Beurtheilung vorab auszuschließen, die in Bezug auf Konstruk⸗ tion und Aesthetik so große Mängel aufwiesen, daß die Ver⸗ fasser derselben, als mit den Fundamentalgesetzen der Baukunst nicht hinreichend vertraut, der gestellten architektonischen Auf⸗ gabe überhaupt nicht gewachsen erschienen.
Nach dem einstimmig gefaßten Beschlusse der Kommission und nach vorgängiger sorgfältiger Prüfung jedes einzelnen Projektes wurden unter kurzgefaßter Angabe der Gründe, als zur ferneren eingehenden Beurtheilung ungeeignet, bezeichnet im Ganzen 21 Entwürfe von 20 Verfassern und zwar:
) Projekt mit dem Motto: »Viel Köpfe, viel Sinnes; ö von G. in Toulouse; von P. in Toulouse; mit dem Motto: »Durchs Kreuz zum Licht; von E. in Nürnberg; von B. in Zeulenroda; mit dem Motto: »Durch Gott zum Sieg«; von B: in Charlottenburg,; von S. in Breslau; von P. in Frankfurt a. M.. II) und 12) zwei Projekte von F. in Fürth; 13) Projekt von M. in Gent; 14 von G. in Berlin; 15) von W. in Clausthal; 16 von J. in Hohenstein; 17 mit dem Motto: »Bramante«; 18) von Z. in Breslau; 19) mit dem Motto: »Pegasus«; 20) von H. in Berlin; 21) mit dem Motto: »Wahrheit«.
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Zur Prüfung und speziellen Beurtheilung verblieben da— her im Ganzen 32 Projekte, von 30 Verfassern herrührend.
Nachdem über die Vertheilung der Referate unter die Mit— glieder der Kommission mit Ausschluß des Schriftführers Herrn Lucae und des Herrn Ober⸗Konsistorial⸗Raths Dr. Kögel durch das Loos entschieden, und der Geschäftsgang bei Beurtheilung der Pläne dahin geregelt war, daß das von dem Referenten, nach Rücksprache mit dem Korreferenten abgefaßte Gutachten im Plenum der ganzen Kommission zu berathen und unter genauer Prüfung der Pläne und Modelle festzustellen sei, begannen am 12. März er. die einzelnen Sektionen ihre Arbeiten in den Frühstunden, während den um 11 Uhr Vor⸗ mittags eröffneten Plenarsitzungen die Referate der einzelnen Mitglieder der Kommission zur Prüfung und eingehenden Besprechung zugingen.
Die Sitzungs⸗Protokolle bis zum 23. März inkl. enthalten die ausführlichen Beurtheilungen der 32 Projekte, deren Vor⸗ züge und Mängel in Bezug auf die Situation, Konstruktion und Aesthetik nachgewiesen sind. Hierbei kam in Betracht, daß die in der Ministerial Verfügung vom 12. August 1867 bezeich⸗ neten Grundbedingungen Nr. 1—8, welche bei den vorzulegen⸗ den Entwürfen einzuhalten waren, über die Situatlon, Orien⸗ tirung und die Baukosten genaue Bestimmungen enthalten, während den Künstlern in Bezug auf Grundriß⸗Anordnung, Raumdisposition, Konstruktion und Wahl des Baustyls völlig freie Hand gelassen war. Die Kommission mußte somit jede Lösung der gestellten Aufgabe, insofern sie die vorgeschriebenen Grenzen des Bauplatzes im Wesentlichen inne hielt und die disponibel gestellte Bausumme nicht überschritt, als berechtigt anerkennen. Die demnächst zur Erörterung gekommene Frage, ob unter den auf Grund des Konkurrenz-Ausschreibens vom 12. August 1867 eingelieferten Entwürfen für einen neuen evangelischen Dom zu Berlin, Pro— jekte sich befinden, welche den vorgeschriebenen Bedingungen der Konkurrenz entsprechen, und insoweit dies der Fall ist, nach ihrer künstlerischen Auffassung und konstruktiven Durchbildung dem Zwecke, einen würdigen Dom für den evangelischen Kultus an der bezeichneten Stelle zu errichten an sich entsprechen oder
einer weiteren Bearbeitung für diesen Zweck zur Grundlage u dienen, vorzugsweise geeignet sind, mußte von Seiten der Kom. mission mit allen Stimmen verneint werden.
Wenn es somit nicht gelungen ist, aus der Zahl der Kon. kurrenzentwürfe einen zur Ausführung direkt oder mit geringen Abänderungen geeigneten Bauplan zu erhalten, so bietet an. dererseits die große Zahl der mit so entschieden künstlerische Befähigung entworfenen und mit anerkennenswerther Sorgfalt bearbeiteten Projekte den erfreulichen Beweis eines regen und erfolgreichen Strebens auf dem Gebiete der Architektur.
Die Kommission glaubte daher im Sinne ihres Auftrag zu handeln, wenn sie von den eingegangenen Konkurrenzarbeiten diejenigen bezeichnet, welche nach den verschiedenen, bei der Ve. urtheilung in Betracht kommenden Richtungen, sei es in einer oder mehrfacher Beziehung, eine hervorragende Stelle einnehmen. Auf Grund eines Majoritätsbeschlusses im Plenum der Kom mission sind in diesem Sinne die nachstehend, nach dem Namen der Künstler alphabetisch geordneten 10 Projekte als Kunst⸗ leistungen von Bedeutung zu bezeichnen:
I) Entwurf von Adler in Berlin,
2) desgl. von Eggert in Berlin,
3) desgl. von Ende und Böckmann in Berlin, desgl. von Gropius und Schmieden in
Berlin,
von Hildebrandt in Berlin,
von Klingenberg in Oldenburg,
von Kyllmann und Heyden in Berlin,
von Orth in Berlin,
von v. Quast in Radensleben,
von Spielberg in Berlin.
desgl. desgl. desgl. desgl. desgl. desgl.
Bevor die Kommission sich der ihr gestellten Aufgabe, der sorgfältigen Prüfung und eingehenden Begutachtung der Kon— kurrenzentwürfe unterzog, erachteten die Mitglieder derselben eine Einigung über die Grundzüge eines Programms für den beabsichtigten Bau eines evangelischen Domes in Berlin für nothwendig und verdankt die Kommission die hierzu erforder⸗ lichen statistischen Nachweisungen über die Domgemeinde zu Berlin den Mittheilungen des Herrn Bau⸗Raths Erbkam als Mitglied des Domkirchen⸗Kollegiums.
Ebenso gab die übersichtliche Zusammenstellung der lokalen kirchlichen Bedürfnisse seitens des Herrn Ober⸗Konsistorial⸗Rathö Dr. Kög el das zuverlässigste Material zur Aufstellung des nach— stehend mitgetheilten und von der Kommission einstimmig an⸗ genommenen Programms:
»Es ist von einer besonderen Festkirche und einer davon getrennten Predigtkirche Abstand zu nehmen; vielmehr soll der neue Dom nur einen Hauptraum für die Gemeinde enthalten, welcher zwar in erster Linie dem Zwecke des allsonntäglichen Gottesdienstes entsprechen muß, jedoch über die Anforderungen an eine Pfarrkirche hinaus, im Sinne einer protestantischen Hauptkirche gestaltet werden soll.
N Raumbedürfniß.
Es werden verlangt: Im Hauptraume, theils zu ebener Erde, theils auf den Emporen:
1600 geschlossene Sitzplätze à 5 Quadratfuß
Gänge). Auf den Emporen:
200 geschlossene Sitzplätze 2 8 Quadratfuß (inkl. Gänge) für Fürstliche Personen, Hofbeamte, Diplomaten 2c, und zwar:
a) für eine Königliche Loge 50 Plätze, 2 i ///⸗ A40 do. e) * 2 Diplomatenloge ..... A40 do. ) Mie .. 40 do.
0(epll.
e) für eine Loge des Dom kirchen ⸗Kollegiums 30 Plätze, außerdem ist für mehrere Closets für diese Logen in ihrer unmittelbaren Nähe zu sorgen. Auf der Orgelempore: 150 Plätze für Sänger.
Ferner soll der Raum vor dem Altare und zur Seite des— selben für mindestens 150 bis 200 Personen Platz zum Sitzen gewähren. ö
An Nebenräumen sind erforderlich: a) eine kleine Sakristei von 350 Quadratfuß,
b) eine größere Sakristei von 600 Quadratfuß,
c) eine abgeschlossene Nebenkirche von 2500 Quadratfuß,
d) ein oder zwei größere Säle für Synodal⸗ Versammlungen von 1200 bis 1500 Qua- dratfuß,
e) ein Aerarium in der Nähe der einen Sa— kristei von 150 Quadratfuß,
f) Closets für die Gemeinde und die Geistlichen,
8) vielleicht noch eine Taufkapelle, wenn die ad e aufgeführte Nebenkirche nicht gleich- zeitig als Taufkapelle benutzt wird.
Die größere Sakristei und die Taufkapelle, wenn letztere vorhanden, müssen zu ebener Erde liegen, bei den übrigen Räumen ist dies jedoch nicht unbedingt nothwendig.
Ferner muß der Chor um 3 bis 5 Stufen höher als die sirche gelegen, als Altarraum in einer würdigen Weise archi— tltonisch ausgezeichnet werden und die Axenrichtung von Westen mach Osten bedeutsam betonen. Dagegen ist jede Abschließung der auch nur Einengung, die den Altarraum in eine selbst— findige — gleichviel ob Haupt⸗ oder Nebenkirche verwandelt, A6 unevangelisch zurückzuweisen. Ferner dürfen im Chor weder hinter noch zur Seite des Altars Emporen liegen. Endlich ist ßer einer offenen Vorhalle ein geschlossener Vorraum uner— lislich, welcher nicht nur dem praktischen Bedürfnisse entsprechen, sndern auch seiner räumlichen und künstlerischen Bedeutung nach würdig das Innere des Domes vorbereiten soll.
9 Raumgrenzen.
Das Maximum der Entfernung eines der anfangs er⸗
pähnten Sitzplätze von der Kanzel darf betragen: a) in einem reinen Centralbau 100,
b) in einem Centralbau mit Armen und
Emporen 120, c) in einem Langbau 150. 3) Emporen.
Emporen, unter welchen der Raum auch noch zu Sitz⸗ lägen benutzt werden soll, dürfen sich in der Vorderkante des
zußbodens bis zu 25 über dem des Kirchenschiffes erheben.
gde Empore über dem Hauptportale muß jedoch so hoch liegen, ß ein den Dimensionen des Gebäudes angemessener Eingang
sichaffen werden kann.
4 Kanzel.
Die Kanzel soll mit ihrem Fußboden 8 bis 10 über dem sflaster des Kirchenschiffes liegen und darf nicht in der Axe ies Altares stehen.
5) Altar.
Der Altar muß im Chore um 1 bis 2 Stufen über lem Boden desselben erhöht und so aufgerichtet werden,
daz der Geistliche womöglich von allen Plätzen gesehen werden
lann.
ö Ein Umgang hinter dem Altare ist unbedingt nöthig. zan dem Dom mehr als einen Altar aufzustellen, ist weder er Einheit des Baues förderlich, noch seinem evangelischen arakter angemessen.
3
6) Sitzplätze.
Die Richtung der Sitzplätze zu dem Altare und zu der Kanzel muß womöglich keine zu verschiedene sein.
7) Fußboden.
Der Fußboden des Predigtraumes soll horizontal und überall in derselben Höhe liegen.
8) Beleuchtung.
Eine ausreichende und gleichmäßige Lichtgebung ist un— erläßlich.
9) Heizung. Alle Räume des Domes müssen heizbar sein.«
Die Kommission war sich bei Aufstellung des vorstehenden Programms für den Entwurf eines evangelischen Domes in Berlin bewußt, daß die Beurtheilung des Werthes der vor— gelegten Konkurrenzentwürfe nicht nach der mehreren oder minderen Uebereinstimmung mit diesem nachträglich aufge⸗ stellten Programme zu bemessen sei, da die Cultuserforder⸗ nisse einer Hof⸗ und Domkirche für Berlin den Künstlern bei Entwurf der vorliegenden Pläne nicht ausreichend bekannt waren, vielmehr konnte nur die künstlerische Vollendung der Arbeit, die konstruktive Durchbildung und die Zweckdienlichkeit für den evangelischen Cultus im Allgemeinen hierbei in Be⸗ tracht kommen.
Das von der Kommission festgestellte Programm dürfte aber bei ferneren Bearbeitungen von Plänen für den Berliner Dom die für den Architekten unerläßlichen Anhaltspunkte bieten und somit die Erlangung eines brauchbaren Projektes wesentlich fördern.
Uebergehend auf die Stylfrage beschloß die Kommission nach längeren Verhandlungen mit 12 gegen 4 Stimmen: »daß ein Dom im Spitzbogenstyl an der betreffenden Stelle wegen des architektonischen Charakters der umgebenden Gebäude nicht
zulässig sei.«
Für diesen Beschluß stimmten die Herren Herrmann, Strack, Hitzig, Erbkam, Lucae aus Berlin, Hase aus Hannover, Engelhard aus Münster, von Ritgen aus Gießen, Semper aus Zürich, Ziebland aus München, Lübke aus Stuttgart und Gruner aus Dresden. — Dagegen stimm— ten die Herren Salzenberg, Flaminius, Dr. Kögel aus Berlin und Voigtel aus Cöln.
Zur näheren Motivirung der Gründe gaben die Herren Salzenberg, Flaminius und Voigtel ein Separatvotum zu Protokoll, in welchem dieselben der Majorität der Kom— mission in dieser Frage aus nachstehenden Gründen nicht bei— stimmen zu können erklärten:
l) Weil sie nicht anzuerkennen vermögen, daß die an anderen Orten und selbst unter ähnlichen Verhältnissen bestehenden großartigen Monumente des Spitzbogen— styls die ästhetische und bedeutsame Wirkung der Um— gebungen beeinträchtigen, oder selbst in ihrer Erscheinung durch diese Umgebungen geschädigt werden.
Y) Weil die Ergebnisse der vorliegenden Konkurrenz den überzeugendsten Nachweis von der Bildungsfähigkeit des Spitzbogenstyls darbieten, welche ihn bei geschickter künstlerischer Behandlung den mannichfaltigsten Grund⸗ rißformen und Größenverhältnissen entsprechend er— scheinen läßt, und weil die Unterzeichneten daher eine Beschränkung des Programms durch Ausschließung eines so bildungsfähigen Styls nicht als wünschens⸗ werth erachten können.
Weil das System des Spitzbogensiyls bei der ihm eigenthümlichen Ausbildung des Gewölbebaues vor— zugsweise eine reiche und gleichmäßige Lichtgebung be—