8 Tages ⸗ Ordnung.
40ste Sitzung des Hauses der Abgeordneten
am Donnerstag, den 7. Mai, Vormittags 9 Uhr.
Bericht der XIII. Kommission zur Vorberathung des Gesetz⸗ Entwurfs, betreffend die Abänderung und Ergänzung mehrerer Be⸗ stimmungen des Gesetzes vom 3. September 1814, über die Ver⸗ pflichtung zum Kriegsdienste.
Angekommen: Se. Durchlaucht der General der Infanterie, Chef des Ingenieur⸗-Corps und der Pioniere und erste General-In⸗ specteur der Festungen, Fürst Radziwill, von Glogau.
Se. Excellenz der General-Lieutenant und Chef des General⸗ stabes der Armee, Freiherr von Moltke, von Frankfurt a. d. O
Der General-⸗Major und Inspecteur der 1. Artillerie⸗Festungs— Inspection, Blume, von Stettin.
Preußen. Berlin, 6. Mai. Seine Majestät der König empfingen von 10 Uhr ab den Vortrag des Kriegsministers und des Militaäir⸗Cabinets. Um 12 Uhr fuhren Allerhöchstdieselben zu Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Karl, um Höchstsie nach ihrer Rückkehr aus Frankreich zu begrüßen. Um 1 Uhr wurde Se. Hoheit der Herzog Georg von Mecklenburg-Strelitz, von Baden kommend, und hierauf der Oberst-Kämmerer Graf von Redern em— pfangen. Um 4 Uhr fuhren Seine Majestät nach Charlottenburg zum Diner bei Ihrer Majestät der Königin Wittwe.
Hannover, 4. Mai. In der heute ausgegebenen Gesetz= Sammlung wird die Proclamation, betreffend die Berufung eines neuen Landtags veröffentlicht. Dieselbe lautet:
»Georg der Fünfte, von Gottes Gnaden König von Hannover 6. z. Nachdem der durch Unsere Proclamation vom 8. November 1856 berufene Landtag durch Ablauf der verfassungsgesetzlich bestimmten sechsjährigen Zeit- dauer beendet ist, so finden Wir Uns in Gnaden bewogen, einen neuen Landtag nach den Bestimmungen Unserer Verordnung vom J. August 1855 kraft Dieses zu berufen. Wir haben verfügt, daß die erforderlichen Wahlen eingeleitet und vollzogen werden, und behalten Uns vor, den Zeitpunkt der Eröffnung des Landtags demnächst zu bestimmen.
Baden. Baden, 5. Mai. Ihre Majestät die Königin Au gu sta, Allerhöchstwelche das Meßmersche Haus in Baden wie gewohnlich bewohnen, haben den Besuch Ihrer Tochter, der Groß— herzogin Louise, so wie des Prinzen und der Prinzessin Wilhelm von Baden empfangen.
Großbritannien und Irland. London, 4. Mai. Die Königliche Akademie der Künste veranstaltet jährlich, am Vorabend der Eröffnung der Gemälde-Ausstellung, ein glänzendes Bankett, dem politische, wissenschaftliche und künstlerische Notabilitäten beiwohnen. Dem diesjährigen Bankett, welches am Sonnabend stattfand, hat der Prinz von Wales zum ersten Mal beigewohnt. Eine kurze Rede, in der Se. Königliche Hoheit für einen der Koͤnig⸗ lichen Familie ausgebrachten Toast dankte, wurde mit dem lebhaf— testen Beifall aufgenommen.
Frankreich. Paris, richten aus Vera⸗Cruz vom 5. v. Mts. eingetroffen. Der General Bertier hat Comonfort, der zum Entsatz von Puebla zog, geschlagen. Ortega erklärte sich bereit zu kapituliren; da aber Forey bedingungslose Ergebung forderte, so machte er den Versuch, die französischen Linien zu durchbrechen und sich nach Mexiko zanück— zuziehen. Er wurde indessen in die Stadt zurückgetrieben.
Italien. Der »Pungolo— veröffentlicht ein an die Präfekten
gerichtetes Rundschreiben des Ministers des Innern in Bezug auf die Meetings zu Gunsten Polens. Die Behörden werden darin auf⸗ gefordert, jede politische Versammlung aufzulösen, welche geeignet sein könnte, die Sicherheit des Staates im Innern oder nach außen hin zu gefährden. Rußland und Polen. Die russische Regierung hat an die Kabinette von Großbritannien und Frankreich auf die entsprechen— den Depeschen, betreffend die gegenwärtige Lage des Königreichs Polen, Antworten erlassen, deren Wortlaut, nach der »Nordd. Allg. Ztg.«, folgender ist:
Kopie einer Depesche an Herrn Baron Brunnow in London, datirt St. Petersburg, den 14. (26.) April 1863.
Am Morgen des 5. ( 7.) April überreichte mir Lord Napier die beige— fügte Abschrift einer Depesche des ersten Staatssecretairs Ihrer großbritan⸗ nischen Majestät, betreffend die gegenwärtige Lage des Königreichs Polen. Der erste Theil dieses Aktenstücks ist einem Rückblick auf die Rechtsfrage gewidmet. Der zweite drückt den Wunsch aus, daß der Friede dem König⸗ reich Polen zurückgegeben und auf dauerhaften Grundlagen errichtet werden möge. Ich werde diese beiden Punkte der Depesche des Grafen Russell beantworten. Was die Rechtsfrage anbelangt, so hat der erste Staatssecretair Ihrer großbritannischen Majestät, die schon in seiner Depesche vom 2. März niederlegten Argumente wieder⸗
5. Mai. Ueber Havanna sind Nach⸗
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dem englischen Gesandten gemacht habe. Die Regierung Ihrer großbritan. nischen Majestät stellt sich auf einen Boden, wo das Kaiserliche Kabinet niemals anstehen wird, ihr zu folgen: den Boden der Verträge. Jedoch handelt es sich hier weniger um den Text, als um die Auslegung. Wir haben aber das Recht, nicht alle Auslegungen, welche man machen könnte ohne Rückhalt zuzulassen. Lord Russell sagt in seiner Depesche: Nach e. Artikel 1 der Wiener Schluß-Akte vom 28. Mai (9. Juni) 1815 ist »das Großherzogthum Warschau zum Königreich Polen erho⸗ ben, um unauflöslich unter gewissen Bedingungen mit dem russi— schen Reiche vereinigt zu werden.« Nun bestimmt aber die Wie. ner Kongreßakte mit. Bezug auf diese Bedingungen: »Die Polen welche die respektiven Unterthanen Rußlands, Oesterreichs und Preußens sind, werden eine Repräsentation und nationale Institutionen erhalten in Gemäß. heit mit der politischen Existenzform, welche die betreffenden Regierungen ihnen zu bewilligen nützlich und passend erachten werden.“ Kaiser Alexander! entwickelte diese Prinzipien in dem Geist seiner persönlichen Anschauungen. Er oktroyirte Polen die Constitution vom 12. (24. Dezember 1815. Dies war ein freiwilliger Akt seines souverainen Willens. Er übernahm aber um so weniger damit eine unwiderrufliche Verpflichtung gegenüber den fremden Mäch— ten, als die Constitutionsakte selbst, welche später als die Wiener Verträge ent. stand, ihnen niemals mitgetheilt wurde. Lord Russell bestreitet das Prinzip, daß die polnische Revolution vom Jahre 1830, die damit endete, die sou— veraine Dynastie des Thrones verlustig zu erklären, die Basis, auf der die politische Existenz des Landes, gemäß der Wiener Schlußakte, beruhte, ver— nichtet habe. Obgleich die Geschichte mehr als einmal diese Schlußfolgerung des Naturrechts bestätigt hat, so giebt die Theorie doch hinreichenden Stoff zur Kontroverse. Wir glauben, daß man konstatiren kann, daß, wenn der Aufstand die internationalen Verpflichtungen auch nicht abschwächt, er doch wenigstens die freiwillige Entwickelung, welche eine edle Absicht hinzugefügt und die einen so traurigen Ausgang für Polen und Rußland gehabt hat, annullirt hat. Aber der Here Staatesecretair Ihrer großbritannischen Ma— jestät stellt dieses Argument in seiner Depesche in die erste Linie. Ich habe dies in meiner Unterredung mit Lord Napier nur als Nebensache behandelt. Se. Ex⸗ cellenz der englische Gefandte erstattet hierüber in den Ausdrücken seiner Depesche, welche er die Güte hatte, mir mitzutheilen, in folgenden Worten Bericht »Der Fürst Gortschakoff sagte mir ebenfalls, daß, da er diese Frage in dem Geiste der Versöhnung und der Menschlichkeit zu behandeln wünsche, er sich enthalten hätte, ein Argument anzuführen, daß er zu seiner Disposition habe, das des »Rechtes der Eroberung «c. Im Uebrigen ist von der einen wie von der anderen Seite alles in dieser Diskussion gesagt worden, dieselbe auf diesem Terrain verlängern zu wollen, wäre eine unfruchtbare Arbeit. Ich komme daher zum zweiten Theile der Depesche Lord Russell's. Die Absicht unseres erhabenen Souverains besteht darin, zu einer praktischen Lösung zu gelangen. Wir glauben, daß dies auch der Wunsch der Regie— rung Ihrer großbritannischen Majestät ist. Weil es ihr Wunsch ist, dem Königreich Polen die Ruhe und das Glück zu sichern, welche der Gegen— stand der Fürsorge Sr. Majestät des Kaisers sind, so scheint es uns schwer, daß wir nicht zu einer Einigung gelangen sollten. Der Unterschied der Anschauungsweise beruht auf der Thatsache, daß die englische Regierung zu glauben scheint, daß die Constitution von 1815 das einzige Universal⸗ mittel ist, um die gegenwärtige Bewegung in Polen zu beruhigen. Aber die Regierung und das Volk Großbritanniens, dessen praktischer Sinn die Größe Englands gegründet hat, werden nicht behaupten wollen, daß es nur eine mögliche Regierungsform für alle Völker giebt, gleichviel, welches ihre Geschichte und ihre Entwickelung sei. Ehe man zu der politischen Reife, von welcher England das Beispiel giebt, gelangt, sind viele Stufen zu überschreiten, und jede Nation muß auf diesem Wege nach ihrem eigenen Instinkte vorwärts gehen. Es ist daher ebenso richtig als naturgemäß, daß ein Souvperain, der von den wohlwollendsten Gesinnungen beseelt ist, die Tragweite und die Aus— dehnung der Institutionen berechnet, welche dazu bestimmt sind, seine Unter— thanen in eine günstigere Lage der Existenz zu versetzen. Der Gedanke un— seres erhabenen Monarchen hat sich seit seiner Thronbesteigung offenbart, und Niemand in Europa kann behaupten, daß er denselben nicht kenne. Se. Kaiserliche Majestät hat mit aller Entschiedenheit den Weg der Reform betreten. Auf das Vertrauen und die Hingebung seines Volkes gestützt, hat der Gaiser in wenigen Jahren eine soziale Umgestaltung unter⸗ nommen und durchgeführt, welche andere Staaten nur naͤch lan— ger Zeit und vielen Anstrengungen zu realisiren vermochten. Aber die fürsorgende Weisheit des Kaisers ist hierbei nicht stehen ge— blieben. Dies System der stufenweisen Entwickelung hat auf alle Zweige der öffentlichen Verwaltung, für alle bestehenden Institu⸗ tionen seine Anwendung gefunden. Es eröffnet für Rußland den Weg eines regelmäßigen Fortschritts. Der Kaiser verharrt in diesem System einerseits ohne Ueberstürzung, ohne leidenschaftliche Hitze, indem er den Elementen Rechnung trägt, die durch die Zeit vorbereitet und gereift werden müssen, andererseits, ohne jemals von dem Wege abzuweichen, den er sich vorgezeichnet hat. Dieser Schritt hat ihm die Dankbarkeit und Liebe seiner Unterthanen gewonnen. Wir glauben, daß derselbe ihm ein An— recht auf die Sympathien Europas giebt. Die gleichen Absichten haben nicht aufgehört, Se. Majestät zu beseelen, seit er seine Für— sorge auf das Königreich Polen richten konnte. Wir geben hier nicht eine Aufzählung der nationalen Institutionen, meist auf das Wahlrecht basirt, mit welchen dieses Land beschenkt worden ist. Dieselben scheinen in Europa nicht hinlänglich gewürdigt worden zu sein, sei es nun wegen der Entfer⸗ nung, oder sei es wohl mehr, weil sich chimärische Leidenschaften und die eigennützigen Anstrengungen einer feindlichen Partei zwischen ein billiges und unparteiisches Urtheil gestellt haben. Das von unserem erhabenen Monarchen begonnene System enthält einen Keim, welchen die Zeit und die Erfahrung entwickeln müssen. Es ist dazu bestimmt, in eine administrative Autonomle auszulaufen, welche sich auf Provinzial⸗ und Ge— meinde ⸗Institutionen gründet, die in England der Ausgangs— punkt und das Fundament der Größe und Prosperität des Landes gewesen ist. Aber in der Ausführung dieses Gedankens ist der Kaiser auf Hindernisse gestoßen, welche hauptsächlich durch die Aufreizungen der
holt. Ich kann mich also auf die Bemerkungen beziehen, welche ich damals
Partei der Unordnung geschaffen wurden. Diese Partei hat begriffen, daß
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es um ihre Bestrebungen geschehen wäre, wenn sie die friedliebende Majo— rität der Bevölkerung in diese Bahn des regelmäßigen Fortschritts eintreten ließe. Die Umtriebe dieser Partei haben es nicht erlaubt, die neuen In— stitutionen ins Werk zu setzen. Es war unmöglich festzustellen, wie sie sich bewähren (comme elles konctionnent; und inwiefern sie den wirklichen Be⸗ dürfnissen, dem Grad der Reife des Landes entsprechen. Erst nachdem diese Erfahrung gemacht ist, wird man über das Werk ein Urtheil fällen und es vollenden können. Das Manifest vom 31. März deutet in dieser Be⸗ ziehung die Absichten unseres erhabenen Monarchen an. Neben einem Gnadenakt, der nach der Zerstreuung der größeren bewaffneten Banden eine weite Ausdehnung, gewinnen konnte, hat der Kai— ser die bereits früher oktroyirten Institutionen aufrecht erhalten und erklärt, daß er es sich vorbehalte, ihnen die durch die Zeit und die Bedürfnisse des Landes angedeutete Entwickelung zu geben. Seine Majestät kann sich für die Vergangenheit auf die Geradheit feines Gewissens berufen; für die Zu—
kunft hängt er nothwendigerweise von dem Vertrauen ab, welchem seine Ab⸗ sichten in dem Königreiche begegnen werden. Indem unser erhabener Mo—
narch sich auf diesem Gebiet hält, glaubt er als der beste Freund Polens zu handeln, als der Einzige, welcher das Wohl Polens quf praktischem Wege verfolgt. Lord Russell ladet ferner Rußland in seiner Eigenschaft als Glied der eutopäischen Gesellschaft ein, die Pflichten der Rücksicht gegen die übrigen Staa⸗ ten zu erfüllen. Rußland ist zu direkt bei der Ruhe Polens interessirt, um nicht die Verbindlichkeiten zu schätzen (apprècier), welche ihm seine internationale Stellung auferlegt. Es wäre schwer zu behaupten, daß es in dieser Beziehung mit strupulöser Gegenseitigkeit behandelt worden sei. Die permanente. Ver= schwörung, welche sich im Auslande organisirt und bewaffnet, um die Un⸗ ordnung im Königreich zu unterhalten, ist eine offenkundige Thatsache, deren schlimmer Einfluß wesentlich in der moralischen Wirkung beruht welche die Urheber der Infurrection daraus herleiten, um die friedliche Bevölkerung fortzureißen, indem sie den Glauben an direkte Hülfe von Seiten des Auslandes nähren. Auf diese Weise hat man einen zwiefachen, gleich bedauerlichen Einfluß sich geltend machen sehen: denjenigen, welchen die auswärtigen Aufreizungen auf die Insurrection ausüben, und den⸗ jenigen, welchen die Hartnäckigkeit dieser Insurrection ihrerseits auf die öffentliche Meinung Europa s ausübt. Diese beiden Einflüsse wirken auf— einander, und haben schließlich die Dinge in jene Lage gebracht, welche die Mächte heute der Wachsamkeit des Kaiserlichen Kabinets anempfehlen. Man verlangt von ihm, es solle das Königreich in die Bedingungen eines dauern den Friedens« eintreten lassen. Dieser Wunsch wird den Mächten durch die Ueberzeugung eingegeben, daß die periodischen Unruhen Polens den unmit- telbar benachbarten Staaten eine Erschütterung verursachen, deren Rückschlag sich durch ganz Europa fühlbar macht,; daß sie die Geister in einer bedroh⸗ lichen Weise aufregen, und, wenn sie sich verlängern sollten, unter gewissen Umständen Verwickelungen der ernstesten Art, herbeiführen könnten. Die Regierung Ihrer großbritannischen Majestät stützt sich überdies, um dlesen Wunsch auszüsprechen, auf die Verbindlichkeiten des Jahres 1815, welche das Schicksal der verschiedenen Theile Polens geregelt haben. Wir tragen kein Bedenken, zu erklären, daß diese Wünsche genau mit denen unseres erhabenen Monarchen übereinstimmen. Seine Majestät giebt zu daß bei der besonderen Lage des Königsreichs die Unxuhen, von welchen es betroffen ist, die Ruhe der benachbarten Staaten stören können, zwischen denen am 21. April (3. Mai) 1815 die Separat ⸗-Verträge abgeschlossen worden sind, welche das Schicksal des Großherzogthums zarschau regeln sollen; und daß sie die Mächte interessiren können, welche die Schluß⸗ akte vom 28. Mai (9. Juni) 1815 unterzeichnet haben, in welche die wichtigsten Stipulationen jener Separatverträge aufgenommen worden sind. Der Kaiser glaubt, daß Erklärungen über diese Grundlagen, und in dem Geist der an uns gerichteten Mittheilungen zu einem, den allgemeinen Interessen entsprechenden Resultat führen können. Unser erhabener Monarch Fimmt mit Genugthuung von den Ausdrücken des Vertrauens Akt, welches die Regierung Ihrer großbritannischen Majestät ihm bezeugt, indem sie Ihm die Sorge anheimstellt, das Königreich Polen wieder in eine Lage zu ver— setzen, welche die Verwirklichung seiner wohlwollenden Absichten. möglich macht. Aber je mehr der Kaiser geneigt ist, den gerechten Besorgnissen préoceupations) der Nachbarstaaten und dem Interesse Rechnung zu tragen, das die Mächte, welche die Verträge von 1815 unterzeichnet haben, für einen Stand der Dinge betheuern, der für Se. Majestät selbst der Gegenstand einer lebhaften Fuͤrsorge ist, — desto mehr erachtet es unser erhabener Monarch für seine Pflicht, die ernsthafte Aufmerksamkeit der Höfe, die sich vertrauensvoll an ihn gewandt haben, auf die wahren Ursachen dieser Lage und auf die Mittel der Abhülfe zu lenken. Wenn die Regie⸗ rung Ihrer großbritannischen Majestät den Rückschlag betont (releye), wel⸗ chen die Unruhen Polens auf die Ruhe Europa's ausüben, so müssen wir noch vielmehr von dem Einfluß überrascht werden, welchen die Aufreizungen Europa's jeder Zeit auf die Ruhe Polens auszuüben vermochten. Seit 1815 hat dieses Land eine vorher in seiner Geschichte unbekannte materielle Prosperität sich entwickeln sehen, während andere Staaten in dem näm⸗ sichen' Zeitraum von mancherlei inneren Krisen heimgesucht waren. Im Jahre 1830 wurde die Ruhe blos in Folge von Bewegungen, die aus dem Auslande kamen, gestört; 18 Jahrer später — 1848 — als fast ganz Europa der Revolution zur Beute war, wußte das Königreich Polen seine Ruhe zu bewahren. Wir sind überzeugt, daß es heute eben so wäre, ohne die fortwährenden Aufhetzereien der kosmopolitischen Revolutionspartei. Wenn diese Partei, welche überall auf den Umsturz der Ordnung hinzielt, heute ihre ganze Thätigkeit auf Polen richtet, so würde man doch einen großen Irrthum begehen, wollte man annehmen, daß ihre Bestrebungen sich auf diese Grenze beschränken werden. Was sie in Polen sucht ist ein Hebel, um das übrige Europa aus den Angeln zu heben. Die Kabinette, welche Werth darauf legen, das Königreich Polen einen Augenblick früher in die Bedingungen eines dauernden Friedens zurückkehren zu sehen, könnten also die Erfüllung dieses Wunsches nicht besser sichern, als indem sie ihrer seits daran arbeiten, die moralische und materielle Unordnung welche man in Europa zu verbreiten sucht, zu beschwichtigen und auf diese Weise die Hauptquelle der Unruhen zu beseitigen, welche ihnen. solche Besorgnisse ein⸗ flößen. Wir haben die feste Hoffnung, daß sie, in diesem Geist die Bande,
welche sie vereinigen, enger ziehend, erfolgreich der Sache des Friedens und der allgemeinen Interessen dienen werden. Ich ersuche Sie, eine Ab- schrift dieser Depesche dem ersten Staats ⸗ Secretair Ihrer großbritannischen Majestät zu überreichen. Empfangen Sie ze.
Copie einer Depesche an den Baron v. Budberg, datirt von St. Petersburg, den 14. April.
Am Morgen des 5. (17) April hat der Herr Gesandte Frankreichs mir Mittheilung von einer Depesche des Herrn Drouyn de Lhuys, betreffend die Tage des Königreichs Polen, gemacht. Ich übermache Ew. Exzellenz; ein e Abschrift dieses Aktenstückes, welches ich sofort Sr. Majestät dem Kaiser vorgelegt habe. Unser erhabener Herr hat daraus die Ueberzeugung ge— schöpft, daß die im Ramen des Kaisers Napoleon ausgesprochenen Ansichten vollständig mit denen, von welchen Er selbst beseelt ist, übereinstimmen. Die französische Regierung drückt hinsichtlich der traurigen Ereignisse in Polen Gefühle aus, welche keiner Regierung fremd sein dürfen, die der Humanität Freund ist. Die französische Regierung bezweifelt nicht einen Ilugenblick den tiefen Kummer, welchen dieser Zustand der Dinge auf un⸗ sern erhabenen Souverain hervorbringt, die lebhaste Fürsorge, welchen er Sr. Majestaäͤt einflößt, noch den heißen Wunsch, welchen Se. Majestät fühlt, demselben ein Ende zu machen. Die französische Regierung macht auf den Rückschlag auf ⸗ merksam, welchen diese Bewegungen auf die benachbarten Staaten ausüben, auf die Besorgnisse, welche sie in dem übrigen Theil Europas entstehen laͤsfen. Unser erhabener Herrscher gesteht gern das gerechte Interesse zu, welches die angrenzenden Staaten und diejenigen, welche dazu beigetragen haben, das Schicksal Europas zu regeln, sicher natürlich für alle die Ver⸗ wickelungen haben müssen, welche letzteres zu beunruhigen beabsichtigen, Aber das Interesse, welches Rußland an diesen Ereignissen nimmt, die es so nahe berühren, ist nicht minder tief, und sein Wunsch, die Ruhe in dem Königreich, die Sicherheit in Europa wieder herzustellen, ist nicht minder lebhaft, nicht minder aufrichtig. Die Regierung des Kaisers Napoleon drückt endlich auch das Vertrauen in die liberalen Dispositionen unseres erhabenen Herrschers aus und läßt sich von einem Gefühl der Zurücksaltung, welches Se. Majestät zu schätzen weiß, leiten, indem es schließlich auf das Zeitgemäße hinweist, die Mittel in Anregung zu bringen, um Polen die Bedingungen eines dauernden Friedens zu sichern. Nichts könnte mehr den Wünschen des Kaisers entsprechen. Aber gerade über die Wahl der Mittel, welche zu diesem Resultat führen können, wäre es wün⸗ schenswerth, sich zu verständigen. Der Herr Minister der auswärtigen An⸗ gelegenheiten Frankreichs konstatirt die Größe des Uebels und die Unzuläng⸗ lichkeit der bisher erdachten Combinationen, um Polen mit der Lage zu ver⸗ söhnen, welche ihm gegeben worden ist. Dies ist ein Beweggrund mehr, um nicht von Reuein mit Erfahrungen anzufangen, welche für Polen und für Rußland eine Quelle des Unglücks, für Europa. eine Ur— sache von Unruhen gewesen sind, und die aller Wahrscheinlichkeit nach wiederum zu denselben Resultaten führen würden. Das Uebel, an welchem das Königreich Polen gegenwärtig leidet, ist keine vereinzelte Thatsache. Ganz Europa ist mitberuͤhrt. Die revolutionairen Tendenzen, diese Geißel unseres Zeitalters, konzentriren sich heute in diesem Lande, weil sie dort ge⸗ nug Zündstoff finden, um hoffen zu können, daraus den Heerd für eine Feuersbrunst zu machen, welche den ganzen Kontinent erfassen würde. Die Regierungen, deren Aufgabe es ist, diesem Uebel abzuhelfen, können nicht mit genug Aufmerksamkeit, Klugheit und Rücksichten meénagements) han⸗ deln, um die Elemente, welche man als eine gemeinschaftliche Gefahr ent— fernen muß, von denjenigen zu unterscheiden, deren nachhaltige und urtheils⸗ reife Entwickelung zur Gründung einer dauernden Zukunft dienen kann. Unser erhabener Monarch hat sich diesem Werk gewidmet, welches sich dem= jenigen anschließt, dessen Ausführung er sich seit seiner Thronbesteigung zur Mission erwählt hat, um alle Theile seines Reichs in die Bahn eines regel— mäßigen Fortschritts eintreten zu lassen. Ich habe die Absichten unseres erhabenen Monarchen in der beigefügten DepPesche auseinandergesetzt, welche ich an den Gesandten Sr. Majestät zu London, in Antwort auf eine der des Hrn. Drouyn de Lhuys analoge Mittheilung, der Regierung Ihrer großbritannischen Majestät gerichtet. habe. Im Auftrage des FKaisers ersuche ich Ew. Excellenz, eine Abschrift dieses Aktenstückes dem französischen Minister der auswärtigen Angelegenheiten zu übermachen. Er wird daraus erfahren, inwieweit die Regierung des Kaisers Napoleon unserer Meinung nach dazu beitragen kann, um die Erfüllung des Wunsches zu beschleunigen, welchen er uns im Namen der Menschlichkeit und der allgemeinen Interessen Euro⸗ pa's ausdrückt. Er wird gewiß erkennen, daß gegenüber den Elementen der ykosmopolitischen Revolution«, welche in fast allen Ländern verbreitet sind, und die sich von allen Seiten her auf allen Punkten sammeln, wo sich Chancen der Unordnung und des Umsturzes bieten, die Wiederherstellung des Friedens und der Ruhe nicht von den Anstrengungen einer einzigen Macht abhängt, und daß es die Frage in einen Kreis ohne Ausgang einschließen heißt, wenn man uns auffordert. eine Feuers. brunst zu löschen, der von Außen her unerschöpflicher Zündstoff zugeführt wird. Der Werth, welchen die französische Regierung darauf legt, aus diesem Kreise herauszukommen, die Theilnahme, welche sie für die allgemei⸗ nen Interessen Europas bezeugt die guten bonnes] Beziehungen, welche zwischen uns bestehen, die Gefühle des Vertrauens in unseren erhabenen Herrscher, zu deren Ausdruck sich die Depesche des Herrn Ministers der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten in Frankreich macht — alles dies autorisirt uns zu der Hoffnung, daß der Kaiser Napoleon, indem er die Frage von einem erhabenen Gesichtspunkt aus mit allen Schwierigkeiten welche sie darbietet, mlt aller Schonung, welche sie erheischt, überschaut, die moralische Unter⸗ stützung, welche in seiner Macht stehen könnte, nicht verweigern wird, um unferem erhabenen Herrscher die Aufgabe zu erleichtern, welche ihm seine Fürsorge für das Königreich Polen, seine Pflichten gegen Rußland und seine nternationalen Beziehungen mit seinen Nachbarn und den Großmächten Europas vorschreiben. Wollen Sie diese Hoffnung Herrn Drouyn de Lhuys ausdrücken, indem Sie ihm Abschrift der gegenwärtigen Depesche überlassen. Genehmigen Sie ꝛc. ꝛc.
Die »Posen. Ztg.« man am 30. v. M.
vom 5. d. meldet: In Kon in brachte 76 Mann Gefangene ein, welche auf dem