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mirten, für die Katholiken. Das ist ein Zustand, der von dem gegenwärtigen Zustand in Hannover diametral, abweicht, denn die gegenwärtige Gerichtsbarkeit der Konsistorien in Hannover ist nicht im Entferntesten eine geistliche Ge⸗ richtsbarkeit in diesem Sinne. Die Konsistorien sind Staatsbehörden, sie sind von der Regierung ernannt, sie sind auf die Verfassung vereidigt, ihre richterlichen Funktionen haben sie durch Delegirung der staatlichen Gewalt, gerade so wie alle andern richterlichen Behörden, die in andern Theilen des Lan⸗ des über Ehesachen auf dem weltlichen Gebiete dijudiziren. Das gilt sowohl von den evangelischen wie von den katyolischen Konsistorien in Hannover, denn die katholischen Konfistorien in Hannover sind nicht geistliche Gerichte, sie werden nicht vom Bischof ernannt, sie sind nicht nothwendig mit Geistlichen besetzt, sie erfüllen nicht die Bedingungen, die das katholische Kirchen recht im Concilium tridentinum fordert, sondern sie sind Staats⸗ behörden und üben kraft einer von der staatlichen Gewalt ihnen ertheilten Vollmacht in Ehesachen ihre Jurisdiktion. Was aber die Reformirten anlangt, so sind für dieselben Ehe⸗ Gerichte ihres Bekenntnisses nur vorhanden in Nordhorn und Ostfriesland, wo das Konsistorium in Aurich wenigstens einen gemischten Charakter hat. Die übrigen zerstreut lebenden Re— formirten sind dagegen an die lutherischen Konsistorien gewie⸗ sen, sie haben nicht eine Vertretung ihres besonderen konfes⸗ sionellen Standpunktes in diesen Konsistorien, sondern sie sind einfach diesen lutherischen Konsistorien unterstellt, die für sie von konfessionellem Standpunkte aus doch nur den Charakter einer weltlichen Behörde haben. Nun, meine Herren, entsteht die Frage, ist es möglich bei der Reform der Konsistorial— gerichtsbarkeit in Hannover der Sache die Richtung zu geben, wie sie so eben angedeutet worden ist? Ich sage: Nein. Es ist das ein entschiedener Grundsatz in unserer Verfassungsurkunde und in unserer geschichtlichen Entwicklung, daß die Jurisdiktion in Ehe⸗ sachen, insofern diese Jurisdiktion auf weltlichem Gebiete Recht und Anerkennung in Anspruch nimmt, dem Staate gehört, und daß sie nicht als Emanation der kirchlichen Gewalt angesehen werden kann. In diesem Punkte scheidet sich ganz entschieden das katholische Kirchenrecht und das bei uns geltende Staats— recht. Das katholische Recht hat in dem Coneisium tridentinum den dogmatischen Satz, daß nur die Kirche in Ehesachen eine Jurisdiktion zu üben befugt sei; aber auf dem Gebiete des weltlichen Rechts haben wir ebenso entschieden in unseren Landesgesetzen den Satz, daß die Staatsgewalt die Jurisdiktion auch in Ehesachen übt, und von diesem Satze, meine Herren, können wir uns nicht entfernen: er steht in der Verfassungsurkunde, und ist für uns maßgebend. Ich glaube, dasselbe liegt auch schon in der hannoverschen Ver— fassung, wie die Vorgänge von 1848 und 1850 zeigen. Auf das Entschiedenste aber ist dieser Grundsatz meines Erachtens gerade in der jetzigen Organisation dokumentirt. Denn wenn die oberste Instanz in Ehesachen bisher bei dem weltlichen, dem Appellationsgericht gewesen ist, so, glaube ich, ist der Cha— rakter dieser Gerichtsbarkeit, eben dadurch genau signalisirt. Die entscheidende Kraft liegt doch in der obersten Instanz, und diejenige Autorität, aus welcher die oberste Instanz ihr Recht herleitet, reicht auch in die unteren Instanzen hinein und be— stimmt ihren Charakter. Ich glaube daher, da wir in der Nothwendigkeit stehen, eine tiefgreifende Reform vorzunehmen, daß für uns gar kein anderer Weg übrig bleibt, als der Rich— tung zu folgen, die uns unsere Verfassungsurkunde vorschreibt, und die sich auch bereits in dem hannoverschen bestehenden Recht angezeigt findet.
Es bleibt nun ie Frage noch übrig, ist eine Mitwirkung der Synoden zu dieser Veränderung erforderlich? Ich muß das bestreiten. Allerdings ist den Synoden eine Müwirkung in kirchlichen Fragen zugewiesen, aber ich halte es für eine Petitio principit, wenn man die Jurisdiktion in Ehesachen als kirchliche Frage in diesem Sinne auffaßt. Daß kirchliche In⸗ teressen zur Sprache kommen, wer kann das leugnen? Wer kann wünschen, daß die Beachtung der kirchlichen Bedeutung bei Handhabung der Jurisdiktion in Ehesachen jemals verleugnet werde? Legen wir aber die Frage auf die scharfe Entscheidung der logischen Kategorien, so muß ich sagen in NUebereinstimmung mit dem, was ich im ersten Theil ausgeführt habe, daß die Frage nicht als kirchliche im spezifischen Elen behandelt wer⸗ den darf, sondern als Sache der weltlichen, bürgerlichen Gesetz= gebung, Eine ausdrückliche Bestimmung, daß Veränderungen . . ö en n . den Synoden vorberathen
51 in sämmtli . * n mtlichen hannoverschen Kirchen⸗
Der Schwerpunkt für Verbesserungen und Verschlechterun⸗ gen in Ehesachen liegt meiner Ueberzeugun = biet des materiellen Rechtes. .
Haben wir ein gutes materielles Recht, so werd unter den verschiedensten Formen des . und , .. position der Gerichte für die Aufrechterhaltung und den Bestand
*
der Ehe mit Erfolg sorgen können; ist das materielle Rets mangelhaft, so wird auch die judizirende Behörde auf M äußerste gebunden und beschränkt sein, diejenigen Prinzipien zur Anwendung zu bringen, die sie für hesser und richtha erkennt, weil sie von dem Gesetz in Stich gelassen wird. Der Zustand in dieser Beziehung bei uns ist doch nih ganz so schlimm, wie von einigen Rednern ausgeführt s Wir haben 1844 eine Veränderung auf dem Gebiete des fön malen Rechts in Ehesachen vollzogen, und diese Veränderun ist nicht ohne Erfolg geblieben. Es ist namentlich die geistg Sühne in die richtige Stellung gekommen und der Kirche h jenige Stellung gewährt worden, die ihr mit Nothwendigt ebührt. Die geistliche Sühne ist aus dem gerichtlichen In, ahren herausgesetzt und als freier geistlicher Akt ze gerichtlichen Entscheidung vorangestellt. Vergleichen wir mu die Summe der ; Sühneversuche, die vor dien Veränderung der Gesetzgebung stattgefunden haben, mit on Summe der späteren, so zeigt sich ein bedeutendes Uebergewich zu Gunsten der kirchlichen Einwirkung. Die Heraussetzung he Sühneverfahrens aus dem Gerichtsverfahren hat also einen schr erfreulichen Effekt gehabt, und ich rechne es mir zur he sonderen Freude, daß bei der Vorlage, die jetzt shh Hannover der Enischließung des r . unterstellt i dieser Punkt besonders betont ist, und sowohl im Jun Ministerium, als bei den Berathungen des Provinziallandtagth volle Anerkennung und Würdigung gefunden hat. Ich haft die Besorgniß, daß die Veränderung auf dem formalen Gebiet des Verfahrens und der Gerichtsbarkeit, die hier beantragt wird, so schwere Folgen nach sich ziehen werde, wie der Her Vorredner fürchtet, nicht für begründet. Es ist schwe darüber im Vorgus zu bestinimen. Der lick in die bevorstehende Entwicklung ist keinem Menschen mü apodiktischer Gewißheit gegeben, so daß er sagen kann, daß und das wird die Folge sein. Aber es liegen ebenso viel ge wichtige Gründe auf der andern Seite, um die Besorgnisse aß zu h ,. 6 „Ich wiederhole, daß ich grade auf die Festhaltung de Sühneaktes vor dem gerichtlichen Verfahren 53 le n glaube aussprechen zu dürfen, daß die Annahme des Gesetzes wie es von der Staatsregierung vorgelegt worden ist, wesent lich dazu beitragen wird, schwierige und mißliche Verhältnise in der Provinz Hannover zu beseitigen, ohne irgend eine Schäh gung des materiellen Rechts, ohne eine Schädigung des kirch lichen und christlichen Bestandes der Provinz, den wir aufrecht zu erhalten wünschen, irgendwie herbeizuführen.
== Nach dem Herrn von Kleist⸗Retzow in der Spezial
diskussion über §. 1 fügte der Minister der geistlichen ꝛc. Ange legenheiten Dr. von Mühler noch hinzu:
Ich glaube von dem verehrten Herrn Vorredner durchauß
mißverstanden worden zu sein. Ich erinnere mich keines einz⸗
gen Wortes, wonach ich in dem, was ich gesagt habe, den Hin— blick auf das andere Haus hätte vorwalten lassen. Als ich ausführte, der gegenwärtige Zustand sei unhaltbar, habe ich, zu gleicher Zeit aus inneren Gründen, nicht aus Rücksicht auf das andere Haus, sondern aus inneren Gründen die Nothwendigkeit darzuthun gesucht, daß Veränderungen nach der einen oder der andern Seite hin, und zwar entweder nach dem Ziele einer rein geistlichen Gericht barkeit hin, wie Herr Graf von Borries will, oder nach der
Seite der weltlichen Gerichtsbarkeit hin, wie unsere Verfassungs⸗
Urkunde und unsere Gerichtsverfassung in den älteren Provin= zen ergiebt, — daß man nach der einen oder der andern Säite hin mit Nothwendigkeit gehen müsse.
Ich habe gesagt, daß jenes Gesetz auf einem Standpunkt stehe, den man nicht mehr einfach fortführen kann, und daß die Reform nach der einen oder nach der andern Seite grapf— tiren muß. Ich wiederhole, daß es mir fern gelegen hat, i Bezugnahme auf die Auffassung, welche in dem andern Hau stattgefunden hat, hier als Moment in die Diskussion hinein, zutragen. Meine Absicht ist lediglich die gewesen, die innert Nothwendigkeit zu betonen, die uns zwingt, nach dieser oder jener Seite zu gehen.
— Zu §.1 entgegnete der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt dem Herrn v. Kleist⸗Retzow: . f —
Herr v. Kleist wird den stenographischen Berichten über R Verhaͤndlungen des Abgeordnetenhauͤses keine große Aufmeth samkeit erwiesen haben, wenn er bemerklich macht, es komme vor, daß von Seiten des Ministeriums auf dieses Haus g. drängt würde mit Rücksicht auf das Abgeordnetenhaus, nich aber umgekehrt. Herr v. Kleist würde in den Berichten finden, daß ich in dieser Session recht häufig in der Lage gewesen bin, dem Abgeordnetenhause zu sagen, es mögt auf gestellte Anträge nicht eingehen, vielmehr die Regie i n,, annehmen, mit Rücksicht auf das Herrenhanß und wenn ber geehrte Herr von Kleist die stenographischen Br
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richte zu Artikel 8 dieses Gesetzes ansehen wollte, so würde er sinden, wie sehr ich gekämpft habe im Interesse der Anschauungen des Herrenhauses. Der Meinung bin ich auch nicht, daß das Herrenhaus zu drängen sei und daß in der vorliegenden Frage, 5b Konsistorial⸗Gerichtsbarkeit oder nicht, entscheidend sei die Stellung des Abgeordnetenhauses. Aber, meine Herren, es ist meiner Ieberzeugung nach ganz unmöglich, die Konsistorial⸗Gerichtsbarkeit in Deutschland wieder herzustellen, nachdem sie allmählich im Laufe des Jahrhunderts beseitigt worden ist. Sie können nicht die Rechtsentwickelung in Deutschland um ein 866 Jahr⸗ hundert zurückschrauben, alle Bemühungen in dieser Richtung werden erfolglos sein, dann kann man, wenn man aus allge⸗ meinen Gründen für die Konsistorial-Gerichtsbarkeit ist, diese Rechtsentwickelung wohl bedauern, aber rückgängig zu machen ist sie nicht. Ein solches Zurückdrängen ist, glaube ich, auch gar dem nicht konservativen Prinzipe, welches im Herren⸗ hause herrschen soll, entsprechend; vielmehr halte ich es dem lonservativen Prinzip widersprechend, wenn man, weil man eben etwas nicht zugeben will, das Gegentheil aber doch nicht erreichen kann, nun auf die Zustände, wie sie in der Mon⸗ archie liegen, nicht die erforderliche Rücksicht nimmt, also sagt: die Zustände, wie sie in der einen Provinz bestehen, sind unhalt⸗ bar und unerträglich, das erkennen wir an, aber wir wollen sie nicht ändern, wenn die Konsistorial-Gerichtsbarkeit nicht bleibt, weiche jedoch nicht herzustellen. Ich werde auf die Sache nicht weiter eingehen, aber das möchte ich doch hervorzuheben mir noch er—⸗ lauben, daß es schwerlich richtig ist, was gegensätzlich immer betont und hervorgehoben wird, als wären die Mitglieder der weltlichen Gerichte unkirchliche Männer und die Kirchlichkeit nur bei den Mitgliedern der Konsistorien zu finden. Dafür liegt, auf Hannover gesehen, ebenso wenig Grund vor, als die Be— hauptung im Allgemeinen richtig sein wird. Herr von Kleist geht sogar so weit, zu sagen: die strengere Praxis der Rechts⸗ pflege in Ehestreitigkeiten sei von den Konsistorien übertragen
auf das Ober⸗Appellationsgericht; also die Konsistorien, die
Unterinstanz, hätten eingewirkt auf die Oberinstanz. Ich frage Herrn von Kleist: worauf stützt er diese Behauptung und wie will er mich widerlegen, wenn ich ihm sage, daß das Umgekehrte richtig ist, die Rechtsprechung des Ober⸗Appellationsgerichts habe eingewirkt auf die korrekte Handhabung der Rechtspflege der unteren Instanzen. Es ist doch das natürliche Verhältniß, daß das obere Gericht einwirkt auf die unteren Instanzen. Ich möchte wissen, in welcher Weise Herr von Kleist diese Prä⸗ sumtion entfernen wollte.
li — Zu 8. 8 bemerkte der Justiz⸗Minister nach dem Herrn UAhden: Zuvörderst, meine Herren, ist es mir auffallend, daß nicht allein der Herr Graf von Borries, sondern auch der geehrte letzte Herr Vorredner die Sache so darstellt, als wenn es sich hier darum handelte, einen Antrag des Abgeordnetenhauses anzunehmen und das Herrenhaus zu drängen. Es ist dies gar nicht der Fall, es handelt sich vielmehr lediglich um die Regierungs vorlage. Die Königliche
Regierung wünscht nichts anderes, als daß das Herrenhaus die Regierungsvorlage annehme.
Das ist ohne Frage. Und dann, meine Herren, wäre es doch sehr erwünscht, wenn der Regierung gegenüber nicht immer davon die Rede wäre, sie übe eine Pression auf das Herrenhaus aus. Früher war schon so Etwas geäußert. Von Pression kann nicht die Rede sein.
Aber bei der Art und Weise, beim Gange der Legislatur hier im Lande, wie soll überhaupt die Gesetzgebung gefördert werden, wenn der betreffende Minister nicht vermittelnd ein⸗ tritt, wenn er nicht in einem Hause Rücksichten auf das an⸗ dere zu nehmen empfiehlt und umgekehrt. Das ist mein Stand⸗ punkt und in diesem Jahre habe ich nicht einmal, sondern wiederholt Gelegenheit gehabt, im Abgeordnetenhause die Rück⸗ sichen, welche auf das Herrenhaus und seine Ansichten zu nehmen wären, hervorzuheben. Die stenographischen Berichte werden dies ausweisen. Die Sache liegt so. Der Provinzial⸗ Landtag hat sich gutachtlich geäußert und hat den Wunsch ge⸗— hegt, daß der Staatsanwalischaft auch beim Trennungsprozeß die Berufung gewährt werden möge. . . .
Alber die Frage nun, ob dieses räthlich sei oder nicht, läßt sich streiten. Bie Königliche Staatsregierung hat aber auf die gutachtliche Aeußerung des Provinzial-Landtages nicht das Ge— wicht gelegt, um den Gesetzentwurf abzuändern, aus dem ein⸗ fachen Grunde, weil auch nach der Verordnung von 1844 die Staatsanwaltschaft in diesem Falle die Berufung nicht hat. Der Herr Vorredner hat gut sprechen, wenn er sagt, er hoffe, daß die Regierung eine kleine Rovelle machen werde, um durch diese den betreffenden Passus abzuändern. Ja, wenn es blos am Herrenhause läge, ob eine solche Novelle zum Gesetze er⸗ hoben werde, so wurde die Sache schon gehen. Aber es ist ja gar nicht die allermindeste Aussicht vorhanden, daß eine solche
Prozeßnovelle den Beifall beider Häuser erhielte. Und dies ist doch erforderlich. . Meine Herren, wie stehen denn die Sachen? wenn Sie ge— fälligst Einsicht nehmen wollen von den stenographischen Be— richten des Abgeordnetenhauses, so werden Sie finden, daß ich bei diesen Paragraphen den lebhaftesten Kampf zu bestehen ge— habt habe, indem man im Abgeordnetenhause von der Ansicht ausging, die Staatsanwaltschaft solle überall gar nicht zuge⸗ zogen werden und wenn sie zugezogen würde, doch nicht unter dem Präjudiz der Nichtigkeit der Prozedur. Ich ging davon aus: die Staatsanwaltschaft muß nothwendig fue ogen werden, aber das Präjudiz der Nichtigkeit des Ver⸗ fahrens sei nicht gerade nothwendig, weil dieser Punkt genügend auch wohl im reglementarischen Wege geordnet werden könnte. Ich habe jedoch im Abgeordnetenhause für wünschenswerth er— achtet mit Rücksicht auf dieses Haus, daß keine Aenderung ein⸗ trete, und es ist mir zwar nicht in der Vorberathung, wohl aber in der Schlußberathung gelungen, diese Ansicht durchzu⸗ setzen. Wenn Sie nun entgegen der Regierungsvorlage, der taatskronanwaltschaft im weiteren Umfange das Recht der Berufung beilegen, so lehnen Sie damit das Gesetz ab, denn nach den Vorgängen im an— dern Hause ist gar nicht daran zu denken, daß dieses sich auf das Amendement einläßt. Das Abgeordnetenhaus wird sich, wie die Staatsregierung, ganz einfach darauf stützen, was in der ganzen Monarchie Rechtens sei und sich als sachgemäß bewährt habe, sei auch gut für Hannover. Nun, meine Herren, ich habe schon gesagt, man kann darüber zweifelhaft sein, in welchem Umfange der Staatsanwaltschaft das Recht der Berufung zu gewähren sei. Jedenfalls ist aber dieser Punkt von einer ganz untergeordneten Bedeutung gegenüber den gro⸗ ßen Interessen, die hier in Frage sind. Die Staatsanwaltschaft hat die Berufung in allen Fällen, wo ein öffentliches Interesse in Frage steht; das ist das Wesentliche. Durchweg hat die Staats- anwalischaft sehr weit gehende Befugnisse. Wenn der Herr Vor- redner glaubt, daß die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft im Verfahren vor dem Ober⸗Tribunal oder vor den dem Ober⸗ Tribunal untergeordneten Gerichten nicht von dem wohlthätigen Einfluß gewesen sei, welchen sie vielleicht haben könnte, so ist aus dieser Wahrnehmung überall kein Schluß zu ziehen auf das Verfahren in Hannover. Denn hier existirt ein wirklich mündliches Verfahren, und in diesem mündlichen Verfahren hat die Stellung und Wirkung der Kronanwaltschaft eine ganz andere Bedeutung als in einem Verfahren, wie es in den alten Provinzen besteht. Ich bitte Sie also, meine Herren, nehmen Sie die Regierungsvorlage an, thun Sie dies aus dem einfachen Grunde, weil hier gar nichts anderes der Provinz Hannover ge⸗ währt wird, als dasjenige, was für die ganze Monarchie Rechtens ist. Ueberlassen Sie es einer späteren Zeit, ob es möglich sein wird, für das Gebiet der ganzen Monarchie dasjenige einzu⸗ führen, was Sie für wünschenswerth erachten, Uebrigens ist von der Kommission der Paragraph in der Fassung angenommen, welche der Provinzial⸗Landtag dem Ge— setze gegeben hat. Bei dieser Fassung ist jedoch von dem Pro- vinziak' Landtag ein offenbarer Fehler gemacht und hier jetzt wiederholt worden. Nämlich nach der Fassung, wie sie jetzt vorliegt, würde die Kronanwaltschaft das allgemeine Recht, nämlich neue Beweise vorzubringen, neue Thatsachen vorzu— tragen, nicht haben in allen den Fällen, wo es sich um ge= meinrechtliche Klagen, auf Vernichtung einer Ehe auf Grund eines Privat-Ehehindernisses und um landrechtliche Klagen auf Ungültigkeitserklärung einer Ehe handelt.
— Ferner nach dem Herrn von Schlieckmann:
Wenn Herr v. Schlieckmann bemerkt, daß nach hannover- schem Prozeßrechte der Staatsanwalt in eivilrechtlichen Streitig keiten gehört werden müsse und daß die Differenz, welche jetzt bestehe zwischen diesem Gesetz und der Prozeßordnung darin zu finden sei, daß in jenem, nicht in diesem, das Präjudiz der Nichtigkeit ausgesprochen sei, so ist dies nicht richtig. Die Staatsanwaltschaft kann sich hören lassen wenn sie will; aber in Eivilrechtsstreitigkeiten ist die Staatsanwaltschaft so gut wie nie vertreten. Eine Verpflichtung zum Erscheinen besteht nicht nach der Prozeßordnung.
Es wird auch hier wieder der Satz sich als Wahrheit be— weisen: Das Bessere ist der Feind des Guten.
Jetzt steht, nachdem Sie den Gesetzentwurf angenommen haben, für Hannover in Aussicht ein ganz vortreffliches Ver- fahren in Ehesachen. Jetzt ist die Ehe nicht mehr schutzlos, sie hat vielmehr einen defensor. Der Ehe ist ihre hobe Würde wieder verbürgt; das kirchliche Interesse wird geschützt. In dieser Beziehung hat die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft die allergrößte Bedeutung, weshalb ich denn auch mit aller Kraft in dieser Richtung im Abgeordnetenhause für die Borlage der Königlichen Staatsregierung gekämpft habe. Das Interesse tritt aber sehr bestimmt insofern hervor, als die