1869 / 90 p. 7 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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einem Nachredner, dem Grafen Münster, erheblich ab⸗ 1 gesucht, ich glaube aber doch, daß sie in ihrer Auffassung auf dasselbe hinauskommen. Der Abg. Twesten hat die Unerträglichkeit des jetzigen Zustandes in be— sonders starken Farben geschildert, und deshalb meine ich, daß er den Charakter des Mißtrauensvotums gegen den gegenwär— tigen Zustand durchaus aufrecht erhalten hat. Er sprach von einem Chaos, in dem wir lebten, von chaotischen Zuständen, deren üble Folgen, wie er anzunehmen schien, mit Muͤhe nieder⸗ gehalten würden durch eine Diktatur, in der wir lebten. Der glückliche Träger dieser Diktatur scheine ich zu sein. Ich habe mich über den Vorwurf, der darin liegen könnte, schon etwas beruhigt durch eine Aeußerung des Hrn. v. Unruh, der mir empfahl, die Parlamente, welche der Diktatur nicht folgten, nicht als solche zu beurtheilen, die nicht mit mir denseiben Zwecken folgten. Ich bin weit entfernt davon, ich gebe das zu⸗ rück: beurtheilen Sie den Bundeskanzler, der nicht mit Ihnen einverstanden ist, nicht als das Gegentheil wollend von dem, was Sie wollen, sondern er will es nur auf einem andern Wege, und wenn ich aufhören wollte, gegen Ihren Widerspruch in irgend einer Weise ernstlich zu reggiren, so müßten Sie dar⸗ aus schließen, daß er mir gleichgültig wäre, und ich glaube, Sie sollten es günstig aufnehmen, wenn er das niemals ist. Zur Beseitignng dieses Chaos, zur Abschaffung der Diktatur, hat auch der Abg. Twesten, so sehr er den Stachel des An— trages zu verhüllen suchte, kein anderes Mittel, als verant⸗ wortliche Ministerien. Verantwortlich blos für dasjenige, wo⸗ für der Bundeskanzler bisher verantwortlich ist: für die Hand—⸗ lungen des Präsidiums. Das würde schwerlich ausreichen. Der Abg. von Blankenburg hat swon auseinandergesetzt, daß es sich doch wohl um die Verantwortlichkeit für die Geschäfte des Bundesrathes handelt, indem sonst eine nur schmale Basis für die Stellung des verantwortlichen Bundes⸗-Ministeriums übrig bleibt; ein weiteres Gebiet, auf dem diese Verantwortlichkeit praktisch geübt werden kann, wäre nur durch Einschränkung des Gebietes des Bundesrathes herzustellen. Bisher wird die Stelle solcher Bundes-Minister nicht, wie man fälschlich ge⸗ wöhnlich annimmt, vom Bundeskanzler versehen, sondern von ven Ausschüssen des Bundesrathes. Unser Finanz ⸗Minister ist der Finanzausschuß des Bundesraths; nach Anleitung dieses Ausschusses übt der Bundesrath die Kontrolle über die finan⸗

ielle Gebahrung und übt sie, wie ich glaube, mit voller Sicher⸗

eit. Wenn der Antrag in seiner Fassung glauben lassen könnte, daß geordnete Zustände der Verwaltung jetzt nicht bestehen (es heißt in dem Antrage: »den Bundeskanzler aufzufordern, eine geordnete Aufsichk und Verwaltung auf gesetzlichem Wege herbeizuführen⸗), so möchte ich die Herren einladen, sich durch Revision aller Kassen, Bücher, Bureaus davon zu überzeugen, und Sie würden die Gewißheit erlangen, daß Sie in dem geordnetsten Zustande von der Welt leben, in einem Zustandeznicht blos kontrollirt durch die preußische Ober- Rechenkammer, sondern kontrollirt durch die Vertreter sämmt⸗ licher 21 Regierungen, die außer Preußen den Bund bilden, und durch sehr wohl berathene Vertreter. In gleicher Weise wird die kriegsministerielle Thätigkeit durch den Militärausschuß des Bundesraths geübt, an dessen Spitze sich der preußische Kriegs⸗Minister befindet, und der seine bundeskriegsministeriellen Verfügungen, abgesehen von den preußischen, nicht in der Cin nf gft des Kriegs ⸗Ministers, sondern in der Eigenschaft des Vorsitzenden dieses Ausschusses zeichnet und an die Bundesgenossen abgehen läßt. So haben wir un⸗ sern Rechnungsausschuß, unsern Handelsausschuß. Alle diese Organe, die dadurch hergestellt worden sind, daß den Regierun⸗ gen eine ihrer Souveränität und ihren vertragsmäßigen Rech— ten entsprechende Stellung und Mitwirkung im Bundesrathe angewiesen ist, würden nach diesem Antrage bei seiner Durch— führung überflüssig werden, eben so überflüssig würde das ganze Bundeskanzler⸗Amt werden, was einem collegialischen Ministe— rium doch nicht untergeben gedacht werden könnte; ich entnehme aus dem Antrage, Sie wollen dasselbe in seine einzelne Bestand⸗ theile zerlegen und diese einzelnen Bureaus zu mit dem Kanz⸗ ler gleichberechtigten Ministerien machen. Ich komme auf diese Frage und meine Stellung dazu nachher; einstweilen möchte ich doch nur gegen das allgemeine Mißtrauensvotum, welches im Antrage liegt, die Bundesregierungen in Schutz nehmen, nicht blos vom vertragsmäßigen Standpunkte, obwohl auch der geltend gemacht zu werden verdient, indem die Bundesverfassung in ihrer ersten Basis auf Staatsverträgen beruht, von deren Geist man geglaubt hat, daß sie durchdrungen bleiben würde. Nun ist zwar dieser Antrag (und selbst wenn er noch weiter ginge) ein formell verfassungsmäßiger, das bestreite ich ihm nicht; es würde auch ein foͤrmal verfassungsmäßiger Antrag sein, wenn heispielsweise im amerikanischen Kön— greß der Antrag gestellt würde, den Senat abzuschaf— fen, die einzelnen Staaten in ihrer Stellung zur Union

zu beschränken und den Präsidenten zum erblichen Monarchen u erklären, es würde auch ein verfassungsmäßiger Antra 3 wenn im preußischen Landtage der umgekehrte Untrag 1j verfassungsmäßige Abschaffung der erblichen Mongrchie, Aen! derung der Verfassung nach dieser Richtung, gestellt würde; nichtsdestoweniger würden beide Anträge in den Versammlungen, in denen sie gestellt würden, ein gewisses Befremden der Be⸗ theiligten erregen, und man würde sie mit dem Geiste der Verfassung wohl schwerlich verträglich finden. Ich will diefen Antrag nicht auf gleiche Linie stellen; er geht nicht so weit, ich führe nur die Analogie an, wieweit man auf diesem ver— fassungsmäßigen Wege kommen kann, vielleicht ja auch kommt, denn Alles ist provisorisch in der Welt. Die Frage drängt sich mir nur guf: wodurch haben die Bundesregierungen dieses Todesurtheil für ihre berechtigte, vertragsmäßige Mit. wirkung im Bunde verdient Haben sie etwä ihre Stellung partikularistisch gemißbraucht? Haben sie sich der Mitwirkung entzogen? Haben sie einen unberechtigten Widerspruch hartnäckig geübt? Haben sie nicht im Gegentheil sich mit voller Hin— gebung, mit patriotischer Hingebüng an dem gemeinsamen Werke betheiligt? Sollen sie dafür gestraft werden, indem man ihnen die Berechtigung, die sie zwei Jahre hindurch zum Vor⸗ theil des Bundes ünd alle Anerkennung verdienend geübt haben, nunmehr schmälert und entzieht? Meine Herren, dazu ver⸗ langen Sie nicht, daß ich, als Bundeskanzler jemals die Hand biete! Sie sind gewiß eifersüchtig auf Ihre verfassungsmäßigen Rechte, und ein ähnlicher Antrag auf Schmälerung der Rechte des Reichstages, wie sie hier in Bezug auf die Rechte des Bundesraths beabsichtigt wird, würde einen Sturm der Entrüstung erregen, gegen die die schüchterne Abwehr der Mitglieder des Bundesrathes gar keinen Vergleich aushalten würde. Seien Sie gegen die Rechte Anderer, die mit Ihnen zu wirken berufen sind, ebenso gewissenhaft: gegen die Rechte des Bundesraths, gegen die Rechte des Präsidiums und seines Kanzlers! Das allgemeine Miß⸗ trauen, welches diesen Antrag durchweht, beschränkt sich nicht auf Norddeutschland, es ist mit einer ganz scharfen Spitze gegen die süddeutschen Regierungen gerichtet; es bedeutet nach Süddeutschland hin so viel, als wenn man sagen wollte: auf Euch rechnen wir so wie so nicht mehr, wir schließen unser Norddeutsches Stagtswesen ab, ohne weiter auf Euren Beitritt zu warten. Denn es kann doch Niemandem entgehen, wie entgegengesetzt die Strömungen im Süden und im Norden fließen: der Süden ist vermöge seiner Stammeseigenthümlich⸗ keiten, vermöge seiner Stellung in der früheren Reichs verfassung durch und durch partikularistisch und konservativ, wir sind ihm nicht nur zu liberal, wir sind ihm zu national, also im Gaͤn— zen zu national liberal. .

Untersuchen Sie die Eigenthümlichkeiten der Süddeutschen: als Bayer, als Württemberger, als Schwabe, als Bajuvare, als Franke will er sich konserviren, das steht an der Spitze aller süddeutschen Kundgebungen. Der Norddeutsche Bund ist ihm schon viel zu eng geeinigt; einem viel lockeren! Ver— bande, der die berechtigten und unberechtigten Eigen⸗ thümlichkeiten in sehr viel höherem Maße schonte, würde er sich vielleicht entschließen können, näher zu treten. Das wissen Sie Alle und schlagen ihnen nun die Thür vor der Nase zu. Der Antrag ist eine zweifellose Vertiefung des Mains als Grenze, das ist gar keine Frage: mit der Annahme dieses Antrages wäre an den Beitritt der süddeutschen Regie⸗ rungen nicht mehr zu denken. Daß wir auf eine selbstthätige Vermittelung und Betheiligung des süddeutschen Volkes rechnen, ja, meine Herren, dazu gehörten Deutsche so, wie man 1818 sie sich an die Wand gemalt dachte, wenn man der liberalen . angehörte, aber nicht so, wie sie wirklich sind. Der

üddeutsche macht keine Volksbewegung und übt keinen natio— nalen Druck auf seine eigene Regierung, auf seine eigene Dy⸗ nastie mit der Gefahr von Haut und Knochen, er könnte da⸗— bei zu Schaden kommen.

Wenn er da steht, wo das Gesetz ihn hinstellt, dann ist er gleichgültig gegen die Gefahr, dann schlägt er sich als braver Soldat, muß er sich aber sagen, daß er sich die Knochen auf eig ene persönliche Verantwortung zerschießen läßt, da besinnt sich der Deutsche sehr lange, ehe er das thut.

Meine Herren! Nach meinem Gefühle schärfen Sie diesen Gegensatz der Strömungen in Süddeutschland und Nord deutsch⸗ land. In Süddeutschland ist der Einheitsdrang so schwach, daß die Leute, die offen um die Hülfe des Auslandes buhlen, um dasjenige an Einheit, was wir erworben haben, wieder zu zerschlagen, daß diejenigen Leute, die den augenblicklichen Zug des Friedens, der durch die Welt geht, höchlich bedauern, weil dadurch der Moment hinausgeschoben wird, fremde siegreiche Bayonette mit dem Blut ihrer norddeutschen Brü⸗ der gefärbt zu sehen, daß diese Leute nicht etwa mit der sittlichen Entrüstung ihrer Landsleute bedroht, nicht als Landes⸗

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verräther offen gekennzeichnet und gebrandmarkt werden, son— dern, daß man sich um ihre Unterstützung bei den Wahlen be⸗ wirbt, daß man mit ihnen kapitulirt, daß sie geachtet neben ihren Mitbürgern figuriren. Den Norddeutschen geht die uni⸗ fizirende Thätigkeit des Bundes zu langsam; was man in Süddeutschland als übertriebene Beschleunigung, als Rasch⸗ macherarbeit betrachtet, heißt hier Stagnation. Und diesen Gegensatz zu vermitteln, Süddeutschland nicht aus den Augen zu verlieren, den Gang Norddeutschlands zu beschleunigen, dabei aber Fühlung zu behalten mit sämmtlichen Bundes fürsten, mit dem Bundesrath, mit dem Bunbespräsidium und vor Allem mit diesem Reichstag: das ist die Aufgabe, die Sie dem Bundeskanzler stellen, er möge sie im Wege der Gesetzgebung lösen. Um ihm nun diese . zu erleichtern, wenn Sie ihn zum wirklichen Diktator ernennten, so könnte man an einen solchen erhebliche Ansprüche stellen , aber um ihm die Aufgabe zu erleichtern, wollen Sie ihm Hände und Füße binden und ihn durch ein Kollegium an das Gängelband nehmen lassen. Es soll eine starke, gewandte .freibewegliche Regierung sein, aber sie soll bei Allem, was sie thut, von vier oder fünf mit ihm gleichberechtigten Kollegen, durch deren Ernennung Sie alle Schäden der Welt eheilt glau⸗ ben, die Zustimmung einholen. Meine erren, wer inmal Minister gewesen ist und an der „Spitze eines Ministeriums gestanden hat, und gezwungen gewesen ist, auf eigene Verantwortung Entschließungen zu finden, schreckt zuletzt vor dieser Verantwortung nicht mehr zurück, aber er schreckt zurück vor der Nothwendigkeit, sieben Leute zu überzeugen, daß dasjenige, was er will, wirklich das Richtige ist. Das ist eine ganz andere Arbeit, als einen Staat zu regieren. Alle Mit⸗ glieder eines Ministeriums haben ihre ehrliche feste Ueber⸗ zeugung, und je ehrlicher und tüchtiger sie in ihrer Thätigkeit sind, um so schwerer werden sie sich fügen. Jeder ist umgeben von einer Reihe streitbarer Räthe, die auch jeder ihre Ueberzeugung haben, und ein Minister⸗Präsident muß, wenn er Zeit dazu hat und ich würde mich dem auch nicht entziehen —= den' einzelnen Rath, der in einer Sache das Ohr seiner Chefs hat, zu überzeugen versuchen. Einen Menschen zu überzeugen, ist an und fuͤr sich sehr schwierig, man überredet Manchen, man gewinnt ihn, vielleicht durch den äußersten Aufwand derjenigen persönlichen Liebenswürdigkeit, die man etwa besitzen mag, und man hat diese Anstrengungen sieben Mal oder öfter zu wiederholen. Ich halte an und für sich und darin unterscheide ich mich von denen, die bisher heut sprachen, und bin fest überzeugt, aus meiner eigenen Erfahrung für mein Urtheil einstehen zu können eine kollegialische Ministerverfasfung für einen staatsrechtlichen Mißgriff und Fehler, von dem jeder Staat sobald als möglich loszukommen suchen sollte, und ich bin soweit entfernt, die Hand dazu zu bieten, daß diese fehlerhafte Einrichtung auf den Bund übertragen werde, daß ich vielmehr glaube, Preußen würde einen immensen Fortschritt machen, wenn es den Bundes satz geceptirte und nur einen einzigen verantwortlichen Minister hätte.

Worin besteht denn die Verantwortlichkeit, meine Herren? Es ist hier gesagt worden, sie solle geschaffsen werden durch Kollegien, ich fage, sie verschwindet mit Einführung des Kollegiums, sie ist vorhanden für den Einzelnen, der muß mit seiner Person für etwaige Mißgriffe einstehen; aber als Mit⸗ glied des Kollegiums sagt er: wie können Sie wissen, ob ich nicht überstimmt bin ünd er braucht nicht einmal über⸗ stimmt zu sein ob die Schwierigkeiten, die Friktionen, die ich auf meinem Wege gefunden habe, nicht unüberwind— lich waren, ob nicht Gesetze sieben Jahre lang deshalb in Rück— stand geblieben sind, weil sieben ehrliche Leute sich nicht darüber haben verständigen können, wie der Text lauten soll. Es ent- steht in jedem Kollegium, wenn eine ache zu Ende kommen soll, mitunter gewissermaßen die Nothwendigkeit, zuletzt Kopf oder Schrift darüber zu spielen, wie es sein soll, so nothwendig ist eine Entscheidung, so nothwendig ist es, daß Einer da ist es braucht gar nicht der Klügste zu sein der schließlich sagt, so soll es sein, und damit hat der Streit ein Endẽè, damit Es zu etwas kommt, je tüchtiger die einzelnen Charaktere sind, um so schwieriger ist natürlich die Einigung unter ihnen. Zwei harte Steine mahlen schlecht, das ift ein bekanntes Sprüch⸗ wort, aber acht harte Steine noch viel schwerer.

„Ich glaube, der ganze Antrag hat bei vielen seiner Unter⸗ zichner seinen Ursprung in dem Mißverstaͤndnisse von der Stellung des Bundeskanzlers überhaupt. ö

Hie Herren nehmen den Bundeskanzler für einen Bundes— Minister. Der Bundeskanzler ist nur Präsidialbeamter; ich glaube, es ist der Ärtikel 17 oder I8, wo seine Be⸗ fugnisse und Berechtigungen definirt sind, er hat die

erantwortung sür alle Handlungen des Präsidiums. Seine Mitwirkung bei der Legislative ist, wie schon früher be⸗ merkt, und durch staatsrechtliche Zeugnisse belegt worden

ist, gleich Null. In der Legislative wirke ich nur als preußi⸗ scher Bevollmächtsgter zum Bundesrathe mit und führe dort die Preußischen Stimmen, das könnte aber ebensogut in der

and eines Andern liegen, als in der Hand des Bundes⸗ anzlers, es wäre das vielleicht zweckmäßiger, um die Stellung des Bundeskanzlers reiner abzugrenzen. Diese preußi⸗ schen Stimmen werden unter Verantwortung des preußtschen Ministeriums abgegeben. Die Instruktlon des preußischen Vevollmächtigten wird' beschloffen n bem preußischen Ministe⸗ rium, ebenso wie die des fächsischen Bevollmächtigten im sächsi⸗ schen Ministerium; letztere geht aus von Sr. Majestät dem Könige von Sachsen, und die meinige in letzter Instanz nicht von dem Präsidium des Bundes, sondern von! Sr! Majestät dem

önige von Preußen. Die schmale Basis der Verant- wortlichteit für die Handlungen des Präsidiums soll ich, wenn ich mir den Antrag im Sinne des Herrn Twesten, im unschuldigeren und geschaͤftlicheren Sinne, wobei der Bundes- rath das Seinige behielte, auslege, die soll ich thei—⸗ len mit so und so vielen Ministern und zwar zu⸗ nächst aus dem Grunde den ich vollkommen aner⸗ kenne: daß ich nicht alles verstehe, was unter meiner Ver— antwortung vorgeht. Meine Herren, kommen wir nicht Alle mehr oder weniger in diese Lage, namentlich die Herren Abge⸗ ordneten, müssen Sie sich nicht über den ganzen Bereich aller Ministerien und der ganzen preußischen Verwaltung ein Ürtheil bisl den, welches gewöhnlich mit einer größeren Schnelligkeit und Sicherheit abzugeben ist, als dasjenige eines Ministeriums? Sind Sie nicht bei dem Budget, bei der sorgfältigen Revision und Erwägung des Gewerbegesetzes, bei der Prüfung aller Aus⸗ gaben und Gesetze genöthigt, eigentlich Alles zu wissen?

Nun, meine Hexren, ich will gar nicht darauf Rücksicht nehmen, daß ich seit sieben Jahren an der Spitze einer großen Staatsverwaltung stehe, und daß ich da allerdings Manches aus der Uebung lernte, was ich früher nicht wußte, und daß ich da jedenfalls gezwungen bin, ein Urtheil über alle Vorkomninisse jedes einzelnen Ressorts mir zu bilden sondern ich will nur darauf Bezug nehmen, daß ich den Vorzug habe, seit 22 Jahren Mitglied aller preußischen Landes- vertretungen gewesen zu sein und darin nach Maßgabe meiner natürlichen Fähigkeiten und Anlagen so viel gelernt habe, wie Abgeordnete im Allgemeinen lernen, wenn sie über alle Dinge ein Urtheil mit verantwortlicher Sicherheit abgeben. Die⸗ ses und dann die Wahrnehmung muß ich hervorheben, daß auch meine preußischen Kollegen, wie das schon der Abgeordnete von Blankenburg bemerkt hat, außer Stande sind, Alles zu beurtheilen, was in ihren engeren Ressorts, wo ja die Verantwortlichkeit viel schärfer gedacht ist, vor⸗ geht. Wie kann von dem Finanz ⸗Minister verlangt wer⸗

den, daß er Forstmann sei, daß er Domänen und Landwirthschaft unter sich verwalte (das könnte man weit eher von dem landwirthschaftlichen Minister verlangen); wie soll der Handels⸗Minister alle technischen Details feiner riesenhaften Verwaltung so genau kennen, daß er die Richtig⸗ keit jedes Urtheils und jeder Handlung, die unter seiner Ver— antwortung vorgeht, verbürgen könnte? Da hilft nichts als Vertrauen auf diejenigen Personen, die das Einzelne verstehen und für deren Handlungen und deren Anstellung der Minister ver— antwortlich bleibt. Ich glaube kaum, daß es überhaupt einen Mini⸗ ster in größeren Staaten giebt, der im Stande ist, die Hälfte, ein Viertel von dem zu ee. was er zu unterschreiben gesetzlich genöthigt ist, ich würde den für einen beneidenswerth geschaͤfts⸗ losen Kollegen halten, der ein Viertel von Dem lesen könnte, was er zu unterschreiben hat. Erleichtern würden Sie mir das Geschäft durch ein Kollegium nicht, und Sie haben in mir keinen Bundeskanzler, der einen Kollegen acceptirt. Ich stütze mich auf mein ver fun gens Recht. Wie das Bundeskanzler ⸗Amt ausgestattet ist, so habe ich es übernommen, ein Kollege würde an demselben Jag, wo er es wird, mein Rachfolger werden müssen. Ich hoffe, Sie thun mir die Ehre an zu glauben, daß ich eben so sehr nach Konsolidation der deutschen Verhältnisse strebe, wie Sie. Ich habe Gelegenheit gehabt, seit langen Jahren zu bethätigen, daß mein Streben nach dieser Richtung hin auf⸗ richtig und ehrlich ist. Es kann sein, daß Sie die deutsche Be⸗ wegung in der Art, wie sie zu behandeln ist, rich⸗ tiger und sachverständiger beurtheilen als ich, ich kann aber nur nach meinem eigenen Urtheil gehen, und das beruht auf der Ueberzeugung, daß dieser Antrag für die Ent— wickelung der deutschen Bewegung ein nachtheiliger ist, daß ich schon, wenn er mit großer Majorität Annahme findet, das Gefühl des Mißtrauens, der Rechtsunsicherheit bedauern würde, welches sich dadurch unter den verfassungsmäßig berechtigten Faktoren in Deutschland verbreiten würde und daß es mir am allerliebsten gewesen wäre, er wäre gar nicht gestellt worden und ich wäre nicht in die unbehagliche Nothwendigkeit versetzt