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— Die diesjährige Frühjghrsparade der Ber— liner Garnis n heute, Vormittags 10 Uhr, auf dem In⸗ fanterie⸗Exerzierplatze auf dem Kreuzberge statt. Die dazu befehlig⸗ ten Truppentheile erschienen im Parade⸗Anzuge mit Gepäck, die Fußtruppen in leinenen Hosen. Die Truppen waren so zeitig aus ihren Quartieren ausgerückt, daß sie um gz. Uhr in das ihnen durch einen Generalstabsoffizier bezeichnete Aligne— ment einrücken konnten. Die Aufstellung wurde einige Hundert Schritt östlich von der nach Tempelhof führenden Chaussee und zwar mit der Front gegen diese genommen. Die gesammte Parade ⸗Aufstellung, unter Befehl des kommandirenden Gene— rals des Garde⸗Corps, Generals der Kavallerie, Prinzen August von Württemberg, Königliche Hoheit, war wegen der vielen dabei betheiligten Truppentheile in zwei Treffen getheilt. Das erste Treffen bestand aus der gesammten Infanterie, den Garde— Schützen und Garde-Pionieren, unter Kommando Sr. Excellenz des General ⸗Lieutenants und Commandeurs der 2. Garde⸗Infan⸗ terie⸗Division, von Loewenfeld, das zweite Treffen aus der gesamm⸗ ten Kavallerie, der Artillerie und dem Train, unter Kom— mando des General⸗Majors und Commandeurs der Garde— Kavallerie⸗Division Grafen von der Goltz. Die Truppen des ersten Treffens waren: das Kadetten⸗Corps Berlin unter OHherst von Wartenberg resp. Oberst⸗Lieutenant des Barres, die 3 Ba⸗ taillone des 2. Garde⸗Regiments zu u unter Oberst⸗Lieute⸗ nant von LEstoeg, an Stelle des erkrankten Regiments⸗Com— mandeurs, die 3 Bataillone des 4. Garde⸗Regiments zu Fuß aus Spandau unter Oberst Baron von der Osten⸗Sacken, zusammen die 2. Garde⸗Infanterie⸗Brigade bildend unter Kom⸗ mando des General⸗Masors von Pape; die drei Bataillone des Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiments Nr. unter Oberst
Knappe von Knappstädt, die drei Bataillone des Kaiser Franz⸗ Garde⸗Grenadier ⸗ Regiments Nr. ? unter Oberst Freiherr von Medem, zusammen eine kombinirte Garde⸗Grenadier- Brigade bildend unter Kommando des General⸗Majors und Comman— deurs der 4. Garde Infanterie-Brigade Freiherrn von Loënz das 1. und 3. Bataillon des Garde⸗Füsilier Regiments (das 2. Bataillon dieses Regiments ist bekanntlich zur Zeit in Spandau) unter Oberst und Flügel ⸗ Adjutant Sr. Majestät des Königs von Werder, das Garde⸗-Schuͤtzen⸗ Bataillon unter Oberst⸗Lieutenant von Besser und als linker Flügel das Garde⸗ Pionier⸗Bataillon unter Major Bogun von Wangenheim, zu⸗ sammen eine kombinirte Brigade bildend, unter Kommando des General⸗Majors und. Commandeurs, der 3. Garde— Infanterie ⸗Brigade von Budritzli. — Die Truppen des zweiten Treffens waren: das Garde⸗Kürassier ⸗Regiment unter Oberst von Lüderitz, das 2. Garde-Ulanen⸗Regiment unter Oberst Heinrich Prinz von Hessen und bei Rhein, Großherzogliche Hoheit, das 1. Garde⸗Dragoner⸗Regi⸗ ment unter Sberst von Barner, das 2. Garde⸗Drgagoner⸗Regi⸗ ment unter Oberst und Flügel⸗Adjutant Sr. Majestät des Königs Graf Finck von Finckenstein, zusammen die kombinirte Kavallerie⸗Brigade bildend, unter Kommando des General⸗ Majors und Commandeurs der 3. Garde⸗-Kavallerie⸗ Brigade Grafen von Brandenburg II., das Garde ⸗Feld⸗⸗Artillerie⸗ Regiment unter Oberst von Scherbening, das Garde⸗-Train⸗ Bataillon unter Oberst von Lettow, sowie als linker Flügel das Brandenburgische Train-Bataillon Nr. 3 unter Oberst Troschel, zusammen ünter Kommando Sr. Durchlaucht des General—⸗ Majors und Commandeurs der Garde-Artillerie⸗ Brigade, Prinzen Kraft zu Hohenlohe⸗Ingelfingen. — Die Formation war bei der Infanterie in Kolonnen in Compagniefront, bei der Kavallerie in Regiments-Kolonnen in Eskadrons, bei der Artillerie und bei dem Train in Linie. — Auf dem rechten Flügel des 1. Treffens waren außerdem noch auf— gestellt: die Leibgendarmerie Sr. Majestät des Königs und die sämmtlichen Stäbe der hiesigen Garnison. Se. Majestät der König erschienen in Begleitung Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs von Mecklenburg-Schwerin und Ihrer Königlichen Hoheiten des Kronprinzen und der Prinzen Carl und Friedrich Carl, sowie der Prinzessinnen Carl, Friedrich Carl und Luise von Preußen. Unter der zahlreichen Generalität befanden sich der Gouverneur von Berlin, General der Kavallerie Graf von Waldersee, der General-Inspecteur des Militair— Erziehungs- und Bildungs-Wesens, Genergl der Infanterie v. Peucker, der kommandirende General des 5. Armee⸗Corps General der Infanterie von Steinmetz, der kommandirende General des J. Armee -Corps, General der Infanterie Vogel von Falckenstein, der Chef des Generglstabes der Armee, Ge⸗ neral der Infanterie Freiherr von Moltke, der Kriegs- und Marine⸗Minister, General der Infanterie von Roon, der Ge— neral⸗Inspecteur der Artillerie, General der Infanterie von Hindersin, sowie der General-Lieutenant und Direktor der Kriegs— Akademie von Etzel ꝛc. Beim Erscheinen Sr. Majestät wurden auf Befehl des Commandeurs der gesammten Parade ⸗Aufstellung,
Prinzen August von Württemberg, Königliche Hoheit, die Honneurs im Ganzen und später beim Abreiten der einzelnen Truppentheile regimenterweise wiederholt, sobald sich Se. Majestät dem betreffenden Truppentheile näherten. Das et Treffen wurde, nachdem das erste vom rechten Flügel aus abgeritten war, vom linken Flügel aus gesehen, zu welchem Zweck sich auch die resp. Commandeure auf den linken Ihe ihrer Abtheilungen begaben. Sobald. Se. Majestät der
önig eine Brigade passirt hatte, begann die Formation zum Vorbeimarsch. Der Parademarsch wurde zweimal ausgeführt und zwar bei der Infanterie zuerst in Compagnie⸗-Front und dann in Regiments-Kolonne, bei der Kavallerie zuerst in halben Escadrons im Schritt, dann in ganzen Escadrons mit halben Distanzen im Schritt, bei der Artillerie zuerst in Batterieen im Schritt, dann die Fuß-Abtheilungen zu 2, die reitenden Abtheilungen zu 3 Batterieen im Schritt und beim Train zu— erst zu 4, dann zu 8 Fahrzeugen ebenfalls im Schritt. Die Fahnen wurden nach der Parade durch das 2. Garde⸗Regi— ment zu Fuß, die Standarten durch das Garde⸗Kürassier⸗-Regi= ment nach dem Königlichen Palais zurückgebracht. Die Trup— pentheile hatten, um keine Verkehrsstockungen in der Stabt herbeizuführen, sowohl beim An⸗ als Abmarsch Wege öhstlich und westlich der Friedrichsstraße wählen müssen, und nur die Fahnen-⸗-Kommaändos des 2. Garde ⸗Regiments und Garde-Kürassier⸗Regiments passirten die Friedrichs. straße. Den hier anwesenden fremdherrlichen deutschen Offizieren waren, sofern sie nicht Stellen in der
Front erhalten hatten, besondere Stellen angewiesen worden, eben so waren die zur Dienstleistung bei den in der Parade
stehenden Truppentheilen kommandirten preußischen Offiziere n, Truppentheile ebenfalls bei der heutigen Parade einge— reten.
. Aus Anlaß der großen Parade ifindet heute Nachmittag im Weißen Saale des Königlichen Schlosses große Militairtafel und Abends im Königlichen Opernhause eine Militair⸗Fest⸗ vorstellung statt.
— Nach den beim Ober Kommando der Marine einge. gangenen Nachrichten ist S. M. Dampfkanonenboot »Blitz⸗ am Asten huj. von Palermo nach Algier in See gegangen.
„Hamburg, 28. Mai. In der gestrigen Sitzung der Bürgerschaft wurde die Beantragung einer Vermittlungs— Deputation auf Grund des Art, 70 der Verfassung zur Ver— mittlung der bezüglich Erlassung einer Amnestie zwischen Se— t ö. Bürgerschaft vorliegenden Meinungsverschiedenheit be
ossen.
Sachsen. Dresden, 28. Mai. Beide Kammern haben heute ihre Schlußsitzungen gehalten. Die Erste Kammer hat bei der wiederholten Abstimmung über die Ahschaffung der Todesst rafe die Regierungs-Vorlage mit 20 gegen 16 Stim— men abgelehnt, während die Zweite Kammer dieselbe nochmal mit 40 gegen 24 Stimmen angenommen hat. — In der Eisen—
bahnfrage ist zwischen beiden Kammern über alle Punkte ein
Einverständniß erzielt worden. — Am Sonnabend wird der
Landtag geschlossen.
Baden. Karlsruhe, 26. Mai. Der Großh. Oberschul— Rath ist gegenwärtig mit der Ausarbeitung der Vollzugẽs— Verordnungen zu dem Gesetz über den Elementar⸗Unterricht
beschäftigt. Württemberg. Stuttgart, 26. Mai. Das Regie—
rungsblatt Nr. 18 enthält die mit dem letzten Landtag verab⸗
schiedete Strafprozeßordnung.
Bayern. München, 27. Mai. Der gestern hier auf Befehl des Königs durch den dazu bevollmächtigten Regierungk— Commissair Ministerial-Rath Freiherrn von Völdern dorff einerseits und den Gesandten der Vereinigten Staaten, Herrn
Bancroft andererseits unterzeichnete Staatsvertrag bezüglich der
Staatsangehörigkeit Ausgewanderter stimmt im Wesentlichen
mit dem gleichen Staatsvertrag zwischen dem Norddeutschen
Bund und den Vereinigten Staaten überein.
Telegraphische Depeschen aus dem Wolff'schen Telegraphen ⸗Bürean.
„Wien, Freitag, 29. Mai, Vormittags. Der bisherige russische Botschafter, Graf Stackelberg, hat dem Kaiser gestern in besonderer Audienz sein Abberufungsschreiben überreicht und ist nach Paris abgereist.
Wien, Freitag, 29. Mai, Vormittags. Der »Presse« zu— folge ist in einem gestern unter dem Vorsitze des Kaisers ab— gehaltenen Ministerrathe beschlossen worden, das Projekt be— kreffs der Vermögenssteuer fallen zu lassen und dem AUntrage der Minorität des Budget⸗Ausschusses auf eine Couponssteuer im Betrage von 20 Prozent zuzüstimmen. In Betreff des Antrages der Majorität auf eine 25prozentige Zinsen ⸗ Reduction erklärte die Regierung, daß sie eine derartige Vorlage dem Kaiser zur Sanction nicht unterbreiten könne. (W.)
oder im Gange zu erhalten.
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Florenz, Donnerstag, 23. Mai, Abends. In Beant— wortung einer Interpellation, betreffend die Aufhebung der geistlichen Körperschaften, erklärte der Finanzminister, er be— halte sich vor, in der nächsten Zukunft über seine hierguf be. züglichen Finanzpläne Näheres mitzutheilen, und wolle für jetzt nur andeuten, daß er beabsichtige, die geistlichen Güter für die Aufhebung des Zwangscourses und für die Deckung des noch
restirenden Defizits zur Verwendung zu halten. Fortsetzung des Nichtamtlichen in der 1. Beilage.
NReichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 29. Mai. In der gestrigen Sitzung des Reichs—⸗ tags des Norddeutschen Bundes nahm in der Debatte über den die Aufhebung der Schuldhaft betreffenden Gesetzentwurf, der Geheime Ober⸗Justiz Rath Dr. Pape nach den Ausführungen des Abg. Twesten das Wort wie folgt;
Meine Herren! Der §. 2 der Vorlage beschränkt die Schuldhaft nach einer zweiten Richtung. Die Beschränkung bezieht sich, wie ich bereits gestern hervorzuheben mir erlaubte, auf eine gewisse Art des Sicherheitsarrestes. Der Sicherheits— arrest ist oft nichts weiter, als die der wirklichen Zwangs⸗ vollstreckung vorausgehende oder in der That nur eine beschränkte Execution. Es enthielte einen unlösbaren inneren Vide rin , die Schuldhaft als Executionsmittel beizubehalten, die Körperschaft als Sicherheitsarrest, wo dieser nur die antizipirte Execution ist, beizubehalten; aber, meine Herren, — und das hat der Herr Abg. Twesten vollständig üͤbersehen — der Sicherheitsarrest ist mitunter nichts weniger als die die Zwangsvollstreckung vorwegnehmende Execution. Näher betrachtet, werden Sie finden, daß der Sicherheitsarrest häufig keineswegs darauf gerichtet ist, unmittelbar die Erfül⸗ lung des bereits ergangenen oder des künftigen Judikats zu sichern; häufig bezweckt er nur, dem Gläubiger prozessualische Handlungen zu ermöglichen, deren er bedarf, um seine Rechte vor Gericht mit Erfolg geltend zu machen und durchzuführen. Meine Herren, in dieser Bedeutung kommt der Sicherheits arrest in sehr verschiedenen und zahlreichen Anwendungen vor. Wichtige Fälle seiner Anwendung nach deutschem Recht — ich spreche nicht blos von preußischem Recht, weil wir das gesammte Bundes⸗ gebiet ins Auge zu fassen haben — sind folgende. Der persön⸗ liche Sicherheits⸗Arrest dient zur Begründung des Gerichtsstandes, ein wichtiger Umstand, weil dem deutschen Rechte der Grund⸗ satz des französischen Rechtes: »Der Inländer kann jeden Aus⸗ länder unbehindert vor die inländischen Gerichte ziehen« un be⸗ kannt ist. Nach deutschem Rechte ist regelmäßig zur Begrün⸗ dung des Gerichtsstandes gegen Fremde der Arrestschlag erfor⸗
derlich. Der persönliche Sicherheits-Arrest dient ferner zur Er—
möglichung der Fortsetzung eines anhängigen Prozesses, weil Ladungen ergehen müssen, für deren Erleichterung in Fällen der Abwesenheit u. dgl., nicht ähnlich wie im französischen Recht, überall im deutschen Recht gebührend gesorgt ist. Dieser Sicherheits Arrest steht in engem Zusammenhange mit der cautio judicio sisti. Der persönliche Sicherheitsarrest ist in der Form der Realeita⸗ tion erforderlich, um das Prozeßverfahren in Gang zu bringen Von Belange sind in dieser Be⸗ ziehung die partikularrechtlichen Vorschriften über die Realeita⸗ lion zum Zweck des Sühneversuches oder zum Zweck der Er⸗ möglichung des Contumacial-Verfahrens, in welcher letzteren Hinficht ich namentlich auf die Leipziger Handelsgerichts-Ord⸗ uung verweise. Meine Herren, ich bleihe bei der Behauptung, die Kealcitation, wenn die Partei wider Willen und gezwungen vor den Richter geführt wird, ist eine Art der Kaptur. Der persönliche Sicherheitsarrest ist das gesetzlich: Mittel, um in diesem oder jenem Prozesse, namentlich in Besitzprozessen, einst⸗ weiligen Verfügungen des Gerichts die Anerkennung und Be— folgung zu sichern. Er wird im Konkurse benutzt als Mittel, um die Abwickelung des Konkursverfahrens in der vom Gesetz beabsichtigten Weise zu erreichen. Es ist ein Irrthum, wenn der Herr Abg. Reichensperger behauptet nach preußischem Konkursrecht werde die Verhaftung des Kridars nicht als Sicherheits-Arrest aufgefaßt. Die Vorschrift, worauf Bezug genommen wird, will etwas ganz Anderes sagen; sie will be, deuten, der Kridar, der zum Arrest abgeführt wird, soll nicht als Strafgefangener, nicht als Untersuchungsgefangener behandelt werden, sondern nach den Vorschriften über die Be— handlung der Schuldgefangenen. Was das Manifestationsver— fahren angeht, so glaubeè ich, gegenwärtig keinen Anlaß zu haben, mich weiter darauf einzulassen, weil die betreffende Frage gestern schon erledigt ist; gleichwohl will ich zu bemerken nicht unterlassen, daß der Herr Abg. Reichensperger, wenigstens vom Standpunkte des preußischen Rechtes, das Manifestatiens— verfahren nicht richtig beurtheilt. In Preußen wird die Verpflich⸗ tung des Schuldners, das Vermögen eidlich zu manifestiren, als
eine Verpflichtung zur Leistung einer Handlung aufgefaßt. Dies können Sie daraus erkennen, daß diejenigen Personen, welche von der Schuldhaft befreit sind, aber der executio ad faciendum mittelst Personalarrest unterliegen, auch mittelst Personalarrest zur Ableistung des Manifestätionseides gezwun⸗ gen werden können. Meine Herren, die mitgetheilten Beispiele werden genügen, um folgendes klar zu machen. Wenn der eben geschilderte und näher erläuterte persönliche Sicherheits- arrest gänzlich unterdrückt wird, nun so werden sich noch weit gefährlichere und viel schädlichere Lücken ergeben, als im Falle der Aufhebung der Schuldhaft bei der executig ad facien- dum. Die Gesetzgebung wäre unausweichlich genöthigt, sofort nähere Bestimmungen zu treffen über den Gerichtsstand, über das Kontumazialverfahren, über die Ladung z4., Vorschriften, die passend für das gesammte Bundesgebiet erst die allgemeine CTivil-⸗Prozeß⸗Ordnung bringen kann. Die gänzliche Abschaffung jenes eigenthümlichen Sicherheitsarrestes wäre vielleicht unge— fährlich vom Standpunkte des rheinischfranzösischen Rechtes, weil diesem Recht der bezeichnete Sicherheitsarrest nur im be— schränktesten Maße bekannt ist. Als aber in Ihrer Kommission die deutschen Partikularrechte näher gewürdigk wurden, da hat ch soweit ich mich entsinne, auch nicht eine Stimme dafür er⸗ oben, es könnte der Sicherheitsarrest allgemein aufgehoben werden. Allerdings trat eine Verschiedenheit der Ansichten her⸗ vor. Diese Verschiedenheit ,. indeß nur auf einen be⸗ sondern Punkt. Der §. 2 der Regierungsvorlage bestimmt: »Die gesetzlichen Porschriften, welche zur Sicherung der Ein—⸗ leitung oder Erledigung des Verfahrens den Personal ⸗Arrest gestatten (Sicherungs-⸗Arrest) bleiben unberührt. «
Der Zweifel, meine Herren, den der Abg. Twesten ange— regt hat, ist allerdings von keiner Seite zur Sprache gebracht, nämlich der Zweifel, wie es denn mit den Bedingungen zur nend fg dieser Vorschrift in Bezug auf die Beweislast und die Beweisführung u. s. w. sich verhalte. Ein Zweifel kann aber auch in dieser Beziehung nicht entstehen. Der §. A führt ja keine neue. Vorschriften ein, sondern er bestimmt nur, daß es bei bestehenden Vorschriften sein Bewenden behalte. Es wird, also in jedem einzelnen Falle das Par- tikularrecht zu entscheiden haben, ob z. B. der volle Beweis nöthig oder die Bescheinigung im Sinne des Arrestprozesses hinreichend sei. Der Zweifel innerhalb der Kommission betraf einen anderen Punkt; es wurde gefragt, ob die Vorschrift denn auch auf das Executionsverfahren sich beziehe. Nach meiner Ueberzeugung muß die Frage unbedingt bejaht werden; von anderer Seite wurde aber die Verneinung für erforderlich er⸗ achtet, weil sonst die Schuldhaft als Executionsmittel auf einem Umwege sich in praktischer Geltung erhalten würde. Nach meiner Ansicht, meine Herren, kann es keine Besorgniß geben, die so unbegründet wäre, wie diese. Die ,,, kann nur von demjenigen gehegt werden, welcher befürchtet, die Gerichte würden eine Auslegung versuchen, die mit dem klaren Wort⸗ verstande des §. 2 im Widerspruch steht, noch entschiedener aber dem Prinzip des §. 1, dem deutlichen Zweck und der klaren Absicht des Gesetzes widerstreht. Der 8. 2 in seiner weiten Fassung auch die Executionsinstanz umfasssend, muß in diesem weiten Umfange aufrecht erhalten werden, so⸗ wohl aus inneren Gründen, als aus Gründen der praktischen Zweckmäßigkeit. Zunächst ist es meines Erachtens ein mit nichts gerechtfertigter Widerspruch, das Prozeßverfahren anders als das Executionsverfahren zu behandeln. Fassen Sie sodann die Zweckmäßigkeit angehend . das Executionsverfahren näher in's Auge, so können Sie gar nicht leugnen, daß es sich zutragen kann, daß der Schuldner, wenn er seiner Freiheit nicht vorläufig beraubt wird, diese dazu benutzt, um die Execution in das Vermögen gänzlich zu vereiteln, dem Gläubiger also das Recht zu entziehen, welches ihm unmög— lich verkümmert werden darf. Es kann der volle Beweis vor— liegen, daß der Schuldner, welcher unter Execution steht, sein gesammtes Vermögen versilbert, den Erlös versteckt hat und im Begriff steht, damit in einen andern Welttheil zu ent⸗ weichen. Soll dann der Gläubiger nicht befugt sein, durch vor- läufige Verhaftung des Schuldners, diesen an der Ausführung seines unredlichen Vorhabens zu verhindern und sich selbst die prozessualischen Handlungen fur die Execution in das Vermögen zu sichern? Indem der §. A die fernere Zulässigkeit des erläuterten Sicherheitsarrestes auf ein Prinzip zurückführt, was . noth⸗ wendig ist, um sich nicht in die vom Abg. Twesten so sehr empfohlene, aber meines Erachtens mehr als mißliche und völlig unabsehbare Kasuistik zu verlieren, erlaubt er zugleich, das neue Gesetz auch auf die Ausländer zu erstrecken. In Gemäßheit des Prinzips des §. 2, welches Prinzip gleichmäßig für den Inländer und Ausländer gilt, also eine ungleichmäßige Behandlung der Frem⸗ den und der Inländer weder direkt noch indirekt ausspricht, wird der Ausländer der Verhaftung unterliegen, wenn er im Inlande kein Vermögen besitzt und wenn zugleich feststeht, daß
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