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HRayern. München, 27. Februar. Im Befinden Seiner Majestät des Königs Ludwig war im Laufe des gestrigen Nach⸗ mittags eine Besserung eingetreten, die als Beginn der Genesung betrachtet wird. .
Württemberg. Stuttgart, 28. Februar. Der „Staats⸗ anzeiger“ veröffentlicht den von der Staatsregierung dem standi⸗ schen Ausschuß übermittelten Gesetzentwurf, der die Verhältn is e der katholischen Kirche zur Staatsgewalt, in gin igen Be⸗ ziehungen, unter Bezugnahme auf das durch Königliche Verordnung vom 21. Dezember 1857 zur öffentlichen Kenntniß gebrachte „von Uns unbeschadet Unseres unveräußerlichen obersthoheitlichen ch ng⸗ und Aufsichtsrechts, so wie aller Rechte Unserer evangelischen Lan— deskirche abgeschloffene Uebereinkommen mit dem Oberhaupt der katholischen Kirche“ näher regelt. Art. J. Halt das Placet fest für gemischte Angelegenheiten und bestimmt die Benachrichtigung über rein innere kirchliche Jnordnungen. Art. 2. Kirchen ämter können mit rechtlicher Wirkung nicht an Personen übertragen werden, von
welchen die Staatsregierung unter Anführung von Thatsachen er-
klärt hat, daß sie ihr in bürgerlicher oder politischer Beziehung mißfällig seien. Art. 3. handelt über die bischöfliche Straf— gewalt gegen Geistliche, von dem Modus bei gerichtlich strafbaren Dienstvergehen der Geistlichen und von den Bedingungen der Ver⸗ leihung des weltlichen Arms. Vorbehalten bleibt die Dis ziplinarstraf⸗ gewalt der Staatsbehörden gegen katholische Geistliche als Träger staatlicher Functionen. Art. 4. Unterstellung der Katholiken, welche seither unter der ehemaligen vorderösterreichischen Ehegesetzge— bung gelebt, in Ehesachen unter das gemeine Recht der katho— lischen Kirche und die bischöfliche Gerichtsbarkeit. Art. 5. Bei kirchlich getrauten Ehen von Katholiken, welche nach der Staatsgesetzgebung ungiltig, nach dem kirchlichen Rechte aber giltig sind, oder umgekehrt, sind zur Verhandlung und Entscheidung von Ehestreitigkeiten, so wie zur Besorgung der sonstigen, auf solche Ehen hezüglichen eherichterlichen Geschäfte die in Art. 13 des Gesetzes vom 1. Mai 1855 genannten bürgerlichen Gerichte zuständig; dieselben haben hiebei nach den einschlägigen besonderen Bestim— mungen der Staatsgesetzgebung und im Uebrigen nach den in den Art. 13 und 18 jenes Gesetzes bezeichneten Grundsätzen und Vorschriften, erforderlichen Falls auch von Amtswegen, zu ver— fahren. Ist eine Ehe vom kirchlichen Gericht für ungiltig, da—
gegen vom bürgerlichen Gerichte für gültig erklärt, so finden die Bestimmungen der Art, 15 = 17 und 20 des gedachten Gesetzes in Zukunft Anwendung. Art. 6. So weit nicht Gesetz oder Ueberein— kunft mit der Kirche der Staatsregierung und deren Organen weiter
reichende Befugnisse einräumen, hat die Regierung das Recht, von den Verwaltern kirchlichen Vermögens über die Erhaltung des Grundstocks und die stiftungsmäßige Verwendung der Erträg— nisse desselben Nachweis zu verlangen.
Oesterreich. Wien, 28. Februar. Der Kaiser hat durch Allerhöchste Entschließung vom 5. Februar d. J. den Bischof von Verona Benedikt von Riccabona zum Fürstbischofe von Trient ernannt.
Die „Wiener Zeitung“ berichtet: Die Verkündigung der von Sr. K. K. Apostolischen Majestät erlassenen Grundgesetze hat gestern Abend der Reichs haupt⸗ und Residenzstadt zu einer Beleuchtung Anlaß gegeben, um das große historische Ereigniß mit den Gefüh— len dankbarer Freude zu begehen. Die von den Flammen erhell— ten Straßen waren bis in die Nacht hinein von dichtgedrängten Massen belebt.
Großbritannien und Irland. London, 27. Februar. Die Königliche Familie ist gestern nach Osborne abgereist.
Im preußischen Gesandtschafshotel war vorgestern große Tafel, zu der unter Anderen der portugiesische Gesandte, die Herzogin von St. Albans, der Marquis of Breadalbane, Viscount Falkland und Viscount Shdney sammt Gemahlin geladen waren.
Parlaments⸗Verhandlungen vom 26. Februar. Oberhaus—⸗ Sitzung., Auf die Bitte Lord Monteagle's vertagt Lord Nor— manby seinen Antrag in Betreff des Herrn Turnbull und der Protestant Alliance bis nächsten Montag.
Unterbaus-Sitzung. Cave beantragt folgende Resolutionen: JN Die von England bisher zur Unterdrückung des afrikanischen Sklaven handels angewandten Mittel haben diesen Zweck nicht erreicht 2) Dieses Fehlschlagen hat seinen Grund hauptsaͤchlich darin, daß wir unser Streben beinahe ausschließlich darauf gerichtet haben, die Ausfuhr von Sklaven zu verhindern, statt der Nachfrage nach ihnen Einhalt zu thun. 3) Das nahe Abhülfemittel ist nicht darin zu suchen, daß man der Einwan— derung in jene Länder, wo die Sklaverei besteht, Vorschuß leistet, sondern darin, daß man die Arbeiterbebölkerung in den Ländern vermehrt, wo die Sclaberei abgeschafft worden ist. 4 Wir müssen daher, während wir mit Repressivp⸗ maßregeln fortfahren, ja, dieselben wirksamer machen, in jeder nur irgend möglichen Weise der Einwanderung freier Einwanderer, und zwar namentlich der Einwanderung freier Kolonisten aus China, in die' bri— tisch westindischen Kolonieen Vorschub leisten. Jord J. Russell be⸗ merkt, die zur Unterdrückung des Sklavenhandels angewandten Maß— regeln seien nicht so unwirksam gewesen, wie Herr Cabe anzunehmen scheine. Die dem Verschwinben bes Sklavenhandels entgegentretenden Hindernisse beständen in ber. Lauigkeit, bie in anderen Ländern in Be— zug auf- Sklaverei und Sklavenhandel herrsche, in dem ungeheuren Ge— winn, den der Sklavenhandel abwerfe und der die Bildung großer
Handelsgesellschaften in der Havannah veranlaßt habe, und in dem Umstande, daß die amerikanische Flagge Sklavenschiffe decke, da die Regie⸗ rung der Vereinigten Staaten das Durchsuchungsrecht nicht anerkenne und sich auch anderen Maßregeln zur Unterdrückung des Menschenhandels nicht anschließe. Er stimme mit Herrn Cave darin überein, daß die englische Re— gierung nach Abschaffung der Sklaverei die Einwanderung freier Arbeiter hätte begünstigen müssen. Als die Regierung aber den Vorschlag gemacht habe, solche Arbeiter nach Mauritius einzuführen, habe sich das Parlament diesem Plane feindlich erwiesen, indem es darin einen berkappten Sklaben⸗ handel erblickt habe. Doch sei die Einwanderung nich Mauritius von Er— folg gekrönt worden, und er werde sich freuen, wenn dasselbe Experiment in Westindien glücke. Es sei Sache des Kolonial- Ministers, Plane zu diesem Zwecke zu entwerfen. Die Negierung wisse die aus der freien Einwanderung entspringenden Vortheile sehr wohl zu würdigen und glaube, daß die anfänglich damit verbundenen Uebelstände vermieden werden könnten. Sie habe daher prinzipiell nichts gegen den Antrag des Herrn Cabe. Da er (Russell) jedoch keinen praktischen Nutzen in der Annahme der Resolutionen zu erblicken vermöge, so beantrage er die Vorfrage (Tagesordnung). sei Herrn Cave dafür Dank schuldig, daß er den Gegenstand zur Sprache gebracht habe. Durch die Bemerkungen Lord John Russell's werde er
wohl die Ueberzeugung gewonnen haben, daß kein Meinungsunterschied
zwischen ihm und der Regierung obwalte. Ber Redner weist mit Stolz auf die Anstrengungen hin, die England zur Unterdrückung der Sklaverei und des Sklavenhandels gemacht habe. Letzterer beschränke sich jetzt auf Cuba, das Centrum der Schande. Die spanische Nation sei auf die schamloseste Weise ihren Verpflichtungen untreu geworden. Der einzelne Spanier möge ein sehr ehrenwerther Mann sein; als Gesammtheit ge— nommen jedoch habe Spanien sich so wenig um die eingegangenen Ver— bindlichkeiten gekümmert, daß beinahe eine Kriegserklärung als gerecht— fertigt erscheine. Er hoffe, daß Herr Cave es nicht für nöthig halten werde, auf eine Abstimmung zu dringen. Cave zieht hierauf seinen An— trag zurück.
Lord Wodehouse, der Unterstaatssecretair des Auswärti— gen, berichtigt in einer Zuschrift an die „Times“ die Angabe über die bon den Maroniten im Libanon begangenen Mordthaten, welche der stenographische Bericht ihm in den Mund gelegt hat. Lord Wodehouse hat (lin seiner vorgestrigen Erwiderung auf Lord Stratford de Redeliffe's Rede im Oberhause) nicht gesagt. daß die Christen 86 Drusenkinder ermordet haben, sondern daß 136 Män— ner, 25 Weiber und 15 Kinder von ihnen ermordet, und daß 86 Personen von ihnen verwundet worden sind. Auch hat er gesagt, daß die in Beyrut vor Gericht gestellten Häuptlinge zum Tode verurtheilt wurden, aber daß das ürtheil noch nicht vollstreckt ist.
„Frankreich. Paris, 28. Februar. Ein Kaiserliches Dekret verfügt, daß am Collège de France ein Lehrst ö rö⸗ mische Inschriften und Alterthümer errichtet werde. In dem Berichte des Unterrichts-Ministers Rouland, der die Motsbe des betreffenden Vorschlages darlegt, wird auf die Arbeiten der Berliner Akademie für das Gebiet der römischen Inschriften hinge— wiesen. Leon Renier, Mitglied des Institut, ist zum Prefeffor für den neuerrichteten Lehrstuhl ernannt.
Der „Moniteur“ meldet ferner, daß der geistliche Erlaß des Bischofs von Poitiers der hohen Jurisdiction des Staatsraths überwiesen worden ist, welcher über alle Fälle des Mißbrauchs geistlicher Autorität zu befinden hat. Näher motivirt wird diese Maßregel in einem A nschreiben des Grafen Persig ny an den Vienne-Präfekten, welches bereits durch tele— graphische Mittheilung bekannt ist.
In dem Erlaß des Bischof von Poitiers gegen die Laguer⸗ ronniͤresche Denkschrift heißt es zum Schlusse:
„Das römische Papstthum ist der Schlußstein in dem Gewölbe der euro— päischen Welt. Auf alle Punkte des Gebäubes hat die Hand der Entschlos⸗ sensten mit dem zerstörenden Hammer geschlagen; hier zögert und zittert sie in dem Augenblicke, wo sie diesen Hauptstein, diesen geheiligten Felsen fallen lassen soll, welcher Alles trägt und an welchem Alles sich hält? Man fühlt es: wenn der Papst nicht mehr an seiner Stelle ist, wird keine Macht diefer Welt mehr ruhig an der ihrigen und die ganze Erde wird in Bewegung sein. Als Pilatus sah, daß er nichts ausrichtete, und im Gegentheil die For— derungen stärker und gebieterischer wurden; als er erkannte, daß, nachdem er gegen jedes Verlangen der Masse nachgiebig gewesen, er zu einer Hand— lung der äußersten Schwäche fortgerissen werden würde, ließ er sich Wasser bringen. Er wusch sich die Hände und sprach: „Ich bin unschuldig an dem Blute dieses Gexechten!“ Darauf ließ er Jesum geißeln und über— antwortete ihn den Juden, auf daß sie ihn kreufgten (Matth. XXVlIl, 24. 26.) Aber hat die Nachwelt die Sühne bestätigt, welche sich Pilatus ertheilt, und hat das Händewaschen ihn schuldlos gemacht vor den kommenden Zeiten? Höret! Seit achtzehn Jahrhunderten giebt es ein Formular von zwölf Artikeln, welches alle christlichen Lippen taglich hersagen. * diesen unserem Glaubensbekenntnisse, welches die Apostel mit so, großer Kürze verfaßt haben, sind außer den drei anbetungswürdigen Namen der göttlichen Personen der tausendmal gesegnete Name der Frau, welche den Sohn Gottes menschlich geboren, und der tausendmal verfluchte Name des Mannes genannt, der ihm den Tod gegeben hat. Nun, dieser so mit dem Brandmaß des Gottes— moͤrders gezeichnete Mann, dieser so an den Pranger unseres Symbols ge⸗ nagelte Mann, wer ist er? Dieser Mann ist weder Herodes, noch Kaiphas, noch Judas, noch irgend einer der jüdischen oder römischen Henkersknechte: dieser Mann ist Pontius Pilatus! Das ist die Gerechtigkeit. Herodes, Kai⸗ phas, Judas und die Anderen haben ihr Theil an dem Verbrechen gehabt; aber nichts waͤre schließlich geschehen ohne Pilatus. Pilatus konnte Christum
Lord Palmerston sagt, das Haus
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retten; ohne Pilatus konnte man Christum nicht zum Tode führen. Der Befehl dazu konnte nur von ihm kommen. „Uns ist das Tödten verboten!“ sagten die Juden. Wasche deine Hände, Pilatus! Erkläre dich unschul— dig an dem Tode Christi! Statt aller Antwort sagen wir dir jeden Tag und die fernste Nachwelt wird es dir immer sagen: „Ich glaube an Jesum Christum, den eingeborenen Sohn des Vaters, der empfangen ist von dem heiligen Geiste, geboren aus Maria der Jungfrau, gelitten und gestorben unter Pontius Pilatus. Ich glaube an Jefum Christum, wel— cher gelitten hat unter Pontius Pilatus!“ Solche Dinge wiederholen sich nicht auf Erden. Wir gebören zu denen, die dem gegebenen Worte trauen und darauf hin verwerfen wir die Schlußfolgerungen, welche man aus der Broschüre gezogen hat.“
Die erwartete Flugschrift Louis Veuillots wird unter dem Titel: „Le Pape et la diplomatie“ erscheinen.
Der Adreß-Entwurf des gesetzgebenden Körpers lautet folgendermaßen:
Sire, der gesetzgebende Körper kann von den neuen und wichtigen Vor— rechten, die er der Initiative Ew. Majestaͤt verdankt, nicht zum ersten Male Gebrauch machen, ohne dem freisinnigen und umsichtigen Gedanken Beifall zu zollen, der sie eingegeben hat, und ohne sich stolz und dankbar ob des Ver— trauens zu zeigen, dessen Zeugniß sie sind. Diese Freiheiten entwickeln die
Grundsätze der Verfassung, indem sie in vorsichtig fortschreitender Weise deren.
Einrichtung und Wirksamkeit dem gegenwärtigen Stande der Gesellschaft anmessen. Unsere Verfassung, begründet mit Rücksicht auf die Schwierig⸗ keiten, die fie überwunden, und das Friedenswerk, welches sie bollbringen mußte, hat die Entwickelung, welche fie in sich enthielt, vorbereitet und er— möglicht. Wir nehmen den erweiterten Antheil, den sie unseren Arbeiten und unserer Verantwortlichkeit verleiht, mit dem Entschlusse an, sie zum Ge— meinwohl anwenden zu wollen. Als Zeugen unferer redlichen Be— mühungen, das Land, wie Sie selbst, die Wahrheit erfahren zu lassen, wird die öffentliche Meinung um so mehr unsere Beschlüsse sanctioniren und unsere Ergebenheit an Ihre Person und an Ihre Dynastie noch wirksamer machen. Denn nichts würde unsere Popularität verstärken, was nicht zugleich Ihre Macht verstärkte. Indem Ew. Majestät uns einladet, mit Aufrichtigkeit unsere Meinungen und Ansichten mitzu— theilen, erleichtern Sie uns dieses durch eine allgemeine jähr— liche Uebersicht der Geschäftslage des Landes. — Frankreichs Lage offenbart uns allenthalben Aufrechthaltung der Ordnung, Gehorsam gegen die Gesetze, Ehrerbietung vor der Religion, Anregung der Künste und Wissenschaften, Verbreitung des Unterrichts, so wie Vertrauen und Ergebenheit des Volkes, und die Gerechtigkeit gebietet es, hinzuzu— fügen, daß diese Wohlthaten, das Werk Ihrer Weisheit und die Frucht Ihrer Regierung, ohne Uebergangsperiode auf den Tumult und die Aengsten unserer bürgerlichen Zwiste Ruhe der Gemüther und Sicherheit der Interessen haben folgen lassen. Sire, der gesetzgebende Körper billigt und theilt Ihre edelmüthige Sorgfalt für Ackerbau, Industrie und Handel, das Gebiet, auf dem sich die nationale Thätigkeit entfaltet, wie sie die Nahrungsquelle der öffentlichen Wohlfahrt ist. Wir beeilen uns, mit Eifer den Maßregeln uns anzuschließen, deren Zweck die Verbesserung des Ackerbaues, dieses Haupt⸗Interesse Frankreichs, war, indem ihm die Hervorbringung seiner Produkte erleichtert und der Preis der Gegenstände, die man benutzt, ermäßigt wurde. Wohlfahrt der ackerbautreibenden Bevölkerung ist der aufrichtigste Wunsch der industriellen Bebölkerung. Die engste Solidarität einigt die menschlichen Arbeiten und berbindet sie zu gemeinsamem Geschick. Wir hegen die Hoffnung, daß die französische Industrie siegreich die Probe be— stehen wird, durch die sie gehen muß. Das kann aber nur geschehen, wenn die Rohstoffe und die Transportmittel ihr zu billigen Preifen zu Gebote stehen. Daher werden unsere Bemühungen sich den Ihrigen für Vollen— dung und Ausführung der Communicationswege anschließen. — Ein un— abweisliches Element der landwirthschaftlichen, industriellen und kommer— ziellen Production ist jedoch Vertrauen auf die Zukunft. Dieses Ver— trauen wird aber nun nicht ohne eine gewisse Stätigkeit in der Zoll⸗ gesetzgebung bestehen können, welche die Interessen beruhigt und große Unternehmen ermuthigt, — Sire! Mit Befriedigung vernehmen wir, daß das Budget uns im Gleichgewicht übergeben werden wird, ohne daß es
nöthig war, zu Anleihen oder neuen KÄuflagen zu schreiten. Frankreichs
Hülfsquellen sind unerschöpflich wie seine Thätigkeit und seine Energie; aber Ihre weise Politik wird unsere Finanzen wahren, für künftige Even⸗ tualitaͤten sich Keserven vorbehalten, und wir hoffen, daß sich keine gebieteri— schen Eventualitäten der Zukunft darstellen werden, die durch außerordentliche zusätzliche Kredite das borgesebene Budget wesentlich modifiziren könnten. — Zur Erhaltung und Befestigung all dieser Dinge, Sire, ist etwas Höheres nothwendig: der Friede. Ew. Majestät war der getreue Dolmetscher der ein— stimmigen und tiefgefühlten Gesinnung Frankreichs, indem Sie kund gaben, daß Sie aufrichtig den Frieden wünschen. Unter Ihrer Regierung, Sire, kann Frankreich weder furchtsam noch herausfordernd sein. Diese Haltung untersagt weder, noch hindert sie den freien Ausdruck des Landes in den Interxessen, bei denen seine Würde und Ehre betheiligt sind. Wir hoffen, daß das neue, in Algerien errichtete System den Bedürfnissen der Sicher— heit und den Erfordernissen der Colonisation entsprechen wird. Mit Sa⸗— boßen und der Grafschaft Nizza haben Sie auf friedliche Weise und in Folge eines von dem Volkswillen ratifizirten Vertrages seit langer Zeit uns freundschaftlich gesinnte und jetzt unwiderruflich französische Probinzen dem Kaiserreiche einverleibt. Sie haben bei dieser Gelegenheit der Nothwen— digkeit der Territorial-Vertheidigung Rechnung getragen, die aus der bedeu— tenden Vergrößerung eines benachbarten Staates entsprang und Ihre eben so feste als kluge Politik hat Frankreich zur Befriedigung gereicht, ohne das europäische Recht zu verletzen. In Syrien haben wir die Initiative eines menschenfreundlichen Werkes ergriffen, und wir erfüllen sie kraft eines europäͤischen Mandats. Wir hoffen, daß dieses Mandat uns erhal⸗ ten bleiben wird, daß wir unserem Zweck weiter folgen können und daß die heilige und uneigennützige Mission, welche wir angenommen haben, erfüllt werden wird. In China haben unsere Soldaten im Verein mit
denen Großbritanniens einen neuen Ruhm für unsere Waffen errungen. Aehnlich den alten Phalangen haben sie durch die Kraft ihrer Organisa— tion das größte und bevölkertste Reich ins Herz getroffen. Möchten Frankreich und England, eben so lehal in ihren Äbsichten als aufrichtig in ihrem Bündnisse, immer auf diese Weise neben einander zur Vertheidi⸗ gung der gerechten Sachen und zum Triumphe der Civilisation einher— schreiten. Sire! das nationale und traditionelle Interesse, welches wir für die Ge⸗ schicke Italiens haben, ist vermehrt worden durch die energischen und glorreichen Bemühungen, welche wir an der Spitze unserer Armeen zu Gunsten seiner Befrelung gemacht haben. Der gesetzgebende Körper, in—⸗ dem er sich der Achtüng anschließt, die Sie den Wünschen der italienischen Völker haben zu Theil werden lasfsen, billigt die weife Zurückbaltung, welche Frankreich auf dem Boden der Verträge, des öffentlichen Rechtes und der Gerechtigkeit erhalten hat, und die, ohne Ihre Sympathieen für die sich wieder erhebenden Nationen zu vermindern, Ihnen gestattet hat, Ihrer Politik Handlungen, die Sie mißbilligen, fern zu halten. Sire! Die diplomatischen Aktenstücke und die letzte Truppensendung nach Rom in einem kritischen Augenblicke haben der Welt bewiesen, daß Ihre be⸗ ständigen Bemübungen dem Papstthum Sicherheit und Unabhaͤngigkeit gewahrt und seine weltliche Souverainetät so weit gesichert haben, als es die Gewalt der Dinge und der Widerstand gegen weise Nathschläge er⸗ laubten. Indem Ew. Majestät so handelten, haben Sie die Pflichten des altesten Sohnes der Kirche erfüllt und den religiösen Gefühlen sowohl als den politischen Traditionen Frankreichs entsprochen. Was diese ernste Frage anbelangt, so giebt diese der gesetzgebende Körper vollständig Ihrer Weisheit anheim, überzeugt, daß bei den Ebentualitäten der Zukunft Ew. Majestät, ohne sich durch die Ungerechtigkeiten, welche uns betrüben, entmuthigen zu lassen, sich nur von den nämlichen Grundsäßen und Gefühlen leiten lassen wird. — Sire! Seit beinahe zehn Jahren hat Frankreich Ihnen seine Geschicke an⸗ bertraut; die Hindernisse und Kämpfe haben Ihre Klugheit nicht beirrt, Ihren Muth nicht gebrochen. Die Vorsehung hat Sie mit ihrem Schutze, das Land mit seinen Acelamationen umgeben. Beharren Sie auf dieser weisen und entschlossenen, dieser liberalen und festen Politik, die unter einer starken Regierung dauerhaften Freiheiten Schutz gewährt und die keinen anderen Ehrgeiz hat, als den Glanz und die Ehré des französischen Namens. Ihr Sohn, im Schatten der ihn umgebenden Arbeiten und Tugen— den, wird, durch Ihr Beispiel gestärkt, heranwachsen. Er wird so eines Tages gelernt haben, auf eine ihrer würdige Weise eine große Nation zu beherr⸗ sch en, eine Nation, die, Herrin ihrer Geschicke, zu gerecht ist, um gefürchtet, zu loyal, um verdächtigt, und zu stark, um bedroht oder verleitet zu werden. Italien. Rom, 23 Februar Das „Giornale di Roma“ meldet: „Kardinal Sisto Riario Sforza hit an die Statthalter— schaft von Neapel eine Protestation gerichtet gegen die Akte der Feindseligkeit und Willkür und gegen die Heiligthumsverletzungen, welche sich die Civilbehörde hat zu Schulden kommen lassen.“ Gestern machte König Franz im spanischen Gesandtschafts— hause einen Besuch. Vor dem Portale hatten sich gegen zwanzig HBeistliche eingefunden, die ihn mit ehrerbietigster Verbeugung grüß—
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ten; doch er eilte, sie kaum bemerkend, die Treppe hinauf. Den größten Theil des Tages spaziert er im Garten des quirinalischen Palastes.
Ein Blatt bringt eine längere Schilderung der Uebergabe und des Zustandes von Gaeta. König Franz küßte, bevor er sich ein— schiffte, den letzten Soldaten mit den Worten: „Gieb diesen Kuß für mich allen meinen treuen Soldaten und sage ihnen, daß wir uns binnen einem Jahre wiedersehen werden.“
Neapel, 23. Februar. Prinz Carignan hat 10000 Lire aus seiner Privat-Chatoulle für die hülfsbedürftigen Bewohner von Gaeta und Umgegend angewiesen.
Die „Gazzetta Uffiziale“ von Neapel veröffentlicht eine Erklä— rung der Stadt und Vorstadt von Gaeta zu Gunsten des An— schlusses an die Regierung Victor Emanuel's.
Rußland und Bolen. Warsch au, 26. Februar. Nach— dem gestern, am Jahrestage der Schlacht bei Grochow, bei dem Einbrechen der Dämmerung auf dem Altmarkte Zusammenrottungen stattgefunden, welche die Gendarmerie mit gezogenen Säbeln aus⸗ einander treiben mußte, ist heute hier folgende polizeiliche Bekannt⸗ machung erschienen:
„Am 23sten d. M. waren an verschiedenen Orten Aufrufe an das Volk, sich am 25sten d., um 55 Uhr Abends, in der Altstadt zu versammeln, umher⸗ gestreut worden. Der Haupt-Urheber dieser schädlichen Proklame wurde gestern früh auf frischer That ergriffen und verhaftet. Trotzdem hatten die Aufrufe die beabfsichtigte Wirkung und trieben gestern eine Menge Neugieriger nach dem Marktplatze der Altstadt. Um 7 Uhr Abends kamen aus der Pauliner⸗ Kirche gegen funfzig Leute mit Fahnen und Gesängen und wollten in dieser Weife durch die Stadt ziehen. Da dergleichen Umzüge der offentlichen Ordnung zuwider und nicht gestattet sind, mußte die Polizei diesem tumul⸗ tuarischen Vorgeben entgegentreten und nahm die Führer des Zuges in Haft. Indem der mit den Functionen des Ober⸗Polizeimeisters Betraute die Einwohner von Warschau hiervon benachrichtigt, macht er sie auf Be⸗ fehl der höheren Behörde darauf aufmerksam, daß dergleichen Umzüge und Gesänge, da sie die öffentliche Ordnung stören, nicht geduldet werden können. Sollte jedoch ferner noch Aehnliches wider Erwarten sich er⸗ neuern, so haben die ruhigen Einwohner sich auf das Sorgsamste von solchen Zusammenrottungen fern zu halten, um sich nicht der verursachten Ruhestörung mitschuldig zu machen. (unterz.) Oberst Trepow.
Telegraphische Depeschen. (Aus dem Wolff'schen Telegraphen⸗Bürcau.) Stuttgart, Donnerstag, 28. Februar. Die zweite Kammer