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Nichtamtliches.
Mecklenburg. Schwerin, 14. Juni. Vorgestern wur⸗ den die seit etwa vierzehn Tagen hier stattgehabten kommissarisch⸗ deputatischen Verhandlungen in Betreff der projektirten Verbesse⸗ rungen im Steuer und Zollwesen durch den Staats- und Finanz⸗ Minister von Levetzow geschlossen. (Mk. Z.)
Sachsen. Dres den, 14. Juni. Die Frau Kronprinzessin und 6 , Sidonie find heute Nachmittag nach Kissingen
ereist (D. J.)
: Gotha, 13. Juni. Die Frage, ob Innungszwang oder Ge— werbefreiheit, ist am Landtag von Neuem zur Anregung gekommen. Die Regierung hat sich im Sinne der Gewerbefreiheit erklärt, in welchem sie einen Gesetzentwurf bereits früher ausarbeiten ließ, diesen aber dem Landtag zur Beschlußfassung noch nicht hat vorlegen können, weil ein gemeinschaftliches Gewerbegesetz für sämmtliche thüringische Staaten beabfichtigt und die Verhandlung darüber zwischen den betreffenden Regierungen noch im Gange ist.
Hessen. Darm stadt, 13. Juni. Heute erledigte die zweite Kammer die Proposition des Ministeriums des Großherzoglichen Hauses wegen Erhöhung der Apanage des Prinzen Ludwig auf die Summe von 40,900 Fl. ohne Berathung.
Baiern. München, 13. Juni. Der General⸗-Lieutenant von Lüder ist seiner Stelle als Kriegs-Minister enthoben und der Kommandant des Geniecorps, General-Major Moriz von Spies, unter gleichzeitiger Ernennung zum Staatsrathe im ordentlichen Dienste, zum Kriegs⸗Minister ernannt. Herr von Spies war bis zu seiner im vorigen Jahre erfolgten Ernennung zum Chef des Geniecorps längere Zeit Referent im Kriegs-Ministerium. (N. C.)
Oesterreich. Wien, 14. Juni. Das Oberhaus des ungarischen Landtages will noch im Laufe dieser Woche e ne Sitzung halten. Wie der „Pesther Lloyd“ meldet, werden die dem griechisch nicht unirten Klerus angehörenden Mitglieder sich an den Berathungen nicht betheiligen, indem sie die Erklärung abgegeben haben, daß sie insolange von der Magnatentafel fern— bleiben, bis ihnen an derselben, entsprechend dem katholischen , k. die ihrem kirchlichen Range gebührenden Plätze eingeräumt werden.
Eine Proclamation des Grafen der sächsischen Nation Frei— herrn v. Salmen bestimmt als den Tag der Eröffnung der Natio— naluniversität den 24 sten d. M. und fordert die Magistrate auf, durch die verfassungsmäßig zu konstituirende Stuhlversammlung zwei Deputirte zu wählen, die Gewählten mit dem erforderlichen Beglaubigungsschreiben versehen zu lassen und sie anzuweisen, bis zum bezeichneten Eröffnungstage in Hermannstadt zu erscheinen. Als Hauptgegenstände von der höchsten Wichtigkeit für die Nation ö das Cirkular die Gerichtsorganisation und die Territo— rialfrage.
Pesth, 13. Juni. In der gestrigen Sitzung des Unterhauses wurde die Detailberathung in der Debatte über die Adresse durch die Erledigung der Punkte 42, 43 und 44 beendet. Diese stehen im Zusammenhange und lauten:
„Wir müssen auch unsere Stimme erheben bezüglich jener Urkunden, welche die im Jahre 1848 erfolgte Tbronabdankung Sr. Majestät Ferdi— nand V. behandeln. Indem Se. Majestät Ferdinand V. am 2. Dezem— ber 1848 der Kaiserkrone entsagte, gab er nicht eine besondere Urkunde heraus, in Bezug darauf, daß er auch der ungarischen Krone entsage und verständigte auch Ungarn nicht eigens von seiner Abdankung. Dle Ab— dankungsurkunde ist sonach, vom ungarischen staatsrechtlichen Stand— punkte aus, der Form nach mangelhaft, denn Ungarn war nie eine mit dem österreichischen Kaiserstaate verschmolzene Provinz; es besaß eine eigene Krone, eine eigene constitutionelle Selbstständigkeit und der ungarische König hätte nur mit Ungarns Wissen und Zustimmung auf den ungari— schen Thron verzichten können.
Wir legen daher feierliche Verwahrung dagegen ein, als könne aus der allgemein gehaltenen Abdankung vom 2. Dezember die Schlußfolgerung I werden, daß Ungarn eine Provinz der oͤsterreichischen Kaiserkrone; esthaltend an unserer verfassungsmäßigen Selbstständigkeit, protestiren wir auch dagegen, daß jene Abdankung ohne Wissen und Zustimmung der Nation erfolgt ist. Nachdem sie denn aber doch faktisch und unabaͤnder— lich geschehen, wünschen wir behufs künftiger Sicherstellung der Rechte des Landes: Se. Majestät möge bewirken, daß zur nachträglichen Repari— rung des Formfehlers Se. Majestät Ferdinand 89. eine Urkunde ausstelle, welche direkt an Ungarn gerichtet sei und in der Se. Majestät Ferdinand V. den Landtag davon verstaͤndige, daß er schon am 2. Dezember des Jahres 1848 der ungarischen Krone wirklich entsagt habe. Ferner möge Seine Majestät auch von Sr, Kaiserlichen Hoheit Franz Karl eine gleichfalls an Ungarn gerichtete Verständigung darüber bewirken, daß auch Se. Kaiser⸗ liche Hoheit bereits im y 1818 auf jenes Erbrecht verzichtet habe,
welches nach der , Sr. Majestät Ferdinand V. im Sinne 1
der pragmatischen Sanction ihm zugestanden wäre.
Wir werden diese Urkunden seiner Zeit landtäflich verhandeln; wir wünschen dieselben auch in das Gesetz einzutragen, damit wenigstens nach— träglich ergänzt werde, was rechtmäßig schon vorher hätte geschehen sollen, . , künftiger , ,
, e von der nachtr en Zustimmung des Landta im Gesetze selbst keine Spur enthalten * uf z 6
Gabriel Varady heantragt hierauf, diese drei Punkte aus—⸗ zulassen und dafür Folgendes zu setzen: »Was ferner die Thronentsagung Sr. Majestät des Königs Ferdi⸗
nand V. betrifft, so erklären wir — jetzt abgesehen davon, wie die hierauf
bezüglichen Dokumente uns nicht in gesetzlicher Form und auf legalem Wege mitgetheilt wurden — daß bis zur vollständigen Wiederherstellung der im Sinne des V. G.⸗-A. von 1848, durch den III. Artikel desselben Jahres bezeichneten Organe, der Landtag sich nicht in die Verhandlung der erwähnten Dokumente einlassen, und auch über die Thronveränderungs⸗ frage nicht äußern könne.“
Deak bewies, daß diese drei Punkte als gerade die wesent— lichsten der Adresse, beibehalten werden müßten, da durch Aus— lassung derselbeu auch der Grund wegfällt, warum die Adresse an Se. Majestät den Kaiser Franz Joseph gerichtet wird.
Die Abstimmung nahm unter großer Aufmerksamkeit des Hauses ihren Verlauf, das Ergebniß war anfangs sehr zweifel— haft, öfter standen die Stimmen ganz gleich, gegen Ende aber war die Gegenpartei Deaks immer vor. Rach Beendigung machte Präsident Ghyezh das Resultat bekannt. Von 254 Stimmen waren 120 auf die Deaksche Fassung entfallen, während 134 da— gegen gestimmt hatten.
Ghycgzh spricht daher als Beschluß des Hauses aus, daß die Deaksche Fassung diese drei Punkte nicht beibehalten wird.
Der Präsident stellt nun die zweite Frage: wird das Amende⸗ ment Varadys angenommen?
Hier fragt Fr. Deak, was diejenigen thun sollen, welche über diese Frage nicht mitstimmen wollen? — worauf Ghyezy antwortet, daß er nach den Regeln des Hauses die Frage so stellen müsse, daß mit „Ja“ und „Nein“ geantwortet werden könne, was durch Aufstehen und Sitzenbleiben anzuzeigen ist. Wer daher keine dieser Antworten geben will, müßte sich, um nicht gezählt zu werden, entfernen. Hierauf verließ Deak und ein großer Theil der Rechten den Sitzungssaal. Der Präsident ließ die Vertreter zählen, und nachdem sich gezeigt, daß die absolute Majorität anwesend war, wurde die zur Abstimmung gestellte Frage wiederholt. Die Majorität nahm das Amendement Vara— dys an. Von 254 Stimmen waren 120 auf die Deak'sche Fassung gefallen, während 134 dagegen gestimmt hatten.
Großbritannien und Irland. London, 13. Juni. Der König der Belgier besuchte gestern mit dem Prinz⸗Gemahl und den jungen Prinzessinnen den botanischen Garten in Hegents— park, wo Blumen-Ausstellung und ein großes Fest stattfand. Die Königin ertheilte dem Earl of Cowley Audienz.
. Unterhause wurde gestern die Affirmationsbill, welche für gewisse Fälle an die Stelle des Eides die „Bekräftigung“ gesetzt wissen will, zur zweiten Lesung gebracht. Lord Montagu bekämpft die Bill, denn ein ge⸗ richtlicher Eid sei nicht, wie behauptet werde, eine leere Förmlichkeit, son⸗ dern eine feierliche Handlung; die Bezugnahme auf Britisch-Indien, wo die einfache Bekräftigung in Kriminalfällen zulässig sei, passe nicht hier⸗ her. Sir G. Lewis erklärt sich gegen die Bill, welche auf Leute berech⸗ net sei, denen der religiöse Glaube mangle, aber auch allen denen zu Gute kommen würde, welche keinen religiösen Grund haben, die Eides— leistung zu verweigern, jedoch es vorziehen, eine Bekräftigung abzugeben, die weniger bindend sei als ein Schwur. Roebuck bemerkt, daß die religiöse Weihe an sich, wenn sie nicht mit der Volksmeinung im Einklang stehe, keine Gewähr für die Wahrheit der Aussage leiste. Walter gegen die Bill, weil dieselbe gegen das Prinzip gerichtet sei, durch welches der Mensch sich vom Thiere unterscheide. Denman führt ein Beispiel an, wo ein Hauptzeugniß gegen einen Mörder verworfen wurde, weil der Zeuge nicht an einen Gott glaubte. Heatheote meint, daß, wenn die Bill durch— ginge, man der vollständigen Abschaffung des Eides nicht mehr würde Einhalt thun können. Der General-Prokurator thut entschiedenen Ein⸗ een, gegen die Bill, und dieselbe wird mit 136 gegen 66 Stimmen ver⸗ orfen.
Frankreich. Paris, 13. Juni. Zu der gestrigen Sitzung des gesetzgebenden Körpers drehten die Debatten sich um die Ge— hälter der Professoren am College de France, am Museum und an der Sorbonne. Bisher bezogen die Professoren dieser Anstalten 5000 Franken festes Gehalt; die Regierung beantragt eine Erhö⸗ hung um 2500 Franken, wogegen der erste Redner Brochant de Vielliers, eine Verdoppelung, also 10,000 Franken, in Vorschlag brachte. Jubinal, der früher selber Fakultäts⸗Professor war, unter⸗ stuͤtzte diesen Vorschlag mit der Bemerkung, man möge doch auch der ,,, in der Propinz gedenken, denn von den 333 Franken 33 Centimen, die ein Professor monatlich be⸗ ziehe, könne er unmöglich leben. Zugleich sagte Jubinal der Re⸗ gierung Dank für die Erhöhung der Gelder für gelehrte Gesell— schaften, deren es für alle Zweige des Wissens in Frankreich über dreihundert gebe; schließlich klagte Jubinal, daß die Mitglieder des Instituts, die jährlich nur 1500 Fr. bezögen, nicht belohnt würden, wenn sie, wie sehr oft geschehe, in besonderen Fragen von den Mi— nisterien zu Kommissionen herbeigezogen würden; ja, es gebe in Frankreich freie Akademiker von gelehrtem Rufe, die nur 300 Fr. bezögen. So komme es denn, daß z. B. Ballanche nicht so viel hinterlassen habe, daß er davon beerdigt werden konnte, daß Cha— teaubriand als armer Mann gestorben; der Verfasser des „Genie du christianisme“ habe als Akademiker täglich volle 3 Fr. zu verzehren gehabt, ja, der Herzog von Luynes und Baron Taylor
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hatten als freie Akademiker täglich über 75 Centimes Quittungen ausstellen müssen. Der Vice⸗Präsident der Kammer, Reveil, sprach ch warm zur Unterstützung der Jubinalschen Zulage aus. Hier— auf folgte die Annahme des Budgets für den öffentlichen Unter— richt, welches 73,932,548 Fr. beträgt, mit Einstimmigkeit.
— 14. Juni. Der gesetzgebende Körper hat das ganze Bud— get gestern mit 242 gegen 5 Stimmen angenommen.
Der Senat ist über die Petition der liller Manufakturisten zu Gunsten der landesverwiesenen Redemptoristen zur Tagesordnung übergegangen. Rouland und Billault hatten für. Kardinal Donnet gegen die Tagesordnung gesprochen. — Dem Gerücht gegenüber, daß der Kaiser in Fontainebleau erkrankt sei, meldet der „Moni⸗ teur“, daß Se. Majestät gestern drei Stunden gejagt hat. — Der neueste veröffentlichte Monatsbericht der Bank von Frankreich er— giebt eine Vermehrung des Baarvorraths um 19,500,000 Fr. und der laufenden Rechnung mit Privaten um Il, 000,000 Fr., dagegen
eine Verminderung der umlaufenden Noten um 31,000,000 Fr.
Der Portefeuillebestand ist unverändert geblieben.
Spanien. Madrid, 13. Juni. Das Geschwader wurde in die Bai von Palma (auf der Südküste von Majorea) geschickt. Der Admiral Pinzon ist mit zwei Linienschiffen nach Tanger in See gegangen.
Italien. Turin, 13. Juni. Die neuen Minister wurden am 13. vereidigt. Am Tage vorher hatte Ricasoli im Abgeord⸗ netenhause, so wie im Senate Anzeige von der Bildung seines Kabinettes gemacht und sein Programm, das dem wesentlichen In— halte nach mitgetheilt ist, vorgelegt. Den Hauptnachdruck legte Ricasoli darauf, daß er mit seinen Kollegen die schwere Bürde der Regierung rein aus Pflichtgefühl übernommen habe. Aus diesem Grunde hat man es vorgezogen, nicht weiter in Ratazzi zu dringen, weil ein⸗Kabinet, in welchem er eine Rolle übernähme, nicht ganz als treuer Fortführer der Cavourschen Richtung auftreten könnte.
Die Deputirten-Kammer hat den Gesetzentwurf in Betreff der Eisenbahn Florenz-Arezzo⸗Ancona genehmigt. Die Konzession dazu hat Fenzi erhalten. — Aus Messina vom 12. d. wird die Ankunft des „Donawerth“ mit Truppen gemeldet; derselbe will sich ver— probiantiren und dann wieder abgehen. — Ein Leitartikel der heutigen ‚„Opinione“ weist nach, daß die Allianz mit Frankreich das Heil Italiens sei, während die entgegengesetzte Politik den Untergang Italiens herbeiführen würde.
Genug, 11. Juni. Mustapha Pascha ist hier eingetroffen und sofort nach Turin abgereist.
Nizza, 7. Juni. Prinz Napoleon und Prinzessin Clotilde sind heute Mittags hier eingetroffen und haben Abends ihre Reise fortgesetzt. .
Griechenland. Athen, 8. Juni. Die verhafteten Offi⸗ ziere und Civilisten sind noch nicht in Freiheit gesetzt worden. Man glaubt, daß zur Konstatirung einer Verschwörung die gerichtlichen Beweise fehlen werden.
Türkei. Konstantinopel, 8. Juni. An der jüngsten Frohnleichnamsfeier in der St. Antons⸗Pfarre in Konstantinopel hat die tuͤrkische Marine-⸗Musikbande auf Befehl des Marineministers in der Kirche Theil genommen. Türkisches Militair begleitete die Prozession. — Abermals sind 500 tatarische Emigranten aus der Krim in Konstantinopel eingetroffen; nicht weniger als weitere 15.000 werden erwartet. — In Konstantinopel ist bereits eine größere Anzahl Personen, aus Paris über Wien kommend, einge— kroffen, welche die Reise trotz eines 14stundigen Aufenthaltes in Küstendsche in 57 Tagen zurückgelegt hatten.
Das „Journ. de Constantinople“ schreibt:
„Omer Pascha hat die Weisung erhalten, gleich nach seiner Ankunft in Mostar und Bihitza eine strenge Untersuchung der Vorgänge einzulei⸗ ten, in Folge deren die neuerliche Niedermetzelung von 38 Mann irregu— lären Militärs in den Engpaͤssen von Duga stattgefunden hat. Die Re⸗ gierung hat im Hinblick auf den Umstand, daß auch diese Metzelei das FRefultaͤt eines Verrathes ist, Omer Pascha ihr schmerzliches Befremden darüber ausgedrückt, daß man nach den vielen von den Monte— negrinern und den Insurgenten verübten illoyalen Akten noch so weit ihrem Wort vertraut und funfzig Mann, die einen Lebensmittel⸗-Trans—⸗ port eskortiren sollten, einem fast gewissen Tode entgegengeschickt habe. Die Offiziere, welche unter den obwaltenden Umständen den Abzug der Eskorte anbefohlen haben, sollen einer exemplarischen Bestrafung unter— zogen werden. In der Armee Derwisch Pascha's hat die Nachricht einen liefen Eindruck gemacht; die Soldaten verlangten sofort gegen Nikfik ge⸗ führt zu werden. 4000 Mann haben den Engpaß durchzogen; Derwisch Pascha hat die Garnison der Festung erneuert, deren Zugänge nun ganz von ber türkischen Armee beseßt sind und in der man der Ankunft Omer Pascha's entgegensieht.“ .
Iskender' Pascha ist gestorben. — Churschid Pascha und Tahir Pascha werden in die Festung St. Jean d' Acre eingesperrt. — Der neue Ueberlands-Telegraph nach Varna wird nächstens eröffnet. — Der Justizrath hat die Urtheile über die syrischen Missethäter veröffentlicht. Eilf von diesen erhielten lebenslängliche Galeeren⸗ strafe. —ie bulgarischen Abgeordneten mit Beschwerden gegen den griechischen Metropoliten wurden von den Ministern empfangen. . Die neue türkische Zeitung wurde suspendirt, und Kiamil Effendi
nach Erzerum geschickt, um die Rechnungen des dortigen Ex-Ge⸗ neral⸗ Gouverneurs zu untersuchen.
Smyrna, 7. Juni. Mohamed Ali Pascha, Bruder des Vice-Königs von Aegypten, ist auf der Durchreise nach Konstan⸗ tinopel hier eingetroffen. ;
Nußland und Polen. St. Petersburg, 7. Juni. Am 2ten und 4Aten hat der Kaiser in Moskau große Bauern⸗ Deputationen empfangen, die gekommen waren, um ihm für die Emancipation zu danken. Die im Moskauer Distrikte lebenden Fabriksarbeiter und Handwerker überreichten an diesem Tage, dem Tauftage des Kaisers, Brot und Salz auf einer silbernen, staik vergoldeten Schüssel resp. in einem Salzfaß. Auf der Schüssel lautete die Inschrifi: Dem Czaren — dem Befreier Alexander II. Am Morgen des Tages begaben sich die Bauern in die Kirche, wo der Geistliche das Gebet für den Czaren sprach und Brot und Salz segnete; dann gingen sie in einem langen Zuge, entblößten Hauptes, eine Masse bon 10,000 Menschen, 400 Deputirte voran, nach dem Schlosse Alexandria, wo der Kaiser residirt, und ein 70jähriger Starost sprach für sie. Die Bauern fielen auf die Knie und riefen Hurrah. Dann sprachen sie den Wunsch aus, die Kaiserin zu sehen. Der Kaiser erwiederte, daß sie auf dem Balkon sei, aber da sie die Bauern so von den andern Damen nicht unterscheiden konnten, erschien die Kaiserin später allein auf dem Balkon und wurde mit den gleichen Zeichen der Ehrfurcht empfangen.
— 9. Juni. Der Kaiser hat ein Arbeits-Statut genehmigt, nach dessen sehr umfassenden Bestimmungen die arbeitsuchenden Bauern oder die, anderen Gemeinschaften angehörenden Personen, bei öffentlichen Staats, und sonstigen Bauten und Unternehmun— gen Beschäftigung finden können. Das Statut soll hauptsächlich dazu dienen, die bei einem voraussichtlich stärkeren Andrang von Arbeitsuchenden möglichen Zwistigkeiten zwischen diesen und den Ar⸗ beitgebern zu begegnen, da nach Aufhebung der Hörigkeit die ge⸗ genfeitige Stellung eine durchans veränderte und beiden Theilen neue geworden ist. Eine Erleichterung bei Durchführung der ein⸗ zelnen Bestimmungen des Statuts biete die hiesige Gewohnheit überdies schon in den herkömmlichen Associationen, den sogenannten Artélen dar, denen sich jeder Russe gern anschließt, da er weiß, i Mitglied einer Gemeinschaft, leichter Schutz und Recht zu nden.
Warschau, 9. Juni. Der „Wanderer“ vom 13. d. M. bringt das gestern erwähnte Antwortschreiben des Erzbischofs von Warschau an den Grafen Wielopolski, vom 22. Mai d. J. datirt. Nachdem der Erzbischof darin erwähnt hat, daß alle Pfarr⸗ und Klostervorstände von Warschau in der Angelegenheit von ihm ver— nommen seien, fährt er also fort:
Alle versammelten Priester erklärten mir, daß die Lieder, welche das Volk seit den letzten Ereignissen in den Kirchen finge, religiös⸗patriotischen Inhaltes find, daß diese Gesänge in den Gebetbüchern abgedruckt sind, daß sie vor dem Jahre 1830 von der Schuljugend an den Hof⸗ und Galatagen gesungen, an Sonn- und Feiertagen von Militairmusiken wäh⸗ rend der Messe gespielt wurden. Die Geistlichen bemerkten überdies, daß das Volk manche Zusätze mache, um dadurch seinen Schmerz auszudrücken.
Nach den Berichten eben dieser Geistlichkeit hat das Volk mehrmals in den Kirchen auch noch andere Lieder gesungen, um seine Entrüstung über die traurigen Ereignisse auszusprechen. Nachdem jedoch die Priester darauf aufmerksam machten daß diese Gesänge den Ausdruck der Rache enthalten, unterließ man das weitere Singen derselben.
Ueber meine Anfrage, welche Resultate mein Hirtenbrief und die Ermahnungen von der Kanzel haben würden, erhielt ich von den Priestern die einstimmige Antwort, daß der vom Statthalter beabsichtigte Zweck damit keineswegs erreicht würde; daß solche Versuche das Volk nur noch mehr aufreizen, eine Mißstimmung gegen die Seelsorger und mich erzeu⸗ gen, das Vertrauen des Volkes zu seinen Priestern dadurch verloren gehen, in Folge davon ihre Lehren mißachtet und zum großen Schaden für die Religion und das Seelenheil die Ausübung der geistlichen Pflich⸗ ten dadurch erschwert werden würde.
Diese Befürchtungen haben sich auch an mehreren Orten bewahr⸗ heitet, wo mehrere Geistliche in den Kirchen das Volk vom Absingen jener Lieder abhalten wollten, denn es wurden ihnen mündlich und dann schrift⸗ lich darüber die bittersten Vorwürfe gemacht. Geduld, meint die Geist⸗ lichkeit, ist in diesem Falle das beste Mittel. So wie die Gesänge ohne Initiative der Priester begonnen, so werden sie auch nach erfolgter Be⸗ ruhigung der Gemüther wieder aufhören, da die hohe Regierung ohne Zweifel durch ein milderes Auftreten dies ermöglichen wird. .
Aus diesen Bemerkungen der Geistlichkeit wird der Herr Haupt⸗ dircktor die Ueberzeugung entnehmen, daß meine blos auf meralischer und religiöser Grundlage beruhende geistliche Macht einer offenbaren Gefahr nicht ausgesetzt werden darf, daß die Priesterschaft sich nicht der Verun⸗ glimpfung. Mißachtung oder nur dem Hasse preisgeben kann, wodurch Religion und Moral zu sehr leiden müßten; daß das Verbot der Gesänge von den Kanzeln erfolglos sein muß: daß die so sehr erwünschte Be⸗ ruhigung der Gemüther nur durch Vertrauen zur Regierung eintreten kann, was übrigens ganz in den Händen der Regierung gelegen ist.
Ich habe das volle Vertrauen zur hohen Einsicht und Gerechtigkeit des Herrn Statthalters, daß er als Vertreter des Monarchen hier im Lande eine Spaltung zwischen Volk und Geistlichkeit selbst nicht wünschen wird, welche durch den verlangten Hirtenbrief unfeblbar erfolgen müßte