1870 / 48 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Allem, was wir von dort her hoͤren, doch in einem stetigen, mäßigen Fortschritt begriffen ist und nach jedem Lustrum, wenn wir noch Lustra warten sollen, in einem starken markirten Fortschritt begriffen sein wird? ist es nicht zu fürchten daß diese Bewegung einen Rückschlag bekäme? wäre es nicht zu bedauern, wenn durch die voreilige Auf— nahme Badens in den Norddeutschen Bund auch nur um 5 Jahre, oder etwa um eine bayrische Wahlperiode diese Bewegung rückgängig würde? Wir können ja nicht wissen, wie die konstitutionellen Verhältnisse in Bayern sich gestalten werden, ob dort bald eine Neuwahl bevorsteht oder nicht, ich bin darüber nicht so genau unterrichtet, wie der erste Herr Redner über Baden, aber wenn noch in diesem Jahre in Bayern eine Neuwahl statt—⸗ finden sollte, wäre es denn nicht ein Verlust von wenigstens einer bayerischen Wahlperiode, wenn wir der Partei, die dort jetzt noch die Majorität hat, irgend einen scheinbar plausiblen Grund, zu dem Vor⸗ wurf einer Pression, übertriebener Ansprüche, des Nichtabwartens frei willigen Entschlusses in die Hand gäben, wenn wir für die dortigen Wahimanöver, von denen wir genug und mehr, als ich zu glauben gen eigz bin, gehört haben, eine solche Handhabe lieferten, wodurch das

ayerische Selbstgefühl von Neuem über angebliche Vergewaltigung durch den Norden aufgestachelt werden könnte,

Wir müssen die Wirkung betrachten, welche die Einverleibung auf das Großherzogthum selbst und welche sie auf Bayern und Württemberg ausüben wurde nach der geographischen Konfiguration, die damit dem Norddeutschen Bundesgebiet gegeben werden würde. In Bezug auf den Westen könnte der Bund dann zu Süddeutschland sagen: mit meinem Mantel vor dem Winde schütze ich dich; es wäre dann Bundesgebiet zwischen dem Süden und allen Unannehmlichkeiten, die dem Süden von Westen her kommen könnten; die Südstaaten außerhalb des Bundes hätten dann noch eine ausländische, Grenze, die mit Oesterreich, von dem sie auch nichts fürchten; es läge also eine Auffor⸗ derung zu angestrengten Militärleistungen für gemeinschaftliche Zwecke in dieser geographischen Konfiguration gerade nicht. Ich will indessen die militärische Seite der Sache gar nicht in Betracht ziehen. Ich glaube nicht daran, wie der Herr Vorredner zwar nicht als mög⸗ sich schilderte, aber doch supponirte, daß in Bayern die Partei, welche Wortbruch und Fremdherrschaft auf ihre Fahne geschrieben hat, je ans Ruder kommen kann; ich glaube daran, daß die Verträge ehrlich gehalten werden, wenn auch vielleicht die rechtzeitige Beschaffung der nöthigen militärischen Kräfte um so mäßiger ausfallen wird, je weniger man eigene Gefahren zu fürchten hat, je sicherer man vor dem West— winde durch besagten Mantel gedeckt ist.

Ich will aber die militärischen Möglichkeiten gar nicht in Betracht ., denn der Unterschied, ob wir den Beistand der süddeutschen

ruppen kraft der Verträge oder kraft des Beitritts der süddeutschen Staaten zum Rorddeutschen Bunde haben, ist mir doch nicht so wesentlich; er wird vielleicht auf die Kriegstüchtigkeit und die Zahl der füddeutschen Truppen einen Einfluß haben. Die Suppesition also, daß dieser Zipfel, diese Insel des Norddeutschen Bundesgebietes, welche Baden bilden würde, militärisch isolirt sein könnte, kommt mir nicht bei. Aber wirthschaftlich! Das ist eine Frage, die der Herr Vorredner schon berührt hat, und die Art, wie Sie dieses Berühren aufnahmen, bewies mir zu meinem Bedauern, daß Sie in den Zumuthungen, die Sie einzelnen Bundesgenossen zu machen bereit sind, doch etwas hart denken. Einmal würde, wenn also das Großherzogthum Baden heute Bundesgebiet würde, wie der

err Vorredner schon ganz richtig bemerkte, die Freiheit der Ent⸗ chließung des Norddeutschen Bundes in Bezug auf die künftige Bil⸗ dung des Zollvereins nicht mehr stattfinden, man würde wenigstens im Süden nicht mehr an sie glauben, man würde uns nicht für so hart halten, wie einige der dem Herrn Vorredner Widersprechenden uns haben wollten und es würde uns die Möglichkeit fehlen, wahr⸗ , zu machen, daß wir etwa Südhessen aus dem Zollverein aus- chließen und Baden darin behalten wollten. Auch wenn Südhessen dem Beispiele Badens folgte wozu mir indessen nicht die mindeste Wahrschefnlichkeit vorliegt, daß es durch freiwilligen Entschluß der hessischen Regierung der Fall sein würde

Abg. Graf Renard: Da muß man sie zwingen)

ein, das beabsichtigen wir nicht.

so wäre es doch, wenn nicht auch Württemberg und Bayern mit Baden in demselben Zollgebiet wäre, eine außerordentlich harte Zu⸗ muthung für Baden. Das Großherzogthum ist von Basel bis da, wo es den Main bel Wertheim berührt, etwa 49 Meilen lang und hat Stellen etwa in der Höhe von Rastatt und Wildbad, deren Breite 23 Meile nicht erheblich übersteigen wird. Ein solches Gebiet durch eine Zollgrenze als Insel einzuengen meine Herren, den Muth habe ich nicht und den Muth traut man uns in Württemberg auch nicht zu, und wenn wir es dennoch thäten, so würde sehr bald auch in Baden die Be— wegung rückläufig werden, man würde sehr bald die Zugehörigkeit zum Norddeutschen Bunde, wenn der Zollverein eben keinen zusammen⸗ hängenden Bestan hätte, als eine Quelle unzähliger täglicher und häuslicher Leiden und Verdrießlichkeiten betrachten, deren Wirkungen der Mensch oft zugänglicher ist als großen politischen Ideen.

Ich kann also dieses Argument, welches der Herr Vorredner schon erwähnte, doch nicht so ganz von der Hand weisen, daß unsere wirthschaftliche Freiheit dann nur auf Kosten Badens Kosten zur Höhe eines Betrages, den ich Baden nicht auferlegen möchte ge— wahrt werden koͤnnte.

Ich würde, wenn mir t die Eröffnung von Karlsruhe käme, das Präsidium möge die Aufnahme Badens in den Norddeutschen Bund beantragen, diesen Antrag im Interesse des Bundes und im Interesse des Großherzogthums Baden als intempestiv rebus sic stantibus ablehnen und würde sagen: wir werden Euch den Zeit—

unkt kennzeichnen wo uns das im Gesammtinteresse Deutschlands, m Interesse der Holstit, die wir bisher, ich kann wohl sagen, nicht ohne Erfolg durchgeführt haben, angemessen erscheint.

Ich hatte zuerst, als ich den Antrag las, das Gefühl, daß den Herren Antragstellern so etwa zu Muthe war, wie Shakespeare den Heißsporn Perch schildert, der, nachdem er ein halb Dutzend Schotten umgebracht hat, über das langweilige Leben klagt; es passirt eben nichts, es muß etwas Leben hineingebracht werden. Grün. dung staatlicher Gemeinschaften, großartige Reformen, durchgreifend⸗ Gesetzgebungen, das Alles erschöpft den Thatendrang nicht: es muß etwas geschehen. Das war der Eindruck, den ich von den Antrag. stellern hatte, ich weiß nicht, mit wieviel Berechtigung; aber wenn einige daran ist, liegt das nicht in einer gewaltigen Unterschätzung des wirklich Erreichten? Denken Sie zurück, meine Herren, in die Jahre vor 1848, in die Jahre vor 1864: mit wie Wenigem wäre man damals zufrieden gewesen! als welche glänzende Errungenschaft wäre beispielt. weise diejenige Einigung für ganz Deutschland, in welcher wir heute mit Süddeutschland stehen, der gesammten Nation erschienen! nämlich ein Zollparlament , welches das liberum veto aus der Zollverfassung besensigte, welches dem Ganzen eine organische verfassungsmäßige Ge. stalt verlieh und ein gesicherter Oberbefehl der gesammten Heeres. macht! Der gesicherte Oberbefehl war eine große Schwierigkeit für einen Krieg des alten die Verhandlungen darüber hätten, Bundes Vorsorge getroffen wäre, der Krieg. Haben wir nicht in Bezug auf Süddeutschland ein koft. bares Stück nationaler Einheit erreicht? Ich kann dreist behaupten, übt nicht das Präsidium des Norddeutschen Bundes in Süddeutschland ein Stück Kaiserlicher Gewalt, wie es im Besitze der deutschen Kaiser seit 500 Jahren nicht gewesen ist Wo ist denn seit der Zeit der erst en Hohen. staufen ein unbestrittener Oberbefehl im Kriege, eine unbestrittene Sicher heit der Gemeinschaft, denselben Feind und denselben Freund im Kriege zu haben in deutschen Landen vorhanden gewesen? wo ist denn eine wirthschaftliche Einheit vorhanden gewesen, an deren Spitze det deutsche Kaifer gestanden hätte? Der Name macht es nicht! Aber

wenn nicht außerhalb des

esse, im Interesse des Gewichtes und des Schutzes von Deutschland kein Bedisrfniß vorhanden ist so kann ich behaupten: das Haupt des Nordbundes hat in Süddeutschland eine Stellung, sie seit dem Kaiser. Rothbart ein deutscher Kaiser gehabt hat, und dieser doch auch nur gerade siegreich war, nicht. Also unterschätzen wir dies nicht

Ihnen beschieden, Wenn Sie den Beitritt Badens, bundes, wie er durch den Beitritt würde, als ein Definitivum ansehen, Recht, den Antrag zu stellen, dann würde feinen Anstand nehmen, ihn zu unterschreiben. aber als Mittel ansehen, die volle nationale

und begehren Sie nicht, was Sie

Badens ch

dann haben ie ein

kann ich irren und Sie können irren, da kann ich nur sagen, ich theile Ihre Ansicht nicht, und werde nach meiner handeln.

Der erste Herr Redner hat, glaube ich, nicht im Sinne der Pflege gegenseitiger Zuneigung, von dem sonst seine Rede getragen war auf Verdrießlichkeiten der Ver gangenheit angespielt, z. B. auf eine Kontribution die dem Großherzogthum Baden auferlegt wurde. Ich kann Herrn Vorredner sagen, daß er einen sehr erhabenen Meinungsgenossen in der damaligen Zeit, in der Person Sr. Majestät des Königs von Preußen hatte,

die erklärlichen Motive, die dem zu Grunde lagen, geopfert. Es durfte einmal in der Welt nicht die Meinung erweckt werden, daß ein Fürst, dessen Soldaten thatsächlich zu Felde standen und dort unter Umständen wirklich erschossen wurden, vollem Ernste das, was er einmal hatte übernehmen müssen, auch ausführte, so lange es sein mußte, etwa Sinne, wie das Yorksche Corps den Beistand im russischen Feldzug durchführte. Dem Verdachte, der ja von den Gegnern des Groß herzoglichen Hauses vielfach betont worden ist, durfte keine neue Nah. rung? gegeben werden. Auf der andern Seite habe ich die Ansicht, daß der Deutsche sich des durch den langen Frieden genährten Gefühls entwöhnen muß, daß der Krieg eigentlich nur Spaß wäre, und daß wenn er vorbei ist, man vom Mannsver nach Hause geht. Einen Volksstamm für den Krieg, den seine Regierung führt, zu fie gen kann nicht unser Beruf sein, wir hatten nicht strafende Gerechtigkeit zu üben, sondern wir wollten erreichen, was national richtig und nützlich schien. Glauben Sie, daß in der Mehrheit der Bevölkerung von Sachsen, Hessen, ja ich will selbst sagen von Hannover, die Bevölkerung feindsel iger gegen uns gewesen ist, als in der Majorität von Baden, daß die ict Bevölkerung diesen Krieg mit großer Freude in ihrer Mehrheit ge sehen hätte? Ich glaube nicht. Wenn die sächsische Bevölkerung hättt abstimmen können, soll dieser Krieg geführt werden oder nicht, s würde sie die Frage verneint haben. Nichts desto weniger hat Nit mand etwas darin gefunden, daß nach dem g eine Kontribution in Sachsen erhoben wurde. Daß diefe Kostendeckung eine allgemein sein sollte, war bereits bei den mündlichen Verabredungen in Nikolt burg vorgesehen worden. Dies waren die Gründe, welche Seint Majestät den König bewogen, contre coeur damals zuzustimmen, . denen ich auch den Herrn Vorredner bitten möchte, fich zu be⸗ ruhigen.

Der Herr Vorredner hat mit großer Bestimmtheit ausgesprochen daß er in der Aufnahme des Großherzogthums Baden den Anfan der Vollendung des Bundes sehe. Meine Herren, hier kann ich nun

Ueberz eugung gegen Ueberzeugung stellen: meiner Ueberzeugung nach

nur dringend wünschen, meine Herren,

Bundes, er war schwerlich zu erreichen, und

länger dauern können, alb

wenn das Präsidium, wenn der König, mein Allergnädigster Herr; im Rordbunde eine Macht übt, die zu erweitern im nationalen Inter

wie nich uch wenn sein Schwer vertragsmäßig und allgemein anerkann und drängen Sie nicht so auf neue Etappen: genießen Sie doch einen Augenblick froh, was

. nicht haben! die Herstellung des Nord. estalten

ich auch heute Wenn Sie ihn Einigung des ganzen Deutschlands zu fördern, so ist das eine Ansichtssache, de

dem

e, der auch wünschte, daß der Zufall, nach welchem Baden sich mit uns im Kriege befand, nicht durch eine Kontribution geahndei werden möchte, und dennoch hat Se. Majestät der König der Staatsraiso

nicht mit

in demselben

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nicht blos ein Anfang der Hemmung, sondern ein ziemlich dauer⸗ hafter Hemmschuh, mit dem am Rade wir an der Vervollständigung bes Bundes alsdann weiter zu arbeiten haben würden. Ich kann daß Sie der Leitung der aus- wärtigen Angelegenheiten des Bundes, der Sie früher in wichtigeren ällen und namentlich in der Zeit, von der der Herr Vorredner prach, wo dieser Verfassungsvaragraph geschaffen wurde, Ihr Ver- trauen in einer mitunter mich beschämenden Weise zugewendet haben, auch jetz; Ihr Vertrauen dadurch bekunden wollen, daß Sie den An⸗ trag, wie er gedruckt vorliegt, nicht annehmen wollen. Ich würde mich nicht so bestimmt dagegen ausgesprochen haben, wenn er nicht durch die Rede des ersten Herrn Redners, sowie geschehen, erläutert worden wäre; da würde ich vielleicht mein Gewissen damit haben beruhigen können, daß er eine dilatorische Klausel hat, deren Dauer sa von Verschiedenen verschieden beurtheilt werden kann. So aber werde ich es von Denjenigen) die Vertrauen zu meiner Leitung der Geschäfte haben, als eine Bekundung desselben ansehen, wenn sie

fär diesen Antrag nicht stimmen.

Nach dem Abg. Miquél ergriff der Bundeskanzler noch einmal das Wort:

Ich kam heute hierher, gefallen lassen sollte, über

noch im Zweifel, ob ich es mir überhaupt Fragen der auswärtigen Politik in dieser Weife öffentlich interpellirt zu werden, ob ich dem Mißbrauch Vor⸗ schub leisten sollte, daß beliebig aus irgend einem äußeren Grunde bei einer Frage über Jurisdiktion die große Politik ich sage nicht nur die deutsche, sondern auch die europäische zum Gegenstand öffent⸗ licher Diskussion gemacht wird. Ich kann das nicht hindern, aber daß dabei der Vertreter der auswärtigen Politit interpellirt wird und, wenn er nicht falsch beurtheilt werden will und sich nicht falsche Motive unterschieben lassen will, gezwungen ist, zu ant⸗ worten, scheint mir befremdlich. Ich kam halb und halb mit der Neigung her, mich diesem Zwang zu widersetszen und anzunehmen, daß der Antrag, den Sie gestellt haben in der Absicht gestellt fen, daß Sie Ihre eigene Ansicht aussprechen wollen, aber nicht nothwendig die Absicht einschließe, die meinige an den Tag zu fördern. Nichtsdestoweniger hat die Rede, mit der der erste Herr Red⸗ ner den Antrag einleitete, es mir ganz unmöglich gemacht, dazu zu schweigen; abgesehen von den faktischen Irrthümern wie daß z. B. der Rinister Maihy die Intentionen der badischen Regierung in einer offiziösen Weise mir mitgetheilt hätte. Der Herr hat mir einen Privat⸗ brief geschrieben, dessen Konzept nachher unter seinen hinterlassenen Papieren gefunden und sehr gegen den Wunsch der badischen Regie⸗ tung veröffentlicht worden ist. Dieser Privatbrief verlangte von mir, ich folle eine promissorische Politik machen, erklären, in welchem Zeitraum etwa, und die Autorisation ertheilen, daß dieses einigen seitenden Parteiführern mitgetheilt werde. Wenn dies geschehen wäre, so mußte ich natürlich voraussetzen, daß diese Parteiführer nicht blos aus Neugierde die Mittheilung wünschten, sondern um ihrerseits Gebrauch davon zu machen, also die beabsichtigte Politik zu veröffent⸗ lichen. Auf diesen Privatbrief und etwas Anderes ist nicht vor⸗ gekommen habe ich geantwortet, ich müßte es ablehnen, eine pro⸗ missorische Politik überhaupt zu treiben, wie ich es auch jetzt ablehne. Die auswärtige Politik ist nicht ein Gewerbe der Art, daß sie unbedingt die vorhergehende Veröffentlichung aller ihrer Phasen verträgt. Was der Herr Vorredner unter Volkspolitik versteht ein Wort stellt be—⸗ kannklich zur rechten Zeit sich ein, so weiß ich nicht, versteht er darunter die öffentlich Meinung, die im Jahre 1865 in Adressen uns bestürmte, diefen Krieg nicht zu führen, versteht er darunter die Verweigerung der Mittel, diesen Krieg zu führen? Das war Volts— politik, wenn die Sache irgend einen Begriff hat, und ich glaube, man weiß es uns Dank, daß wir damals die Sache besser verstanden haben, wie diese Volkspolitik. Ich moͤchte sagen, es ihut mir fast leid, daß ich meinen Vorsatz, zu schweigen nicht ausgeführt habe; aber ich hätte darin eine Nichtachtung der Versammlung gesehen, ich hätte damit Thür und Thor geöffnet gesehen jeder Verdächtigung der Motive meines Schweigens. Man würde bald auswärtige, bald in⸗ ländische Rücksichten, bald Bodensätze und Niederschläge eines veral⸗ teten preußischen Junkerthums als Motive bezeichnet, bald ich weiß nicht nach welchen Richtungen hin mich verläumdet haben, wenn ich geschwiegen hätte. Nun stellt sich aber die Sache einfach so: Wir sind Über den Zweck ganz einig, den wir erstreben, nämlich eine Einigung des gesammten Deutschlands, deren festen Abschluß wir überhaupt in feiner konkreten Form uns heute schon zu denken haben, sondern sie kann als einer eiwigen Vervollkommnung, so lange es Völker giebt, fähig angesehen werden. Der augenblickliche Norddeutsche Bund ß ein konkreter Ausdruck der Einigung, den ich jedoch als ein vorübergehendes Stadium betrachte, ebenso wie ich ihn, durch Baden vergrößert, ebenfalls nur als ein vorübergehendes Stadium betrachten wärde' Wir sind über den Zweck also ganz einig. Und in dieser Lage tritt ein Redner derjenigen Partei auf, die behauptet, sie hätte mir ihr Vertrauen und ihre Unterstützung jederzeit bewiesen, und bean⸗ sprucht, daß der Reichstag bezüglich der Mittel der Hostriegsrath für meine Politik sein solle. Das setzt ein Mißtrauen voraus, wenn auch nicht in meinen guten Willen, so doch in meine Einsicht. Ueber den Zweck sind wir einig, aber über die Mittel sind die Herren der Mei nung, daß sie die Auswahl der Mittel, die Auswahl des Zeitpunkts besser verstehen als ich, und ich bin der Meinung, daß ich das besser verstehe als fie, nur da rüber können wir uns nicht einigen. So lange ich aber Bundeskanzler und auswärtiger Minister bin, so muß die Politik nach meiner Einsicht gemacht werden, und wenn Sie ihr Steine in den Weg legen, ihr Knüppel in die Räder schieben, so hin⸗ dern Sie diese Politik, und die Verantwortlichkeit für diese Verhinderung, ja selbst für die unzeitige thing mich auszusprechen, die Verantwort- lichkeit für die Folgen iragen Sie, die Antragsteller und Redner / nicht ich.

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würde in einer solchen Maßregel die Hemmung der Vollendung liegen,

Wenn ich aber nun noch dem ausgesetzt bin, daß einer der Herren Redner dieser Partei, die mich zu unterstützen vorgiebt, die behauptet, jederzeit mir Beiveise ihres Vertrauens gegeben zu haben nur heute'nicht, meine Herren, wir wollen in den Büchern nicht blättern, wenn Jemand, auf dessen Unterstützung persoöͤnlich ich in der That ge⸗ rechnet häbe, wenn der Herr Abgeordnete, während wir so nah an= einander sißen, während er so gut hört und so einsichtsvoll zu urtheilen weiß, wenn er einen so wesentlichen Theil dessen, was ich gesagt habe, schon jetzt unabsichtlich so entstelit, auf was für Mißverständnisse muß ich dann überhaupt gefaßt sein, wenn die Worte, die ich gesprochen habe, erst in den Zeitungen von Uebel wollenden zerpflückt werden, wenn schon mein bester Freund zu denen ich den Herrn Vorredner rechne, zu solchen Mißverständnissen gelangt, als hätte ich gesagt, ich wollte das ganze Süddeutschland ent⸗ weder auf einmal oder gar nicht. Es hat das in meinen betreffenden Worten in keiner Weise gelegen; ich erinnere daran es wird das noch im Gedächtniß sein ich gebrauchte das, dem 66. Vorredner vielleicht besser wie mir geläufige lateinische Idiom rehus sic stanti- pus. Ich schloß durchaus den Fall nicht aus, daß wir sehr wohl zu einzelnen AÄnschlüssen kommen könnten. Ich weiß z. B. nicht, ob, wenn heute dieselbe Bereitwilligkeit von Seiten der bayerischen Regie rung vorhanden wäre, ich den Fall nicht ganz anders beurtheilen würde. Ich weiß ferner nicht, ob, wenn diese Bereitwilligkeit von Seiten der badischen und württembergischen, einschließlich der südhessischen Regierung vorhanden wäre, ich den Fall auch nicht anders beurtheilen würde. Einer der Herren Abgeordneten hat die Güte gehabt, mir ein Material zu suppeditiren, woraus der Herr Redner entnehmen kann, daß ich nicht blos heute und ex post diese Auslegung gebe. Es sind dies die Verhandlungen vom g. Äpril 1867 über den etwai⸗ 9 Eintritt des südlichen Theils des Großherzogthums Hessen in den torddeutschen Bund, wo ich, glaube ich, mich unumwunden dahin daß, wenn der Antrag der hessischen Regierung erfolgte, die Sache in Verhandlung genommen werden würde; ich habe den Weg näher bezeichnet, aber ich glaube, man muß sehr feind= lich gegen mich lesen, wenn man irgend eine Abneigung meinerseits aus * diefen Zeilen herauslesen will, die in dem stenographischen Bericht ich will Sie nicht aufhalten und die Rede nicht unnöthig verlängern enthalten sind. Nun frage ich, welches Interesse hat der Herr Vorredner denn, dem Publikum und den Leuten, der oͤffent lichen Meinung, auf deren Vertrauen ich rechnen muß, eine unrichtige Vorstellung von meinen Zwecken, von meinen Zielen, von meiner Auffassung zu geben? und wäre es nicht wenigstens, wenn nicht der Achtung vor mir, doch den Rücksichten auf das öffentliche Wohl ent- sprechend, unter solchen Umständen genauer zu hören, ehe man mit so vieler Entschiedenheit und so vielem rhetorischen Schmuck meine Intentionen dem Publikum in einer unrichtigen Weise darstellt? Ich fürchte Ihnen zu lang zu werden, meine Herren, wenn ich mit derselben Ausdehnung, mit der der Herr Vor- redner mir Stoff dazu gegeben hat, die einzelnen mir fällt immer ein zu harter Ausdruck dabei ein die einzelnen unrichtigen Auffassungen meiner Aeußerungen revidiren wollte; wir kämen nicht zu Ende. Ich kann den Herrn Vorredner nur bitten, meine Rede ge⸗ nauer zu lesen, und er wird sich selbst überzeugen, daß er mir Unrecht gethan hat und daß er durch das weitreichende Sprachrohr der Tri- büne bei einem großen Theil desjenigen Publikums welches nur Zei⸗ tungen liest, in denen die Reden . Partei unverkürzt gegeben wer= den, die meinen aber verkürzt und unvollständig, dazu beigetragen hat, einen falschen Eindruck von meiner Stellung herbeizuführen. Im Uebrigen, ich komme ungern Sie haben mir früher vorgeworfen, daß ich, wenn die Gründe mir ausgingen, etwa erklärte: dann spiele ich nicht mehr mit, dann helfen Sie sich, wie Sie können ich komme ungern auf ein solches Thema; aber Herr v. Blanckenburg, wie er spraͤch, sagte ganz richtig: verstehen Sie die Sache besser, so müssen Sie Bundeskanzler werden, so ist es ganz unrichtig, daß Sie dort sizen, denn die öffentliche Politik Deutschlands kann von den Stühlen nicht geleitet werden, sie muß von hier geleitet werden; wissen Sie Alles besser wie ich, so setzen Sie sich hierher, und ich werde mich auf jene Stühle setzen, und will diejenige Kritik üben, die mir eine 20jährige Erfahrung in den Geschäften deutscher Politik an die Hand geben wird; aber ich versichere Sie, mein Patriotismus wird mich schweigen lassen, wenn ich fühle, daß Sprechen zur Unzeit ist.

Nach dem Abg. Dr. Loewe erklärte der Bundeskanzler:

Ich gebe sehr gern die von dem Herrn Vorredner gewünschte Auf⸗ klärung, indem ich wiederhole, daß ich sagte, ich wolle von den mili⸗ tärischen Folgen der geographischen Konfiguration des Bundesgebiets nicht reden, weil ich auf dem Gebiete den Unterschied nicht für sehr wefentlich hielte zwischen der Situation, welche uns die Verträge ge⸗ währen, und der, welche uns der Eintritt in den Bund gewährt: also gerade das Umgekehrte von dem, wie der Herr Vorredner ver- standen hat. Ich habe zugegeben, daß ein unwesentlicher Unter⸗ schied in der Zähl, in der Stärke, in der Schnelligkeit, mit der die Truppen verfügbar sein würden, allerdings stattfinden würde, sndem die Anforderungen der norddeutschen Militãärverfassung alle diese Dinge strenger, fester und kräftiger regeln, als die zu Recht bestehenden Kriegsverfassungen der einzelnen Staaten / aber ich habe

den mindesten Zweifel daran geäußert, daß wir be; und daß ich auch ngen daß wir auf 1Ma

ausgesprochen habe,

Bündnisse und uns dieselben Freunde

ich auch nicht für