1870 / 369 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Aus den Hauptquartier en in Versailles, 15. November. Eine Ballonpost, die von Truppen des 46. Regiments auf⸗

gebracht wurde, hat eine reiche Ausbeute an Zeitungen und Privalkorrespondenzen ergeben. Diese dem Feinde abgewonne⸗

nen Dokumente werden von den Soldaten, die sich des glück

lichen Fanges rühmen können, jedesmal sofort bei dem General⸗ Kommando, dem der 4 zugehsrt, abge⸗

liefert. Der Generalstab der beiden Hauptquartiere ist

Stelle, wo die Briefe geöffnet und, sammt den Zeitungen, zu

militärischen Zwecken durchgelesen werden. Die Arbeit erfordert

oft Linen größeren Zeitaufwand, da namentlich die Zahl der Briefe in der Regel eine sehr bedeutende ist, und sich selten auf weniger als 4 - 5000 beläuft. Gegenseitige Mittheilungen, die stets nach der Durchsicht des reichen Materials zwischen den beiden Haupt- quartieren stattfinden, setzen die Offiziere der leitenden Militär- behörden fort und fort in den Stand, sich über die Lage von

Paris ein klares Bild zu verschaffen.

Die Peivatnachrichten stimmen ohne Ausnahme darin

überein, daß die Lebensmittelnoth in rapidem Wachsthum be⸗ griffen ist. Während die Vorräkbe an gewöhnlichem Schlacht⸗

vieh, wie diesseits richtig berechnet wurde, seit dem 10. Novem⸗

ber erschöpft sind, werden außer Pferden, Mauleseln und Eseln bereits eindere e . zum Fleischverkauf auf den öffent lichen Markt gebracht. Was die Beurtheilung der pölitischen Sachlage angeht, so zieht sich durch die größe Masse von Privat- hriefen der eine Grundgedanke, daß der fernere Widerstanz der Hauptstadt den ie, ein überflüsstges Heldenopfer auferlegen würde, wenn die Regierung nicht das Erscheinen einer Hülfs⸗ armee für die allernächste Zeit in Aus sicht stellen könne. Es muß besonders hervorgehoben werden, daß auch die von Mit- gliedern der National, und. Mobilgarde geschrlebenen Briefe, deren uns viele durch die . gegangen sind, auf dieselbe Schlußfolgerung ,, . ; . Es ist unverkennbar, daß der Ausdruck dieser zu einem friedlicheren Charakter sich neigenden Stimmung allmaͤlig guch in der öffentlichen Presse, mit alleiniger Ausnahme dir offi⸗ ziellen Organe und der auf das Leidenschaftlichste erregten Blät⸗ fer der Ülltrapartei, stärker wird. Die Diskusstonen, welche einflußreiche Organe, wie die » Gazette de Franeer, »La Pgtrie⸗, »Le petit Moniteur«, »Le Temp5« und »Le Soir« gnstellen, kommen sämmtlich zu dem Resultat, daß Paris, ohne von einer Massenerhebung in den Provinzen unterstützt zu werden, nicht mehr länger widerstandsfähig sei. Die Gazette de France entwickelt in einem Leitartikel, daß der Zeitpunkt . einen Massenausfall von dem Gouvernement bereits verpaßt sei: vor vier Wochen hätte man die Linien der Preußen vielleicht durch⸗ brechen können, jetzt, nach der Vollendung der Belagerungs⸗ arbeiten, seien ste ünangreifbar. Es werden noch Hälfrufe an die Provinzen erlaffen, allein sie sind bereits im Tone der offenen Anklagen gehalten. Man macht den südlichen Departe⸗ ments Vorwürfe, daß sie nicht längst einmüthig unter die Waffen getrelen, und will in ihrer Saumseligkeit sogar den Beweis sehen, daß sie die republikanischen Gesinnun⸗ gen nicht theilen. Am schlimmsten kommen dabei die großen Städte des Südens fort, denen ein Verbrechen daraus gemacht wird, daß sie extreme Parteien dulden, welche an der Auflösung der bürgerlichen Ordnung arbeiten. Die Schreckensherrschaft« (régime de terrour), welche an einzelnen Stellen ausgebrochen sei, der »Jakobinismus« von Lyon, Mar⸗ seille, Toulouse, werden mit den heftigsten Worten gegeißelt. Man richtet an das Provisorium die Frage, wo die ver⸗ heißenen Armeen von der Loire, von der Normgndie und der Bretagne blieben? Man hört aus diesen Artikeln schon die künftige Rechtfertigung eines zuletzt doch unvermeidlichen Ent⸗ schlusses heraus, indem die Zeitungen verkündigen, daß der Fall von Paris, wenn er eintreten sollte, der Gleichgültigkeit des übrigen Frankreich zuzuschreiben sein werde. Die »Patrie⸗« vom 12. November fürchtet, daß es zu einem Friedensschluß kommen könne, den die Provinzen für sich allein den deutschen Armeen anbieten würden. . K. Das Wichtigste ist ohne Zweifel, daß das Zurückbleiben der Provinzen zum Theil der Regiexung zur Last gelegt wird.

Das eben genannte Blatt hält den Leitern des nationalen Ver⸗

theidigungsausschusses vor, daß sie mit einem Plebiscit, wie das vom 3. November, welches nur die Abstimmung von Paris umfaßte, einen offenbaren Fehler begangen hätten. Denn nach dem alleinigen Votum der Hauptstadt sei das Komite national seit dem 3. November nichts anderes, als das Gou⸗ vernement von Paris. »Ihr seid jetzt nur noch die Reprasen⸗ tanten von Paris« heißt es an jener Stelle ⸗Eure Voll machten reichen nicht weiter, als von St. Denis bis Villejuif Und von der Savresbrücke bis zum Fort von Nogent“

Die »Lev6ée en masse«“, mit der das Gouvernement am

dung von 18 neuen Marsch⸗Regimentern, einem vierten

sehr ungleiche Beurtheilung. Man stieht es als bedenklich an, daß, aller Gewohnheit zuwider der einheitliche und gleichmäßige Charakter der bürgerlichen Miliz durchbrochen werden s

Auch erblickt man in der Maßregel das stillschweigende Zu— geständniß, daß die Regierung die aktiven Truppen in threr bisherigen Starhe nicht für hinreichend halte, um der belagern⸗ den Armee die Spitze zu bieten. Der schwerste Einwurf aber, den das -⸗»Paris⸗Journal« erhebt, bezieht sich darauf, daß durch

die neue Einrichtung ein Theil der Nationalgarde, der

fortan für den anstrengenden und gefahrvollen Dienst auf den Wällen oder in den Forts verwandt werden fell, sein Leben guf Kosten der andern, in der Stadt zurückbleibenden, aufs Spiel zu setzen habe. Es wird bei dieser Gelegenheit zur Sprache gebracht, daß eine große Anzahl waffenfähiger Bürger sich bisher unter allerhand Ausflüchten der Einreihung in 8 4 k 4 23 ö 36 3. . be⸗ r reisen d enkt, aus m offenen Sendschreihen, welche Mitglieder der Nationalgarde an die Re gierung richten und worin ste diejenigen ihrer Mitbürger denuneiren, die sich bisher von den muilitärischen Verpflichtungen frei zu halten gewußt haben.

In den Hauptquartieren von Versailles folgt man dem Umschwung der öffentlichen Meinung, der seit Anigen . unwiderleglich vorhanden if mit . AUufmerksa neit. Na⸗ türlich verhehlt man sich dabei nicht, daß in milttärischer Be— ziehung noch alles von den Entschlüssen Trochus abhängt. Daß derselbe, falls ihm Hoffnung bleibt auf eine korrespondirende Bewegung von Norden oder Süden her, die letzte Anstrengung von Paris auf einen großen Ausfall richten wird, sieht man noch immer als möglich, ja als wahrscheinlich an. Man lebt daher augenblicklich in dee Erwartung der brvorstehenden Ent⸗ schridungen. Die Lage der Dinge ist sedenfalls so, daß mit der Katastrophe der neuen Loire⸗Armee auch das Schicksal von Paris besiegelt sein wird.

. Se. Masest ät der König verweilten gestern einige Zeit in der „Villa Stern«, oberhalb Ville d'Aprey, von wo sich eine vorzügliche Uebersicht der südlichen Forts darbietet.

Weiter liegt vom Kriegoͤschauplatze folgendes Telegramm des W. T. B.“ vor: . Versailles, 19. November. Der Großherzog von Mecklenburg stieß gestern bei Cha⸗ teauneuf auf ein französisches Corps, dem er einige Hundert Gefangene, darunter 150 Mann Linientruppen, abnahm.

Französischerseits sind vom Kriegsschauplatz folgende Nachrichten eingegangen: Brüssel, 19. November. (W. T. B.)

Dem » Echo du parlement« wird aus Arlon gemeldet, daß zwei Compagnien Mobilgarden, welche am 16. d, eine Re⸗ lognoszirung aus Montmedy unternommen hatten, vom an. vollständig aufgerieben oder zu Gefangenen gemacht wurden.

Nachrichten aus Tours zufolge hat die Regierung die Bil⸗

uaven⸗ Regimente, 6 Bataillons algerischen Tirailleurs 3 Ba⸗ taillonen Infanterie angeordnet. Ein anderes Dekret ver⸗ längert den Termin für die zollfreie Einfuhr von Pulver, Mu⸗

nition und Geschossen bis zum 31. Dezember.

„— Die »Köln. Ztg.! entnimmt einem Schreiben aus Brüssel vom 18. November Folgendes: Heute Abend heißt es hier, daß in Folge der Niederlage der französischen Armee bei Dreuz die Delegation der Regierung von Tours sofort nach Bordeauxz verlegt werden soll. In Tours, wo man außerdem

Delegation sich jetzt nicht mehr halten zu können. Zugleich verbreitet man das Gerücht, daß Gambetta ernstlich erkrankt sei. Was Paris anbelangt, so glaubt man, daß sich dasselbe dieser Tage ergeben muß. Vom 12. ab dieses wird als n, hu hte soll die Fleischvertheilung eingestellt wor⸗ en sein.

Genf, 19. November.

Nach Berichten aus Lyon haben die deutschen Truppen Dole wieder verlafsen und haben bei Moissey (5 Kilometer südlich von Dole) Stellung genommen. Die Einschließung von Auxonne gilt als nahe bevorstehend.

Brüssel, 19. November.

Nach französischen Berichten hat die Belagerung von La Föore ö ig. bringt f Der »Fran gais⸗ bringt folgende biographische Notizen über den General d' Aurelles de Pala bin i , Oberbefehlshaber der französischen Loirearmee.

16. November vorgegangen, die Mobilisirung der National- garden, die man mit diesem Ausdruck bezeichnet, findet eine

Derselbe, o. Jahr alt, wurde vor 18 Monaten den Cadres

den Anmarsch des Prinzen Friedrich Carl kennt, glaubte die

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der Reserve überwiesen. Ungeachtet seines vorgerückten Alters noch sehr kräftig, ist er in der ganzen Armee wegen der Energie seines Charakters bekannt. Er hat diesetbe in dieser letzten Zeit durch die Entschlossenheit bewiesen, mit welcher es ihm gelun⸗ gen ist, in den Marsch Regimentern eine erschütterte und fast zerstörte Disziplin wiederherzustelleen Aurelles hat vor 47 Jahren die Militärschule verlassen; lange Zeit war er zum 64. Linien Regiment kommandirt. Im Jahre 1854 machte er den orientalischen Krieg zuerst im Range eines Brigade ⸗Generals mit, dann bald als Divistonär an der Spitze eines der besten Theile der bei der Belagerung von Sebastopol verwendeten Infanterie. Nach seiner Rückkehr nach n enn. er mehrere Jahre die Militär⸗Divistoan von arseille und befand sich daselbst, als 1859 der italienische Krieg ausbrach. ö. Er nahm daran keinen unwesentlichen Antheil durch seine Wachsamkeit, die Regelmäßigkeit der zahlreichen Züge zu sichern, welche nach Genua und nach der Halbinsel abgingen. wei Jahre vor seiner Stellung zur Disposition hatte er ein Kommändo im Osten, und als er in die zweite Sektion eintreten mußte, empfing er als Belohnung für seine langen Dienste das Großkreuz der Ehrenlegion.

Se. Königliche Hoheit der Großherzog von Mecklen⸗ burg⸗Schwerin hat die beiden französsschen Adler leine Standarte des 4. französischen Dragpner⸗Regiments und eine Fahne der Mobilgarde), welche bei der Kapitulgtion von Tonl mit erobert wurden, hierher gesandt. Dieselben trafen vor⸗ gestern auf dem Potsdamer Bahnhof ein und wurden gestern Vormittags 11 Uhr durch eine Fahnen⸗Sektion vom Ersatz⸗ Bataillon des Kaiser Franz Garde- Grenadier⸗Regiments Nr. 2 (1 Offizier, 2 Unterofstiere und 12 Mann) voni Bahnhof ab⸗ geholt und nach dem Zeughause gebracht.

Mecklenburg. Schwerin, 19. November. (Mecklenb. Anz.) In Anlaß der gestern Vormittag gegen 11 Uhr hier

eingetroffenen erfreulichen Nachricht von dem gegen die Loire⸗

Armee erfochtenen Siege waren die Häuser mit Fahnen und Flaggen geschmückt. Nachmittags 33 Uhr wurde der Sieg durch Victoriaschießen gefeiert.

Sachsen. Dres den, 19. November. Journal schreibt: In Anwesenheit Ihrer Majestäten des Kö⸗ nigs und der Königin, Ihrer Majestät der Königin Marie, i. Majestät der Königin Elisabeth von Preußen, Ihrer

önigl. Hoheit der Kronprinzessin und Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Gustav von Wasa fand gestern Mittag 1 Uhr in dem Palais Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Georg die Taufe des jüngstgebornen Prinzen statt. Der neugeborne Prinz hat die Namen: Max Wilhelm August Albert Kari Gregor Odo erhalten. Tauf⸗ zeugen waren: Ihre Majestäten der König und die Königin Augusta von Preußen und Ihre Königlichen Hohei⸗ ten der Kronprinz und die Kronprinzessin (von Sachsen). Se. Majestät der König Wilhelm und Se. Königliche Hoheit der Kronprinz wurden durch unseres Königs Majestät, Ihre Ma— jestät die Königin Augusta durch unsere Kronprinzessin bei

der feierlichen Handlung, welche durch den apostolischen Vikar

Bischof Forwerk vollzogen wurde, vertreten. Außer den obigen

fürstlichen Personen waren bei der Taufe noch zugegen das

Gefolge Ihrer Majestät der Königin Elisabeth und der hiesige

Königlich preußische Gesandte nebst Gemahlin, die akti⸗

ven Staats⸗Minister, die Zutritts damen Ihrer Majestät

2 Königin, der Königliche große Dienst und die prinzlichen uiten. .

Nach dem heute im Königlichen Schlosse ausliegenden Bulletin ist das Allgemeinbefinden Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Georg ganz zufriedenstellend und eben so wohl befindet sich Prinz Max. Weitere Bulletins werden nicht aufgelegt. ;

Bayern. Nürnberg, 18. November. Der »Nürnb. Cor. schreibt: Der erste Bürgermeister von München hat Betreffs des Standes der Verhandlungen in der deutschen Frage, die zu Versailles geführt werden, von dem Minister v Braun die ganzent⸗ schiedene Zusage erhalten, daß die Gerüchte über einen Abbruch der Verhandlungen mit Bayern gänzlich unbegründet, daß die letzteren vielmehr im besten Flusse, daß eine Einigung erzielt sei und schon in der allernächsten Zeit auch der formale Ab— schluß erfolgen werde. Die Minister würden dieser Tage nach München zurückkehren, worauf sofort die Details der Verhand⸗ lungen bekannt gegeben werden sollen. Von diesem Stand der Sache wurde der hie ge erste Bürgermeister durch den Bürger⸗ meister von München unterrichtet, und Herr v. Stromer gab des Ersteren Zuschrift in der heutigen öffentlichen Magistrats— Sitzung bekannt.

In der heuti

Das „Dresdener

Oefterreich Ungarn. Wien, 19. November. (B. T. B. In der Sitzung des Abgeordneten hau ses gab Grochol bei Beginn der Adreßdebatte in Namen der polnischen Ab- geordneten aus Galizien die Erklärung ab, dieselben würden sich an der Debatte nicht betheiligen, wohl aber gegen den Adreßentwurf stimmen, weil derselbe die von der Negie⸗ rung unternommenen Versöhnungsverfuche verurtheile, einen für die. Monarchie verderblichen Standpunkt einnehme, und weil die Polen im gegenwärtigen Augenblicke, wo lein einheitliches Zafer age aller Nationalitäten Ocester reichs nothwendig sei, nicht die bestehende Zwietracht noch vergrößern wollten. Baron Giovanelli schloß sich Namens der Abgeordneten aus Deutsch⸗Tirol und der Nationalen der von Grocholski abgegebenen Erklärung an. In de 3. Abendsitzung des Unterhauses wurde die Adresse in dritter Lesung bei namentlicher Abstimmung mit 90 gegen 62 Stimmen angenommen. Die Mitglieder der Negievung enthielten sich der Abstimmung.

Pesth, 18. November. Im Unterhause interpellirte Cser⸗ natony den Minister-Prästdenten, ob die Gerüchte über einen Personenwechsel im Ministerium des Aeußern wahr sind und warum das Parlament diesbezüglich noch nicht informirt sei? Wahrmann fragte, welche Schritte geschehen seien, damit die Verlovsung der Obligationen des ungarischen Eisenbahn⸗ anlehens, die in Paris hätte stattfinden sollen, am 1. Dezember wie sonst vorgenommen werden möge? Kerkapolyi erwiederte, ö . dafür gesorgt, daß die Berloosung pünktlich in Pesth tattfinde.

Schweiz. Bern, 14. November. 9G Köln. Ztg.“ Nachdem eine vorgestern in Mendrisio abgehaltene Volksversammlung dem Beschlusse der Volksversammlung in Lugano vom 5. d. M., den auf gestern anberaumten Großrathswahlen keine Folge zu leisten, sondeen gegen das Vorgehen des Bundesrathes bei der Bundesversammlung Protest zu erheben und von dieser die Anerkennung der Losreißung des Unter⸗Cenere von dem Kanton Tessin zu verlangen, beigetreten, ist der . Wahltag, wie erwartet, resultatlos abgelaufen. Das Unter ⸗Cenere hat keine neuen Vertreter in den großen Rath von Tessin gewählt, wo⸗ mit es die Trennung besiegelt hat. Eine heute an die eid⸗ genössischen Kommissarien nach Bellinzona abgegangene Depesche des Bundeßrathes hat dieselben aufgefordert, en Behufs per⸗ sönlicher Berichterstattung nach Bern zu kommen, wo dann im Verein mit ihnen die Seitens des Bundes weiter zu thuenden Schritte berathen werden sollen.

Der Bundes Präsident theilt heute , offizielle De⸗ menti der hiesigen Presse mit: »Eine berliner Depesche der Neuen Freien Presse⸗ in Wien, die auch in schweizer Zeitungen übergegan⸗ gen, weiß von einem Schreiben des norddeutschen Bundeskanzlees

an den schweizerischen Bundesraih zu berichten, welches dieser Be-

hörde in Erinnerung bringe, daß im Sinne der Neutralität die auf Schweizerboden übertretenden Soldaten der kriegführenden Mächte entwaffnet werden müssen, was bisher nicht immer geschehen sei,. Im Bundesrathe ist, von einer solchen » Erinnerung« nichts bekannt; der Bundes⸗ Präsident hat keinerlei derartige Eröffnungen erhalten, R denen übrigens auch nicht die geringste Veranlassung vor⸗ iegen könnte. Die Stellung, welche die Schweiz gegenüber den Kriegführenden einnimmt, ist in der bundesräthlichen Verord- nung über Handhabung der Neutralität vom 16. Juli 1870 bestimmt und klar gekennzeichnet, und die Verordnung hat allerorts von Seiten der schweizerischen Civil⸗ und Militär⸗ Behörden Nachahmung gefunden.

Der Bundesrath hat heute den Voranschlag des eidgenös⸗ sischen Budgets für 1871 festgestellt und genehmigt. Dasselbe zeigt eine Einnahme von 22,269,300 Frances und eine Ausgabe von 22,456,300 Fres, somit ein Defizit von 187.9000 Fres.

18. November. (W. T. B.) Der Bundesrath hat das eidgenössische Militär⸗Departenient mit den nöthigen Vorbereitungen zur militärischen Besetzung des Unter⸗Cenere im Kanton Tessin beauftragt.

Frankreich. Man hat aus Paris Journale erhalten, die bis zum 12. reichen. Ein großer Theil derselben zeigt sich äußerst ungehalten, daß die Regierung der nationalen Verthei= digung auf so leichtsinnige Weise die Waffenstillstandsprojekte zurückgewiesen, und verlangt, daß man, einerlei auf welche Weise, endlich zu der Konstituirung einer Versammlung gelange, welche sich darauf aussprechen könne, ob der Krieg noch weiter , werden soll oder nicht. Zwei dieser Blätter gehen sogar so weit, die Erfüllung der von den Deutschen gestellten Bedingungen anzurathen, da ein weiterer Widerstand doch zu nichts führen werde. Neben dem »Figaro« spricht sich auch der »Gaulois« in dieser Weise aus. Die ⸗»Vérits« macht sich darüber lustig, daß die Regierung nach der Verwerfung des Waffenstillstandes das offizielle Blatt sagen läßt: »Die Regie⸗

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