die ein⸗ zigen Verluste find, die uns das feindliche Feuer verursacht hat. Leider habe ich Ew. Herrlichkeit mitzutheilen, daß in Folge des Auffliegens eines russischen Magazins am 27. d. Mts. ein Offizier und 19 Mann ver⸗— wundet wurden. Ich habe eine Untersuchung anstellen lassen, aus ergab, daß eine verborgene mehrere in verschiedenen Theilen der Stadt und der Batterieen aufgegraben worden sind, die Explosion veranlaßt hatte. Die Erfindung dieser Maschine ist eigenthümlich russisch. Ich habe einen Brief vom Oberst-Lieutenant Ready vom T7Isten Regiment, Befehlshaber der Truppen Ihrer Majestät zu Jeni⸗Kale, erhalten, in welchem über ein kleines Scharmützel berichtet wird, das am A sten zwischen einem Detachement des 109ten Husaren-Regiments und afrikanischen Jägern einerseits und Kosaken andererseits stattgefunden hat. Der die französischen Truppen zu Kertsch befehligende Oberst d' Osmont hatte in Erfahrung gebracht, daß die Kosaken alle Arabas aus der Umgegend wegschleppen woll— ten, und da er dies verhindern wollte, so bat er die englische Kavallerie, mit den afrikanischen Jägern zu kooperiren. Zu diesem Behuf entsandte Oberst-Lieutenant Ready zwei von den Rittmeistern Fitz Clarence und Clarke befehligte Schwadronen des 190ten Husaren— Regiments. Man vermuthete, die Kosaken hätten alle ihre Arabas nach den beiden Dörfern Koß-Serai⸗Min und Seit⸗Ali gebracht, die ungefähr 15 Meilen von Kertsch und 65 Meile von einander entfernt sind. Die Schwadron des Rittmeisters Fitz⸗Clarence erhielt den Befehl, sich nach ersterem, die des Rittmeisters Clarke, sich nach letzterem Dorfe zu wenden. An jedem dieser Orte sollten sie mit einer Schwadron , , Jäger zusammentreffen, die ihnen vorausgeeilt waren. Als Rittmeister Fitz⸗ Clarence zu Koß-Serai Min ankam, fand er daselbst die beiden Schwa⸗ dronen der französischen Dragoner und ließ sofort dem Rittmeister Clarke sagen, er möge denselben Abend zu ihnen stoßen. Leider ward der betreffende Brief erst am folgenden Morgen abgegeben. Als Rittmeister Clarke, dessen Schaar nur aus 34 Mann bestand, der darin enthaltenen Aufforderung Folge leisten wollte, stieß er auf un⸗ gefähr 50 Kosaken, die er sofort angriff und verfolgte. Da sie aber bald durch mehr als 300 Mann verstärkt wurden, so sah er sich genöthigt, sich mit Verlust seines Sergeant-Majors, seines Kurschmieds und von 13 Mann, die gefangen genommen wurden, nach dem Dorfe zurückzuziehen. Die Schwadron des Rittmeisters Fitz- Clarence und die Jäger, welche zusammen unter dem Befehle des die französischen Truppen kommandirenden Offiziers standen, plänkelten unterdessen in einiger Ent— fernung gegen eine bedeutende feindliche Schaar, deren sie ansichtig ge— worden waren, und schlugen die Richtung nach dem Dorfe Serai Min ein, wo sie mit dem Rittmeister Clarke zusammen— trafen und dann zusammen nach Kertsch zu ritten. Sie wa⸗ ren kaum eine halbe Meile von dem Dorfe entfernt, als sie von einem starken Kosakenhaufen angegriffen wurden, den sie jedoch durch wie— derholte Chargen zurückschlugen. Der Verlust unserer Husaren bestand aus 2 Gemeinen, die vermuthlich getödtet sind, 1 Verwundeten und 1 Sergant-Major, 1 Kurschmied, 13 Mann und 15 Pferden, die vermißt werden. Wie seitdem in Erfahrung gebracht worden ist, wurden die Kosaken von acht Husaren-Schwadronen und acht Kanonen unterstützt, die sie in einer Viertelstunde erreichen konnten. Oberst Ready schreibt mir, daß nichts die Kaltblütigkeit und den Muth der Truppen Angesicht eines so überlegenen Feindes, gegen den sie sich nur durch die Sicherheit ihrer Bewegungen zu veriheidigen vermochten, übertreffen konnte. — Ich habe die Ehre, beiliegend das Verzeichniß unserer Verluste zu übersenden. Die Gesundheit des Heeres ist, wie ich mit Freuden melden kann, vortrefflich. James Simpson.
Die neuesten Depeschen des Fürsten Gortschakoff melden, daß die Alliirten am 8ten mit bedeutenden Streitkräften eine Bewegung gegen Perekop unternommen und hierauf nach Eupatoria zurückge⸗ kehrt sind, ohne daß ein Zusammenstoß stattgefunden hatte. Am rechten Flügel der Allüirten sind am 9gten 16 Bataillons von Ko⸗ klulus (auf Handtke's Karte Kolulus) gegen Jenisale oder Enisale (nicht Jenikale, auf Handtke's Karte Janyssala) vorgerückt und haben dort Stellung genommen. Diese Nachrichten bestätigen die früher gemachten Mittheilungen, daß die Franzosen durch Vorschiebung der Truppen aus dem Baidar-Thale gegen den linken Flügel der Russen Terrain zu gewinnen und diese für ihre Stellung besorgt zu machen suchen. (Jenisale, südöstlich von Karlu, ist nur eine kleine Stunde von Belbek und von der Mündung mehrerer Gebirgsbäche in denselben entfernt und liegt im Thalgebiet jenes Flusses.) Sie deuten ferner auf die Absichten des Marschalls Pelissier unverholen hin, die da sind: den Hauptangriff auf den linken Flügel der Russen auszu⸗ führen, die Gebirgspässe, welche vom Baidar⸗Thale auf Baktschi⸗ serai gehen, zu erzwingen und den Fürsten Gortschakoff zur Räu⸗ nung seiner Position bei Inkerman zu nöthigen, während von Eupatoria aus die Verbindung beunruhigt, die Zufuhren der Russen abgeschnitten und diese zu Detachirungen veranlaßt werden sollen. Wenn die Russen das Plateau von Inkerman räumen, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß die Räumung der Krim folgen würde.
(Milit. 3.)
Rußland und Polen. St. Peters burg, 9. Oktober.
Die hiesigen Blätter enthalten nachstehenden Tagesbefehl an die russische Flotte:
Zarskoje⸗Sselo, den 30. August (11. September).
Die ausdauernde, in den Jahrbüchern des Krieges wohl kein Bei⸗
spiel findende Vertheidigung von Sebastopol hat die Aufmerksamkeit nicht
Rußlands, sondern ga roöpas auf sich gezogen. Dieselbe hat . ö fag Ke Reihe mit den⸗
Flattermine, deren
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jeni den gestellt, welche am meisten zur Verherrlichung unseres . ,. haben. Im Verlaufe von eilf hien nh nl die Harnison von Sebastopol den starken Feinden jeden Schritt des heimi— chen Bodens, der die Stadt umgiebt, streitig gemacht, und jede ihrer Unternehmungen war durch Thaten der glänzendsten Tapferkeit bezeichnet. Das zu vier verschiedenen Malen erneuerte furchtbare Bom— hardement, bessen Feuer mit Recht ein höllisches genannt wurde, hat die Mauern unserer Befestigungen wankend gemacht, allein es konnte den unablässigen Eifer ihrer Vertheidiger nicht erschüttern, noch verringern. Mit unbezwinglicher Mannhaftigkeit, mit einer christlicher Krieger wür— digen Selbstverleugnung schlugen sie den Feind, oder gingen unter, ohne je an Ergebung zu denken. Doch auch für Helden giebt es Unmögliches. == Am Asten des laufenden Monats gelang es dem Feind, nachdem sechs verzweifelte Sturmanläufe abgeschlagen waren, sich der wichtigen gorniloff-Bastion zu bemächtigen, und der Ober-Befehlshaber der Krim— Armee, der das kostbare Blut seiner Waffengefährten schonen wollte, ent— schloß sich, auf die Nordseite der Stadt hinuͤberzugehen, dem belagernden Feinde nur die blutigen Trümmer überlassend.
In der Seele trauernd über den Verlust so vieler wackeren Krieger, pelche ihr Leben dem Vaterlande zum Opfer gebracht haben, und mit Ehrfurcht Mich beugend den Rathschlüßen des Höchsten, Welchem es nicht gefiel, ihre Thaten mit vollem Erfolge zu krönen, erkenne ich es für Meine heilige Pflicht, auch in diesem Falle in Meinem und ganz Rußlands Namen, der tapferen Garnison von Sebastopol die lebhafteste Erkenntlichkeit auszusprechen für ihre unermüdlichen Anstrengun— gen, für das von ihnen vergossene Blut bei der fast ein gan— zes Jahr andauernden Vertheidigung von Festungswerken, welche sie in wenigen Tagen aufgeführt hatten. Jetzt werden diese erprobten Helden, ein Gegenstand allgemeiner Achtung für ihre Gefährten, ohne Zweifel neue Prohen eines gleichen kriegerischen Hochsinns ablegen. Mit ihnen und ihnen ähnlich werden alle unsere Truppen mit demselben unbegränz⸗ ten Glauben an die Vorsehung, mit derselben beißen Liebe zu Mir und unserem heimischen Lande, überall und immer den Feinden, die unsere Heiligthümer, die Ehre und Unversehrtheit des Vaterlandes, antasten, fest entgegentreten, und der Name Sebastopol, das durch so viele Drang— sale sich einen unsterblichen Ruhm erworben, so wie die Namen einer Ver— theidiger werden ewig im Gedächtniß und in den Herzen aller Russen leben, vereint mit den Namen der Helden, die sich in den Schlachten von Ischesme und Sinope verherrlicht haben. Alexander.
Unter Nachrichten aus der Krim wird gemeldet: Am 17. 29.) September rückte der Feind mit Tagesanbruch mit einer be— trächtlichen Menge Infanterie, Kavallerie und Artillerie aus Eupa— toria und ging in zwei Kolonnen auf Tegesch vor. Unsere Beobach— tungs⸗-Abtheilungen waren folgendermaßen disponirt: der General— Lieutenant Korff, mit dem Ulanen-Regiment Ihrer Kais. Hoheit der Großfürstin Katharina Michailowna und der leichten reitenden Batterie Nr. 19 in Tjup⸗Mamai und in Orta⸗-Mamai und der General- Major Terpelewski, mit dem Ulanen Regiment Erzherzog Leopold in Tegesch. Laut der, für den Fall eines vom Feinde in überlegener Zahl unternommenen Angriffs, gegebenen Instruction, sollten diese Abtheilungen sich zurückziehen: die erste auf Karagurt, die zweite auf Bos⸗Oglu. Der General-Major Terpelewski führte die Ordre aus, allein General-Lieutenant Korff, der, ehe er bis Karagurt kam, den Feind, der dem General-Major Terpelewski folgte, aus dem Gesichte verlor, machte zwischen Kurulu-Keneges und Kangyl Halt, befahl den Leuten abzusitzen und die Geschütze von den Protzkasten zu nehmen, stellte auch die Vorposten nicht in gebührender Ordnung und gehöriger Entfernung aus. Die Folge davon war, daß ein großer Theil der feindlichen Kavallerie, 2W—3 Tausend Mann stark, eine rasche Schwenkung nach rechts machend, plötzlich auf dem rechten Flügel und im Rücken des Detachements des General-Lieutenants Korff erschien, welcher nun nicht mehr Zeit hatte, sich aufzustellen und kampffertig zu machen. Das Ulanen-Regiment mußte sich thei⸗ len und fechtend bis Karagurt zurückweichen. Sechs Geschütze der reitenden Batterie eröffneten beim Erscheinen des Feindes das Feuer, versäumten aber dadurch die Zeit, wurden umringt und ge⸗ nommen. Zwei Geschütze, welche nicht feuerten, konnten auf die Protzlasten gesetzt werden und davonjagen. Unser Verlust beträgt: ö. Ulanen, 1 Oberoffizier und 6 Geschütze, nebst einem Theile der
edienung.
Der General-A Adjutant Fürst Gortschakoff berichtet vom 24. September (6. Oktober) 10 Uhr Abends:
„Die feindlichen Schiffe bewegen sich in bedeutender Anzahl nach verschiedenen Richtungen hin. Die Zahl der Kanonierboote ist verstärkt. Das Lager zwischen der Tschernaja und Balaklava hat sich verringert, doch ist eine Vermehrung der Truppen in Eupa— toria nicht zu bemerken.“
Der General-Adjutant Fürst Gortschakoff berichtet unter dem 25. September (7. Oktober) um 7 Uhr Abenbs Folgendes: Gegen 11 Uhr lichteten die Anker vor der Kamyschbucht: 9 Linienschiffe, 238 Dampfschiffe, 9 Kanonierboote und Flöße, 3 schwimmende Batterieen ohne Masten und 3 große Transport schiffe. Wie viele Truppen auf diesen Fahrzeugen waren, ist nicht bekannt; es war aber gestern sichtbar, daß fie beladen wurden. Sie hielten den Kurs nach RW.
Die nachfolgende telegraphische Depesche wird der „Wien. Ztg.“ mitgetheilt: „Fürst Gortschakoff meldet vom 29. September (11ten dl ber 11 Uhr Abends: Der Feind hat bedeutende Streitkräfte n das Thal des oberen Belbek hinabsteigen lassen. Er hat dort
ein Lager errichtet und bereitet sich, wie es scheint, zu weiteren Operationen vor. Gleichzeitig ist er von der Tschernaja gegen das Dorf Upu vorgerüdt. Unsere Vorhut steht bei jener des oberen Ayrgul (Notre avantgarde est près de celle du haut Ayrguh. Im nördlichen Theil von Sebastopol und auf den andern Punkten der Halbinsel ist nichts Besonderes vorgefallen.“
— Wie aus Warschau vom 11. Oktober geschrieben wird, hatte der Fürst Statthalter im weiteren Verfolg des Erlasses in Betreff der Hergabe von Mehl aus den Militairmagazinen zum Backen von Brod für die ärmere Bevölkerung den Verkaufspreis dieses Brodtes 1 Kopeke oder 2 polnische Groschen (4 Pfennige) niedriger für das Pfund zu stellen, als die gewöhnliche Bäckerbröd— Taxe denselben festsetzt. Mit dem Verkauf des wohlfeilen Brodtes soll am 13. Oktober angefangen werden. Es sind sechs verschiedene Punkte für den Verkauf desselben bestimmt: in der Altstadt, in Wolnica, in Muranow, vor dem Eisen⸗ thor, in Solec und in Praga. — Am 10. Oktober wurden in der polnischen Bank in Gegenwart der kompetenten Behörden für 4,295,342 Silberrubel 705 Kopeken abgenutzte und aus dem Um⸗ lauf zurückgezogene Bankbillets, so wie andere, zon der Bank aus— bezahlte Scheine verbrannt.
London, Sonntag, 14. Oktober, Vormittag. (Tel. Dep. d. C. B.) Eine so eben aus Konstantinopel eingetroffene Depesche Lord Stratford's meldet, daß die Russen am 29. September Kars attakirten. Dieselben wurden mit einem Verluste von 2500 Todten und 5000 Verwundeten zurückgeschlagen. Die Türken ver— loren 700 Mann an Todten und Verwundeten.
London, Montag, 15. Oktober. (Tel. Dep. d. C. B.) Colin Campbell ist mit Infanterie und Artillerie nach Eupatoria abgegangen.
Nach offizieller Mittheilung haben die Russen vor Kars 4000 Todte und 1060 Gefangene verloren.
Paris, Montag, 15. Oktober. (Tel. Dep. d. C. B.) Der heutige „Moniteur“ enthält einen Bericht über die Affaire bei Kars. Nach demselben wurden 4000 Russen beerdigt, und wäre das Schlachtfeld nach mit Todten angefüllt.
Die indirekten Steuern der ersten 9 Monate dieses Jahres überschreiten dieselben 9 Monate des verflossenen Jahres um 81 Millionen Franken. .
Paris, Sonntag, 14. Oktober. (Tel. Dep. d. C. B.) Das Verbot der Ausfuhr von Lebensmitteln aus Algerien ins Ausland ist bis zu Ende des Jahres 1856 verlängert worden.
In der Passage angenehme Stimmung. Die Z3Zproz. wurde anfangs zu 64, 80 gemacht. Als die Nachricht von einer Nieder⸗ lage der Russen vor Kars bekannt wurde, hob sich die 3proz. auf 65, 05. Sämmtliche Effekten schlossen sehr fest.
Statistische Mittheilungen.
— Die Betheiligung an den letzten Urwahlen im Regierungs⸗ Bezirk Köln stellt sich nach amtlichen Berichten in der Art heraus, daß in der ersten Abtheilung bon 3783 berechtigten Urwählern 1085, in der zweiten von 11,651 Berechtigten 1677, in der dritten von 18 807 4421, also von überhaupt 94.241 Wählern nur 7183 an den Wahlen Theil genommen haben. (Pr. C.)
Gewerbe⸗ und Handels⸗Nachrichten.
— Von Czerwinsk über Marienwerder nach Marienburg mit Nebenleitungen von Ezerwinsk nach Dir schau und von Marienburg nach Elbing ist eine Telegraphenlinie hergestellt worden, welche den Zweck hat, nicht allein die Stadt Marienwerden, als Sitz der König⸗ lichen Regierung, mit in das Telegraphennetz des Landes zu ziehen, son— dern auch eine zweite, nicht wie die Linie über Dirschau durch Ueber⸗ schwemmungen gefährdete Telegraphen⸗Verbindung mit Ostpreußen zu ge— winnen. Die Telegraphenstation in Marienwerder wird vom 15. Oktober d. J. ab für den kelegraphischen Verkehr eröffnet werden. (Pr. C.)