1869 / 39 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

678

der selbst nach der Schlacht von Langensalza noch die Hand⸗ 3 es 5 Georgs bestimmte, hauptsächlich das ent⸗ scheidende Moment für die hannoversche Politik gewesen ist. Jedenfalls machten wir vor dem Kriege dem hannoverschen Hofe nicht den Eindruck siegesgewisser Eroberer. Man glaubte im Gegentheil, der Moment sei gekommen, um das Netz über unserm Kopf zusammen zu ziehen; man rechnete auf die Uebermachtz, die der bundbrüchige Beschluß vom 14. Juni gegen uns ins Feld führen sollte, man rechnete, daß mit dem demnächst ver⸗ stümmelten Preußen es möglich sein werde, diejenigen deutschen Reformen, über die im Herbste 1863 der Fürstentag in Frank— furt a. M. tagte, ins Leben zu führen, während das unver⸗ stümmelte Preußen stark genug gewesen war, um durch seine einfache Abwesenheit dieses Projekt damals zu vernichten. Sie werden mir in dieser Frage einiges Urtheil zutrauen dürfen, da es keinen Mann in Preußen giebt, der länger als ich mit der deutschen Politik amtlich beschäftigt gewesen ist, und ich habe die Coalition, die uns im Jahre 1866 siegesgewiß gigen Übertrat, in wechselnden Formen seit dem Jahre 1851 in Frankfurt a. M. zu bekämpfen gehabt, zuerst in dem Bedauern, daß man uns den Frieden von Olmütz bewilligt habe, daß die Schwarzenbergsche Politik nicht mit Gewalt und Entschlossen— heit durchgeführt worden sei, nachher in vielfachen Versuchen, in gemäßigterer oder stärkerer Weise jene Politik wieder auf— zunehmen und schließlich im Glauben an die Ueberlegenheit der bewaffneten Bundesmacht im Frühjahr 1866, indem man nur die Ziffern der Bundes-Armee in Bexechnung zog, aber ihre Verf ässung nicht so kannte, wie wir sie kannten gegen unserer Feinde Erwartung. Wenn wir der uns angedrohten Gefahr der Vernich tung entgingen und als Sieger das Recht in der Hand hatten, die Verhältni sse zu reguliren, so kann man es wohl nicht eine ungerechte Eroberung nennen, die wir, nach⸗ dem man uns das Schwert in die Hand gezwungen, schließlich machten, indem wir lediglich an unsre eigne Sicherheit für die Zukunft dachten. ö.

Nicht die Frage, ob 2 Millionen Deutsche mehr oder

weniger in einem Staatskörper vereint sein sollten, war die.

entscheidende, sondern allein die Frage unserer Sicherheit. Es war der Beweis geführt, daß wir in kriegerischen Situationen eine so tüchtige Truppe, wie der hannoversche Volks— stamm sie liefert, nicht in unserm Rücken belassen durften, die Pflicht der Selbsterhaltung zwang uns, die Wiederkehr ähnlicher Konstellationen in unserem wie im

deutschen Interesse zu hindern, durch die hannoversche Politik

war uns die Beseitigung des Königreichs Hannover aufgezwun— gen. Es konnte das, sobald der Krieg entschieden, keine uner⸗ wartete Wendung für die hannoverschen Staatsmänner sein. Ich bin selbst in der Lage gewesen, sowohl mit den Rathgebern, die König Georg in der letzten Zeit seiner Regierung um sich gehabt hatte, als auch früher wiederholt alle Even⸗— tuglitäten zu besprechen, und ich hatte jederzeit mit voller Offenheit gesagt, Hannover habe in Zeiten der Gefahr nur eine sichere Politik, nämlich die: sich an Preußen anzuschließen. Unterliegt Preußen, so wird man Hannover nicht viel thun. Es wird dann vielmehr die klügste Politik sein, den Mittelstaat zu stärken auf Preußens Kosten. Siegt aber Preußen, so giebt es keinen sichern Schutz, als den, mit Preußen verbündet gewesen zu sein. Das preußische Königshaus würde sich an Verbündeten nicht vergreifen können, mit denen es die Verbindung vom sieben—⸗ jährigen Kriege her siegreich erneuert hätte. Es war diese Po— litik so einfach und natürlich, daß nur leidenschaftliche Verblen⸗ dung, Herrschsucht und die dynastische Eifersucht auf die falsche Bahn hat lenken können. Wenn wir nach dem Vertrage von Prag nach weiteren Mitteln zur Befestigung des Friedens umsahen, so schien uns eines dersel ben darin zu liegen, dem durch Fehler und Verblendung gefallenen Fürstenhause eine seiner Vergan- genheit würdige Stellung zu sichern, damit es sich mit dem Worte trösten könne, daß neues Leben aus den Ruinen blüht. Die natürliche Stellung dieses Hauses, aus der es durch die Ver⸗ schiedenheit des Erbfolgerechts in England und Hannover gerissen, bot sich in dem Reiche, an welches das Haus König Georgs Durch ebenso glorreiche Erinnerungen geknüpft war, wie die im Jahre 1866 es für uns sind, in dem Reiche, welches durch die Vorfahren des Königs Georg, durch Wilhelm von Oranien an der Spitze englischer und deutscher, auch brandenburgischer Truppen, vor 209 Jahren einer verderblichen Regierung entrissen wurde. Wir dachten uns den König Georg in dem Titel, den er noch führt, als Herzog von Eumberland, und waren überzeugt, daß er und seine Nachkommenschaft seiner Vergangenheit und, seiner Stellung entsprechend dotirt sein müsse. Diese Erwägung allein hat uns bestimmt, nicht aber der Glaube an irgend privatrechtliches Vermögensrecht eines Kriegsfeindes, der seinen Frieden mit uns noch nicht geschlossen hat. Es ist jetzt ungefähr Jahresfrist, daß die Königliche Re— gierung sowohl im andern Hause, wie diesem gegenüber, ihren

Einfluß aufgewendet hat, um dem Hause des Königs Georg En gg, renn, zu verschaffen. Als eine Abfindung sahen wir es an, weil wir viel mehr gaben, als König Georg be— sessen hatte. Die Zweifel, welche das Herrenhaus hinsichtlich der Zeitgemäßheit einer solchen Abfindung geltend machte, waren begründet durch die Gleichzeitigkeit der Verhandlungen mit den bekannten Vorgängen in Hietzing auf der silbernen Hochzeit. Diese Zweifel mußten auch im Sinne der Regierung von großem Gewichte sein, wir konnten uns unmöglich berechtigt halten, einen Fürsten, der uns noch als Kriegsfeind behandelte und entschlossen schien, diese Rolle fortzuführen, die Mittel da⸗ zu zu gewähren. Wenn wir dennoch die Vollendung der gesetz. lichen Grundlage der Abfindung nicht aufhielten, so geschah es, um keinen Zweifel an dem Ernste aufkommen zu lassen, mit dem wir diese Abfindung sicher stellen wollten. Wir wollten uns dem Vorwurfe nicht aussetzen, die preußische Regierung hätte eine unwürdige Komödie mit dieser Sache gespielt und wäre vor dem gesetzlichen Abschlusse zurückgetreten. Bei der Lügen⸗ haftigkeit der feindlichen Blätter wäre unser Verhalten jedenfalls entstellt worden. Wir legten deshalb Gewicht darauf, unseren guten Willen außer Zweifel zu stellen, und wir wollten zugleich eine gesetzlich gesicherte Basis fur zukünftige Verhandlungen schaffen, sobald uns König Georg oder seine Erben Bürgschaft für ihr Verhalten gewähren würden, Wenn uns das Vertrauen täuschte, welches wir in Fürstliches Ehrgefühl setzten, das Vertrauen, daß auch die stillschweigenden Bedingungen und Voraussetzungen des Vertrages gehalten werden würden, so waren wir überzeugt, daß die Gesetzgebung des preußi— schen Staats bereit und im Stande sein werde, den Schaden, den der Bruch dieses Vertrauens dem Lande zufügen könnte, in einheitlicher Beschlußnahme der Faktoren der Gesetz— gebung von diesem Lande abzuwehren. Daß Sie dies thun werden und mit großer Majorität thun werden, darüber bin ich nicht zweifelhaft. Ich habe aber doch zur Erläuterung des Beschlusses, von dem ich überzeugt bin, daß Sie ihn fassen werden, meine Stellung als Mitglied des Hauses und die Stellung der Regierung mit den eben gesprochenen Worten klarer bezeichnen wollen. J

In der General-Diskussion über den Gesetzentwurf, betreffend die Beschlagnahme des Vermögens des ehemaligen Kurfürsten von Hessen sprach der Minister-Präsident nach dem Berichterstatter Herrn von Meding:

In der Kommission ist von mehreren Seiten geltend ge⸗ macht worden, daß das Verfahren gegen Se. Königliche Hoheit den Kurfürsten im Vergleich mit dem gegen den König Georg ein besonders strenges wäre, indem weniger Beschwerdepunkte gegen den Kurfürsten vorlägen. Ich kann diese Ansicht nicht theilen. Ich würde sie theilen, wenn es sich um eine Konfisca— tion des Vermögens handelte. Es handelt sich aber um eine Maßregel, deren Folgen jederzeit beseitigt werden können, wenn Se, Königliche Hoheit der Kurfürst solche Bürgschaften giebt, welche die gesetzgebende Gewalt in Preußen davon überzeugen,

daß eine Wiederholung des bisher Erlebten nicht zu befürchten

steht. Mir scheint, daß im Gegentheil der Fall des Kurfürsten von Hessen noch einfacher liegt, als der des Königs von Hanno⸗ ver: beide Herren haben sich von den geschlossenen Verträgen los— gesagt, der König Georg durch Handlungen, der Kurfürst von Hessen aber durch ausdrückliche Erklärungen, die schriftlich vor—= liegen, die amtlich durch meine Vermittelung an Se. Majestät den König gerichtet sind, durch das bekannte an alle europäische Regierungen gerichtete Manifest. Ich darf dieses als bekannt voraussetzen, obschon ich mich nicht erinnere, daß es in den Kommissionsberichten des Hauses gedruckt gewesen wäre, es ist dazu zu lang. Es enthält die heftigste und beleidigendste Kritik der Politik der preußischen Regierung und schließt mit der Auf— forderung der europäischen Mächte, an die es gerichtet ist, durch thatkräftigen Beistand den Kurfürsten wieder in seine Länder einzusetzen, also die Provinz Hessen vom preußischen Staate wieder loszureißen, Ich sehe dieses Manifest als eine unmittelbare Betheiligung des Kurfürsten an den bedauerlichen Agitationen einer Presse an, deren Thätigkeit darauf gerichtet ist, den europäi⸗ schen Frieden und besonders den Frieden Deutschlands zu stören. Ich würde mich nicht berechtigt glauben, gegen Preßthätigkeit auf diesem Wege einzuschreiten, wenn nicht der Kurfürst durch seine Lossagung von dem Vertrage die gesetzliche Handhabe dazu ge⸗ boten hätte. Diese Handhabe nicht zu benutzen, würde eine schwere Vernachlässigung der Interessen des Landes involviren. Ungefährlich sind diese Agitationen in keiner Weise; Sie kennen dieselben aus den Blättern, die Sie lesen, und Sie können sich daraus ein Bild davon machen, wie dergleichen Entstellungen der Thatsachen in denjenigen Ländern, wo man sie zu koön⸗ troliren nicht so gut in der Lage ist, wie bei uns, in Ländern, wo man die Lüge über hiesige Verhältnisse nicht gleich an der Stirne zu erkennen vermag, daß dort die Eindrücke stärker sind als bei uns. Es ist an sich ein verhrecherisches Beginnen, zwei

nicht zu bewahren

679

große Nationen in der Mitte der europäischen Civilisation, die beiderseits den ernsten Willen hegen, mit einander in Frieden zu leben, die keine wesentlichen Interessen haben, welche sie tren— nen könnten in den Krieg hineintreiben zu wollen und sich zu diesem Zwecke mit einem großen Aufwande von Geldmitteln der gedruckten Lüge zu bedienen. Ich brauche nicht in allgemeinen Anschuldigungen zu bleiben, Keinem von Ihnen werden die Manöver entgangen sein, die darauf gerichtet sind, durch die Presse in Frankreich, bei einer im Punkte der Ehre und Tapfer⸗ keit lebhaft empfindlichen Nation, den Eindruck zu verbreiten, als wolle Deutschland seine durch seine Einigkeit gewonnene Erstar— kung zu einem Angriffskriege gegen Frankreich oder in irgend einer feindlichen Richtung gegen Frankreich benutzen. Diese Lüge

begegnet Ihnen alle Tage in französischen Blättern, ich brauche

Sie nur auf die Sammlung falscher Nachrichten aus den letzen Tagen aufmerksam zu machen, die in beiden Ländern künstlich verbreitet werden und bei denen man nicht begreift, ob man mehr über die Frechheit der Erfindung oder über die Einfalt und Leichtgläubigkeit der Leser und den großen Kreis erstaunen soll, der solche absurde Nachrichten ernsthaft nimmt, aber es zeigt das eben, wie wenig man mit den wirklichen Ver— hältnissen bekannt ist;, Sie haben die Fabeln gelesen von einem Familien ⸗Conseil⸗, das in Preußen zur Berathung über kriegerische Eventualitäten gehalten worden sei, eine Art Conseil, welche bei uns das Staatsrecht und das Königliche Hausrecht nicht kennt, S von militärischen Conseils, von der Räsirung des Glacis in Mainz, weil an der Promenade einige Sträucher verpflanzt werden, ferner von einer Aufforderung, die die Königliche Regierung an die süddeutschen Staaten gerichtet haben soll, sichin Kriegsbereitschaft zu setzen bis zum 1. April, indem Oesterreich und Frankreich daffel be thäten, und ich weiß nicht, was für Umtriebe, die wieder in Rumänien stattgefunden haben sollen, das ist aber nur eine Fortsetzung des Verleumdungssystems, nach dem diese Nation sich gegen die Ruhe von ganz Europa hartnäckig verschworen haben soll. Alle diese Nachrichten würden an und für sich unbedeutend sein, sie stehen gewöhnlich zuerst in leicht zugäng⸗ lichen Winkelblättern, gewinnen aber dann eine ganz andere Bedeutung durch die Mitwirkung der Telegraphen. Wenn z. B: in der »Bayerischen Landes⸗Zeitung« steht, Preußen habe Süddeutschland zur Kriegsbereitschaft aufgefordert, so lacht in Deutschland ein Jeder darüber, wenn dies aber als eine Nachricht von ungewöhnlicher Wichtigkeit von beflissenen Leuten, die dazu besonders angestellt sind, sofort in alle Welt telegraphirt wird, so gewinnt durch das Tele— graphiren die erfundene Nachricht eine Bedeutung, die sie an und, für sich nicht gehabt hat. Wir haben uns gegen die Autorität des Gedruckten erst allmählich abstumpfen können und das ist namentlich seit 1848 gelungen; bis dahin hatte für einen großen Theil der Bevölkerung alles Gedruckte seine besondere Bedeutung; Jeder, der auf dem Lande nur das Amtsblatt las, von der Bibel und dem Gesangbuche nicht zu reden, hielt das Gedruckte für wahr, weil es gedruckt war, ungeachtet des üblichen Sprichworts: er lügt wie gedruckt; es wird vielleicht auch dahin kommen zu sagen: er lügt wie telegraphirt, denn gegen den Mißbrauch, der, mit diesem Beförderungsmittel ge— trieben wird, sind bisher die wenigsten Leute noch auf der Hut,; sie denken nicht an den Reichthum von Geldmitteln, der es Jemanden möglich macht, zum Telegraphiren aller in drei bis vier Sprachen übersetzten Tendenzlügen in verschiedenen Weltstädten Lectoren zu bezahlen, die nur damit beschäftigt sind, Zeitungen durchzulesen und zu sehen, ob sich eine Allarm— nachricht findet; findet er keine, so hat er sie zu machen und telegraphirt sie nun als aufregendes Sympton an ver⸗ schiedene ausländische Blätter. So wird die öffentliche Meinung in Frankreich bearbeitet; umgekehrt wird sie bei uns in Deutsch⸗ land daher aufgeregt, als ob wir alle Tage einen Angriff Frank⸗ reichs auf Deutschland zu gewärtigen hätten. Es liegt im wohl⸗ verstandenen Interesse beider Nationen, daß diesen verlogenen Intriguen nach Möglichkeit ein Ende gemacht, und daß die Geldmittel dazu abgeschnitten werden. Die Königliche Regierung hat seit Jahr und Tag ihre volle Thätigkeit auf die Zerstreuung falscher Kriegsgerüchte verwendet: sie * in diesem Augenblick die Ueberzeugung, daß die europäischen Regierungen von fried— lichen Intentionen befeelt sind, und sie hat das Bedürfniß, daß das Publikum endlich zu deinselben Glauben und zum Ver trauen auf friedliche Zustände gelange. Schon im Inkeresse der nationalen Würde sind die Quellen abzuschneiden, aus denen deutsche Blätter besoldet werden, die in schamloser Oeffentlichkeit

Leine starke und kriegstüchtige, aber ebenfalls friedliebenbe Nation, wie die Franzosen, zum Kriege gegen Deutschland auffordern

und offen die Hoffnung aussprechen, das Vaterland Deutsch⸗ land werde in diesem Kriege unterliegen. Mir sind in der Presse Vorwürfe gemacht worden, daß ich solchen Erscheinungen gegenüber die diplomatische Ruhe, die meine Stellung erfordert, vermöchte, ich muß nun aber sagen: wer

85

über solche Niederträchtigkeit nicht in Zorn geräth, hat ein anders organisirtes Nationalgefühl, als mir eigen ist.

Im Abgeordneten hause erklärte in der Sitzung am 13. d. M. in der Diskussion über den Gesetzentwurf, betreffend die Ausstellung gerichtlicher ,, , nach dem Ab⸗ geordneten Roscher der Justiz⸗-Minister Br. Leonhardt:

Meine [.,. Ich meinerseits trage nicht das mindeste Be⸗ denken, die erantwortlichkeit für das Gesetz zu übernehmen, bin auch gar nicht zweifelhaft, daß die Gerichte mit dem Gesetze sehr gut marschiren können, um mich des Ausdrucks des Herrn Vor—⸗ redners zu bedienen. Der Herr Vorredner ist mit dem Ge—⸗ setze recht sehr unzufrieden und hat es lebhaft getadelt; er kann ja diesem Gefühle dadurch Ausdruck geben, daß er gegen das Gesetz stimmt. Daß der Herr Vorredner gegen das Gesetz so eingenommen ist, ist mir ganz erklärlich. Als ich den Gesetz⸗ entwurf im Herrenhause einbrachte, bemerkte ich schon, daß gegen denselben vom juristischen Standpunkte ab ganz erhebliche Be⸗ denken geltend gemacht werden können, und diese Bedenken sind so zu sagen auch gar nicht zu widerlegen. Es kommt nur dar— auf an, ob denn der hong ie-Verkehr unter den Menschen nicht einige Rücksicht in Anspruch zu nehmen hat gegenüber den juristischen Prinzipien und den juristischen Bedenken, und ich meine, daß das doch wohl der Fall ist. Ich glaube, wenn im Allgemeinen für den bona fide⸗-Verkehr durch ein Gesetz wohlthätig gewirkt wird, so kann man es sich auch wohl einmal gefallen lassen, daß gegen die Rechtsprinzipien, gegen das strictum jus einmal verstoßen wird. Meine Herren! das tritt sehr häufig im Rechtsleben, wie auch in sonstigen Ver— hältnissen ein. Der Herr Vorredner scheint nach feinen An⸗ deutungen anzunehmen, es würde der Gesetzentwurf besonders einem Untexrichter Schwierigkeiten machen, darin täuscht er sich sehr. Schwierigkeiten sindet nur der eigentliche Jurist, welcher kritisiren will, aber nicht der Richter, welcher das Gesetz anwenden soll im einzelnen Falle, auf Verhältnisse! die ihn umgeben. Der Herr Abgeordnete meint, die Königliche Staatsregierung sei nicht in der Lage, das Landrecht in den neuen Provinzen einzuführen: sie wolle deshalb nur eine Novelle zum Landrecht einführen. ch weiß nicht, mit welchem Rechte dies Gesetz eine Novelle zum Land— recht genannt wird. Wenn der Herr Vorredner einmal diesen Gesetzentwurf vergleichen will mit den landrechtlichen Be⸗ stimmungen, so wird er finden, daß das gar nicht der Fall ist. Wenn das landrechtliche Gebiet allein in Betracht käme, so wäre gar kein Bedürfniß zur Gesetzgebung vorhanden. Man ist mit den landrechtlichen Vorschriften und der landrecht⸗ lichen Praxis ausgekommen. Die Sache wurde aber angeregt durch die Verhältnisse in Neuvorpommern, hier wünschte man für ein gemeinrechtliches Gebiet ähnliche Vorschriften. Das Bedürfniß wurde anerkannt, und nun frägt es sich, ist denn nicht auch für die übrigen Provinzen ein Bedürfniß anzu⸗ erkennen, den Gedanken des Landrechts auszudehnen auf das übrige Rechtsgebiet, nicht etwa die landrechtlichen Be stim⸗ mungen, sondern den Gedanken? Und dieser Gedanke hat Ausdruck gefunden in dem Gesetzentwurf. Meine Herren, nun ist der Gesetzentwurf den obersten Gerichtshöfen der betreffenden Provinzen mitgetheilt worden, und da ist mir uner⸗ wartet gewesen, daß dieser Gesetzentwurf bei diesen obersten Gerichtshöfen fast ungetheilten Beifall gefunden hat; nur das Celler Appellationsgericht hat einige Bedenken angeregt, aber einen Standpunkt, wie der Herr Vorredner zum Gesetzentwurfe einnimmt, hat es keineswegs zu dem seinigen gemachk. Meine Herren, Sie können sich meiner Meinung nach bei dem Gesetz⸗ entwurf vollständig dadurch beruhigt fühlen, daß die betreffen⸗ den Vorschriften des Landrechts und der landrechtlichen Praxis, obwohl sie keineswegs in der Weise ausgeführt sind, wie das in dem Gesetzentwurfe der Fall ist, dennoch ganz allgemein be⸗ währt gefunden worden sind. Wenn der Gedanke im Land⸗ recht, d. h. im Leben, bewährt gefunden worden ist, dann be⸗ zweifele ich gar nicht, daß er sich auch im Rechtsleben der übrigen Provinzen bewähren wird, unbekümmert um alle juristischen Zweifel, die erhoben werden mögen.

Uebrigens hat der Herr Vorredner sich oft recht allgemein ausgedrückt und Vorwürfe dem Gesetzentwurf gemacht, ohne zur Begründung derselben irgend ein Etwas beizubringen. Vor⸗ zugsweise hat er den §. 6 in Betracht gezogen, und da seine Spezialanträge auf den 8. 6, soweit ich mich besinne, nicht gehen, so will ich diese Punkte einmal berühren. Also: Der Herr Vorredner hat bemerklich gemacht, der §. 6 stelle das ge⸗ meine Recht auf den Kopf. Ich weiß nicht, auf welche Weise dadurch das gemeine Recht auf den Kopf zu stehen kommen soll, kann mithin auch nur einen ganz generellen Widerspruch einer solchen Behaup⸗ tung entgegenstellen. Ferner behauptet der Herr Vorredner, dieser Paragraph sei erst genießbar geworden durch die Amendements, welche gestellt worden seien theilweise im Herrenhause und theil⸗ weise von Ihrer Kommission. Nun habe ich aber diese beiden

191

F