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neue Nahrung zutrugen, so genügte doch die ein fachste Voraussicht, um darauf hinzuweisen, daß die beklagenswerthen Vorgänge keine Lösung finden konnten, an welcher nicht die Nachbarstaaten in gleichem Maße interes
sirt wären. ; . . Wir haben uns somit beeilt, das Wiener Kabinet zu einem Ideen-
austausch einzuladen. Wir ersehen mit lebhafter Befriedigung, daß dasselbe den Wunsch nicht verkannt hat, zu einem freundschaftlichen Einvernehmen auf Grundlage der gemeinsamen Interessen Angesichts jener Eventualitäten zu gelangen, welche von den Beförderern des Aufstandes vorhergesehen sind und, trotz des durchsichtigen Schleiers, womit dieselben ihre Umtriebe ver- hüllen, auf Konsequenzen abzielen, welche schließlich selbst die Integrität der Staaten Sr. K. K. Apostolischen Majestät erschüttern könnten.
Der Herr Graf von Rechberg empfiehlt der Erwägung des Kaiserlichen Kabinets einige Maßregeln, welche nach seiner Ansicht die Pacification des Königreiches Polen herbeizuftihren geeignet wären. Se. Excellenz ist von dem wahren Stande der Dinge in diesem Lande zu wohl unterrichtet, als daß ich nöthig hätte, seine Aufmerksamkeit darauf zu lenken, daß einige dieser Maßregeln bereits bestehen, und daß die übrigen allgemeine Grundsätze ent— halten, die in ihren wesentlichen Zügen in keinem Widerspruche mit den Entwickelungen stehen, welche unser erhabener Gebieter den gegenwärtigen Mit enen des Königreiches zu geben Sich vorbehalten hat, sobald Se.
ajestät den Moment für geeignet erachten wird.
Der österreichische Herr Minister der auswärtigen Angelegenheiten be— zeugt übrigens selbst, daß die meisten jener Ideen mit dem Plane zusam— mentreffen, welchen Se. Majestät der Kaiser Sich vorgezeichnet hat. Allein Se. Excellenz wird ohne Zweifel auch anerkennen, daß dieselben nicht, mit einiger Aussicht auf Erfolg, Anwendung finden könnten, bevor die materielle Ordnung hergestellt ist. Es wird der Einsicht des Herrn Grafen von Rech- berg sicherlich nicht entgehen, daß, so lange diese, zu jeder ersprießlichen Wirksamkeit der Regierung unerläßliche Bedingung nicht erfüllt ist, jeder Versuch einer Organisation des Königreiches einerseits an den gleichen Hin⸗ dernissen, welche die gegenwärtigen Unruhen derselben bisher entgegengestellt haben, andererseits an der moralischen Ermuthigung scheitern würde, welche die Hoffnung einer thätigen auswärtigen Intervention den widersinnigsten Bestrebungen des Aufstandes gewähren muß.
Es hängt in hohem Grade von den Großmächten ab, solche Illusionen zu zerstreuen, solche Berechnungen zu vereiteln und das Ende dieser Situation zu beschleunigen, indem sie diese wesentliche Seite der Frage, in welcher, unseres Erachtens, deren Gefahr für Europa liegt, in ernstliche Erwägung
iehen. . Wir werden jederzeit zu einem Ideenaustausche über diesen Gegenstand mit jeder von ihnen, auf dem Wege unseres diplomatischen Verkehres und mit dem aufrichtigen Wunsche, zu einem Einverständnisse zu gelangen, bereit sein. ;
In Bezug auf Berathungen in Konferenz, an welchen alle Mächte, welche die Wiener Generalakte vom 27. Mai (9. Juni) 1815 unterzeichnet haben, Theil nehmen würden, verkennen wir nicht das Interesse, welches jene Mächte an der gegenwärtigen Lage dieses Landes nehmen müssen, in soweit dieselbe die allgemeine Ruhe und das durch den Vertrag, an welchem sie Theil genommen haben, gegründete Gleichgewicht stören könnte, wir be— streiten ihnen nicht das Recht, den Sinn jener Akte nach ihren eigenen An schauungen auszulegen. Wir vermöchten jedoch weder Opportunität noch praktischen Nutzen darin zu erkennen, daß ihrer Berathung Fragen unter⸗ zogen würden, welche sich an das innerste Detail der Verwaltung des König⸗ reichs knüpfen würden.
Keine Großmacht könnte auf eine solche direkte Einmischung in ihre inneren Angelegenheiten eingehen. Dieselbe liegt übrigens weder im Geiste noch im Buchstaben der bestehenden Verträge und würde das Ziel der Pa— eification, auf welches alle Wünsche und Bemühungen der Mächte gerichtet sind, nur weiter hinausrücken, indem sie die Anmaßungen der polnischen Agitatoren um eben so viel erhöhen, als das Ansehen der souverainen Autorität verringern würde.
Herr Graf v. Rechberg hat, indem er seinen eventuellen Beitritt zu einer derartigen Combination von der vorläufigen Zustimmung des Kaiser lichen Kabinets abhängig machte, mit einem von unserem erhabenen Ge— bieter vollkommen gewürdigten Billigkeitsgefühl selbst die Unmöglichkeit ge— ahnt, in welcher wir uns befänden, darauf einzugehen. Wir erkennen mit Vergnügen in dieser Zurückhaltung einen Beweis der freundschaftlichen Ge= sinnungen des Wiener Kabinets und ein Zeugniß der richtigen Würdigung der Situation von Seite des Herrn Grafen von Rechberg.
Der Gang, welcher im Jahre 1815 eingehalten wurde, scheint uns hinlänglich klar die Beschaffenheit der Berathungen anzudeuten, welche über Fragen gepflogen werden können, die einerseits ein allgemeines Interesse, anderseits dle ies in das Gebiet der souverainen Grenzstaaten gehörige Details der Verwaltung berühren. Zu jener Zeit ist praktisch eine Unter⸗ scheidung zwischen diesen beiden Kategorieen von Interessen aufgestellt worden. Die ersteren haben den Gegenstand besonderer Verhand⸗ lungen zwischen den Höfen von Rußland, Oesterreich und Preußen gebildet, unter welchen historische Ueberlieferungen, fortwährende Be⸗ rührung und unmittelbare Nachbarschaft eine enge Solidarität ge— schaffen hatten. Alle Vereinbarungen, welche die Regelung der innern Verwaltung und der wechselseitigen Beziehungen der zur Zeit des Wiener Kongresses unter ihre respektive Landeshoheit gestellten polnischen Gebiets- theile zum Zwecke hatten, sind in besonderen, zwischen diesen drei Höfen am 21. April 3. Mai] 1815 abgeschlossenen Verträgen niedergelegt worden. Dieselben sind in der Folge durch eine Reihe von Spezialconventionen, so oft die Umstände es erforderten, vervollständigt worden. Nur die in diesen Verträgen erwähnten allgemeinen run. welche von europäischem In- teresse ö. konnten, sind in die Akte des Wiener Kongresses aufgenommen worden, welche am 27. Mai (9. Juni) von allen zur selben berufenen Mächten unterzeichnet worden ist.
Gegenwärtig kommen diese allgemeinen Grundsätze nicht in Frage, allein die Details der Verwaltung und die inneren Vorkehrungen würden nütz - lichen Stoff zu Besprechungen zwischen den drei Höfen liefern, um die re— spektive Stellung ihrer polnischen Besitzungen, auf welche sich die Bestim—
heilnahme an dem⸗
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mungen der Verträge von 1815 erstrecken, mit den Forderungen der genwart und den Fortschritten der Zeit in kid un zu af ent . Kaiserliche Kabinet erklärt sich von heute an bereit, in ein derartiges Ein e, , ö ö. . 29 Wien und Berlin zu treten.
nser erhabener Gebieter setzt in die versöhnlichen Gefühle und Ab. sichten Sr. Majestät des r gü. von . . zu eh . um nicht überzeugt zu sein, daß ein Einverständniß auf diesen Grundlagen zu Resultaten führen würde, welche für die gegenseitigen Interessen der drei Höfe, die Wohlfahrt ihrer polnischen Unterthanen und die allgemeinen Rück. sichten, welche diese Fragen an die Ruhe und das Gleichgewicht Europa z knüpfen, in gleichem Maße befriedigend wären.
Wollen Sie vorliegende Depesche dem österreichischen Herrn Minister der auswärtigen Angelegenheiten zu lesen geben und eine Abschrift derselben in den Händen Sr. Excellenz lassen.
Empfangen Sie ze.
Nach Empfang der vorstehenden Mittheilung hat sich die Kaiser⸗ liche Regierung darüber mit den Kabinetten von London und Paris in Verbindung gesetzt und sie hat sich außerdem sogleich über einige sie direkt angehende Punkte in einem besonderen Akten- stücke ausgesprochen, welches wir nachstehend wiedergeben:
Depesche des Grafen Rechberg an den Fürsten Metternich in Paris
und an den Grafen Apponyi in London, ddo. Wien, 19. Juli 18653:
Die Depesche des Fürsten Gortschakoff an Herrn von Belabine berührt drei Punkte, welche ganz besonders Oesterreich betreffen und über welche die Kaiserliche Regierung sich mit Entschiedenheit aussprechen muß, bevor sie sich mit den Regierungen von England und Frankreich über die Haltung ind Einvernehmen setzt, welche die drei Mächte in Folge der russischen Ant. worten auzunehmen für gut finden werden. - .
Ich will nicht untersuchen, ob ein geheimer Gedanke den Fürsten Gort⸗ schakoff beim Schreiben der drei Passagen, um welche es sich handelt, leiten konnte. Ich beschränke mich darauf, zu erklären, daß dieselben geeignet sind, ein zweideutiges Licht auf die Absichten Oesterreichs zu werfen und es in eine Stellung zu bringen, welche es nicht annehmen könnte.
Die drei Stellen der russischen Depeschen, welche sofort eine Bemer— kung erheischen, sind folgende:
) Jene, wo Fürst Gortschakoff andeutet, daß unsere Depesche vom 18ten Juni die Weigerung Rußlands, einer Konferenz beizutreten, vorahne
und so zu sagen zum voraus billige.
2) Wo eine Art, von Gleichstellung zwischen den polnischen Provinzen des österreichischen Kaiserstaates und dem im Allgemeinen mit dem
. Namen des Königreichs Polen bezeichneten Lande aufgestellt wird.
3) Endlich jene, wo die russische Regierung vorschlägt, sich mit Oester— reich und Preußen ins Einvernehmen zu setzen, um das Loos ihrer betreffenden polnischen Unterthanen festzustellen.
Ich ersuche Ew. Durchlaucht (Ew. Excellenz), sich gegen Herrn Drouyn de Lhuys (Lord Russell) sehr bestimmt auf solche Weise auszusprechen, daß kein Zweifel über die Gesinnungen der Kaiserlichen Regierung übrig bleibe.
Was die Konferenz betrifft, so konstatirt unsere Depesche vom 18. Juni an den Grafen Thun einfach eine klare Thatsache, indem sie zu verstehen giebt, daß der Zusammentritt derselben von der Theilnahme Rußlands ab— hängt. Es ist in der That klar, daß man nicht in Konferenz mit Rußland verhandeln könnte, wenn diese Macht es ablehnt. Daraus folgt jedoch nicht, daß ein solches Ablehnen von uns gebilligt werde. Der Vorschlag einer Konferenz ist im Gegentheil nach unserer Ansicht für die russische Regierung vollkommen annehmbar. Wir haben übrigens den Grafen Thun bereits telegraphisch beauftragt, sich in diesem Sinne auszusprechen und diese irrige Auslegung unserer Depesche zu berichtigen. ,
Was die Gleichstellung zwischen Galizien und dem Königreich Polen anbelangt, so müssen wir jede Insinuation dieser Art mit Entschiedenheit zurückweisen. Was endlich die von Rußland vorgeschlagene Form der Vereinbarung betrifft, so haben wir bereits in St. Petersburg erklärt, daß das zwischen den drei Kabinetten von Wien, London und Paris hergestellte Einverständniß ein Band zwischen denselben bildet, von welchem Oesterreich sich jetzt nicht loslösen kann, um abgesondert mit Rußland zu unterhandeln. ]
Ew. Durchlaucht (Ew. Exgcellenz) können Herrn Drouyn de Lhuys (Cord Russell) die vorliegende Depesche zu lesen geben.
Empfangen 2c. s
Belgien. Brüssel, 22. Juli. Der Spezial Vertrag zwi⸗ schen Belgien und den Vereinigten Staaten in Betreff der Ablöfung des Scheldezolles ist von den Herren Rogier und Sandford vor— gestern im auswärtigen Amte unterzeichnet worden. — Ein König— licher Erlaß schreibt einen Preis von 3500 Fres. für die Herstellung der besten Denkmünze aus, um die Befreiung des Scheldeflusses von seiner letzten und lästigsten Fessel zu verewigen. Der Avers der Medaille soll das Brustbild des Königs darstellen, während der auf der Rückseite anzubringende Gegenstand der Phantasie des Künstlers überlassen bleibt. Der Konkurs soll am 28. September geschlossen werden. (Köln. Ztg.)
Großbritannien und Irland. London, 22. Ju li. In der gestrigen Oberhaus - Sitzung wurde durch die Kommsssion ein langes Verzeichniß von Bills verlesen, welche die Königliche Sanction erhalten haben.
Im Unterhause fragte gestern Lord J. Manners, ob es wahr sei, daß die englischen Diplomaten und Schiffsoffiziere vor der Küste von Grie— chenland die Weisung erhalten haben, den Jonischen Unterthanen Ihrer Majestät keinen Schutz mehr zu gewähren, und ob Ihrer Majestät e . die Pforte einladen wird, Fer über die Abtretung der Jonischen Inseln abzuhaltenden Konferenz beizuwohnen. Lord Palmerst on Trwiedert auf erstere Frage, daß kein Agent Ihrer Majestät eine Weisung der erwähn⸗ ten Art erhalten habe, da in den Beziehungen der Jonischen Inseln zur Krone von Großbritannien bis diesen Augenblick noch nichts verändert sei. In Er— wiederung auf die zweite Frage sagt der edle Lord, es sei in der That der
Polen in Aufregung haltenden Unruhen an uns gelangen zu lassen.
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all 2 in dem zwischen England, Frankreich und Oesterreich im November Pgiö geschlossenen Vertrage eine Stipulation dahin lautete, daß die Türkei und das Königreich beider Sizilien zum Beitritt eingeladen werden sollten. Der Sultan jedoch lehnte ab, weil er sich grundsäßlich einer nähern Be—⸗
rührung mit der europäischen Politik enthalten zu müssen glaubte. Zwei
ahre später fand der Abschluß einer Convention statt, aber zu einem an— deren Zweck. In dieser Convention erkannte die Türkei, ohne dem Ver— trage, der diese Inseln unter britische Schirmherrschaft gestellt hatte, beizu— treten, die sieben Inseln als britischen Besitz an, und machte sich verbindlich, den Joniern dieselben Rechte wie britischen Unterthanen einzuräumen.
Allein da die bewußte Convention nicht thatsächlich das britische Protektorat
uber die Inseln bestätigte, ist die Türkei, wie der edle Lord bemerkt, nicht berechtigt, einen Kongreß über die vorgeschlagene Uebertragung der Jonischen Inseln zu beschicken Lord J. Manners fragt, ob der edle Lord sich er⸗ snnere, daß die erwähnte Convention ein Vertrag behufs Beitritts zum Ver— trage von 1815 betitelt sei Lord Palmerston sagt, er habe die Convention genau angesehen und sei gewiß, daß der edle Lord seine Palmerston s) Lesart rich- sig finden werde. Mr. B. Cochrane fragt, ob die neuesten atheniensischen Ereignisse die Ankunft des Königs Georg J. nicht verzögern würden? Lord
almerston entgegnet, er sehe kaum einen Grund, warum die erwähnten Vorfälle den König von der Abreise einen Augenblick zurückhalten sollten. — Mr. P. Hennessy fragt, ob Ihrer Majestät Regierung eine Abschrift der vom Fürsten Gortschakoff an die französische Regierung über die sechs Punkte gerichteten Depesche besitze und dieselbe vorlegen wolle? Lord Palmerston entgegnet, die Regierung sei nicht im Besitz einer autorisirten Abschrift, welche sie dem Parlamente vorlegen könnte. — Mr. Berkeley beantragt eine Resolution zu Gunsten eines Mr. Bewicke, der in Folge einer falschen An— klage zu vier Jahren Gefängniß verurtheilt worden war. Nach einiger Zeit wurde klar erwiesen, daß die Schuldigsprechung das Werk einer Verabredung falscher Zeugen gewesen, und Mr Bewicke erhielt eine sogenannte Königliche Begnadigung. Aber als er heimkehrte, fand er, daß die Behörden all seinen Hausrath als das Eigenthum eines Verhrechers konfiszirt und für weniger als ein Drittheil seines Werths verkauft hatten. Sir G. Grey sagt, diese Thatsachen seien richtig, aber die falschen Zeugen habe das Gericht wegen Meineids bestraft und den Erlös der verkauften Gegenstände dem Eigenthümer zurückgegeben. Mehr habe sich nicht thun lassen. Sir F. Kelly sagt, das Gesetz behandle solche Fälle mit schmählicher Ungerech—= tigkeit und sollte verbessert werden. Jedenfalls wäre es nur recht und billig, wenn Mr. Bewicke für seinen direkten pekuniären Verlust eine Entschädi⸗ gungssumme erhielte. Der Solicitor⸗ General bemerkt, daß Mr. Be—⸗ wicke hart mitgespielt worden sei, aber die Behörden treffe keine Schuld, und was die vorgeschlagene Entschädigung betreffe, so könne man in diesem einen Falle keine Ausnahme von der Regel machen. Der Antrag wird mit 22 gegen 20 Stimmen abgelehnt. — Mr. B. Cochrane bringt den kritischen Stand der Dinge in Japan zur Sprache, um die Regierung vor der Prorogation zu einer Erklärung über ihre Absichten zu veranlassen, und beantragt Vorlegung von Schrift- stücken. Mr. Ciddell sekundirt und behauptet, daß England keinen gerech ten Kriegsgrund gegen ein Land habe, welches zum Abschluß von Hanzels. verträgen durch Gewaltdrohung und physische Demonstration gezwungen worden sei, und den Engländern am Ende nichts als Seide zu geben habe. Mr. Layard erwiedert, der getadelte Vertrag sei auf Lord Malmesbury's Weisung entworfen worden. Die Regierung bedauere den Zwist, sie habe den Talkun mit Nachsicht behandelt, und könne nicht anders als auf Sicher heit für Leben und Eigenthum britischer Kaufleute bestehen. — Der Antrag wird zurückgenommen. —
Der zur Repision des in England gebräuchlichen Systems der Freiheitsstrafen und der Gefängniß-Disziplin nieder⸗ gesetzte Sonderausschuß hat dem Parlamente einen umfassenden Be— richt vorgelegt, dessen Hauptvorschläge in fünf Punkten zu resumiren sind: 1) Zuchthausstrafe soll in Zukunft nicht auf einen kürzeren Zeitraum als sieben Jahre erkannt werden. — 2) Das bereits von dem Gesetze anerkannte Prinzip, rückfällige Verbrecher schwerer zu bestrafen, ist kräftiger durchzuführen. — 3) Zu Zuchthausstrafe Ver— urtheilte sind zuvörderst neun Monate lang in Einzelhaft zu halten und dann für die übrige Dauer ihrer Strafzeit bei öffentlichen Arbeiten zu beschäftigen, doch mit der Aus- sicht, durch Fleiß und gute Führung eine Abkürzung dieses Theiles ihrer Strafe erwirken zu können. — 4) Alle männlichen Verbrecher, deren Körperbeschaffenheit erlaubt, sie nach einer Kolonie hinzubrin—⸗ gen, sind für die letztere Periode ihrer Strafzeit nach Westaustralien zu schicken. — 5) Diejenigen, welche zur Transportation nicht ge⸗ eignet sind, die aber eine Kürzung ihrer Strafzeit erwirken und folg⸗ lich im Inlande unter Licenz der Haft entlassen werden, sind bis jum Ablauf der Zeit, auf welche ihr Strafurtheil lautete, unter
frrenger Aufsicht zü halten, und es sind auf dem Wege des Gesetzes
die nothwendigen Vollmachten zu ertheilen, um diese Aufsicht wirk⸗
sam zu machen. — . Frankreich. Paris, 22. Juli. Die (kürzlich mitgetheilte)
Madrider Depesche, welche aus Malaga den Zusammenstoß und
Untergang zweier Fregatten englischer und französischer Flagge meldete, wird von der »France« als falsch bezeichnet. ᷣ
Die russische Antwort auf die französische Note vom 17. Juni hat folgenden Wortlaut:
Fürst Gortschakoff an Baron Budberg. Petersburg, 1. M13. Juli.
Herr Baron! Ich habe vom Herrn Herzog von Montebello die ab— schriftlich hier beigefügte Depesche des Ministers der auswärtigen Angelegen heiten Frankreichs mitgetheilt erhalten. Wir haben die Gesinnung gewür⸗ digt, welche die Regierung Sr. Majestät des Kaisers der Franzosen bewogen
hatte, ihre Wünsche für eine schnelle Beschwichtigung der das ni ir
e rr, k. . 4 ar n i ef ff r t eben so dem Gedanken Ge— viderfahren lä ins in ü 3 , wien, öt, er uns in der Antwort auf seinen ersten . Dieser Gedanke, Herr Baron, entsprang nicht nur dem Verlangen, einem uns in freundschaftlichster orm vorgetragenen Wunsche zu entsprechen. Er wurde un außerdem durch die moralische Solidarität diktirt, welche zwischen den Großmächten besteht gegenüber dem mehr und mehr klar her- , . n ig 5. , n,, Elemente aller Länder, das sich
e im Königreich Polen konzentrirt u F ̃üi ö e, we 9 z nd der Frage den europäischen Cha
Wir sollten hierauf um so mehr die Regierung des Kaisers Napoleon aufmerksam machen, als einer der Häuptheerde dieser Agitation sich in Paris selbst befindet. Die polnische Emigration hat, ihre gesellschaftlichen Be⸗ ziehungen benutzend, dort eine ausgebreitete Verschwörung organisirt, die dazu bestimmt ist, einerseits die öffentliche Meinung in Frankreich durch ein System von Verleumdung und Verdächtigung ohne Gleichen irre zu leiten, andererseits die Unordnungen im Königreich zu nähren, sei es durch mate⸗ rielle Hülfe, sei es durch den Schrecken eines geheimen Comité's, sei es vor Allem durch die Verbreitung der Ueberzeugung von einer Aktiv Intervention von außen her zu Gunsten der wahnsinnigsten Anschläge des Aufstandes. Diese Einwirkung ist heute di: Hauptquellé einer Agitation, die ohne sie unter der Kraft der Gesetze, vor der Gleichgültigkeit oder dem Widerstande der Massen bereits erloschen wäre. Da also muß man die moralische Ur= sache suchen, welche die peinliche Lage der Dinge fortdauern zu lassen strebt, deren schleuniges Aufhören die französische Regierung, wie wir selber, im Namen des Friedens und der Menschlichkeit wünscht. Wir glauben gern, daß sie ihren Namen nicht zum Nutzen der Revolution in Polen und in Europa mißbrauchen lassen wird.
Diese Erwägungen, Herr Baron, bestimmen den Charakter der Auffor— derung, welche wir an das Tuilerieen-Kabinet gerichtet haben; sie begrenzen eben so den Gegenstand und die Tragweite des Gedanken ⸗Austausches, zu dem wir dasselbe eingeladen haben. Wenn die Ordnung in einem Lande schwer gestört ist, können die Nachbarstaaten dabei nicht gleichgültig bleiben, und die anderen Mächte durfen ohne Zweifel auch in Hinsicht der allge— meinen Sicherheit ein Interesse daran nehmen. Aber ein positives Recht dazu kann sich nur auf die Stipulation bestehender Verträge stützen. Des—« halb müssen wir selbst von einem freundschaftlichen Gedanken- Austausch,
auf den wir einzugehen bereit sind, jede Anspielung auf Theile des russi—
schen Reiches ausschließen, auf welche keine besondere Stipulation irgend einer internationalen Acte Anwendung findet.
Was das Königreich Polen anbelangt, so ist der Herr Minister der
auswärtigen Angelegenheiten auf unsere Ansichten eingegangen, indem er uns seine Ideen über die Mittel mittheilte, mit denen, nach seiner Meinung, die Pacification des Landes herbeigeführt werden könnte. Mit Genugthuung konstatiren wir, daß diese Ideen ganz die Richtung nehmen, in welcher die Absichten Sr. Majestät des Kaisers liegen, wie ich sie in meiner Depesche vom 143/26. April an Baron Brunnow auseinandergesetzt habe, wovon Ew. Excellenz beauftragt waren, eine Abschrift dem Herrn Drouyn de Lhuys zuzustellen. Der Herr Minister der auswärtigen Angelegenheiten Frankreichs erkennt selbst an, daß mehrere dieser Maßnahmen in dem Plane enthalten sind, den unser erhabener Herr sich entworfen hat. Ich möchte sagen, daß die meisten derselben bereits durch Ordres des Kaisers dekretirt oder durch die weiteren Entwicklungen, welche Se. Majestät sich vorbehalten und deren Gedanke klaren Ausdruck gefunden hat, eingeleitet worden sind.
Nichtsdestoweniger muß ich daran erinnern, daß die Erfahrung bis zur Evidenz bewiesen hat, wie trügerisch es ist, auf die Wirkung dieser Combi—- nationen zur moralischen Beschwichtigung des Königreichs Polen zu rechnen, bevor die materielle Ordnung und die Achtung der Autorität nicht wieder hergestellt sind. So lange die gegenwärtigen Unruhen dauern, so lange vor Allem die Hoffnung auf eine Intervention von außen besteht, welche eben der mächtigste Hebel des Aufstandes ist, wird diese Situation unausbleiblich die Wirkung haben, daß einerseits die Anwendung aller von der Kaiserlichen Regierung getroffenen Maßnahmen ernstlich gehemmt ist, andererseits die polnischen Insurgenten sie verwerfen, selbst wenn sie die vollständige Aus- dehnung erhielten, welche der Herr Minister der auswärtigen Angelegenheiten Frankreichs empfiehst. Ganz gewiß werden die mehr oder minder hervor— tretenden Nuancen, welche die sechs in der Depesche des Herrn Drouyn de Lhuys erwähnien Artikel in die dem Königreiche theilweise schon gewährte Amnestie, Verwaltungs- Autonomie und National -Repräsentation bringen, die Insurgenten nicht dazu bewegen, die Waffen nieder zu legen. Diese werden darin vielmehr einen Schritt weiter nach dem beständigen Ziele ihrer Hoffnungen und Anstrengungen erblicken, welches eben das ist, die Sympa— thieen, die man ihnen im Auslande schenkt, zu einer Aktiv⸗Intervention für ihre übertriebenen Anschläge fortzuführen. Sie werden darin folglich eine Ermuthigung erblicken, in ihrer gegenwärtigen Haltung zu verharren. Ihre Schlußfolgerung würde diametral dem Resultate, das man erreichen will, ,, sein; denn sie würde dahin zielen, die peinliche Situation, der die französische Regierung, wie das Kaiserliche Kabinet schnell ein Ende machen möchte, nur zu verlängern und noch mehr zu vergiften.
Außerdem finden wir in der Depesche des Herrn Drouyn de Lhuys noch zwei andere Ideen: die einer provisorischen Pacification, . auf die Aufrechthaltung des militairischen Status quo, und die einer Konferenz der
acht Mächte, welche die Wiener General-Akte vom 27. Mai — 9. Juni
1815 unterzeichnet haben. Was die erstere anlangt, so können wir, wie heiß auch unser Wunsch ist, dem Blutvergießen Einhalt zu thun, uns kaum ein
richtiges Bild von dem praktischen Werthe dieses Vorschlages machen. Wir
glauben, daß die französische Regierung nicht minder als wir die Schwierig. keit empfindet, den Charakter, die Tragweite und den Ausführungsmodus irgend einer Unterhandlung zu präzisiren, deren Zweck die Feststellung eines militairischen Status quo sst, der doch offenbar zwischen einer gesetzlich kon. stituirten, auf einer regulairen Armee fußenden Regierung und einem auf dem Terrorismus stehenden, in Verbrechen he ß nn en und durch in Wäldern zerstreute Rebellenbanden bedientes Geheim ⸗Comitèé nicht bestehen
kann. Zwischen solchen Elementen giebt es nur eine Transaction, welche.