1866 / 1 p. 3 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

den detaillirten Nachweisungen der obersten Kontrolbebörde sind in der 11monatlichen Verwaltungsperiode des Jahres 1864, d. i. vom November 1863 bis 31. Dezember 1864 die Staatseinnahmen um 33,730 000 Fl. unter dem betreffenden Voranschlage zurückgeblieben und die bezuͤglichen Ausfälle haben sich nicht nur bei der Grundsteuer, wo sie beinahe 5 Mill. Fl. betrugen, sondern fast gleichmäßig bei allen der Finanzverwaltung unterstehenden Einkommenszweigen er; geben. Noch ungünstiger sind die Ergebnisse des Jahres 1865, weil hier die Einstellungen noch höher gehalten sind. Der gegenwärtige Etat hat daher, um die Einnahme nicht höher zu veranschlagen, als auf deren Eingang mit einiger Sicherheit zu rechnen ist, das prä— liminirte Einkommen von den indirekten Abgaben um 5,4815784 Fl, vom Staatseigenthum um 1,456,256 Fl., von den Aerarialfabriten um 386,240 Fl., beim Bergwesen um 770,656 Fl., bei den direkten Steuern um 276,998 Fl., zusammen um S387 14934 Fl. niedriger ausgebracht. Ferner hat noch ein Abstrich von 623,150 Fl. bei den direkten Steuern stattgefunden, weil bei der Grundsteuer und der mit dieser hinsichtlich der Perzeptionsweise in engster Verbindung stehenden Hausklassensteuer eine Erleichterung um des bisherigen außerordentlichen Zuschlages dringend nothwendig erscheint. Durch alle diese Umstände stellt sich den nothwendigen Ausgaben gegenüber ein Abgang der Bedeckung von 40, 139,46 Fl. gegen 1865 heraus, in welchem derselbe zwar nominell nur aus beinahe 8 Mils lionen, in Wirklichkeit aber aus 76, beziehungsweise 80 Millionen Gulden bestand. Es ist also ein um nahezu die Hälfte günstigerer Abschluß. Dieses Defizit besteht hauptsächlich aus der am letzten Dezember 1866 zu leistenden letzten Abzahlung an die Nationalbank pr. 35 600,000 Fl., welche im Kreditwege aufgebracht werden kön⸗ nen. Die übrigen 45 Millionen Fl. hofft der Bericht durch weitere Ersparnisse innerhalb des Rahmens des vorliegenden Budgets zu decken. Nachdem noch schließlich nachgewiesen, daß bei dem Budget für 1867 ein Defizit von 28,486,508 Fl. zu erwarten sei, sagt der Finanzminister in seinem Bericht:

Die nächste und wichtigste Aufgabe der Finanzverwaltung wird nun sein, die Beseitigung oder mindestens die möglichste Verringerung eines solchen Abganges auf das ernsteste anzustreben. Ich zähle hierbei nãächst der Erhaltung des Friedens und der durch die segenverheißende Initiative Eurer Majestät glücklich angebabnten Verständigung über die inneren po- itischen Verhältnisse auf folgende finanzielle Momente: .

1) Die mit Allerhöchster Entschließung vom 19. August 1865 ein ˖ gesetzte permanente Ministerialbudgetkommission konnte auf die Aufstellung des Ausgabe Etats für das Jahr 1866 wegen Kürze der Zeit nur in be— schränktem Maße Einfluß nehmen und hat dennoch durch ihren konse⸗ quenten Vorgang bei allen Verwaltungszweigen, wie oben dargethan worden, bereils Ersparnisse im Betrage von mehr als 23 Millionen er⸗ zielt. Ihre eigentliche reformatorische Aufgabe wird erst mit der Behandlung des Staatserfordernisses für das Jahr 1867 beginnen. Sie wird die in der Gesammtheit des Staatshaushaltes einzu— führenden finanziellen Reformen im Zusammenhange mit dem neuen Staatsorganißmus auffassen, vermöge ihres Befugnisses zur Vornahme von Spezialenqueten in alle Zweige der Verwaltung eindringen, ihre An⸗ träge im Wege des Ministerrathes ohne Umzug zur Allerhöchsten Schluß⸗ fassung Eurer Majestät bringen. Sie wird ohne allen Zweifel tief ein greifende und ausgiebige Er parungsresultate erzielen. ;

2) Wenn auch die Vermehrung der Einnahmen durch Erhöhung der Steuersätze außer aller Frage steht, so können die bisherigen Einnahmen durch eine einfachere und wohlfeilere Regie, also durch Ersparnisse in den

Betriebskosten doch für den Staatsschatz ergiebiger werden. Durch die seit meinem Amtsantritte vorgenommenen Reorganisirungen ist die oberste Leitung der Finanzverwaltung einheitlich geworden; ich kann schon für den Verlauf des Verwaltungsjahres 1866 innerhalb des Rahmens des jetzt vorliegenden Budgets namhafte Ersparnisse in den Regiekosten der Einnahmen in sichere Äussicht stellen und habe allen Grund, anzunehmen, daß solche bei konsequenter Durchführung der schon im Zuge begriffenen oder angebahnten Maßregeln für die weitere Zukunft noch intensiver werden.

3) Die Herstellung der österreichischen Valuta wird, aller Voraus sicht nach, noch vor Beginn des Jahres 1867 eine Thatsache geworden sein. Zur Stunde ist das Silberagio bereits auf 105 gesunken und ein Vlick auf den Bankauswels zeigt, daß die österreichische Nationalbank heute zu den best fundirten, durchaus konsolidirten Kredit ⸗˖ n, Europa's gehört. Eine Benutzung der Banknotenpresse zur

eckung von Staatsbedürfnissen ist durch unübersteigliche Schranken des Gesetzes und der Controle zur Unmöglichkeit geworden. Durch die Her stellung des Pari-Courses des österreichischen Circulationsmittels werden aber direkt der Finanzverwaltung sehr namhafte, auf Millionen Gulden sich belaufende Kosten wegen Wegfall des Münz, und Wechselverlustes bei Beschaffung von Silberzahlungen (Zahlung der Coupons, der theilweisen Bedeckung der lombardisch ⸗venezianischen Staatkassen, Tabakblãätter · Einkauf im Auslande u. dgl.) unmittelbar erspart.

4) Nachdem die Einnahmen im Staatsvoranschlag für 1866 fast durchgängig auf die Erfolge des ungünstigen Jahres 1864 basirt sind, so glaube ich wenigstens für das Jahr 1867 doch auf eine Zunahme Berselben in Folge der zu erwärtenden Steigerung der Production und Consumtion der Steuerpflichtigen rechnen zu dürfen. Es ist kaum denk bar, daß die vielen in den letzten Jahren zur Hebung, des National- wohlstandes getroffenen legislatorischen und administrativen Maßregeln von der g in der Gewerbe bis zum Abschlusse der Zoll- und Han .

delsvertraͤge ohne Wirkung verbleiben sollten. Ich mache es mir zur be⸗ sonderen Pflicht, alle auf Förderung des Handels, der Industrie und des Ackerbaues, auf Entwicklung der Verkehrsmitiel und auf Belebung des

Associationsgeistes gerichteten Bestrebungen des Handelsministers von mei · nem Standpunkte aus auf das träftigste zu unterstützen und das rein fiskalische Interesse den berechtigten Anforderungen der Volkswirtbschaft Überall unterzuordnen, wo es die Lage der Finanzen nur irgend gestattet.

5) Endlich glaube ich noch einen wichtigen moralischen Faktor in An schlag bringen zu sollen, die Wiederkehr des Vertrauens. Wenn man vergleichend nur auf einige Jahre zurücksieht, wo ein Disagio von 30 pCt. und eine kolossale Staatsschuld an die Nationalbank wie ein Alp auf alle Verhältnisse drückten, äußere Gefahren die Monarchie bedrängten und einen außerordentlichen Militairaufwand hervorriefen, im Innern auch nicht ein Ausgangspunkt für die Entwirrung der Verhältnisse zu finden war, so kann nur ein durch Verzagtheit oder Parteileidenschaft getrübter Blick die Wendung zum Bessern verkennen. Das Ausland hat auch schon begonnen, die neue Sachlage in politischer, finanzieller und kommerzieller Beziehung zu würdigen, weniger das Inland, wo der Same des Miß-⸗ trauens zu reichlich ausgestreut wird, als daß sofort eine billige und unbe⸗ fangene Beurtheilung der Verhältnisse hätte Platz greifen können. Insbesondere ist das Finanzministerium seit meinem Amtsantritt maßlosen Angriffen ausgesetzt, welchen ich keine Erwiderung zu Theil werden ließ, weil ich die Thatsachen sprechen lassen wollte. Ich glaube auch fernerhin bei diesem System bleiben zu sollen, und hoffe damit durchzudringen, weil bei dem gesunden Sinne der österreichischen Bevölkerung in Dingen, welche das Wohl jedes Einzelnen, wie das der Gesammtheit so nahe an⸗ gehen, Offenheit und Wahrheit sich immer Bahn brechen, und die öffent⸗ liche Meinung, unbeirrt vom Parteigetriebe, sich selbstständig ihr Urtheil bildet.

Da das Gros des Abganges im Staatsvoranschlag für 1866 durch

die erst auf den Jahresschluß fallenden Terminzahlungen an die Bank bedingt ist, glaube ich mit der Vorsorge für die Bedeckung noch einst- weilen warten zu können, und werde mir erlauben, rechtzeitig die be—⸗ treffenden Anträge treugehorsamst zu stellen.“

Pesth, 29. Dezember. Der Lloyd bezeichnet die Pesther Nach richt der ⸗Presse« bezüglich der ungarischen Ministerien auf Grund bestimmter Erklärungen aus Deäks und Eötvös Munde als müßige Erfindung. In der Unterredung des Kaisers mit diesen beiden Staatsmännern war weder von den Forderungen des Landes, noch von dem, was die Krone gewähren will, die Rede. Auch an dem, was über Somssich und Szentivanyi berichtet wird, ist kein wahres

Wort.

Belgien. Brüssel, 31. Dezember. Einer amtlichen Mit— theilung des Kriegsministeriums zufolge meldet der Befehlshaber der belgischen Legion in Mexiko, Oberst Lieutenant Baron Vandersmissen, daß die Belgier, die in Tacamboro in Gefangenschaft geriethen, aus⸗ geliefert sind.

Großbritannien und Irland. London, 29. De— zember. Ihre Majestät die Königin präsidirte gestern einer Sitzung des Staatsrathes, welcher Sir George Grey, Gibson und Villiers beiwohnten. Der Earl Cowley und Gemahlin, welche einen Be— such in Osborne machten, wurden zur Königlichen Tafel gezogen,

Seinem vor wenigen Tagen verstorbenen Kampfgenossen, Ge— neral⸗Major Fitzmaurice, ist der General Sir Edward Charles Whinyates, S4 Jahre alt, ins Grab gefolgt. Noch vor Ende des vorigen Jahrhunderts hatte er aktiven Dienst gesehen; unter dem Herzog von Jork machte er im Jahre 1799 die holländische Campagne mit; 1807 nahm er Theil an der Belagerung von Kopenhagen. In dem pyrenäischen Kriege kämpfte er mit Auszeichnung; bei Waterloo erhielt er eine gefährliche Wunde in den Arm. Zum General wurde er vor einem Jahre ernannt.

Von den beiden Angeklagten, welche nach Wiedereröffnung des Fenierprozesses in Cork vor Gericht gestanden haben, ist der eine (James Mountaine) freigesprochen; der andere (John Casey) zu fünfjähriger Zwangsarbeit verurtheilt worden. Wie es heißt, sind die verurtheilten Fenier nur zeitweilig in einem inländischen Ge— sängnisse untergebracht; ihr schließlicher Besätimmungsort soll Gibral— tar sein. In Irland gehen fortwährend Truppenbewegungen vor sich; die Behörden scheinen es für nötbig zu halten, einzelne kleinere Oerter, welche bisher ohne Garnison waren, militairisch zu besetzen. Um die anderwärts in Folge dessen geschwächten Garnisonen wieder zu verstärken (dies scheint wenigstens der Grund zu sein, denn von wirklichen Ruhestörungen, die zu unterdrücken seien, verlautet nichts) sind zwei Regimenter von England nach Dublin abgegangen.

Lord Palmerston's Testament ist von dem Erbschaftsgerichte legalisirt worden; es ist vom 22. November 1864 datirt und um— faßt nur vier kurze Bogen. Das persönliche Eigenthum des Ver— storbenen wurde auf eine Summe unter 120000 Pf. Sterl. ange geben. Als Vollstrecker sind ernannt seine Wittwe und deren zwei— ter Sohn, Cowper. Der ersteren übermacht Lord Palmerston seine Wagen, Pferde und Vorräthe, seine Papiere (mit denen sie nach Gutdünken verfahren mag), und mit Abzug von vier Legaten von je 100 Guineen (an Sulivan, Admiral William Bowles, George Bowles und George Shee) gleichfalls seine persönliche Habe, welche nach ihrem Tode an den genannten W. F. Cowper übergehen soll. Letzterer so wünscht Lord Palmerston, ohne es zu verlangen möge, sobald er in Besitz des Erbes trete, die Königliche Erlaubniß zur Führung des Namens Temple als Hauptnamens für sich und seine Nachkommen sowie zur Vereinigung der Familienwappen Temple und Cowper nachsuchen.

30. Dezember. Die ⸗Gazette⸗ meldet die Bestätigung Herrn G. J. Holland's als dänischen Konsuls in Hongkong.

Frankreich. Paris, 29. Dezember. Die unter dem Vorsit des Ministers Behic speziell mit der Revision des Handelsgesetz buches beauftragte Kommission hat sich gestern im Ministerium der öffent⸗ lichen Arbeiten versammelt.

Der ⸗Patrie« geht eine Privat ⸗Depesche von La Plata vom 16. November zu, welche meldet, daß Marschall Lopez, Präsident von Paraguay, die ersten Friedensvorschläge, welche ihm durch Ver mittlung zweier Mitglieder des diplomatischen Corps von Buenos— Ayres gemacht worden sind, günstig aufgenommen hat. Man offt, daß sehr bald ein Wassenstillstand zu Stande kommen werde.

30. Dezember. Der »Moniteur« zeigt an, daß Prinz Na- poleoön und Prinzessin Clotilde gestern mehrere Botschafter und Gesandten empfangen haben.

Staatsrath Thuillier ist heute seinen langen Leiden erlegen. Sein Tod ist ein großer Verlust für den Kaiser. Thuillier war zu— letzt Abtheilungs-Präsident im Staatsrathe, früher General⸗Direktor der Departemental⸗ und Kommunal Verwaltung.

31. Dezember. Am Freitag veranstaltete der Kaiser eine große Jagd im Walde von Fontainebleau. Es wurden nicht weniger

als 1581 Stück Wild erlegt, von denen der Kaiser 390 geschossen

hat. Fürst Metternich erlegte 207 Stück Wild.

Der »Moniteur« enthält heute wieder in seinem amtlichen Theile eine große Anzahl von Beförderungen und Ordensverleihun- gen, unter denen wir der Ernennung des Divisions- Generals und Senators Fleury, der bisher erster Stallmeister des Kaisers war, zum Großstallmeister, und derjenigen des ersten Jägermeisters, Divi⸗ sions⸗Generals Fürsten von der Moscowa, zur Würde eines Groß jägermeisters erwähnen.

Abbé Bercel ist an Msgr. Gazeilhan's Stelle zum Bischof ö Abbé Grimardias zum Bischof von Cahors ernannt worden.

Spanien. Der Erzbischof von Burgos hatte gegen die An— erkennung des Königreichs Italien einen offenen Protest erlassen. Der Staatsrath hat an dem Tage nach der Thronrede den Spruch gefällt, daß der Erzbischof von Burgos gegen den Artikel 304 des Strafgesetzbuches sich vergangen habe. Im Kongresse wurde Rios Rosas mit 105 Stimmen von 114 zum Präsidenten des Hauses gewählt. Der König von Portugal hat sich auf seiner Durchreise am 28. Dezember nur von 12 bis 4 Uhr Nachmittags in Madrid aufgehalten und scheint ohne alle Demonstration weiter gereist zu sein. Ursprünglich war die Anwesenheit des Königs bis zum 2. Januar angesagt worden.

Italien. Das italienische Kabinet ist rekonstituirt. Es be— steht aus folgenden Personen: General Lamarmora, Minister-Prä— - sident und AÄuswärtiges; Chiaves, Inneres; Scialoja, Finanzen; Defalce, Justiz; Jacini, öffentliche Arbeiten; Cadorna, Krieg; General Angioletti, Marine.

Um die Einnahmen zu vermehren, ist bekanntlich jetzt in den päpstlichen Häfen ein Tonnengeld von ein und zwei Baj. für die Tonne eingeführt worden. Alles in allem beträgt der jährliche Schiffsverkehr im Kirchenstaate gegen 400000 Tonnen, und die Steuer wird also kaum 20,000 Lire ertragen, was vielleicht gerade genug ist, um das nöthige Ueberwachungs und Einnahme-Personal zu besolden.

Das wichtige genueser Archiv, welches die Akten der Republik und viele Dokumente der mittelalterlichen italienischen Geschichte ent hielt, war bekanntlich von den Franzosen nach Paris geschickt wor— den. Nach der Restauration und der Vereinigung Liguriens mit Piemont verlangte die Regierung dasselbe zurück, was von Frank— reich auch zugestanden wurde. Da aber die damalige Gemeinde— Verwaltung von Genua die Kosten der Rücksendung nicht über— nehmen wollte, so wurden die Papiere im Archiv von Turin nieder- gelegt. Der abgetretene Gemeinderath hatte sich nun neuestens um Herausgabe des Archivs an die Regierung gewendet, und diese hatte darein gewilligt. So ist denn die erste Sendung des Archivs von Turin bereits eingetroffen.

31. Dezember. Aus Neapel wird gemeldet: Poerio ist zum Deputirten gewählt worden; im andern Wahlkollegium von Neapel ist Ballotage zwischen Mazzini, der im ersten Scrutinium 168 und Pisacane, der 161 Stimmen erhalten hat.

Türkei. Konstantinopel, 23. Dezember. Djemil Pascha überbringt dem Vice⸗König von Aegypten einen großherrlichen Hat, welcher die volle Zufriedenheit über dessen Verwaltung ausspricht. Die Paschaliks Macedonien, Thessalien, Epirus und Rumelien wer⸗ den in ein Vilact mit der Hauptstadt Monastir vereinigt, und der Serdar Ekrem Omer Pascha zu dessen General⸗Gouverneur ernannt.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 29. Dezember. Ueber die Kompetenz der Gemeindegerichte im Königreich Polen ist unter dem 12. Dezember ein kaiserliches Edikt ergangen, welches folgende Bestimmungen enthält:

Art. J. Die Streitsachen, welche im Art. 47 des Edikts vom 19. Fe⸗

bruar (2. März) 18614 (über die Organisation der Landgemeinden) ange— führt worden sind, unterliegen der Kompetenz der Gemeindegerichte und werden in allen denjenigen Fällen endgültig entschieden, wo der Werth des Streitobjekts nicht hundert Rubel übersteigt.

Art. 2. Alle Prozesse, welche über Erbschaftsangelegenheiten und die daraus sich ergebenden Theilungen solcher Immobilien entstanden, die auf Grund des Edikts vom 19. Februar (2. März) 1864 in den Besitz der Bauern übergegangen sind, und auch die Streitigkeiten zwischen den Bauern über Erbschaft und Theilung des Mobiliarvermögens unterliegen der Kompetenz der Gemeindegerichte und werden nach den beifolgenden Vorschriften entschieden. .

Art. 3. Die Durchführung des gegenwärtigen Edikts, welches in 9 Gesetzbuch einzutragen ist, wird dem Organisations Comité über- ragen.

Die Vorschriften, nach welchen die Gemeindegerichte die Prozesse über Erbschaft und Theilung des unbeweglichen und be⸗ weglichen Vermögens zu führen haben, lauten:

1) Das Gericht besteht außer den im Art. 38 des Edikts vom 19ten

Februar (2. März) 1864 über die Organisation der Landgemeinden be— zeichneten Personen auch aus allen anwesenden Schöffen Kandidaten. Außerdem steht es den Parteien frei, sich aus den Gemeindemitgliedern einen Vertrauensmann zu wählen, welcher dem Gerichte als stimmberech-= tigtes Mitglied beigesellt wird. . 2) Die Partei, welche mit der Entscheidung des Gerichts unzufrieden ist, hat in den unter 3) angeführten Fällen das Recht, im Laufe von vier Monaten nach erfolgter Entscheidung an den Distrikts Kommissar oder auch direkt an die Kommission für Bauern ! Angelegenheiten zu appelliren.

3) Die Kommission annullirt die Entscheidung der Gemeindegerichte: a) wenn durch dieselbe gegen die Edikte vom 19. Februar (2. März) 1864 oder gegen die vom Organisationscomité zur Entwicklung oder Ergänzung derselben erlassenen Vorschriften verstoßen wird; b) wenn das Gemeinde— gericht eine Entscheidung über Land getroffen hat, welches nicht Bauern gehört oder sich in einer anderen Gemeinde befindet.

) Die Gemeindegerichte entscheiden laut §. 60 des Edikts vom 19. Februar (2. März) 1864 über die Organisation der Gemeinden ent- weder auf Grund vorliegender schriftlicher Abmachungen und Verpflich- tungen, oder in Ermangelung solcher nach den Ortsgebräuchen und der Sitte, die im Bauerleben üblich ist. In jedem Fall muß das Gericht sich bemühen, die Parteien zu friedlicher Einigung zu veranlassen, und kann erst, wenn diese Bemuͤhung erfolglos geblieben, zur Fällung des Urtheils schreiten.

Anmerkung. Bei Verhandlung von Streitsachen über Erbschaf und Theilung von Immobiliarvermögen richten sich die Gemeindegerichte außer der üblichen Sitte in Betreff der Theilung der Hofstellen nach den Vorschriften, welche das Organisations - Comité laut §. 19 des Edikts vom 19. Februar (2. März) 1864 über die Organisation des Bauern- standes entworfen hat.

In der 10. Sitzung der Petersburger Goup.-Landversamm⸗ lung vom 22. Dezember wurde die sehr wichtige Frage über die Maßnahmen zur Verminderung der Trunksucht des Volkes verhandelt. Die Veranlassung, daß diese Frage auf die Tagesordnung gekommen, war der Beschluß, welchen die Krasnoje— Sselo'sche Kreisversammlung auf Grund der ihr eingesandten Bitten zweier Woloste, die Eröffnung der Branntweinverkäufe mit Stof⸗ verkauf in den Dörfern von den Gemeinden abhängig zu machen, gefaßt hatte und dahin lautete, die Regierung um verschie · dene Maßnahmen zur Verminderung der Trunksucht zu bitten. Mehrere der angedeuteten Maßnahmen waren durch bereits erlassene Gesetze überflüssig geworden. Es blieben daher nur noch folgende zu diskutiren: 17 Die Eröffnung von Schenken auf Privat⸗ perfonen gehörigen Ländereien, die entweder innerhalb der Dörfer, oder im Ümkreise einer halben Werst von diesen entfernt liegen, soll in dem Falle von dem Gemeindebeschlusse abhängen, daß in dem Dorfe selbst kein Branntweinhandel besteht. 2) Personen, welche eine Bürgschaft für ihre Moralität von drei wohlhabenden und zuverlãäs⸗ gen Wirthen beibringen, soll es durch die Friedensrichter ⸗Versamm— lung gestattet werden, Schenken zu eröffnen. 3) Die Schenken der= jenigen Branntweinhändler, welche durch Mißbräuche die begründete Unzufriedenheit der Ortseinwohner erregen, sollen auf Bitten dieser letzteren auf administrativem Wege durch die Kreis ⸗Landämter ge⸗ schlossen werden können. Die Personen, welche heimlich Brannt⸗ wein verkaufen, sollen Strafe zahlen zum Besten derjenigen, welche dies Vergehen entdeckt haben.

Nach einer längeren und lebhasten Debatte wurden die ersten drei der angeführten Anträge angenommen und beschlossen, auf die Gewährung derselben bei der Regierung hinzuwirken. Der vierte wurde abgelehnt, um nicht ein unsittliches Element in die Gesetzgebung zu bringen. Gleichzeitig wurde die Gründung von Mäßigkeitsver—⸗ einen in Anregung gebracht, und beschlossen, diese Angelegenheit den Kreislandämtern zur Kenntnißnahme mitzutheilen. Schließlich kamnoch die Frage über die Organisation des Medizinalwesens in den Dörfern zur Sprache, in welcher die Versammlung beschloß, dem Gouv. - Landamt aufzutragen, in der nächsten Sitzungsperiode der Versammlung einen Plan zur Organisation des Medizinalwesens vorzulegen. .

Moskau. Der »Stimme« wird geschrieben, daß mit dem nächsten Jahre Herr J. P. Botscharow eine neue wöchentlich er⸗ scheinende Zeitung unter dem Titel »Moskauer Zeitung heraus- geben wird.