1870 / 33 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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. Referent seine Ansicht dahin ausgesprochen hat: es hätte auch ein anderer als ich den Südbund zu Stande gebracht, Wenn der err Äbg. Greif aber verstanden hat: ich halte den Südbund nicht für rathsam, weil dadurch die Selbständigkeit der einzelnen Staaten gefährdet werde, so hat der Herr Abgeordnete mich falsch verstanden. Ich habe nur auf die Schwierigkeiten hingewiesen, welche der Kon— siruirung des Südbundes deshalb entgegenstehen, weil derselbe nur dann zu Stande kommen könne, wenn jeder von den süddeutschen Staaten auf einen Theil seiner Selbständigteit, auf, einen Theil seines Selbstbestimmungsrechts verzichtet. Ich fügte bei: Bayern könne dieses Opfer bringen, da wir die stärkste Macht innerhalb des Süd- bundes feien, und die gebrachten Opfer wieder durch die Stellung ausgeglichen würden, welche Bayern im Südbund einzunehmen hätte.

Ich fügte dann weiter bei, daß Württemberg und Baden auf

einen solchen Verzicht einzugehen wenig Grund hätten. Der Abg. Greil will aber weder den Bundesstaat noch den Staatenbund, ja nicht einmal ein Anlehnen an den Palast des Norddeutschen Bundes. Damit ist aber auch der von mir angestrebte weitere Bund verurtheilt, und die Politik des Abwartens als die eigentliche bayerische Politik proklamirt. Es ist möglich, daß wir vorderhand dazu gezwungen sein werden; allein, meine Herren, es giebt für uns zwei Arten des Ab⸗ wartens. Die eine besteht darin, daß wir die gegebenen Verhältnisse offen und rückhaltlos acceptiren, und sie nicht als solche ansehen die wieder zu zerstören wären, daß wir aufmerksam beobachten, ob und wann der Augenblick gekommen sein wird, in welchem an der großen nationalen Aufgabe mitgewirkt werden kann, unter Wahrung der Rechte und Interessen unseres engeren Vaterlandes, und es giebt eine andere Art des Abwartens, die darin besteht, mit Ungeduld nach dem Augenblicke zu spähen, wo man das Geschehene ungeschehen, wo man die Ereignisse rückläufig machen, und Revanche für das Erduldete nehmen könnte. Daß, meine Herren, ich mit letzterer Art des Ab— wartens nicht einverstanden bin, das werden Sie begreifen, ich würde 6 mit meiner ganzen politischen Vergangenheit in Widerspruch gerathen.

Ich komme nun noch auf einen weiteren Punkt, der in der all— emelnen Debatte berührt worden ist. Der Herr Abgeordnete Schleich at der Staatsregierung daraus einen Vorwurf gemacht, daß sie Sr.

Majestät dem König keinen Ausspruch über unser Verhältniß zu Desterreich in der Thronrede angerathen hat; allein, meine Herren, ich habe vergeblich auch in Ihrem Adreßentwurf eine derartige Aeuße⸗ rung gesucht, und ich muß mich wahrhaftig wundern, daß, wenn Sie so vorsichtig sind, sich über diesen delikaten Gegenstand nicht aus— zusprechen, Sie es der Staatsregierung und inshesondere dem Minister des Aeußern, dessen Worte von großer Tragweite sind, wie uns auch der Herr Referent gesagt hat, zumuthen, sich in dieser Beziehung aus⸗ zusprechen.

Es hat aher Herr Abg. Schleich und der Herr Abg. Kolb sich

über Unsere gefährliche geographische Lage gegenuͤber Oesterreich aus— esprochen. Ich bin nun zwar nicht der Meinung des berühmten n en Wortführers dieser Theorie; ich glaube, daß Süddeutsch—= land auch strategisch eine größere Bedeutung habe, als Oesterreich zum Festungsgraben und Glacis zu dienen; noch weniger kann ich dem Ausspruch des citirten Schriftstellers beistimmen, daß die Geschicke Bayerns mehr von Wien, als von München abhängen; aber das vertenne ich allerdings nicht, daß, wenn Oesterreich, verbündet mit Frankreich, Deutschland angreifen würde, Bayern und Süddeutschland in eine sehr bedenkliche Lage kämen. Allein was kann ein bayerischer Minister in dieser Beziehung thun? Doch gewiß nichts anderes, als sein volles Augenmerk darauf zu richten, daß er keinen Anlaß zu einer solchen Koalitlon giebt, und andererseits Alles aufzubieten, damit

der Riß, welcher seit 1866 Oesterreich von Preußen trennt, vermindert werde. Ich kann mir nur als eine Pflichterfül⸗ lung anrechnen, wenn ich seiner Zeit, als der Luxem—

burger Konflikt drohte, auch in dieser Beziehung aktiv vorgegangen bin. Die vielen Angriffe, die ich deshalb in der Presse zu erdulden hatte, können mich nicht beirren. Es ist sehr leicht, eine Maßregel zu kritisiren, die an fich gut ist, deren schwache Seite aber darin besteht / daß sich ein kleiner Staat immer in einer unglücklichen Lage befindet, wenn er zwischen zwei Großmächten vermitteln will.

In welcher Weise, meine Herren, dereinst das Verhältniß Oester⸗ reichs zu Deutschland sich gestalten wird, das vorauszusehen, wird wohl kein sterblicher Politiker die Gabe haben. Daran aber will und kann ich festhalten, daß ich in Oesterreich ein Reich mit Millionen eines trefflichen und in allen deutschen Tugenden reichen Bruder— stammes erblicke, und daß ich den Frieden Europas und das Heil unserer Zukunft vor allem von der endlichen Versöhnung Oesterreichs und Preußens erwarte Bis dieser Augenblick eintritt, lassen Sie uns festhalten an dem, was wir zur Zeit an nationaler Gemeinsam⸗ keit noch besitzen. Vergessen wir nicht über Wünschen, deren Erfüllung fern liegt, die Pflichten der Gegenwart.

Und nun noch ein Wort.

Der Herr Abg. Dr. Huttler hat im Verlauf seiner Rede gesagt: wenn bei uns das konstitutionelle Leben so entwickelt wäre, wie es fein sollte, so hätte es eines Mißtrauensvotums gar nicht bedurft. Meine Herren, der Herr Redner hat ohne Zweifel vergessen, daß un— mittelbar nach dem Ausfalle der Wahlen das Gesammt ⸗Ministerium seine Entlassung eingereicht, und daß erst nach längeren Verhandlungen sich ein Theil der Minister zum Bleiben entschlossen hat. Daß wir dies nicht gethan hätten, wenn wir unsere persönliche Annehmlichkeit in Betracht gezogen hätten, werden Sie billig genug sein, zuzugeben. Denn so viel politischen Scharfblick werden Sie uns doch zutrauen, daß wir die Annehmlichkeiten dieser Adreßdebatte vorausgesehen haben, wenngleich ich gern gestehe, daß dieselben noch über meine Erwartun⸗ 6 hinausgegangen sind. Ich kann nicht schließen, ohne noch einem Vorwurfe zu begegnen, der mir von Seite des Herrn Referenten ge⸗ macht wordenist. Es ist meine vielbesprochene Rede im Zollparlament. Ich

glaube, der Herr Referent hat nicht die ganze Rede vorgelesen, ich glzaße, der Schluß wurde vergessen; der letzte Satz beginnt: Das Vertrauen dieser hohen Versammlung wird mir die Kraft geben, aus · zuharren.« Dieser Anfang des Satzes wurde von dem Herrn Refe⸗ renten noch gelesen; aber der Schluß nicht, welcher lautet: In dem Bestreben für Verständigung, Versöhnung und Eintracht der deutschen Stämme mit allen Kräften zu wirken.« Meine Herren! Ich habe diese Erklärung nicht abgegeben in einer Versammlung eines fremden Landes, ich habe sie abgegeben in einer Versammlung, welche auf Grund des Vertrags vom 7. Juli 1867 in Berlin tagte, ich habe sie abgegeben in einer deutschen Versammlung. Ich habe nicht im Sinne der national-liberalen Partei gesprochen, sondern ich habe meine Thätigkeit dahin bezeichnet, daß ich für Versöhnung, Eintracht und Verständigung der deutschen Stämme fortarbeiten werde. Und inso⸗ fern konnte ich mich auf meine Thätigkeit als bayerischer Minister des Aeußern beziehen.

Wahrlich, meine Herren, es wäre weit gekemmen, wenn man von Verföhnung und Eintracht deutscher Stämme nicht mehr reden könnte, ohne sich die Vorwürfe eines Theils seiner deutschen Mitbürger zuzuziehen. Ich bin überzeugt, daß ein anderer Minister auch nicht anders gespröchen hätte. Aber wie etwa ein Minister hätte sprechen müssen, der nach dem Sinne des Herrn Referenten gewesen wäre, das will ich Ihnen sagen. Er hätte sprechen oder wenigstens denken müssen: Dank meinen Bemühungen, Dank den Bemühungen der Presse meiner Partei, ist es nicht möglich, von Versöhnung, Verstän digung und Eintracht der deutschen Stämme in diesem Saale zu reden.“ Daß ich, meine Herren, so nicht sprechen konnte und so nicht

gesprochen habe, darauf bin ich stolz.

Landtags Angelegenheiten.

Berlin, 8. Februar. In der gestrigen Sitzung des Her⸗ renhauses nahm der Präsident des Staatsministeriums Graf von Bismarck-Schönhausen bei der Diskussion über den Vertagungsantrag, nach dem Professor Dernburg das Wort:

Meine Herren! Die Königliche Staatsregierung bedauert lebhaft, daß sie in die Nothwendigkeit versetzt ist, an Ihre Arbeitskraft auf einen so großen Theil des Jahres Änsprüche stellen zu müssen. Es ist das zum Theil das Ergebniß der komplizirten Verfassung, der Doppelverhältnisse, in denen wir leben, in denen sich unser parlamen⸗ tarisches Leben entwickelt. Diese Uebelstände zu überwinden, wird meines Erachtens das richtige Mittel in dem gegenseitigen Ent gegenkommen liegen, wie es zwischen der Regierung und diesem Hause jederzeit stattgefunden hat; dasselbe wird die Mittel bieten, die Klippen, die Schwierigkeiten, welche die Komplikation unseres politischen Lebens uns geschaffen hat, zu umschiffen und uns all mählich ein breiteres Fahrwasser zu bilden. Die Hemmnisse in un serer Arbeit werden wir nicht dadurch überwinden, daß wir eine Arbeit deshalb, weil sie wichtig ist, aufschieben; gerade wenn sie wichtig ist, muß man sie oft und lange besprechen. Wir können unsere Schwierigkeiten dadurch überwinden, daß wir eine Ge— wohnheit ablegen, die der Herr Vorredner vorher gerügt hat; nur dadurch, daß unsere parlamentarischen Körperschaften sich nicht zu lange bei einem und demselben Gegenstand aufhalten, daß wir an Reden weniger fruchtbar und die Reden weniger lang werden. Wir müssen mit der Zeit dahin kommen. Aber die Ueberzeugung, daß diesen Uebelständen abgeholfen werden muß, kann nur durch die Erfahrung zur Reife gebracht werden. Daß die Lage formell eine schwierige ist, für den Reichstag und für uns, wenn wir gerade den 2. Mai genannt haben, gebe ich zu; wir mußten irgend einen Termin nennen, wir haben allerdings dabei auf ein wohlwollendes Entgegenkommen beider Häuser des Landtags gerechnet, wir haben darauf gerechnet, daß, wenn soir uns vielleicht um 5 oder 10 Tage verrechnen sollten, man uns nicht deswegen Schwierigkeiten machen werde mit der Auslegung eines Verfasfungs-Paragraphen, sondern daß man in dieser Beziehung bereitwillig die Hand bieten werde, denn die Regierung betreibt ja doch nicht zu ihrem eigenen Vergnügen die Geschäfte mit dieser an haltenden Ausdauer, sondern deshalb, weil sie es im Interesse des Landes für unvermeidlich hält und hofft, daß man die Schwierig⸗ keiten nicht dadurch vermehren werde, daß man solche Interpretations- frage aufwirft, die ich übrigens keinen Augenblick anstehe, im ent- gegengeserzten Sinne wie mein Freund v. Kleist zu beantworten.

Eine Vertagung ohne Zustimmung der beiden Häuser des Land tags kann nicht öfter wie einmal und nicht länger, als auf den an⸗ gegebenen Zeitraum stattfinden. In dieser Sitzungsperiode hat sie noch nicht stattgefunden; eine Vertagung mit allseitiger Zustimmung kann stattfinden, so oft und so lange, wie alle Theile sich einigen. Wenn die Königliche Staatsregierung zu ihrem Bedauern an Sie die Zumuthung hat stellen müssen, nach dem Reichstag in die Landtags derhandlungen wieder einzutreten, so ist sie dabei getragen von dem Ge⸗ fühl ihrer eigenen Verantwortlichkeit dafür, daß keine Zeit zur Berathung, und wenn es sein muß, zur Breitsprechung einer so wichtigen Gesetzes vorlage verloren werde. Mein Herr Kollege, der Minister des Innern, hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, daß wir bereits in diesem Sommer die Kreisordnung zu Stande bringen fönnen; meine Hoffnung in dieser Richtung ist vielleicht geringer, obschon auch ich sie nicht aufgebe, da, wenn allseitig Neigung zur Verständigung vorhanden wäre, man in kurzer Zeit über die Prinzipienfrage, die Jeder ja doch durchdacht hat, der den Verhandlungen des andern Hauses gefolgt ist, sich aus- sprechen könnte. Aber selbst, wenn das nicht der Fall märe, so halte ich es für unerläßlich, daß nach der Reichstags -⸗Sitzung noch eine neue Landtags -Sitzung oder eine durch Vertagung unterbrochene Fortsetzung stattfinde, schon allein um der Gesetze aus dem Ressort des Herrn

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ustiz⸗Ministers willen. ehr lange aufhalten, sie sind von dem ganzen Lande gefordert wor⸗

den und sind ein dringendes Bedürfniß; und als Mitglied des Herren,

hauses möchte ich demselben den Vorwurf nicht machen lassen, daß diese hohe Körperschaft der Gewohnheit, Strike zu machen, in diesem Augenblick und auf diesem Gebiete sich hingiebt. Ich komme damit auf meine zweite Eigenschaft, als Mitglied des Her— renhauses. ͤ nisse meiner Kollegen im Ministerium berufen könnte, angetrieben, für die Vertagung einzutreten, indem ich darauf hinwies, daß wir es dem Herrenhause schuldig sind, noch in dieser Session auch ihm das Wort zu gestatten über so bedeutsame Vorlagen, wie sie im andern Hause verhandelt sind; dabei versetzen wir das Herrenhaus in eine eminent günstige Lage, wenn, wie der Herr v. Kleist versichert, die Elaborate des andern Hauses nicht die Zustimmung der öffentlichen Meinung und der Betheiligten finden, und gerade, wenn dieses be— gründet ist, sind wir dem Herrenhause schuldig, ihm die Gelegenheit,

Diese würden uns wahrscheinlich nicht so derselben Genauigkeit lesen, wie wir hier; deshalb, um Allen klar zu

machen, um was es sich hier handelt, kann man nicht oft und gründlich genug die Sache diskutiren. Denn schon Jemand, der unter

uns lebt ohne den Debatten genau zu folgen, kommt darüber sehr leicht in Irrthümer.

Ich glaube, daß diese Aussprache, die ich dem Herrenhause zu

gönnen für meine Pflicht halte, nicht verloren sein wird, und ich halte

Gerade diese hat mich, wobei ich mich auf die Zeug⸗

die Königliche Regierung für verpflichtet, sie herbeizuführen; auch wenn

das heutige Votum Ihr Entgegenkommen nicht bethätigen wird, so

sich auszusprechen, zu geben, und es würde eine Ungerechtigkeit gegen

das Herrenhaus sein, ihm eine so günstige Gelegenheit zur Aussprache zu entziehen. Es würde namentlich aber nachtheilig für die Interessen dieses Hauses selbst und für die der Regierung sein, wenn die Wahlen einträten, ohne daß das Herrenhaus Gelegenheit gehabt hat, sich über ein Thema, das bei den nachsten Wahlen eine so große Rolle spielen wird, auszusprechen, die Meinungsverschiedenheiten von seinem Standpuntt aus zu beleuchten und jeder Verdächtigung, jeder Verkennung der Beweg— gründe, welche das Herrenhaus beim Versagen der Diskussion geleitet haben die Spitze abzubrechen. Ob das Herrenhaus überall in den Wahltollegien auf eine wohlwellende Beurtheilung seiner politischen Thätigkeit zu rechnen hat, das überlasse ich Ihnen selbst zu beurtheilen. Eine Unklarheit über die Motive, aus weichen das Herrenhaus sich der Diskussion versagt, ist für mich nicht vorhanden, für mich sind es die Motive, die auf der Tribüne dargelegt werden. Aber für die Gegner des Hauses, unter denen ja auch solche sind, denen jedes irgend— wie plausible Motiv willkommen ist, um das Herrenhaus in einem üblen Licht erscheinen zu lassen, denen gegenüber scheint es mir nütz- lich, daß das Hertenhaus durch eine offene Aussprache sej— ner Stellung zur Kreisordnung die Wähler, mit denen die einzelnen Mitglieder dieses Hauses als zum Theil sehr ein— flußreiche Mitwähler zu thun haben, darüber aufklären, welche Motive das Herrenhaus leiten. Dies sind gerade die Motive, welche ich in den Vorverhandlungen in den Vordergrund gestellt habe, und das ist die Ueberzeugung, an der ich auch jetzt festhalte. Im Intexesse der Regierung liegt es außerdem, darüber keinen Zweifel zu lassen, daß sie mit vollem Ernst diejenigen Reformen der Kreisordnung an— strebt, die absolut nothwendig und von der öffentlichen Meinung allgemein gefordert werden, bevor man daran gehen kann, bei uns in Preußen eine Dezentralisation der Geschäfte vorzunehmen und einen erheblichen Theil der Attribute der Bezirksregierung resp. der Minister auf die Organe des Kreises zu vertheilen, bevor wir daran gehen, bedürfen wir einer Reform der Kreisordnung, und wenn die Nothwendigkeit der Dezentralisation von der überwiegenden Mehrheit dieses Hauses und der Bevölkerung anerkannt ist, so muß auch das zweite Zugeständniß folgen, daß vor allen Dingen noth; wendig ist, für die Arbeit, an der Kreisverfassungsreform keine Zeit zu verlieren, die irgendwie nützlich dazu verwendet werden könnte. Wenn wir uns auch darauf gefaßt machen sollten, daß die ganze nächste Legislgturperiede mit den Versuchen, zwischen den, beiden Häusern eine Verständigung unter sich und mit der Regierung über die Reform der Kreisordnung herbeizuführen, ausgefüllt werden sollte, so würden wir doch nicht darauf verzichten können, sie durchzuführen und unablässig daran zu arbeiten. Wir können diese Angelegenheit nicht mehr von der Tagesordnung verschwinden lassen. Die Aufgabe hat ihre Sporen in sich, durch welche die Regiexung unablässig vor— wärts getrieben wird in der Beschäftigung damit. Daß wir nun eine erhebliche Zeit gewinnen, wenn wir uns in diesem Sommer wieder damit beschäftigen, auch in dem Falle, daß das Resultat nicht das eines definitiven Beschlusses sein sollte, darin, glaube ich, werden Sie mir Recht geben. Aber der definitive Beschluß ist in diesem Jahre jeden falls leichter möglich, wie in der folgenden Sitzungsperiode. In diesem Jahre, auch wenn Sie nicht in die Vertagung willigen unnd die Re— gierung dadurch genöthigt wird, eine extraordinäre Sitzung zu berufen, wird das Abgeordnetenhaus in der Lage sein, sämmtliche gefaßten Beschlüsse an einem Tage en blos wiederholen zu können, und dann wird die Zeit, die das Abgeordnetenhaus auf diesen Akt verliert, eine immerhin nur geringe sein. Wir können noch in diesem Jahr mit einer herzhaften Anstrengung die Kreisordnung bewältigen; daß wir es thun werden, will ich nicht behaupten, denn, meine Herren, ich bin nicht sanguinisch in dieser Richtung. Aber wir können es, wenn das Abgeordnetenhaus schleuniger arbeitet wie bisher und rascher fertig wird, als nach dem jetzigen Prozentsatz der Para— graphen auf den Tag oder der Tage auf den Paragraphen. Dann, meine Herren, werden wir, wenn es uns gelingt, den Termin vom 2. Mai einzuhalten, mit einer Sommersitzung von 6 Wochen, die uns in dieselbe Zeit bringt, zu der wir, meines Erinnerns, in jedem bis— herigen Jahre unsere Arbeiten geschlossen haben, nämlich um den Ber— liner Wollmarkt, gegen Ende Juni dann werden wir unter allen Umständen so weit vorwärts kommen, daß das Abgeordnetenhaus seine Arbeiten abgeschlossen hat, das Herrenhaus wenigstens die Gelegenheit gehabt hat, sich auszusprechen, wenn etwa die Schwierigkeiten, eine Eini- gung herzustellen, unüberwindlich sein sollten, wenigstens einen Ausspruch zu leisten, auf den die Mitglieder sich bei den Wahlen beziehen können; und wenn es richtig ist, daß die Beschlüsse des anderen Hauses so viel Mißvergnügen in den betheiligten Kreisen erregt haben, so werden die einzelnen Mitglieder des Herrenhauses ihrer politischen Stellung durch solche Aussprache wesentlichen Vorschub leisten. Denn ich glaube nicht, daß alle Wähler die Zeitungen und die Landtags- Verhandlungen mit

daß bei früheren Gelegenheiten und auch heut

kann ich nicht anders als Sr. Majestät dem Könige rathen, daß nach dem Schlusse des Reichstages, wenn die Vertagung von Ihnen abge— lehnt würde, eine außerordentliche Sitzung berufen werde. Was schließlich den Vorwurf betrifft, als würde von uns der Reichstag rücksichtsvoller behandelt als das Hçrenhaus, so muß ich auf ihn doch als Bundeskanzler einen kurzen Rückblick werfen. Ich bedauere, eine unmotivirte

Scheidung gemacht wird zwischen den Interessen des Bundes und denen Preußens, als ob es Elemente wären, die in sich zwei verschiedene Völker darstellten, die rivalisirende Inter

essen hätten, von denen zu befürchten wäre, daß der eine den anderen erdrückte oder schädigte. Es ist sehr leicht möglich, daß ein mißver— standener preußischer Partikularismus den Bund schädigt und ihn in seiner Entwickelung aufhält; es ist mir aber undenkbar, daß der Bund durch Pflege seiner Interessen die Interessen der 25 Millionen Preußen, die Vierfünftel seines Bestandtheils bilden, irgendwie schädi⸗ gen könnte, daß, wenn ich mich so ausdrücken darf, der König, der als Oberhaupt des Bundes die Bureaux Seiner Beamten in der Wilhelmsstraße 74 hat, dem König, der als Monarch von Preußen die Bureau Seines Staats-Ministeriums nebenan, Wilhelmsstr. Tö, hat, daß diese beiden Monarchen in Zwiespalt mit einander gerathen könnten darüber, daß die Interessen Preußens und die Interessen des Bundes nicht dieselben seien. Und nun vergegenwärtigen Sie sich doch, welche wesentlich preußischen Interessen sind jetzt ausschließlich im Bunde vertreten; die ganze auswärtige Politik, der ganze Kriegs⸗ stand, die Marine und die ganze Handels und Zollgesetzebung Preußens wird dort behandelt, man kann dort ebenso gut wie hier Preuße sein, und ich möchte mich ein für allemal gegen diese ungerechtfertigte und unwahre Scheidung zwischen Preußen und den Bund und gegen die Voraus— setzung einer angeblichen Rivalität beider verwahren. Daß die natio⸗ nalen Interessen des weiteren Verbandes nach Bedürfniß den In— teressen der einzelnen Länder vorgehen müssen, spreche ich hier n aus, und deshalb hat Niemand das Recht, meinen preußischen Patrio—⸗ tismus in Zweifel zu ziehen, ebenso wenig wie ich an Ihrem deutschen Patriotismus zweifle. Aber wenn der preußische Landtag das Recht für sich in Anspruch nimmt, gerade Preufen, welches die bevorzugteste, welches eine ganz exzeptionelle Stellung im Bunde, unabhängig von seiner Größe, einnimmt, wenn Preußen partikularistische Ansprüche machen will, die es seinem Bundesgenossen nicht einräumt, wenn der Reichstag zwar beschlossen hat und mit Recht, daß Landtag und Reichs tag nicht coincidiren sollen, und Sie dagegen sagen wollen, das mag gut sein für die anderen Bundesstaaten aber nicht für den preußischen Landtag, der hier zu Haus ist und hier sein Recht hat schlagen Sie diesen Weg ein, dann gehen unsere Wege so himmelweit auseinander, daß wir uns nicht mehr wieder finden.

Nach dem Herrn v. Meding nahm der Präsident des Staats⸗Ministeriums noch einmal das Wort: ö

Wenn ich noch einmal das Wort ergreife, so geschieht es nur, um im Namen der Staatsregierung anzuerkennen, daß wir den Vor⸗ wurf, den der letzte Herr Redner uns machte, nicht für ganz unbe— gründet halten. Die Herren werden mich von der Darlegung der Gründe dispensiren, wie es kommt, daß dieses Mißverhältniß sich der Regierung in jedem Jahre unwillkürlich aufdrängt. Den Hauptgrund hat der Herr Vorredner selbst schon berührt, er liegt in der Verfassungs⸗ bestimmung, daß die Finanzgesetze zuerst dort hingehen müssen. Wenn ich Ihnen diese amende honorable von Seiten der Regierung mache, so geschieht es, Ihnen damit die Bürgschaft zu geben, daß wir ernst— haft bemüht sein werden, ein ähnliches Mißverhältniß nicht wieder eintreten zu lassen, und namentlich, daß wir, wenn das Abgeordneten= haus zuerst mit dem Budget beschäftigt ist, dem Herenhause Beschäf— tigungen vorzulegen suchen werden, welche ansprechend genug sind, um die Anwesenheit der Herren hier zu rechtfertigen.

Der Min ster des Innern, Graf zu Eulenburg, äußerte sich nach dem Bexichterstatter, Grafen Münster:

Meine Herren! Bei Einbringung des Antrages des Staats— Ministeriums an das Haus, in die Vertagung zu willigen, habe ich die Motive zu demselben nur im Allgemeinen andeuten können. Es wird mir jetzt durch die Einwürfe, welche in der Kommission erhoben worden sind, Gelegenheit gegeben, jene Motive etwas weitläufiger aus, einanderzusetzen. Außer den Gesetzentwürfen, welche der Herr Referent bereits hervorgehoben hat, liegen noch einige andere vor, die der besonderen Beachtung werth und bedürftig sind. Es sind dies der Gesetzentwurf, betreffend den Eigenthumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, der Entwurf der Grundbuch-Ordnung, der Gesetzentwurf, betreffend die Entziehung und Beschränkung des Grundeigenthums, die Uebersicht der Staatseinnahmen und Ausgaben und die Nagchwei— sung von Etatsüberschreitungen und extraordinären Ausgaben für das Jahr 1868.

Ich habe zunächst, auf den Standpunkt meines Ressorts mich stellend, den Gesetzentwurf hervorzuheben, der mich speziell interessirt, den Kreisordnungs-Entwurf. Es ist der Regierung der Vorwurf ge— macht worden, es würden zu viel Gesetze fabrizirt. Wollen Sie unter dies »Zuviel« auch den Kreisordnungs Entwurf rechnen? Auf welchem politischen Standpunkte man auch stehen mag, das wird man nicht leug— nen können, daß die Regierung der Vorlegung eines Kreisordnungs ⸗Ent⸗

wurfs sich nicht länger entziehen konnte und wenn sie ihn einmal

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