1858 / 143 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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der Rechtsweg in dieser Sache für unzulässig und der erhobene Kompetenz-⸗onflikt daher für begründet zu erachten. Von Rechts wegen. : Gründe.

In dem etwa 4500 Morgen großen Gemeindewalde der Stadt R. haben bis zu Anfang dieses Jahrhunderts die Gemeinde -Eingesessenen ihren Bedarf an Brennholz selbst gehauen und die Huütung ausgeübt, ohne daß dabei eine besondere Aufsicht oder Beschränkung stattgefunden hätte. Nachdem in ißt der Großherzoglich hessischen Gesetzgebung zuerst eine Beschränkung auf bestimmte Distrikte und Golztage stattgefunden, ist seit dem Jahre 1827 das eigene Hauen der , en ganz untersagt, und den Einzelnen ein bestimmtes Deputat gegen eine gewisse Vergütung überwiesen. Seit dem Jahre 1830 endlich ist auch dies abgestellt, das Brennholz wird unter den Bürgern der Stadt R. meistbietend verkauft und der Erlös zur Bestreitung von Kommunal-Bedürfnissen, namentlich zur Verzinsung und Amortisation einer bedeutenden Schuidenlast ver— wendet; Bau-, Nutz- und Geschirrholz wird gegen eine Taxe verabreicht, und die Hude ist auf besondere Hütungsdistrikte beschränkt. Diese Ein— richtung, welche, wie bemerkt, seit dem Jahre 1830 eingeführt worden, ist im Hahn 1846 durch einen Beschluß der Stadtverordneten⸗Versammlung wiederholt bestätigt.

Jetzt haben 110 Eingesessene von R. erklärt, sich diese Einrichtung nicht ferner gefallen lassen zu wollen, und gegen die Gemeinde-Verwal— tung Klage erhoben, mit dem Antrage: ihnen die rechtliche Befugniß zu— zusprechen, ihren Antheil an dem jährlich in dem Stadtwalde zu schlagen⸗ den Brennholze selbst zu beziehen, und die verklagte Stadtgemeinde mit dem Anspruche, diese Nutzung zur Stadtkasse durch Verkauf des Holzes zu ziehen, abzuweisen; ihnen auch ferner das Recht, unentgeltlich das noöthige Nutz⸗ und Geschirrholz aus dem Walde zu beziehen, so wie endlich das Recht der Hude in diesem Walde zuzuerkennen.)

Zu bemerken ist, daß die Stadt R. sich früher mit drei anderen Ge— meinden, A., M. und K. in gemeinschaftlichem Waldbesitze befand. Mit diesen Gemeinden ist die Stadt R. durch Rezeß vom 4. September 1838 auseinandergesetzt. Eine Zahl berechtigter Gemeindeglieder von A. hat schon früher gegen die Gemeinde A. in derselben Weise Klage erhoben, wie jetzt die Bewobner von R. gegen die dortige Gemeinde⸗Verwaltung. Dieser Prozeß ist durch die Erkenntnisse des Appellationsgerichts zu Arns⸗ berg vom 7. Mai 1853 und des Ober-Tribunals vom 30. März 1854 zu Gunsten der Kläger entschieden, dahin, daß ihnen die Befugniß zur Selbstbeziehung des Brennholzes zugesprochen und der Gemeinde-Verwal— tung das Recht, die Nutzung durch Verkauf des Holzes zur Gemeinde— kasse zu ziehen, aberkannt ist. Auf jene Entscheidung nehmen die jetzigen Kläger vorzugsweise Bezug, indem sie behaupten, daß die girl ir i in der Stadt N. genau dieselben seien, wie in A.

Die von 110 Eingesessenen der Stadt R. angestellte Klage ist bei dem Kreisgericht zu L. eingeleitet und durch Erkenntniß vom 16. Januar d. J. dahin entschieden, daß zwölf Kläger (oder elf) theils pure, theils ange⸗ brachtermaßen abgewiesen sind; den übrigen ist ein Erfüllungseid auf— erlegt. Die Abweisung der Ersteren ist darauf gestützt, daß sie ein altes Bürgerhaus entweder nicht besitzen, oder doch nicht allein besitzen. Die Letzteren sind mit dem Antrage auf unentgeltliche Gewährung bon Nutz— und Geschirrholz ebenfalls abgewiesen, weiterhin aber ist ihnen ein noth— wendiger Eid dahin auferlegt: Ich schwöre, daß ich, der von mir ange— wendeten Bemühungen ungeachtet, außer den zu den Akten angezeigten oder in denselben ausgemittelten Umständen nichts weiß, wodurch meine Behauptung widerlegt würde, welche dahin geht, daß ich ein altberech— tigtes Bürgerhaus in der Stadt R. besitze, so wahr u. s. w. Im Schwoͤ— rungsfalle ist den Klägern die Befugniß zuerkannt: gegen Zahlung der Burger-Neceptionsgelder, soweit sie dieselben noch nicht bezahlt haben, ihren Antheil an dem jährlich im Stadtwalde zu schlagenden Brennholze selbst zu beziehen und die Hude in demselben auszuüben, wobei jedoch die Verklagte für berechtigt zu erachten, einem dem Hospitälerholze ent— irg enden Antheil des Waldes von diesen Nutzungen der Kläger auszu—

ießen.

Die letztgedachte Ausschließung eines dem Hospitälerholze entsprechen— den Antheils hat einfach ihren Grund darin, daß die Gemeinde bei der Auseinandersetzung mit den benachbarten Gemeinden A., M. und K. das Hospitälerholz eingeworfen habe und also einen entsprechenden Theil der der Stadt zugewiesenen Abfindung von den Nutzungsrechten der Kläger ausschließen könne. Dieser Nebenpunkt kommt hier weiter nicht in Be— tracht; im Uebrigen nimmt der Richter erster Instanz an, daß der Wald Eigenthum der Stadt R. sei, daß aber die Brennholz⸗Nutzungsrechte, so⸗ wie die Hütungsrechte im Walde zu dem Bürger-Vermögen gehören, daß die Bürger fruher, und zwar seit rechtsverjährter Zeit, vor 1830 im Be⸗ sitze der Brennholz⸗ und Hude Nutzung sich befunden, und daß ihnen diese Gerechtsame durch einseitigen Beschluß der Gemeinde Vertreter nicht habe entzogen werden können.

Gegen das Erkenntniß ist von beiden Seiten die Appellation ergriffen, gleichzeitig aber von der Regierung zu Arnsberg der Kompetenz- Konflikt erhoben. Der Konfliktsbeschluß ist wesentlich darauf gegründet, daß in dem vorliegenden Prozesse nur von Nutzungen die Rede sei, welche die Kläger in ihrer Eigenschaft als Bürger der Stadt R. bezogen haben. Daß dies der wesentliche Charakter der in Anspruch genommenen Nutzungsrechte sei, wird thatsächlich aus den Akten deduzirt, ö aus⸗ geführt, daß hierüber die Gemeinde⸗Vertretung mit Genehmigung der vor⸗ gesetzten Behörde anderweit habe verfügen können, und namentlich auf die auch von dem Gerichtshofe für Komnpetenz-Konflikte in dem Urtheil vom J. Juni 1856 entwickelten Grundsätze Bezug genommen.

Das Appellationsgericht zu Arnsberg hält den Kompetenz-Konflikt für unbegründet, und hat dabei den Gesichtspunkt, von welchem bei Beur— theilung der Sache auszugehen, so scharf hervorgehoben, daß dessen Aeuße— rung hier nicht übergangen werden darf. Dasselbe sagt: „Die Königliche Regierung ist in ihrem Beschlusse vom 17. April 1857 von der Voraus— setzng ausgegangen, daß die von den Klägern beanspruchten Berechtigun⸗ gen zum Bürger-Vermögen gehörten. Wir find mit derfelben vollkommen

einberstanden, daß unter dieser Vorausseßung der Rechtsweg n;

zulässig sein würde, und ein lediglich auf v ahnt * enn dt Mitgliedschaft gegründeter Widerspruch eines Gemeinde Mitgliedes gegen Anordnungen der Gemeinde Vertretung, wodurch über Buͤrger⸗Vermögen zum Besten der Kämmerei ⸗Kasse verfügt worden, nur im Verwaltungs wege würde geltend gemacht werden können. Allein dieser Fall liegt nicht vor, weshalb wir den Kompetenz Konflikt für unbegründet halten. Denn eben jene Voraussetzung ist streitig, und bei der Beurtheilung der Frage ob der Rechtsweg zulässig ge oder nicht, sind die thatsächlichen Behauptungen der Kläger allein entscheidend, obne daß eine malerielle Prüfung des Beweises zulässig wäre. Die Kläger behaupten aber nicht lediglich, vermöge ihrer Eigenschaft als Gemeindeglieder oder Bürger der Stadt R., zur Holznutzung und Hude in dem Stadtwalde berechtigt zu sein, sondern gründen ihren Anspruch auf einen speziellen privatrechtlichen Titel, nämlich auf ihr durch unverdenkliche Verjährung erworbenes und mit dem Besitze einer altberechtigten Bürgerstelle verbun?

denes Privat-Eigenthum. Es handelt sich also um die Entscheidung einer

rein privatrechtlichen Frage, und dabei macht der Umstand, daß die Be— rech een zugleich Bürger der Stadt R. sind, keinen Unterschied.“ eht man von dem hier hervorgehobenen Gefichtspunkte aus, so muß untersucht werden, ob von einem Nutzungsrechte, welches die Kläger als Gemeindeglieder geltend machen, oder von den Rechten Einzelner im Stadtwalde die Rede ist. Zu bemerken ist nämlich, daß in R. früher, und namentlich im Jahre 1846, die revidirte Städte Ordnung vom 17. Maͤrz 1831 gegolten hat, dann die Gemeinde- Ordnung vom 11. März 1856 und jetzt die Städte⸗-Ordnung für die Provinz Westfalen vom 19. Mãͤrʒ naoh 6 revidirte Städte⸗ Ordnung von 1831 verordnet insbesondere . Endlich ist die Verwandlung desjenigen Gemeinde-Vermöͤgens, dessen Eitrag bisher an Einzelne vertheilt wurde, in Kämmerei-Vermögen zu— lassig, sobald beide Stadtbehörden einverstanden sind und die Regierung ihre Genehmigung ertheilt. . Auf diese Bestimmung wird vorzugsweise Bezug genommen, um die Aufrechterhaltung des gegenwartigen Zustandes zu rechtfertigen, weil der— selbe zur Zeit der Geltung dieses Gesetzes im Jahre 1845 durch die geordneten Instanzen bestätigt worden. Dabei wird auf die Entschei⸗ dung des Gerichshofes fuͤr Kompetenz-Konflikte vom 7. Juni 1856 bingewiesen, wo in einem ganz analogen Falle die Verwandlung desjenigen Gemeinde-Vermögens, dessen Ertrag bisher an Einzelne bertheilt worden, in Kämmerei-Vermögen für zulässig erachtet und gegen den von der Regierung genehmigten, eine solche Maaßregel betreffenden Beschluß der Stadtbehörden, der Rechtsweg für unzulaͤssig erklärt worden ist. In jenem bon dem Gerichtshofe entschiedenen Falle war indeß eine Probocation bei der Auseinandersetzungsbehörde vorangegangen, und die Kläger waren durch rechtskräftiges Erkenntniß mit) dem Antrage, die ihnen zustehenden Hütungsbefugnisse für dingliche, mit ihrem Grundbefitze verbundene Nechte zu erachten und“ die Stadtge— meinde zu verurtheilen, ihre Berechtigungen als ablösungsfahig anzuerkennen, abgewiesen, und nur verinöge ihrer Eigenschaft ais Ge— meindeglieder der Stadt für befugt erachtet, diese Grundstücke, so weit ihnen dies überhaupt zuftehe, zu nutzen. Es stand mithin in jenem früher entschiedenen Falle bon Anfang an fest, daß nur don einem sogenannten Bürger⸗Vermögen, d. h. von einem solchen Gemeinde— Vermögen, dessen Ertrag an Einzelne vertheilt zu werden pflegt, die Rede sei. Ganz unzweifelhaft aber kann von dem Gemeinde⸗ Vermögen auch ein zum Privat-Eigenthum gehöriges „Recht einzelner Gemeinde— glieder bestehen, und insofern die Sache so liegt, daß es eben nur streitig ist, ob vom Bürger-Vermögen oder von den Rechten einzelner Burger die Rede sei, würde die Ansicht des Appellationsgerichts zu Arnsberg durch— greifend sein. Denn es kann, wie jenes Kollegium richtig bemerkt, bei Beurtheilung der Frage, ob der Rechtsweg zulässig, nicht auf eine Prüfung ankommen, ob die Thaisachen mehr für das Eine oder mehr für das Andere sprechen; es kann nur darauf ankommen, was zum Gegenstande des Streites gemacht worden, und wenn jener Gegensatz in der That den Kern des Streites bildet, so würde, wie das Appellationsgericht richtig

konkludirt, der Rechtsweg nicht ausgeschlofssen werden können.

Nun ist allerdings davon, ob! die Holzungs- und Hütungsrechte i dem Stadtwalde bon R. den Klägern als k . ö zelnen Berechtigten zustehen, in den Akten vielfach die Rede, und die Re— gierung zu Arnsberg hat sich in dem Kompetenz⸗Kyonflikts⸗-Beschlusse be— müht, das Erstere auszuführen, so wie es nach der wörtlichen Aeußerung im Kompetenz-Konflikts-Beschlusse eventualiter in der Appellations⸗Instanz weiter ausgeführt werden soll; allein es kann auf eine Prüfung, was nach Lage der Sache im Endresultat anzunehmen sei, hier, wo nur zu ent— scheiden ist, ob der Rechtsweg zulässig, nicht ankommen; es kann nur dar— auf ankommen, was zum Gegenstande des Streites gemacht ist und dies kann wiederum, so vielfach auch in den Akten die unzweifelhaft dem Richter angehörende Frage berührt worden, dennoch etwas Anderes sein.

Mit Nücksicht auf das Gesagte wird dasjenige, was für die eine oder andere Alternative angeführt worden, wie es z. B. mit dem Besitztitel, wie mit der Verwaltung gehalten worden, wie die Deputirten der Auseinandersetzung mit A. M. und K. gewählt und wie die Legitimation in jenem Verfahren hergestellt worden, hier übergangen, ja es wird auch der Umstand, auf den die Entgegnung des klägerischen Anwalts, nachdem der Kempetenz- Konflikt eingelegt worden, das Hauptgewicht legt daß nämlich außer den altberechtigten Häusern auch noch andere existirten, und die Zahl der Altberechtigten in R. eben so wie in benachbarten Städten eine durchaus bestimmte sei für jetzt dahingestellt bleiben können; es kommt vorzugsweise nur darauf an, die Klage, wie sie angestellt worden, ins Auge zu fassen.

In der Klage heißt es nun aber wörtlich:

Der Stadtwald von N. wurde früher in der Weise benutzt, daß die Bürger, der Stadt R., so wie die Geineindeglieder der übrigen Gemein— den (mit denen sich R. in communione befand) ihr nöthiges Holz aus dem Walde bezogen, zu welchem Zwecke der ganze Wald zur wülkür—

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lichen , freigegeben war, spaͤter aber zwei Tage in der

bestimmt wurden u. s. w. n , weiter, nachdem die eingetretenen Veränderungen vorgetra⸗

gen worden;

le Bürger von R. haben dies mit Rüclsicht auf die Kommunal⸗

e e e , run . dies jedoch nicht langer gestatten, da sie

sich dazu nicht für verpflichtet halten. Die Verhältnisse waren in N.

gerade dieselben, wie in A. Die berechtigten Gemeindeglieder zu 9.

welchen ebenfalls das Nutzungsrecht entzogen war, haben deshalb .

Recht wieder geltend gemacht und ein Erkenntniß erstritten (wie be⸗ reits zu Anfang des Vortrages angeführt) u. s. w.

F ißt es:

. 6 rh Bürger von R. seit Menschengedenke bis 1830 den Wald in der angegebenen Weise benutzt haben, sollen bekunden u. ö

Die Auseinandersetzung mit den benachbarten Gemeinden ist nach den zu einer jeden Gemeinde gehörenden berechtigten Stellen erfolgt, wie aus den Akten der General-⸗Kommission hervorgeht u. s. w.

ndlich: ;

ö Es giebt schließlich noch nachzuweisen, daß die Kläger au den be— rechtigten Bürgern von R. gehören. Daß sie überhaupt zu den Bürgern gehören, im Sinne der neuen in R. bestehenden Stadt⸗Verfassung, kann wohl keinem Zweifel unterliegen; sie sind aber auch sämmtlich . alter Bürgerhäuser, an deren Besitz das Recht, an den Nutzungen des Bürger-Vermögens Theil zu nehmen, geknüpft war; in den Akten der Königlichen General⸗Kommission über die Theilung des Waldes ist an⸗ gegeben, wie viel berechtigte Stellen in R. waren, und wahrscheinlich sind auch diese Stellen selbst bezeichnet. Daß aber Kläger Befitzer solcher Stellen find, insbesondere auch, daß fie und resp. ihre Vorfahren im Besitze des vollen Bürgerrechts zu R. sich befanden und die entsprechenden Rechte ausgeübt haben, namentlich das Recht auf freies Brennholz, nöthiges Nutz- und Geschirrholz und Hude im städtischen Walde, sollen die Zeugen R. N. bekunden. Auch wird Bezug genommen auf die von der Verklagten zu edirenden Bürgerlisten und Akten über die Benutzung und Bewirthschaftung des städtischen Waldes. ;

Es ist ganz unverkennbar, daß in dieser Klage, so wie das Ganze angelegt worden, der entscheidende Moment darin gesetzt worden, daß die Klaͤger vollberechtigte Burger von R. seien, und hierzu hat der frühere Prozeß der Gemeindeglieder in A. gegen die Gemeinde R. die Veran⸗ lassung gegeben. Dieser Prozeß war zu Gunsten der Gemeindeglieder ent⸗ schieden; es haben, wie aus dem Erkenntnisse zweiter Instanz zu entnehmen, in A. früher 54 altberechtigte Bauernhöfe und Kotten bestanden, hierzu sind 13 neue Ansiedelungen hinzugekommen, und es haben 44 jener Alt— bauern die Einrichtung, daß das Brennholz für das Aerar verkauft wor⸗ den, sich nicht ferner wollen gefallen lassen, sind auch damit, wie zu An⸗ fang angeführt, in Gemäßheit der Erkenntnisse zweiter und dritter nstanz durchgedrungen. Für die Aufrechterhaltung der seit 1830 bestehenden Srdnung haben in Ermangelung eines, die dort aufgetretenen Kläger bin⸗ denden Vertrages, da A. ein Dorf ist und nicht die Städte-Ordnung von 1831 gehabt hat, keine solche Gruͤnde angeführt werden können, wie in dem gegenwärtigen, die Stadt R. betreffenden Prozesse der Fall gewesen ist. Es kam nur guf die Erörterung des althergebrachten Rechts und die seit dem Jahre 1830 in der Administration des Waldes eingetretenen Veränderungen an. In dem gegenwärtigen Prozesse ist dagegen mehrfach über das Bürgerrecht verhandelt, und von den an⸗ erkannten Erfordernissen, als da sind: Bürgereid, Reception gegen Er⸗ legung des Receptionsgeldes und Besitz eines Bürgerhauses, wird das erste Erforderniß, der Bürgereid, in den Gründen des von dem Kreis⸗ gericht zu L. abgefaßten Erkenntnisses weil der Bürgereid gesetzlich nicht mehr stattfindet, als unerheblich bezeichnet; die beiden anderen Erforder⸗ nisse aber find in dem oben angeführten tenor sententiae berührt, und zwar in der Weise, daß hinsichtlich des Besitzes eines Bürgerhauses auf einen nothwendigen Eid erkannt, die Erlegung des Receptionsgeldes aber für den Fall der Ausschwörung dieses Eides als Bedingung der Aus— übung der in Anspruch genommenen Gerechtsame hingestellt ist. Der nothwendige Eid ist vollends de ignorantia normirt, und dies kann sich, da Niemand darüber, ob er ein gewisses Grundstück besitzt oder nicht be⸗ sitzt, de ignorantia zu schwören veranlaßt werden kann, nur auf die dem Grundstücke anklebenden Gerechtsame beziehen.

Auf diese Weise ist aber der ganze Prozeß so angelegt und von dem Richter so aufgefaßt, daß die Theilnahme an dem Buͤrger-Vermögen in den Vordergrund tritt, so vielfach auch von den, einzelnen Grundstücken anklebenden Rechten die Rede ist, denen gegenüber, wie in der Erklärung auf den Kompetenz- Konflikt hervorgehoben wird, andere nicht berechtigte existiren sollen. Ueber das Bürger-Vermögen, d. h. dasjenige Vermögen, dessen Ertrag bisher an Einzelne vertheilt worden, konnten, wie oben be— merkt, die städtischen Behörden mit Genehmigung der vorgesetzten Instanz anderweitige Bestimmung treffen; daß diesem gegenüber ein unantast— bares Vermögen gewisser Einzelner existiren könne, ist nicht zu bezweifeln; daß aber derartige Ansprüch zum Gegenstande des Rechtsstreites gemacht worden, ist nicht um deswillen anzunehmen, weil, wie das Appellations⸗ gericht zu Arnsberg fich ausdrückt, die Kläger ein Recht nicht ledig— lich in ihrer Eigenschaft als Gemeindeglieder oder Bürger der Stadt H. in Anspruch nehmen, sondern sich außerdem auf ein mit einer alt— berechtigten Bürgerstelle verbundenes Privat- Eigenthum stützen. Sie thun bies allerdings aber nicht in der Weise, daß sie bon einem solchen Pri— vatrechte ausgehen, sondern in der Weise, daß der Befitz eines altbe— rechtigten Bürgerhauses als eine der mehreren Bedingungen für das in Anspruch genommene Recht hingestellt wird. Das Zatreffen dieser Be— dingung ist dergestalt ins Allgemeine gestellt, daß darüber ein Zeugen beweis hat angetreten werden müssen, und dieser Beweis ist nur in so weit gelungen, daß auf einen nothwendigen Eid und noch dazu auf einen Iqhoranz Eid hat erkannt werden müssen. Man fank nicht an. nehmen, daß unter diesen Umständen von Privatrechten Einzelner, dem

städtischen Kämmerei⸗ oder Bürger Vermögen gegenüber, die Rede sei. Sofern aber nur bon dem Vürger-Vermogen, 6 h. von demjenigen

Vermögen die Rede ist, dessen Ertrag an Einzelne vertheilt zu werden . kann aus den in dem Urtheil des Gerichthofes für Kompetenz⸗ Konflikte vom 7. Juni 18656 entwickelten Gründen der Rechtsweg nicht zugelassen werden. .

Sollten die Klaͤger oder Einzelne derselben gewisse, nicht als zum Burger-Vermögen gehörig zu betrachtende Gerechtsame im Stadtwalde, als ihren Besißungen anklebend, glauben in Anspruch nehmen zu können, so ist die mindeste Anforderung, die man gn den Kläger stellt, der ein mit einem gewissen Besitzthum verbundenes Recht verfolgen will, daß er das Befißthum selbst, womit das Recht verbunden sein soll, bezeichne. Dies ist bis jetzt so wenig geschehen, als die Thatsache des Besitzes, als Bedingung des in Anspruch genommenen Rechts betrachtet, erst durch einen Erfüllungseid de ignorantia festgestellt werden soll. Eine verbesserte Klage anzustellen, welche, anstatt von dem Bürgerrechte und von dem Bürger⸗Vermögen auszugehen, von dem diesem gegenüberstehenden Rechte Einzelner am Bürger⸗Vermögen würde ausgehen müssen, bleibt, wie sich von selbst versteht, jedem Einzelnen unbenommen. So wie aber die Klage angelegt, konnte der Rechtsweg nicht zugelassen werden, und ist daher, wie eg n, zu erkennen gewesen.

Berlin, den 21. November 1857. .

Königlicher Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenz⸗Konflikte.

Angekommen: Se. Excellenz der Staats- und Finanz⸗Mi—⸗

nister von Bodelschwingh, von Suhl. Der General-Major und Inspecteur der 3Zten Artillerie-In—

specKtion, Hindersin, von Breslau.

Abgereist: Se. Excellenz der Wirkliche Geheime Rath und Ober⸗Berghauptmann a. D., Graf von Beust, nach der Provinz Schlesien.

N icht amtliches.

Preußen. Berlin, 22. Juni. Se. Fönigliche Hoheit der Prinz von Preußen, welcher sich, wie wir gemeldet haben, gestern Abend nach Schloß Babelsberg begeben hatte, nahm dort im Laufe des heutigen Vormittags die Vorträge des Polizei⸗ Präsidenten von Zedlitz und des Generals von Manteuffel entgegen.

Der Herr Minister-Präsident begab sich um 3 Uhr Nachmittags nach Babelsberg zum Vortrage bei Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen von Preußen.

Hannwver, 21. Juni. Durch eine heute publizirte könig—

liche Verordnung wird die Domainen-Kammer vom 1. Juli an

aufgehoben; der ausgeschiedene Domaine⸗Kromplez und die Kron— kasse werden dem Ministerium des königlichen Hauses, die nicht ausgeschiedenen Domainen dem Finanz⸗Ministerium untergeordnet. Sachsen. Weimar, 21I. Juni. Ihre Kaiserliche Hoheit die Frau Großherzogin⸗Großfürstin ist gestern früh in er— wünschtem Wohlsein aus Franzensbad zuruͤckgekehrt. Ihre Kaiser— liche Hoheit begab sich zunächft nach der griechischen Kirche, um dort ihre Andacht zu verrichten, von da aber nach Schloß Belvedere. (Weim. 3.) Gotha, 19. Juni. Nach einer heute durch die Gesetzsamm— lung veröffentlichten Verordnung tritt die neue Strafprozeß⸗ Ordnung, das Gesetz über die Organisation der Gerichtsbehörden, das Gesetz wegen Aufhebung des privilegirten Gerichtsstandes der Personen und Güter, das Gesetz über den Verlust der staatsbuͤr— gerlichen und Ehrenrechte und endlich das Gesetz über die Wieder— einführung der Todesstrafe mit dem 1. Juli d. J. für das Herzog— thum Koburg⸗Gotha in Fraft. (Fr. P. Ztg.) Hessen. Mainz, 20. Juni. Das Koͤniglich preußische Gouvernement der Bundesfestung macht bekannt, daß die Samm⸗ lungen für die in Folge der Mainzer Pulver-Ezplosion Verunglückten jetzt im Allgemeinen als geschlossen anzusehen wären, und daß aus Preußen bis zum 14. Juni 1858 68,407 Thlr. 19 Sgr. 9 Pf. an Beiträgen eingegangen und je nach dem aus— gesprochenen Willen der Geber theils an beschädigte Mannschaften resp. deren Familien, theils an die hinterbliebenen Familien der durch die Explosion Getödteten vertheilt worden sind. Württemberg. Stuttgart, 20. Juni. Diesen Morgen kam König Max von Bayern von Bruchsal her hier an und wurde im Bahnhof vom König Wilhelm von Württemberg und dessen General-Adjutanten empfangen. Baiern. München, 18. Juni. Dem Vernehmen nach hat der heute stattgehabten Sitzung der Münz⸗Konferenz auch der Vertreter des Senats der freien Stadt Frankfurt (Senator Bernus) zum ersten Male beigewohnt, so daß bei derselben nun alle Regierungen des suͤddeutschen Munz-Vereins vertreten sind. (Augsb. Ztg.) London, 20. Juni.

Großbritannien und Irland. Die hiesigen Quäker haben vor Kurzem eine Deputation nach

Paris geschickt, um dem Kaiser eine auf die afrikanische Sklaven⸗

Ausfuhr bezuͤgliche Denkschrift überreichen zu lassen. Es war ihr