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die Zinsgarantie bis zur Hälfte des Anlagekapitals über- nehmen soll. ; . .
Das Folkething verwarf beute die Forderung des Ma— rine⸗Ministers, die zum Bau eines großen Panzerschiffs erfor⸗ derlichen Mittel zu bewilligen.
— 13. Dezember. (W. T. B.) Seitens des Königs von Dänemark und des Prinzen von Wales sind Telegramme an den König Georg nach Athen gerichtet worden, um denselben zu bestinimen, den gerechten Forderungen der Pforte zu ent⸗ sprechen und ihn auf die Gefahren aufmerksam zu machen, welche die Situation für die Dynastie herbeiführen könnte.
Amerika. New⸗York, 9. Dezember. Aus Neuschott⸗ land sind hier Nachrichten von einem heftigen Sturme ein⸗ getroffen. In Halifax richtete derselbe zu Land und Wasser großen Schäden an; 30 Schiffe wurden mehr oder minder be—
schädigt.
d Asien. Hongkong, 21. November. Englische Kriegk—⸗
schiffe sind nach Nanking abgegangen, um die Ansprüche des englischen Konfuls auf Entschädigung für die in Hangtschgu und auf Formosa verübten Gewaltthaten zu unterstützen. An ersterem Orte machten 509 Chinesen einen Angriff auf das britische Missionshaus; in Formosa verweigerte ein Mandarin
den sich zu ihm Flüchtenden Schutz.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 14. Dezember. In der Sitzung des Hauses der Abgeordneten am 12. d. M. äußerte bei der General⸗Diskussion über den Etat der geistlichen 2c. Angelegenheiten der Minister Dr. v. Mühler, in Anschluß an die Rede des Abg. Wehren— pfennig, was folgt: .
Der Herr Abgeordnete, der so eben gesprochen hat, ist in seiner Rede von einer Auffassung ausgegangen, die ich voll⸗ kommen theile.
Ja, meine Herren, er ist ausgegangen von der Auf—
fassung, daß der Standpunkt, den das Unterrichtswesen im 16. Jahrhundert eingenommen hat, für heute, für das 19. Jahrhun⸗ derf nicht mehr durchaus passe, daß Entwickelungen in dem Kultur⸗ leben vorg an en seien, die nicht ignorirt werden dürften. Das
ist ein Satz, den die Geschichte unsres Unterrichtswesens von Schritt zu Schritt und von Stufe zu Stufe belegt, der aber in keiner Weise die Konsequenzen und die Voraussetzungen recht⸗ fertigt, welche im Laufe des Vortrages vorgekommen sind. Allerdings ist von der Zeit der Reformation her bis gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts für die höheren Bildungsanstalten ein anderes Prinzip nirgend in Deutschland anerkannt gewesen, als das der ausschließlich konfessionellen Gestaltung der einzelnen Schulen. Die Reformation hat zuerst auf dem Gebiete der evangelischen Kirche höhere Bildungsanstalten auf dem Fuße, wie wir sie heute besitzen und mit dem Namen der Gymnasien zu bezeichnen pflegen, ins Leben gerufen. Die katholische Kirche folgte ihr nicht lange danach, und beide Klassen von Bildungs⸗ anstalten gingen parallel, in häufigem Kampfe und Widerstreit mit einander, den Gang ihrer Entwicklung. Das höhere Schul⸗ wesen wurde zur Zeit des westfälischen Friedens und noch zur Zeit des Reichsdeputations-Hauptschlusses in dem Maße als lein Annexzum der kirchlichen Gliederung angesehn, daß es in diesen genannten Reichsakten als. Perti⸗ nenz derjenigen Religionspartei bezeichnet wurde, welcher ein größeres oder geringeres Maß von Berechtigung in einem Lande zuerkannt wurde. Wenn in einem Lande einem der beiden Bekenntnisse der öffentliche Religionsstatus garantirt war, so wurde ihm gleichzeitig damit nicht nur der Besitz seiner kirchlichen Anstalten, sondern auch die damit verbundenen und in Zusammenhang stehenden höheren Unterrichtsanstalten als ein rechtmäßiger konfessioneller Besitz garantirt. Dieses Prinzip und die daraus für die Konfession hervorgehende Berechtigung ist auch in der eklatantesten Weise von dem Könige Friedrich II. anerkannt worden. Als durch päpstliche Bulle der Jesuiten⸗ orden aufgehoben wurde, war es König Friedrich der Große, welcher den Jesuitenorden in Schlesien nicht aufhob, sondern ihn fortbestehen ließ, so lange bis er zu einer Reorga⸗ nisation des höheren Schulwesens schreiten konnte. Dann that er es, entzog aber die Mittel, welche der Jesuitenorden für das höhere Schulwesen besaß, nicht dem katholischen Schulwesen, sondern er eentralisirte sie zu einem schlesischen katholischen Haupt⸗Schulfonds, aus welchem heutigen Tages noch die schle⸗ sischen katholischen Gymnasien erhalten werden.
So ist nach jeder Seite hin das Prinzip der Gerechtigkeit von unsern Königen gehandhaht worden. Die Entwicklung, die das öffentliche Leben und die Verhältnisse der Konfessionen in Deutschland genommen haben, hat aher vornehmlich seit dem Beginn dieses Jahrhunderts einen veränderten Weg eingeschla—⸗ gen. Bis zum Reichsdeputations⸗Hauptschluß waren im Großen
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Im weiteren Verlauf der Geschichte ist ein Durcheinander dringen der Konfessionen, eine Mischung derselben in den ar schiedenen Landestheilen in einem noch viel höheren Maße he borgetreten, Die Natur eines großen Stagtes bringt ez in sich, daß nicht in jeder Stadt und in jeder Provinz, für jezt Amt und für jede Stelle die konfessionelle Frage und die tun fessionelle Eigenschaft dessen, der da berufen werden soll, maß gebend sein kann, sondern daß bei der Berufung sehr oft evang. lische Beamte, evangelische Staatsdiener in fatholische Gegenden kommen und umgekehrt. Es ist eine Nothwendigkeit, daß di Bevölkerung beider Konfessionen sich gegenseitig kennen und achten lernen muß, wenn der Bestand des Staates gesichen sein soll. Dieses Resultat des gegenseitigen sich kennen und achten Lernens ist bei uns in der preußischen Monarchie, wir dürfen es mit Dank gegen Gott bekennen, in einem Maße ent. wickelt, wie vielleicht in keinem anderen Staate! Wir dürfen die Freude darüber ausdrücken, daß dieses ,, e sich kennen und achten Lernen, dieses gegenseitige Respektirmh, der Rechte und Stellungen, die jeder Theil hat, gewiß noch im Wachsen sein wird, und daß, wo Vorurtheile auf der (nen oder andern Seite noch bestehen, dieselben in einem steigenden Maße ihren Boden verlieren werden. Diese Mischung dez kon fessionellen Verhältnisse hat dann aber mit Nothwendigken da— hin geführt, daß die scharfe und absolute Scheidung zwischen rein evangelischen und rein katholischen Anstalten nicht durch weg hat aufrecht erhalten werden können und aufrecht erhalten werden dürfen. Die ersten Fälle dieser Art, daß aus konfessio⸗ nell gesonderten Anstalten Simultananstalten für Evangelische und Katholische entstanden, sind gerade aus solchen Terri torialveränderungen hervorgegangen. Dies ist zuerst ge. schehen in Essen und in Erfurt, wo früher zwei verschk— dene, konfessionell geschiedene, kaum lebensfähige. Anstallen vorhanden waren und wo durch die Vereinigung dieser beiden schwer lebensfähigen Anstalten auf dem gemeinsamen christlichen Boden je eine lebensfähige hergestellt worden ist. Dat war dit Arbeit der preußischen Regierung. Als im Jahre 1862 — ein Fall, den ich in der vorigen Sitzung schon erwähnt habe — von dem Herrn Abg. von Sybel der Antrag gestellt wurde, alle höheren Lehranstalten der preußischen Monarchie, so weit sie nicht durch Statut ausdrücklich als konfessionell bezeichnet seien, für konfessionslos zu erklären, habe ich mich diesem An. trage widersetzt. Ich habe aber zu gleicher Zeit erklärt, daß die Königliche Staatsregierung keineswegs auf dem absoluten Prinzip einer konfessionellen Scheidung sämmtlicher Anstalten, auch der neu entstehenden, beharre, daß sie vielmehr, wo die gegebenen Verhältnisse es nothwendig machen und ein Bedürfni deutlich erkennbar sei, sie ihrerseits gern die Hand dazu bieten werde, daß gemeinschaftliche Anstalten für die beiden Konfessionen ge gründet würden. Diese Erklärung liegt in den Alten de Hauses. Es ist nun auch dem Magistrat in Breslau gam in dem Sinne, wie im Jahre 18675 hier die Erklärung abgegeben ist, der Bescheid zü Theil geworden; es ist von Seiten der Regierung nicht der mindeste Widerspruch entgegengeset— worden, eine Anstalt zu gründen, welche für die beiden in Breslau bestehenden Konfesstonen errichtet werden möchte. Der Magistrat hat dies aber nicht für annehmbar gehalten. Die Reglerung hat keineswegs die Stellung genommien, daß uu eine evangelische oder nur eine ausschließlich katholische Ansta dort gegründet werden solle; sie hat die Hand zum Frieden ge⸗ boten, zur Ausgleichung der beiderseitigen Differenzen. Wenn nun von Seiten der stadtischen Behörden und von Seiten der jenigen Herren, die den Anspruch derselben zu dem ihrigen machen, die Frage so gestellt wird: konfessionslos fessionell? so ist diese Scheidung nicht erschöpfend, h und verschweigt das in der Mitte Liegende, was durch ges 6 liche Entwickelung seine Berechtigung auch in unserem 1. erhalten hat; sie verschweigt die Frage von Simultan⸗ 3 paritätischen Anstalten. Daß die Königliche Staatregicg u bei der Festhaltung dieses Prinzips des Siniultanen oder * . tätischen, über welches hinauszugchen sie sich nicht veranlg . funden hat, sich im Einklange befindet mit denjenigen nn ö sätzen, welche die Verwaltung des preußischen Unterricht . fruͤheren Stadien bereits an den Tag gelegt hat, 9j es ihr keineswegs darum zu thun ist, eine Schroff ; der konfesstonellen und religiösen Beziehungen erzeugen (i wollen, wie es ihr fälschlicherweise zur Last gelegt wirt
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ie sich sehr wohl bewußt ist, für die Schule und in d 3 nur die großen Grundsätze des religiösen und si lich Lebens zu pflanzen, zum Beweise dessen erlauben Sie, daß ich Ihnen einige Aktenstücke vorlegen darf, von denen das eine us der Verwaltung des früheren Staats⸗Ministers von Alten⸗
ein herrührt, und die ganz das ausdrücken, was die König⸗ liche Staatsregierung auch heute noch festhält. In einem Er— lasse des Staats Ministers von Altenstein vom 2. Juni 1856 eit es unter Nr. ;: »Vor Allem muß der Lehrer bei dem eligionsunterrichte nicht aus dem Auge verlieren, daß es dem Staate darum zu thun ist, in den Mitgliedern seiner Schulen Ehristen zu erziehen, daß also auch nicht auf eine blos in der Euft schwebende, alles tieferen Grundes beraubte sogenannte Moralität, sondern auf eine gottesfürchtige sittliche Gesinnung, welche auf den Glauben an Jesum Christum und der wohl⸗ begründeten Erkenntniß der christlichen Heilswahrheiten beruht, hingearbeitet werden muß.«
Das ist das Prinzip, welches für das höhere Unter— richtzwesen in dem Jahre 1826 von dem Minister von Alten. stein etablirt worden ist und ferner befolgt wird. Es liegt noch eine andere Verfügung vor aus dem Jahre 1859, und zwar das Reglement für die Realschulen. Darin heißt es: »Die höhere Aufgabe der beiden oberen Klassen der Realschulen darf nicht dazu verleiten, Theologie statt der Religion zu lehren; es kommt darauf an, den Jünglingen, die in diesen Klassen über Religion zum letzten Mal eine eigentliche Unterweisung bekom— men, die rechte Ausrüstung für das Leben mitzugeben. Die Behandlun der evangelischen Heilslehre muß ihren Ausgang und ihre egründung immer im Zusamenhange der heiligen Schrift finden und den ethischen Gehalt der Lehren in Bezug auf die kirchliche Gemeinschaft und das innere Leben des Ein“ zelnen fruchtbar zu machen sich angelegen sein lassen. Die kon— sessionellen Unterscheidungslehren müssen besprochen werden, aber von dem Bewußtsein aus, daß in denselben die kirchliche Grundlehre und der protestantische Lehrbegriff so wenig wie der Inhalt des göttlichen Wortes sich erschöpft.
Für das Verständniß der heiligen Schrift in ihrem inneren Zusammenhange, welches eine Hauptaufgabe der Schule bildet, haben vereinzelte Notizen aus der sogenannten Einleitung in bas alte und neue Testament nur geringen Werth und sind auf das Nothwendigste zu beschränken. Dasselbe muß bei den Mittheilungen über Sekten und Lehrstreitigkeiten geschehen, weil der lirchengeschichtliche Unterricht hier vielmehr die Aufgabe hat, die Geschichte des Reiches Gottes auf Erden in großen Zügen darzustellen und biblisch zu begründen. « Meine Herren! Wenn Sie diese Erlasse sich vergegenwär— tigen, so glaube ich, daß die Hinweisung darauf allein genügt, um den Vorwurf eines engherzigen Konfessionglismus, für den lein Grund vorhanden ist, zuͤrückzuweisen. Auf die Spezia—⸗ lien in Beziehung auf die Unterrichts-Verwaltung einzugehen, glaube ich mir versagen zu dürfen, es würde leicht sein, auch diese Schritt für Schritt zu widerlegen. Ich bemerke nur, daß die Grundsätze, nach denen die preußische Schulverwaltung, so— wohl auf dem Gebiete des Elementarschulwesens, wie auf dem Hebiete des höheren Schulwesens zu Werke geht und welche für die Elementarschule in den bekannten Regulativen nieder— gllegt sind und für das höhere Schulwesen in den Aktenstücken, die ich vorgetragen habe, durchaus aicht übereinstimmen mit dem Bilde, welches der Herr Abgeordnete von den früheren Zuständen in Hessen uns vorgehalten hat, daß also die preu⸗ sische Regierung keineswegs Willens sein wird, die früheren Zu⸗ staͤnde, wenn sie so sind, wie sie geschildert worden, zu erhalten, vielmehr das Schulwesen auf denjenigen Fuß zu bringen, wie es in unseren alten Provinzen bestanden hat und noch besteht. Ich beschränke mich auf diese Bemerkungen und behalte mir vor, im weiteren Laufe der Diskussion, wenn noch That— sachen vorkommen, auch darauf Antwort zu geben.
— Im weiteren Verlauf der Diskussion erwiderte der Minister Dr. v. Mühler dem Abg. Grafen v. Bethusy⸗Huc: Der Herr Abg. Graf Bethusy⸗Hue hat in seiner Rede zwei Gegenstände vornehmlich zur Sprache gebracht, den konfessions⸗ sbsen Charakter der Schule und die Kreissynoden. Ich werde mich bei der vorgerückten Zeit kurz fassen. Er begründet die Forderung, daß das höhere Schulwesen konfessionslos sein soll, suf den Satz, daß beide, Religion und Wissenschaft, sich ani besten befinden würde, wenn ihre Gebiete getrennt sind, Eines 1 in das Andere eingreift. Dieser Satz hat auf den höheren tufen der wissenschaftlichen Bildung seine volle Berechtigung, und ich bitte Sie, auf unsere Universitäͤten zu blicken, in wel⸗ hen soweit sie nicht ausdrüctlich Biidungsqnstalten für hes. n der einen oder der andern Konfession sind, das Prinzip er wissenschaftlichen Freiheit unabhängig von dem konfessio⸗ zellen Charakter seine vollständige Ausbildung erlangt Hat. . Anderes aber ist es, wenn es sich um Schulen handelt, o die Zöglinge eintreten, in die Gymnasien mit dem
9. Jahre, in die Vorschulen, die bei den meisten Gymnasten sind / nit dem 7. oder 8. Jahre, während sie erst mit dem 9 . das Alter erreichen, welches sie befähigt, innerhalb ihrer Kon⸗ fessien ein bestimmtes religiöses Bekenntniß abzulegen, und wo der letzte Theil ihres Aufenthalts in der Schule, vom 14. bis 18. Jahre, in der Regel der kleinere und kürzere Zeitraum ist, den sie in dieser Anstalt zubringen. Ich glaube nicht, daß man Prinzipien, die auf einer höheren Stufe, bei dem schon heran—⸗ reifenden Jünglinge ihre e h ng haben, ohne Weiteres übertragen kann, auf eine Stufe, die dem Kindesalter so nahe steht, . Theil noch in demselben sich befindet. eine Herren! Wenn die Meinung ausgesprochen ist, da
das Wort »konfessionslos« in einer , ,. , 66 von der Gegenseite aufgebracht worden sei, so wird mir ja der Herr Abgeordnete aus Breslau bezeugen müssen, daß dieses Wort ., in den Vorstellungen des breslauer Magistrats ausge⸗ prochen ist, und daß es dort als eine ganz bestimmte Forderung hingestellt ist. Nicht von Seiten der Reglerung oder don irgend einer anderen Seite hat man jener Forderung diesen Namen aufge⸗· drängt. Jene Seite hat diesen Namen selbst gewählt zur Be⸗ zeichnung dessen, was sie damit hat ausdrücken wollen, und wäre dieser Ausdruck ein in sich so klarer, nach allen Seiten hin durchsichtiger, daß man die Tragweite deffelben übersehen könnte, so würde das Ja oder Nein auf diese Forderung nicht blos an der Stelle, die zunächst darauf zu antworten hat, son= dern auch in den weiteren Kreisen der Presse und öffentlichen Versammlungen, ich bin es überzeugt — ein einfacheres und sichereres sein, als es im Augenblicke ist. Welche Folgen, welche Konsequenzen hat der Ausdruck: y konfessionslos«? Bezieht er sich nur darauf, daß evangelische und katholische Lehrer an solchen Anstalten fungiren können? Das ist etwas, was zulässig ist. Bezieht er sich darauf, daß auch ein jüdischer Lehrer an solcher Anstalt fungiren kann? Auch das ist vom Standpunkt evangelischer Toleranz für zulässig angesehen worden, und es findet statt. Bezieht er sich aber darauf, daß ein weder evangelisches, noch katholisches, noch jüdisches, noch sonst einer be⸗= stimmten religiösen Färbung angehörendes Religionswesen das herrschende und bestimmende an der Anstalt sein soll, so bin ich wohl berechtigt, die Frage aufzuwerfen und die Forderung zu stellen, daß man mir erst nachweise, was denn das für eine Religion und was für ein Religionswesen es sein solle. Ich, für meine Person, bin nicht im Stande, mir eine Religion vorzustellen, die weder evangelisch ist, noch katholisch, noch jü— disch, noch einen andern bestimmt ausgesprochenen Charakter hat. Ich erkenne auch an, daß in den beiden großen christ⸗ lichen Konfessionen, der katholischen und der evangelischen, un—⸗ geachtet der tief greifenden Differenzen zwischen ihnen, doch eine große Summe gemeinsamen christlichen Bestandes vorhanden ist, die wohl im Stande ift, auch unter gegebenen Umständen ein gemeinsames Unterrichtswesen zu tragen. Aber damit allein erschöpft sich die Frage nicht. Die Schule kann sich in ihrer ganzen Existenz gar nicht losmachen von einer Menge bestimmter religiöser Fragen und Forderungen. Wie hat sich die religionslose Schule zu verhalten in Beziehung auf die Feier der Sonn und Fest⸗ tage? Soll sie den Sonntag allein feiern und den Sabbath, den Sonnabend, nicht? Dann ist das ungerecht gegen die Juden. Soll die religionslose Schule die katholischen und evangelischen Feiertage, die außerhalb des Sonntags liegen, allein feiern, so ist es ungerecht gegen die Juden, die ihre be—⸗ sonderen Feiertage haben. Und wenn andere Religionsparteien noch an demselben Orte bestehen, die ihrerseits wieder andere Festtage haben, so haben auch diese, wenn der Begriff des kon⸗ fessionslosen zur vollen Konsequenz durchgeführt wird, die Be⸗ rechtigung zu fordern, daß an diesen Tagen nicht blos die Schüler ihrer Konfession von der Schulpflicht freigelassen werden, sondern daß die Schule selbst feiere. Bei einer so extendirten Berücksichtigung aller möglichen Feiertage würde aber ein geordnetes Schulwesen nicht bestehen können. Die Schule hat einen Unterrichtsstoff in dem sich das religiöse Wesen ganz entschieden ausprägt. Die Schule hat ihre Schul⸗ feierlichkeiten, und nach den Prüfungen ist es gewöhnlich und üblich, daß wir am Schlusse einer solchen Feier das Lied zu singen pflegen: »Nun danket Alle Gott«, ein Lied, das gewiß keinen exklusiv konfessionellen Charakter trägt, aber allerdings den christlichen Charakter hat, nicht einen ausschließlich evange— lischen oder katholischen. Es enthält aber dieses Lied in seinem dritten Verse das Bekenntniß zu dem dreieinigen Gott. Ja, wenn die Schule sich nicht mehr christlich nennen darf, wenn sie konfessionslos sein soll, in dem Sinne, daß auch jedes nicht christliche Bekenntniß in voller Gleichberechtigung darin steht, so darf auch dieses Lied nicht mehr gesungen werden, und Sie berauben die Jugend dieses Liedes.
Die Schule beschäftigt sich mit unsrer deutschen Literatur. Wir haben auf den Boden unsrer deutschen Literatur keine großartigere Erscheinung, als Luther; er ist der Vater der
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