1870 / 69 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

Sich Se. Königliche Hoheit zum Empfange Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs von Baden nach dem Potsdamer Bahnhöfe und später züm Souper zu Ihren Masestäten.

Ihre Königliche Hoheit die Kronprinzessin empfing Nachmittags 33 Uhr den Besuch Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Georg von Sachsen.

Der Reichstag des Norddeutschen Bundes fuhr in seiner gestrigen Sitzung in der zweiten Berathung über den Entwurf eines Strafgefetzbuchs fort. 5. 112 lautet: »Wer es unternimmt, durch Gewalt oder Drohung eine Be—⸗ hörde oder einen Beamten zur Vornahme oder 1lnterlassung einer Amtshandlung zu nöthigen, wird mit Gefängniß be— straft. Derselbe wurde nach kurzer Debatte unverändert an—⸗ genommen. §. 113: Wer an einer öffentlichen Zusammen— rottung, bei welcher eine der in den §§. 11I und 112 bezeichneten Handlungen mit vereinten Kräften begangen wird, Theil nimmt, wird wegen Aufruhrs mit Ge— fängniß nicht unter sechs Monaten bestraft. Der Rädelsführer, sowie diejenigen Aufrührer, welche eine der in den §. 111 und 112 bezeichneken Handlungen begehen, werden mit Zuchthaus bis zu 10 Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizei Aufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein.“ Hierzu beantragten die Abg. Fries u. Gen.: a) im Ab— satz l hinter 6 Monaten zu setzen: oder Festungshaft von gleicher Dauer, b) im Absatz hinter zehn Jahren«, sowie hinter v6 Mo- naten« zu setzen: oder Festungshaft von gleicher Dauer, im Ab⸗ satz ? den Satz: »Auch kann auf Zulässigkeit ꝛc.“ zu streichen. Der Staals und JustizMinister Br. Leonhardt erklärte sich gegen sämmtliche Anträge, die auch bei der Abstimmung sämmtlich abgelehnt wurden. Die §§. 114 bis 127 wurden ohne erhebliche Aenderung angenomnien. S§. 128, welcher lau⸗ tet: ‚Wer in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise verschiedene Klassen der Bevölkerung zu Feindseligkeiten ggg einander öffentlich anreizt, wird mit Geldstrafe bis zu 200 Thlrn. oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft«, wurde nach dem Antrage des Abg. Fries dahin abgeändert, daß an Stelle des Wortes »Feindseligkeiten agesetzt wurde: Gewaltthätigkei-⸗ ten.. S§. 129. Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen öffentlich be⸗ hauptet oder verbreitet, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe bis zu 200 Thlrn. oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Abg. Fries und Gen. beantragten die Streichung dieses Paragraphen. Nach einer längeren Debatte, an welcher sich die Abg. Lasker, Bürgers und der Bundes— kommissar, Präsident Dr. Friedberg, betheiligten, wurde die Vertagung der Sitzung beschlossen. Schluß 48 Uhr.

Das Königliche Wilhelms -Gymnasium beging am heutigen Vormittage das Allerhöchste Geburtsfest seines Grün⸗ ders und Schutzherrn, Sr. Majestät des Königs, durch einen feierlichen Actus im Kreise der Lehrer und Schüler. Der— selbe wurde durch Choralgesang und ein von dem Direktor ge— haltenes Gebet eingeleitet. Der Ober Lehrer Gladitsch gab in der Festrede den Empfindungen der Dankbarkeit, welche die Angehörigen der Anstalt bewegen, Ausdruck und sprach über die Antriebe, die aus denselben erwachsen und durch die Feier sich erneuen. Der Vortrag des Salvum fac regem durch den Gesangchor ging der Festrede voran und Choralgesang beschloß die Felerlichkeit. Vier von dem Hof⸗Buchhändler Duncker ge—⸗

widmete Denkmünzen wurden an würdige Schüler der obersten lasse vertheilt. Die Schüler der Elementar und untersten Gymnasialklassen waren später besonders versammelt und wurden durch eine Ansprache des Direktors, die durch Choral⸗ gesang eingeleitet und geschlossen wurde, über die Bedeutung des heutigen Festtages belehrt.

Hannover, 21. März. Der provinzialständische Verwal—⸗ tungsausschuß trat heute zu einigen Sitzungen zusammen, um namentlich über die Vertheilung der 50, 000 Thlr. zu berathen, welche für dieses Jahr für den Wegebau zur Disposition ge— stellt sind. In einer Vorlage für den Ausschuß spricht das Landesdirektorium sein Bedenken darüber aus, daß jene Summe nicht dazu ausreiche, die Vorschläge der Königlichen Landdrosteien in ihrer ganzen Höhe von 89,177 Thlr. zu acceptiren, und hält es deshalb für geboten, diejenigen Maßregeln im Laufe des nächsten Sommers gemeinschaftlich mit den Landdrosteien und den am meisten betheiligten Obrigkeiten in reifliche Erwägung zu ziehen, welche am besten dazu geeignet sein möchten, den Gemeindewegebau ohne schädliche Zersplitterung der Mittel wirksam zu fördern. Die von dem Landesdirektorium vorge—⸗ schlagene Vertheilung ist wiederum fast durchgehends nach den für das vorige Jahr aufgestellten Grundsätzen erfolgt. Die Vor⸗ schläge des Landesdirektoriums und ihr Verhältniß zu den Kosten der Wegebauten und den Vorschlägen der Königl. Landdrosteien gestalien sich für die sechs Landdrosteibezirke, wie folgt:

Zu bewill. gende Bej. hülfe.

Zahl der wegepflich ˖ tigen Gemeinden.

50 36707 Hildesheim .. 141 74464 Lüneburg 213 127406 Stade 93 6 494

ö 49 60M; hð2 12 26 558 Ssõb6 47716 Sim̃m̃ã 5388s rr W, ,s,

Fernere Berathungsgegenstände für den Ausschuß werden bilden: eine Vorlage des Landesdirektoriums über die Pensio. nirung kontrattlich angenommener Landstraßen ⸗Aufseher, sowie die Vertheilung von Beihülfen für das jüdische Schul. und Synagogenwesen und für die Rettungsanstalten.

Mecklenburg. Schwerin, 21. März. Nr. 23 dez »Reg. Blattes« enthält u. A.: Landesherrliche Veror dnung: Edikt zur Erhebung der ordentlichen Kontribution für das Jahr Johannis 1868— 70. Publikandum, betreffend die Be rechnung und Ablieferung der Gewerbescheinsteuer. Pub. kandum, betreffend Portofreiheit in Militär- und Marine ⸗An—. gelegenheiten. ..

Dem Vernehmen nach wird die mecklenburgische Regierung die von Belgien zur Ablösung des Scheldezolles ursprünglich ge, forderte Summe von 1036, 320 Fres. zahlen; die Zahlung soll jedoch in 40 jährlichen Raten fog. 6.

Sachsen. Dresden, 19. März. Der König hat dem Erbgroßherzog von Mecklenburg-⸗Schwerin den Haut Orden der Rautenkrone verliehen. . t

Gotha, 19. März. Nachdem ein Kompromißversuch ge scheitert war, ist heute der Son derlandtag in die Bergthung der Kommiffionsanträge eingetreten, welche bezüglich der Vollen dung des Baues des hiesigen Museums vorlagen. Zwei diese Anträge gingen auf Genehmigung zu der Anleihe von 160000 Thalern, die für den Bau noch für nöthig gehalten worden und waren nur bezüglich des Modus der Verzinsung und Amortisation von einander abweichend; ein dritter Antrag be fürwortete die Ablehnung. Die Debatte dauerte gegen 4 Stun, den und endete damit, daß der Landtag die zustimmenden An— träge abwarf und damit die Erklärung abgab, daß er die postu⸗ lirte Genehmigung versage. Da künftigen Montag der ge meinschaftliche Landtag hier zusammentritt, so wurde der Sonder landtag auf unbestimmte Zeit vertagt. .

Baden. Karlsruhe, 21. März. Die Kammer der Abgeordneten nahm in ihrer beutigen Ahendsitzung ein—⸗ stinmmig den Gesetzvorschlag an, durch welchen das AÄbgeordnt— tenmandat von 8 auf 4 Jahre verkürzt wird. .

Bayern. München, i9g. März. Die Bayer. Landesztz.« erklärt das Gerücht, daß Kriegs-Minister v. Prankh um seine Entlassung nachgesucht habe, für unbegründet.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 21. März. Das Ab= geordnetenhaus nahm in seiner heutigen Sitzung die Civil Prozeßordnung in dritter Lesung an. Hierauf folgte die 6e neraldebatte uber das Budget und das Finanzgesetz für 189. Abg. Czerkawski erklärte im Namen der galizischen Abgeord neten, dieselben würden, obgleich sie nur wenig Hoffnung auf eine befriedigende Lösung der staagtsrechtlichen Frage hätten, dennoch für die Genehmigung des Budgets stimmen. Die sle— venischen Abgeordneten gaben eine Erklärung gleichen Inhalts ab. Es wurde sodann zur Spezialdebatte übergegangen und wurden die Erfordernisse für »Hofstaat« und »Reichsrath« un—= verändert nach den Anträgen des Budgetausschusses angenommen.

Nach dem Prager Äbendbl' hat am 19. Nachmittag? um 2 Uhr eine Ministerraths-Sitzung, betreffend die Wahls. formfrage, unter dem Vorsitze des Kaisers stattgefunden. Die Berathungen des Ministeriums wurden später unter dem Vor⸗ sitze des Meinister⸗Präsidenten von Hasner fortgesetzt und wahr. scheinlich im Zusammenhange mit dieser politischen Tagesfrage die Abreise des Kaisers nach Ofen verschoben. ö

22. März. Die heutige Wiener Zeitung« publizirt in ihrem amtlichen Theile eine Verordnung des Handels⸗Ministe⸗ riums, wodurch der Telegraphentarif für den interne Verkehr in der österreichisch⸗ungarischen Monarchie, vom 1. Apri angefangen, für eine Entfernung von 10 Meilen auf 40 Kreuzer / für weitere Entfernungen auf 60 Kreuzer für die einfache Der

pesche festgesetzt wird.

Frankreich. Paris, 21. März. ville ist heute Morgens hier eingetroffen. acht Tage hier verweilen. ie

An den ,, Körper gelangte heute ö Vorlage, welche das Kontingent für 1870 auf gö, 00 Mam

Beantragte

Kosten⸗˖ Beihülfe.

Landdrostei⸗ bedarf.

Bezirk.

51065 9310 15,540 h/ 780 9, 155

i529 19. 555 153513 11454 23 730

Hannover ...

Marquis Banne⸗ Derselbe wird etwa

feststellt.

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Das Journal officiel veröffentlicht ein Kaiserliches Dekret vom 19. März, welches auf Antrag des Ministers für Handel und Ackerbau bei diesem Ministerium die Einsetzung einer per⸗ manenten Kommission unter dem Titel oberster Rath für den technischen Unterricht anordnet.

Der Divisions⸗General Guiod und der Maitre de requètes, Aubernon, sind zu ordentlichen Staatsräthen er— nannt worden, ersterer an des verstorbenen Staatsraths Heur— sier, letzterer an des Grafen Treilhard Stelle, welcher zum Staatsrath im außerordentlichen Dienst ernannt ist.

22. März. Das »Journal officiel« veröffentlicht ein Schreiben des Kaisers an Ollivier, welches sagt, es erscheine angemessen, allen von der konstitutionellen Regierung des Kaiser⸗ reiches geforderten Reformen zuzustimmen, um auf diese Weise dem maßlosen Verlangen nach Veränderungen ein Ziel zu setzen, welches sich gewisser Geister bemächtigt habe und geeignet sei, die öffentliche Meinung zu beunruhigen, indem es Unsicherheit erzeuge. Die Verfassung von 1852 habe vor Allem die Siche—⸗ rung der Ordnung bezweckt, heute aber handle es sich darum, Alles, was zur gesetzgeberischen Ordnung gehört, in den Bereich des Gesetzes aufzunehmen. Das Kaiserliche Schreiben bittet daher das Ministerium, dasselbe möge den Senatuskonsult vorlegen, welcher die gesetzgeberische Gewalt zwischen beiden Kammern theilt, und so dem Volke den Antheil an der konstituirenden Gewalt wiedergiebt, welchen es abgetreten hat.

Tours, 21. März. Der Prozeß gegen den Prinzen Peter Bonaparte hat heute begonnen. Bei dem Verhör machte der Prinz dieselben Aussagen, wie in der Voruntersuchung. Er erklärte, daß er stets einen Revolver bei sich trage. Er habe denselben, nachdem er ihn abgefeuert, wieder geladen, weil er fürchtete, es würden von der Straße Angreifer in sein Haus dringen. Ulrich de Fonvielle, als Zeuge vernommen, wieder⸗ holte seinen hekannten Bericht. Der Prinz erklärte die Aussagen ö für vollkommen falsch; bewaffnet sei man in sein aus eingebrochen; von Rechtswegen müßte der Zeuge auf der ünklagebank sitzen. Fonvielle stellte formell in Abrede, jemals gesagt zu haben, daß der Prinz von Victor Noir geschlagen worden sei. Darauf ward Paschal Grousset als Zeuge ver⸗ nommen.

Spanien. Madrid, 21. März. Ein Dekret genehmigt die Demission Topete's und ernennt Beranger an seine Stelle zum Marine-⸗Minister.

. Viele unionistisch gesinnte Beamte legen ihre Stellen nieder. Der »Correspondencia« zufolge soll der Rücktritt des Regenten für den Fall eines endgültigen Bruches zwischen den Unionisten und den Radikalen wahrscheinlich sein.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 20. März. der »Russ. Invalide veröffentlicht einen Tagesbefehl des Groß sürstn Michael vom 2. März, in welchem dieser eine Ueber⸗ sicht über die Fortschritte giebt, welche das russische Artillerie- vesen in den letzten Jahren gemacht hat.

Aus dem Wolff schen Telegraphen⸗Bureau.

Frankfurt a. M., Dienstag, 22. März, Nachmittags. ur Feier des Geburtstages des Königs wurde Vormittags

apfenstreich und Parade abgehalten. Nachmittags findet ein

un der Militär-, Civil, und Kommunalbehörden unter

heilnahme zahlreicher Bürger statt. . Stuttgart, Dienstag, 22. März, Mittags. Gestern reichte das Gesammt-Ministerium seine Entlassung ein. Die Beranlassung hierzu soll die Forderung sämmtlicher Minister an den Kriegs⸗-Minister gewesen sein, noch eine halbe Million in dem Kriegsbudget abzustreichen, was Kriegs- Minister Wagner für unmöglich erklärte. Gestern hat ein Ministerrath beim König stattgefunden; eine Entscheidung des Königs liegt bibher nicht vor.

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Reichstags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 22. März. In der gestrigen Sitzung des Reichs- lages des Korddeutschen Bundes gab der Präsident des Bundeskanzler · Amts, Staats-Minister Delbrück, bei der zwei⸗ ken Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ausgabe von Banknoten, nach dem Abg. Braun folgende Erklärung ab:

Meine Herren! Ich muß mich gegen die zu dem vorliegenden Hesetze von den Herren Abgg. für Harburg, für Hersfeld und für Naumburg--Zeitz gestellten Amendements aussprechen. Ich will dabei icht in eine Die kussion der Staatspapiergeld-Frage eingehen, ich kann sunächst mich darauf beschränken, hinsichtlich der Verschiedenheit der desichtspunkte, welche bei dem Staatspapiergeld und bei den Bank— noten obwalten, auf das Bezug zu nehmen, was von dem Herrn

bgeordneten für Saarbrücken gesagt worden ist. Es trifft das, mei— nes Erachtens, vollständig zu und ich würde das nur wiederholen kön-

nen. Ich will nur daran noch erinnern, daß die Unzuträglichkeiten, auf welche namentlich der Herr Abgeordnete für Hersfeld hingewiesen hat, daß man das Papiergeld des einen Staates in dem andern nicht nimmt, daß man auf einer Eisenbahnreise in Verlegenheit kommen kann, mit einem ganzen Portefeuille von Papiergeld doch kein Fahr billet kaufen zu können, durch die Annahme der jetzt vorliegenden Amendements gar nicht berührt werden. Sie würden genau so fort dauern, wie sie jetzt obwalten. Nach dieser Seite hin würden also die Amendements gar keine Wirkung haben. Weshalb ich mich aber vor— zugsweise gegen die Amendements auszusprechen habe, das ist eine all— gemeinere Erwägung. Die verbündeten Regierungen baben Ihnen den Entwurf eines Gesetzes über die Banknoten vorgelegt, welcher, wenn ich mich nicht täusche, aus den Eindrücken, die ich aus der ersten Berathung gewonnen habe, sich im Ganzen in seiner Tendenz der Zustimmung des Hauses erfreut, ein Gesetz, welches, wie gesagt, nach den Eindrücken, die ich bei der ersten Berathung gewon— nen habe als ein Geseß erachtet wird, welches im allgemeinen Inter- esse des Bundes liegt. Ist nun dies der Fall, so halie ich es nicht für richtig, das Zustandekommen eines Gesetzes dadurch zu erschweren, daß man eine ich muß den Ausdruck brauchen fremdartige Materie in das Gesetz hineinverwebt, eine Materie, bei der wesentlich andere Gesichtspunkte in Betracht kommen. Ich will nur an den letzten Paragraphen des vorliegenden Gesetzes erinnern und zur Erwägung geben, ob dieser letzte Paragraph auch vollständig den Ansichten der Herren Antragsteller sentsprechen würde, wenn das Gesetz auf das Staats— papiergeld würde ausgedehnt werden. Ich bestreite nicht einen Augen— blick die Kompetenz des Bundes zur Regelung der Staatspapierfrage. Aber gerade, weil ich sie nicht bestreite, so drängt sich mir die Frage auf „wenn man die Sache ordnen will, warum wählt man den Weg eines Amendementsz? Aus Bequemlichkeit kann es doch nicht sein. Es giebt ja andere Wege auf diese Ordnung hinzuwirken, wenn der Reichstag sie für angemessen erachtet. Ich halte das aber vom Stand⸗ punkt des Reichstags selbst aus nicht für richtig, in ein Gesetz eines bestimmten Umfangs, in ein Gesetz, welches ganz allgemeine Interessen zu befriedigen und zu schüßen bestimmt ist, einen Gesichtspunkt hinein zutragen, der es im weiteren Verlauf der Dinge vielleicht schwierig macht, die Inte een, die man durch Annahme dieses Gesetzes erledi—⸗ digen würde, erledigen zu können.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Justiz⸗-Minister Dr. Leonhardt, nahm, nachdem der Abg. Fries seine zu §. 113 (Aufruhr) des Entwurfs eines Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund gestellten Anträge motivirt hatte, das Wort wie folgt:

Ich möchte dringend bitten, die Anträge abzulehnen. Ich glaube, damit ist in der That zur Begründung der Anträge nichts gesagt, daß man bemerkt, dieselben Gründe sprächen hier wie bei den politischen Verbrechen, denn der Aufruhr sei ein politisches Verbrechen. Der Aufruhr kann allerdings ein politisches Verbrechen sein, wenn er in hochverrätherischer Absicht vor sich geht; wenn diese aber fehlt, gehört er nicht zu den sogenannten politischen Verbrechen. Die Konsequenz würde also doch wohl nicht zutreffen. Der Aufruhr kann möglicher⸗ weise ganz in die Klasse der gemeinen Verbrechen fallen, er kann allerdings auch einen politischen Anstrich annehmen, das ist aber auch Alles. Ich bitte Sie nun zu erwägen, daß der Aufrührer bestraft werden soll alternativ mit Gefängnißhaft und mit Festungshaft. Dafür scheint mir kein genügender Grund vorzuliegen., Früher haben Sie die alternative Strafdrohung dahin gemacht! Zuchthaus, und weil Sie behaupten, die Zuchthausstrafe entehrt, Hesfungshaft. So dann soll ferner im zweiten Alinea neben der Zuchthausstrafe alterna⸗— tiv gedroht werden Festungshaft. Es handelt sich um eine Straf— drohung für die Rädelsführer und diejenigen Aufrührer, welche ganz besonders hervortreten; für diese nun die Festungshaft zuzulassen, scheint mir nicht richtig zu sein. Ich glaube, wenn Sie zu dem Pa— ragraph 113 in solcher Weise die Festungshaft alternativ drohen, so schwächen Sie wesentlich die Argumente, welche Sie bestimmt haben, beim Hochverrath eine gleiche Strafdrohung zu geben.

Bei der Diskussion über den §. 116 erklärte der Justiz—

Minister gegenüber einem Antrage des Abg. Fries: Ich glaube, meine Herren, daß durch die Strafandrohung des §. 116 der Richter in jedem Falle in die Lage gesetzt ist, die In— dividualität des Falles zu berücksichtigen. Ich moechte mich ein für alle Male gegen derartige Anträge erklären. Entweder nehmen Sie die Strafandrohung so, wie sie jetzt liegt, so daß auf Zuchthaus strafe und bei mildernden Umständen, auf Gefängniß nicht unter drei Mo— naten zu erkennen ist, oder, sa en Sie einfacher, so ist auf Zuctbaus bis zu zehn Jahren oder auf Gefängnißstrafe nicht unter drei Mona— ten zu erkennen. Darin ist System; dem Antrage dagegen liegt kein System zu Grunde. Für den Fall, daß derartige Anträge wiederholt werden, möchte ich mir diese Bemerkung als eine allgemeine gestatten. . Der Bundeskommissar Präsident Dr. Friedberg

äußerte über den Antrag des Abg. Fries zu §. 114: Wenn das Hohe Haus in der Substituiruna des Wortes: »dem statt des in dem Paragraphen vorkommenden »einem« (Befehlshaber) eine größere Garantie findet, so wird diesseitig um so weniger etwas dagegen ein ewendet, als das preußische Gesetz gleichfalls den Ausdruck »dem efehlshaber« enthält. Das Wort »zuständig« versteht sich, richtig ausgelegt, von selbst, wenn aber das Wort bei dem »Befehlshaber« nicht hinzugefügt ist, während es bei dem »Beamten« steht, so glaubt der Gesetzentwurf, daß allerdings ein Unterschied zwischen den Beam— ten der Tivilbehöärden und dem Befehlshaber der Militärmacht zu machen sei. Bei den Civilbeamten ist es leichter, die Zuständigkeit zu prüfen, während der Militärbehörde gegenüber die Verpflichtung des Folgeleistens auf Entfernung vom Orte der Zusammenrottung eine vielmehr gebotene ist, wie den Civilbeamten gegenüber, und ich

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