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verhindern. Gleichzeitig werden in einem Rundschreiben des Kriegs-Ministers die Militärbehörden aufgefordert, den Eisen= bahngesellschaften für die Erfüllung vorstehenden Befehles jede Unterstützung angedeihen zu lassen. .
Lille, 7. Januar. (W. T. B.)
Nach Berichten aus Cambrai stehen die deutschen Trup⸗ pen wiederum im Arrondissement Cambrai. Dieselben haben sogar ihre Rekognoszirungen bis dicht an die Stadt Cambrai ausgedehnt, der sie auf Schußweite nahe gekommen sind. Der Kommandant der 2. Division der Nord⸗Armee, General Robin, hat einen amtlichen Rapport über die Kämpfe vom 2. und 3. Januar veröffentlicht. In demselben heißt es, es sei durch zu langsames Marschiren der Regimenter der Division ver⸗ schuldet, daß zu wenig Truppen am 2. Januar in das Gefecht eingreifen konnten. Der General konstatirt weiter, daß die neu gebildeten Regimenter Schwäche gezeigt haben. Er fordert von den Regiments-Commandeuren eine Liste derjenigen Offi⸗ ziere ein, welche die Flucht ergriffen haben. Dieselben sollen abgesetzt werden.
Brüssel, 7. Januar. (W. T. B.)
Der »Ind é pendance Belge« wird aus Lyon vom 4. d. ge— meldet, daß General Werder aus Dijon 20 Geißeln mitgenom⸗ men habe. Es gilt als sicher, daß die Armee von Lyon durch die Franche Comté auf Belfort marschirt. Ein Bataillon mo- bilistrte Nationalgarde aus dem Departement Deux⸗Svres, das sich Unordnungen im Lager schuldig gemacht, ist zur Armee des Generals Chanzy geschickt worden. Der Präfekt des De⸗ partements Tarn warnt die Maires vor den bonapartistischen Agenten, welche Ruhestörungen und Beunruhigung auf dem Lande veranlassen. Einer Mittheilung des »Siscle- vom 2. d. zufolge hat der Gemeinderath von Marseilles 100,000 Franes ür die Beschaffung leichter Kavallerie bewilligt und beschlossen, ie Stadt sofort in Vertheidigungszustand zu versetzen.
In Brest ist am 22. Dezember die Meldung eingetroffen, daß die französische Panzerfregatte Alma von Saigun nach Yokohama zum Admiral Duprs abgegangen sei, da dieser »eine definitive Aktion gegen die in diesen Hafen geflüchteten preußi— schen Schiffe vorbereiten.
Frankfurt a. M., 7. Januar. (W. T. B.) Die »Frank— furter Zeitung« schreibt: Wir vernehmen aus guter Quelle, daß Seitens des hiesigen Magistrats schon vor Neujahr eine Adresse an Se Majestät den König nach Versailles abgegan— gen ist, worin der König bezüglich der Wahl zum Kaiser des Deutschen Reiches beglückwünscht wird. In der Adresse ist ugleich die Bitte ausgesprochen, daß Frankfurt, welches wegen . Vergangenheit dazu das erste Anrecht habe, zur Krönungs—
stadt guch der neuen Kaiser erhoben werden möge. .
Württemberg. Stuttgart, 5. Januar. Die Verfügung des, Ministeriums des Innern, betreffend die Anlegung der Wählerlisten für die Wahl von Abgeordneten zum Deutschen Reichstage vom 4. d. M., deren Veröffentlichung telegraphisch gemeldet ist, lautet im Eingange:
Da es wünschenswerth erscheint, die Vornahme der Wahl von Abgeordneten zum Deutschen Reichstage schon jetzt durch Anlegung der Wählerlisten vorzubereiten und da die Nummer 1 des Regierungs. blatts von 1871, welche das Wahlgesetz für den Reichskag vom 31. Mai 1869 und das Reglement zur Ausführung dieses Wahigesetzes vom 28. Mai 1870 enthält, in einer größeren Anzahl von Gemein den noch nicht angelangt sein wird, so sieht sich das Ministerium zu nachstehender Bekanntmachung, beziehungsweise Anordnung, veranlaßt:
L. Das Wahlgesetz für den Reichstag enthält folgende hierher gehörige Bestimmungen: u. s. w. ?
— Der von der Abgeordnetenkammer angenommene Ent⸗ wurf eines Gesetzes, betreffend die Bestreitung des Aufwands für außerordentliche Militärbedürfnisse lautet im Art. 1:
Zur Bestreitung des außerordentlichen Militäraufwands wird den Ministersen des Kriegswesens und der Finanzen zu den durch die Gesetze vom 26. Juli und 27. Oktober 1870 bewilligten Krediten von 5 / o 00g Fl. und 3/700 000 Fl. die weitere Summe von 12.900 000 1. zur Verfügung gestellt, welche nach Maßgabe des wirklichen Erfoör— dernisses auf Rechnung des Militär Etats zu verausgaben ist. Dieser Kredit ist durch ein ünter möglichst billigen Bedingungen aufzuneh— mendes Staatsanlehen und soweit erforderlich durch Ausgabe von ver— zinslichen Kassenscheinen zu realisiren; auch wird der Finanz. Minister ermächtigt, inzwischen verfügbare Mittel der Staatskasse für jenen Zweck vorschußweise zu verwenden.
L. Januar. Die Ständeversammlung wählte in den engern Stäͤndeausschuß Baur, Schneider, Gemmingen, Hölder, in den weitern Sigel, Hömer, Sick, König, Fetzer, Römer.
Hierauf vertagte sich die Kammer.
Oesterreich⸗ ungarn. Wien, 7. Januar. Der Kaiser ist gestern aus Innsbruck hier a , und wohnte mit den . der Trauerfeier für den verstorbenen Grafen Kuef⸗ stein in der Stephanskirche bei. .
— Der Kronprinz langte gestern Abends am hiesigen Westbahnhofe an. .
— (W. T. B.) Die Wiener Abendpost« reproduzirt den letzten Artikel der »Norddentschen Allgemeinen Zeitung bezüglich des Verhältnisses Deutschlands zu Oesterreich, und tonstatirt mit aufrichtiger Befriedigung, daß die politische Haltung, welche die österreichisch uͤngarische Monarchie gegenüber der neuen Gestaltung der Ver— hältnisse in Deutschland angenommen hat, in den Organen der deutschen Presse ohne Unterschied der Parteistellung volle Würdigung und rückhalilose Anerkennung findet. Diese Organe knüpfen an die freundschaftliche Annäherung Preußens und Oesterreichs die Hoffnung auf eine friedliche Konsolidirun der europäischen Verhältnisse. Die ⸗Wiener Abendpost« be n, diese Erwartung mit den besten Wünschen und begleitet die in den Blättern des großen deutschen Nachbarlandes sich kundgeben—⸗ den Sympathien für Oesterreich⸗Ungarn mit freudiger Genug—= thuung, Die »Abendpost« bedauert schließlich die Versuche ge⸗ wisser österreichischer Preßorgane, die freundlichen Schritte des Wiener Kabinets als Scheinakte darzustellen, und weist derlei tendenziöse Verdächtigungen auf das Entschiedenste zurück.
Innsbruck, 6. Januar. Der Kaiser erließ folgendes Allerhöchste Handschreiben:
»Lieber Graf Lodron! Mit inniger Befriedigung blicke Ich auf die Tage zurück, welche Ich in Meinem theuern Lande Tyrol verlebt habe, das Mich mit alter Herzlichkeit empfangen und Mir aller Orten neue Beweise seiner erprobten Treue und Anhänglichkeit gegeben hat. Indem Ich, wie Ich hoffe, nicht auf lange von ihm scheide, nehme Ich das neu befestigte Vertrauen mit Mir, daß das Land, in welchem Ich bei Meiner letzten ÄAnwesenheit Zeuge des begeisterten Jubels war mit dem es die Feier seiner fünfhundert. jährigen Vereinigung mit Oesterreich begangen hat, auch niemals der Pflichten uneingedenk sein toͤnne, welche der uralte heilige Verband mit dem Gesammtvaterlande auferlegt. Ich beauftrage Sie, dies der Bevölkerung der Hauptstadt und des ganzen Landes bekannt zu geben und Meinen lieben Tyrolern den anerkennenden Dank für die viel fachen Kundgebungen ihrer Anhänglichkeit und loyalen Gesinnung zugleich mit der Zusicherung Meines Kaiserlichen Wohlwollens aus— zusprechen.
Innsbruck, 5. Januar 1871. .
Franz Joseph.«
Schweiz. Bern, 4. Januar. (Allg. Z. Auf hundes. räthlichen Antrag wird diesen Monat in Bern eine Konferenz behufs Berathung der Fristverlängerung für den Gotthardbahn— Vertrag stattfinden. — General Herzog hat sein Entlassungs⸗ gesuch zurückgezogen.
Niederlande. Luzemburg, 7. Januar. (W. T. B.) Der König hat die nachfolgende Proklamation an bie Luxem⸗ burger erlassen: . .
Die loyale Adresse, die ich durch meinen Bruder erhalten habe, durch welche Ihr volles Vertrauen zu mir ausdrückt, hat mich lebhaft gerührt. Rechnet auf meine absolute Ergebenheit und unveränderliche Anhänglichkeit an Euch. Beruhigt Euch ungeachtet der Gefahren, die der Unabhängigkeit Eures Vaterlandes drohen, mit der Garantie der Verträge, welche von den europäischen Großmächten unterzeichnet sind. Ich habe die feste Aeberzeugung, daß diese Verträge, die bis jetzt ge⸗ achtet worden, auch in Zuftunft geachtet sein werden.
Wilhelm.
Haag, 6. Januar.
Frankreich. Der Independance Belges wird aus Paris vom 30. Dezember geschrieben: -Das Gefühl der Ungeduld scheint sich selbst im Ministerrathe kundgegeben zu haben. Mehrere Mitglieder desselben verlangten von Trochü, daß er energischer vorgehe. Jules Favre und Ernst Picard sprachen
ch vor allen Andern in diesem Sinne aus, aber der General Trochu sagte, er halte an seinem Plane fest, der ihm alles Vertrauen einflöße, und der Zwischenfall war damit beendet. Viele Journale sprechen sich für tägliche Ausfälle aus, und alle verlangen, daß man energischer vorgehe. Man findet die Berichte des Generals Schmitz zu pessimistisch. Sein deutscher Name reizt sogar die Nerven der Pariser auf. Wenn Trochu nicht in den nächsten Tagen vorgeht, so wird er gestürzt wer— den, aber nicht von der Straße, sondern von den höheren Klassen, die ihn bis jetzt unterstützt haben. ;
— Die Pariser Regierung hat, wie der »Constitutionnel« vom 1. d. M. meldet, das Wechsel⸗Moratorium abermals um einen Monat verlängert.
— Aus dem »Tagebuche eines Belagerten« bringt »Daily News. Mittheilungen aus Pari, welche vom 23. bis 28. De⸗ Smher reichen. Wir entnehmen daraus das Folgende: »Die
ationalgarden sind indessen wieder zum großen Aerger der Linientruppen und Mobilen in eineni Tagesbefehl Trochu's wegen ihrer tapferen Haltung belobt worden. Der wirk— liche Thatbestand kommt, naͤmlich darauf hinaus, daß unter diesen Helden eine Panique ausbrach, welche nahezu in eine wilde Flucht ausartete. Mehrere Batail⸗
lone machten Kehrt unter dem Eindruck, daß die Preußen
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im Begriffe seien, einen Angriff auf sie auszuführen, und ein Bataillon machte nicht eher Halt, bis es sich sicher hinter den Mauern von Paris wiederfand. Trochu's Versuch, diesen Helden aus politischen Gründen Erhabenheit aufzuzwingen, macht ihm die Stimmung der Armee abspänstig, und am 21. und 22. führten mehrere Regimenter bitterlich Klage darüber,
daß man sie immer an die Front stelle, um nicht nur Paris,
sondern auch die Nationalgarden zu schützen.
— Die gefährlichsten der in die Affaire vom 31. Oktober verwickelten Personen sind gegen Kaution in Freiheit gesetzt . wie Felix Pyat, Maurice Joly, Ducondray, Razouan, Tridon.
— Die »Gironde«, das Organ der Delegation in Bordeaux, meldet, daß die Regierung in den letzten sechs Wochen dem Lande 430 000 Stück Waffen und 70 Millionen Stück Patronen geliefert habe, vor Ende Januar noch 270,000 Stück liefern werde und bis dahin auch 600 Stück Kanonen und Mitrailleu⸗ sen nehst Zubehör und mit Bespannung liefern werde, sie habe das Snider sche Gewehr nebst Bayonnet zu 90 Fres., das Ehassepot zu 100 Fres., den Remington zu 94 Fres. hezahlt. Die »France« macht dazu die Bemerkung: Diese ö klängen zwar sehr ermuthigend, wenn ein einziger Hafen, Bordeaux, 430,000 Gewehre in sechs Wochen . haben solle, es sei nur merkwürdig, daß dann noch so viele Leute ohne verhesserte Waffen seien. Das Räthsel wird sich wahrscheinlich so lösen lassen, däöß obige Waffen auf dem Papiere stehen, auch von Staatsgeldern bezahlt wurden, doch die Chassepots, Remingtons u. s. w. in der Wirklichkeit bloß die Ausnahme, der Ausschuß des amerikanischen Marktes, über den so viel ge— klagt wird, die Regel bildete; natürlich fiel bei diesen Lieferungen für . und ihre guten Freunde ein solider Ge— winn ab.
Italien. Florenz, 7. Januar. (W. T. B.). Der öster⸗ reichische Reichs Finanz Minister Lonyay ist nach Unterzeichnung des finanziellen Ablommens zwischen Oesterreich und Italien heute Morgen nach Wien zurückgereist. Der König von Italien
hat Lonyay das Großkreuz des Ordens der Krone von Italien
verliehen. Die französische Regierung hat Rothan zum Ge— sandten in Florenz ernannt. Der bayersche Gesandte in Rom, Graf Tauffkirchen, ist hier angekommen und nach Rom weiter gereist. Er hat dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Visconti Venosta, einen Besuch gemacht.
Griechenland. Athen, 3. Januar. Der Minister⸗ Präsident hat vor der Kammer folgende Erllärung abgegeben: »Wir wollen mit den fremden Mächten freundschaftliche Be—⸗ ziehungen unterhalten und mit den Verbesserungen im Lande fortfahren. Wir werden die Rechte der fremden Mächte, na⸗ mentlich unserer Nachbarn, achten. Unsere Politik nach außen wird eine friedliebende sein.« ; .
— Der englische Gesandte hat der griechischen Regierung sein Bedauern ausgedrückt, daß von allen den 49 Personen von Bedeutung, welche in die Untersuchung wegen der Mord⸗ that bei Marathon verwickelt waren, nur Einer, und zwar ein Engländer, Frank Noel, ein reicher Gutsbesitzer von Chalkis, nebst 62 Hirten und Hirtenknechten vor das Schwurgericht ver⸗— wiesen worden sei.
Türkei. Konstantinopel, 24. Dezember. Während des ganzen Ramazans werden allnächtlich in allen Moscheen Gebete für die Bewahrung der Türkei vor den Gefahren, die für sie aus den gegenwärtigen europäischen Verhältnissen her—⸗ vorgehen könnten, abgehalten.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 31. De⸗ zember. Die Königin, welche an das Sterbebett ihrer Mutter, der Prinzessin Friedrich der Niederlande, nach dem Haag be— rufen worden war, ist gestern Nachmittag zurückgekehrt. Der 366 war ihr bis Lapa, 21 schwedische Meilen, entgegen⸗
ereist. ; . ⸗ Der Grundfond zu einer künftigen freien Hochschule in Stockholm beträgt jetzt Thlr. 143,521. 74.
Landtags ⸗ Angelegenheiten.
Berlin, 8. Januar. In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten überreichte der Finanz ⸗Minister Camp⸗ hausen den Nachtrag zum Etatsgesetz mit folgenden Worten:
Meine Herren! Da es nicht hat gelingen koͤnnen, vor dem Be— ginn des Jahres 1871 den Staatéhaushalts. Etat für das Jahr 1871 esetzlich fentzustellen, so hält die Staats- Regierung es für nöthig, zu em Etatsgesez einen Nachtrag einzubringen, wodurch die im Laufe
dieses Jahres bis zu dieser Feststellung zu leistenden Ausgaben geneh-
migt werden. Ich bin durch eine Allerhöchste Kabinets Ordre de dato Versailles, den 2. Januar d. J, ermächtigt, den des fallfigen Gefeßzent⸗ wurf dem Hohen Hause fu überreichen, und thue dies hiermit.
Der Gesetzentwurf dürfte wohl an die Budget- Kommission zu überweisen sein, die ja mit der Berathung des Etatsgesetzes betraut ist.
— Die Diskussion über den Etat des Ministeriums der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten leitete der Regierungskommissar, Wirklicher Geheimer Legationsrath v. Bülow, wie folgt, ein:
Meine Herren, der diesjährige Etat des Ministeriums der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten schließt, wie der vorjährige, mit einer Aus- gabe von 77,500 Thalern ab. Er ist, was die Anzahl und Höhe der einzelnen Positionen betrifft, gegen das Vorjahr unverändert geblieben. Nur zwei Modifikationen hat die Königliche Staatsregierung für un⸗ abweislich halten zu sollen geglaubt: nämlich einmal ist die Aver⸗ sionalentschädigung von 30,900 Thlr. an den Norddeutschen Bund für die Besorgung speziell preußischer Angelegenheiten, welche das vorige Abgeordnitenhaus als einmaligen Beitrag in das Extraordinarium verwiesen hatte, in das Ordinarium gebracht, und zweitens sind die Dotationen der Gesandtschaften in Hamburg, Oldenburg und Weimar, abweichend von dem vorjährigen Beschluß, nicht in die Kolonne vkünftig wegfallend“ gesetzt worden. Die Königliche Staatsregierung legt großen Werth darauf, und ich erlaube mir, das Hohe Haus zu , . mit diesen Modifikationen sich einverstanden erklären zu wollen.
Was zunächst die Aversionalentschädigung von 30900 Thalern an den Norddeutschen Bund betrifft, so erlaube ich mir für diejenigen Herren, welche dem vorigen Abgeordnetenhause nicht angehört haben, die Entstehung und den Zweck dieser Position kurz zu rekapituliren. Als im Jahre 1869 der Uebergang des auswärtigen diplomatischen Dienstes auf den Norddeutschen Bund und damit die Umwandlung des preußischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten in ein aus⸗ wärtiges Amt des Norddeutschen Bundes vorbereitet wurde, entstand die Frage: was wird aus den vom preußischen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten bisher bearbeiteten Sachen, die ein speziell preußisches Interesse innerhalb des Bundes zum Gegenstande haben? Daß diese Angelegenheiten keine Bundessachen sind, daß also beispielsweise die Negoziirung eines Vertrages, wie des im vorigen Jahre von dem Landtage genehmigten Grenzregulirungs-Vertrages mit Bremen, den Bund nichts angeht, ist klar; dem Bunde liegt ja eben nur die Ver tretung seiner Angehsrigen und seiner politischen Interessen dem Bundesauslande gegenüber ob. Man hatte die Wahl, diese speziell preußische Angelegenheit entweder einer anderen preußischen Behörde ö oder sie, nach dem bisherigen Geschäftsgange, dem
inisterium der auswärtigen Angelegenheiten, nunmehrigen Auswär⸗ tigen Amte des Norddeutschen Bundes, zu belassen. Man wählte aus Zweckmäßigkeitsgründen das Letztere und man hat, wie die Erfahrung zeigt, wohl daran gethan. So ist es gekommen, daß eine ziemlich große Anzahl speziell preußischer Angelegenheiten von dem auswärtigen Amte des Norddeutschen Bundes besorgt, also von Bundesbeamten bear⸗ beitet wird, die aus der Bundeskasse ihr Gehalt beziehen und durch den Bundesdienst zur Besorgung dieser Angelegenheiten nicht ver— pflichtet sind. Das ist eine Anomalie. Sie werden anerkennen, meine Herren, daß es unseren Bundesgenossen nicht wohl zugemuthet werden kann, dergleichen Arbeiten implicité mit zu bezahlen, daß es vielmehr Preußens Sache ist, finanziell dafür aufzukommen. Das Pauschal Aequivalent für die Bearbeitung dieser speziell preußischen Angelegenheiten bilden eben die 30 000 Thaler. Es ist dies eine sehr geringe Summe, meine Herren, zumal wenn man erwägt, daß sie streng genommen sich nicht auf 30,000 Thaler, sondern nur auf un⸗ gefähr 5600 Thaler beläuft, insofern nämlich, als der Rest der preußi— schen Regierung pro rata ihres ideellen Antheils an den Bundesein⸗ nahmen wieder zu Gute kommt. Die Summe ist aber auch eine sehr geringe im Vergleich zu dem Umfange der Geschäfte, die dafür bearbeitet werden. .
Wenn ich Sie nun bitte, meine Herren, die 30,000 Thaler zu bewilligen, so erlaube ich mir im besonderen Auftrage meines Herrn Chefs die fernere Bitte, sie im Ordinarium und nicht, wie der Antrag des Herrn Abg. Virchow will, im Extraordinarium zu bewilligen. Vie Ausgabe charakterisirt sich, wie aus dem Gesagten hervorgehen dürfte, als eine dauernde und gehört deshalb in das Or⸗ dinarium. Dauernd ist sie vor allen Dingen um deswillen, weil die in Rede steh enden preußischen Geschäfte schlechterdings nicht unerledigt bleiben können. Unterzöge sich nicht das Auswärtige Amt des Nord⸗ deutschen Bundes ihrer Bearbeitung, so müßte es eben eine andere preußische Behörde thun, und die Kosten würden sich dann, weil eine entsprechende Vermehrung des Personals eintreten müßte, ungleich höher belaufen.
Es erübrigt nur noch, mit ein paar Worten auf die Resolution zurückzukommen, welche das Abgeordnetenbaus in der Sitzung vom 4. Dezember 1869 in Beziehung auf diese 30, 000 Thaler gefaßt hat. Diese Resolution lautet:
Das Haus der Abgeordneten spricht die Erwartung aus, daß mit Rücksicht auf die völlig gleiche Dienstbereitschaft des Ministe—⸗ riums der Auswärtigen Angelegenheiten — das ist jetz das Auswärtige Amt des Norddeutschen Bundes —
für alle Staatsangehörigen des Norddeutschen Bundes in Zu- kunft ein Beitrag an den Norddeutschen Bund für die Besor- un speziell preußischer Angelegenheiten nicht mehr werde gefordert werden. 3.
Daß und weshalb die Königliche Regierung, nach pflichtmäßiger Erwägung, dieser Resolution Folge zu geben nicht in der Lage ge- wesen ist, habe ich bereits anzudeuten mich beehrt und möchte nur noch mit ein paar Worten auf die Motive eingehen. Diese Motive sprechen von der »völlig gleichen Dienstbereitschaft« für alle Staatsangehörigen des Norddeutschen Bundes. Ja, meine Herren, diese Dienstberelitschaft ist vorhanden, durchaus vorhanden, sie wird faktisch von jeher, seitdem das Auswärtige Amt besteht, ausgeübt; sie kann aber doch nur vorhanden sein und billigerweise doch nur ver- langt werden innerhalb derressortmäßigen Kompetenzdieser Bundesbehörde. Diese Kompetenz findet ihre Begrundung und
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