1871 / 11 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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dem Umlauf behufs der Vernichtung zurückzuziehen sind, wird bis zum 31. Dezember 1873 verlängert.

Nachdem der Abg. Richter (Hagen) als Berichterstatter die Annahme des Gesetzentwurfs befürwortet hatte, wurde derselbe mit großer Majorität genehmigt.

Das Haus ging sodann zum letzten Gegenstand der Tages⸗ ordnung über, dem mündlichen Berichte der Budget Kommission über die Ausführung des Gesetzes vom 19. Dezember 1869 (Gesetz Sammlung Seite 1197), betreffend die Konsolidation preußischer Staats⸗Anleihen.

Nach Empfehlung des Berichterstatters Abg. von Kardorff nahm das Haus den Antrag der Kommission an; »Die im §. 8 des Gesetzes vom 19. Dezember 1369 über die Konsoli⸗ dation preußischer Staats Anleihen (Ges. S. S. 1197) vorge⸗ schriebene Rechenschaft als durch den Bericht des Finanz— Ministers vom 11. Oktober 1870 geführt, anzuerkennen.

Somit war die Tagesordnung erledigt. Vom Abg. von Brauchitsch war ein Antrag eingegangen, der sich auf Abände— rung der Geschäftsordnung bezieht; derselbe wurde der Ge— schäfts⸗Kommission in Verbindung mit der Justiz⸗Kommission zur Vorberathung überwiesen.

Schluß der Sitzung 3 Uhr 45 Minuten.

Die heutige (11) Plenar-Sitzung des Hauses der Ab- geordneten wurde von dem Präsidenten von Forckenbeck um 116 Uhr eröffnet. J

Am Ministertische befänden sich der Minister des Innern Graf zu Eulenburg, der Justiz⸗-Minister. Hr. Leonhardt, der mr Camphausen und mehrere Regierungs⸗Kom⸗ missare.

Den ersten Gegenstand der Tagesordnung bildete die Schlußberathung über den Antrag der Abgeordneten Holtz, von Meyer (Arnswalde), von Wedell-Vehlingsdorf und Ge— nossen:

fee, Haus der Abgeordneten wolle beschließen:

die Staatsregierung wird ersucht, die Gesetze über den Erwerb und die Belastung des Grundeigenthums, über die Grundbuch-⸗Ordnung, über den Kostentarif so schleunig als thunlich dem Landtage der Monarchie zur Beschluß— fassung vorzulegen. . Die Referenten Abgg. v. Behr (Greifswald) und Lent be— fürworteten den Antrag: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, den vorbezeichne—⸗ ten Antrag in nachstehender Form anzunehmen: die Königliche Staats regierung wird aufgefordert, die Gesetzentwürfe a) über den Eigen- thumserwerb und die dingliche Belastung der Grundstücke, Bergwerke und selbständigen Gerechtigkeiten; b) einer Grundbuch ⸗Ordnung nebst Kostentarif auf den durch die Beschlußfassungen des Hauses der Abgeordneten in der dritten Session der 10. Legislaturperiode gewon- nenen Grundlagen dem Landtage der Monarchle, sobald die allgemei⸗ nen Verhältnisse des Staats es gestatten, ohne Verzug zur Beschluß— fassung vorzulegen. . 4 . Es betheiligten sich an dieser Debatte die Abgg. Holtz, Witt, von Schorlemer⸗Alst, Graf Wintzingerode, Winter, Hähnel, von Kardorf, Florschütz, Windthorst. Der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt, welcher wiederholt in die Debatte eingriff, erklärte sich mit dem Antrage einverstanden und stellte die Vorlage der bezüglichen Gesetze in Aussicht. Der Antrag des Referenten wurde angenommen. Es folgte die Schlußberathung über den Antrag der Abgg. v. Breule , Weicke, Koeltz: an die Königliche Staatsregierung das Ersuchen zu richten, dahin zu wirken, daß seiner Zeit bei Feststtzung der von Frankreich zu fordernden Kriegskostenentschädigung darauf Bedacht genommen werde, aus derselben auch den Kreisverbänden und den nicht zu einem

Kreisverbande gehörigen Städten diejenigen Beträge zu erstatten, welche dieselben für Kriegsleistungen und für Kreisunterstützungen an die hülfsbedürftigen Familien von Landwehrleuten, Reservisten und Ersatzreservisten in dem gegenwärtigen Kriege aufgewendet haben resp. noch aufwenden werden

Der Referent Abg. Lampugnani befürwortete die unver⸗ änderte Annahme des Antrags.

An der Debatte betheiligten sich nur noch die Abgg. Szu⸗ mann und v. Brauchitsch. .

Der Antrag wurde mit großer Majorität angenommen.

Hierauf folgte: Schlußberathung über den Antrag der Abgg. Dr. Hänel und Genossen:

Das Haus der Abgeordneten wolle heschließen: die Königliche Staats regierung aufzufordern: spätestens in der nächsten Session des Landtages Entwürfe von Gesetzen für die Provinz Schleswig⸗-Holstein, betreffend: 1) die Aufhebung des Jagdrechts auf fremdem Grund und Voden, 2) die Ablösung der Reallasten und die Regulirung der guts— herrlichen und bäuerlichen Verhältnisse, 3) die Errichtung einer Renten- bank, nach Maßgabe der Gesetze vom 2 März 1850 vorzulegen. ;

Der Berichterstatter Abg. Bening empfahl die Annahme dieses Antrags. Der Regierungs⸗Kommissar, Geh. Reg. Rath Greiff, er= klärte, daß die Staatsregierung bereit sei, nach hergestell tem Frieden die beantragten Gesetzentwürfe vorzulegen. Nachdem

die Abgg. Springer, Dr. Hänel, sowie wiederholt der Regie— rungs⸗Kommiffar und der Referent gesprochen, wurde der ÄUn⸗ trag mit großer Majorität angenommen. (Schluß d. Blattes.

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Offizielle militärische Rachrichten.

I) Versailles, 10. Januar.

Der Königin Augunsta in Berlin.

Gestern hatte General von Werder südlich von Vesoul bei Vallerois ein glückliches Gefecht gegen Truppen von Bourbaki und machte 800 Gefangene. Desgleichen vor Belfort stürmten einige Bataillone das Dorf Danjoutin, und machten 700 Ge— fangene. Hier wieder Nebel nach Schneefall, daher schwaches Feuer.

. . Wilhelm.

27) Versailles, 10. Januar.

Am 8. Nachmittags schlug Oberst v. Dannenberg bei Montbard einen Angriffe Garibaldinischer Freischaaren zurück.

Am 9. stieß General v. Werder bei seinem Vormarsche auf Villersexel auf die Flanke des XX. französischen Corps, nahm den Ort, wobei 2 Stabsoffiziere, 14 Offiziere und über 500 Mann, nebst 2 Adlern, in unsere Hände fielen. Alle Angriffe des hierauf in bedeutender Stärke sich entwickelnden Gegners, bei dem auch das XVIII. Corps eingriff, wurden mit diesseitigem . Verluste in der Linie VillersexelMoimay⸗ und Marast abgewiesen.

Die Truppen des Generals Chanzy wichen am 9. auf allen Punkten vor unseren vordringenden Kolonnen auf le Mans zurück. Der Abschnitt von Ardenay wurde von

unseren Töten überschritten. Ueber 1000 Gefangene konstatirt,

welche bis jetzt in unsere Hände gefallen sind.

von Podhielsti.

3) Ver sailles, 10. Januar.

Im Laufe des 10. wurde die Beschießung der verschiedenen Fronten von Paris fortgesetzt. Der Feind antwortete mäßig. Diesseitiger Verlust 17 Mann.

von Podbiels ki.

ch Amiens, 10. Januar. Péöronne hat kapitulirt, Be⸗ satzung von äber 3000 Mann kriegsgefangen. von Goeben.

(Südlich Vesoul, in Departement der Haute⸗Säone, liegen 7 und 15 Kilometer, also 1 und 2 Meilen, die beiden Orte. Vallerois⸗le⸗Bois und Vallerois ⸗Lorioz; ersteres liegt

westlich der Straße von Vesoul nach der Schweiz, letzteres

östlich der großen Route nach Besangon; beide Orte, die auch Valleroy geschrieben werden, liegen keine Meile von einander entfernt. Vallerois le⸗Bois ist am Rande der Waldungen gelegen, innerhalb deren die Linotte

entspringt, welche südwärts zum Oignon fließt; es

hat etwa 800 Einwohner und ein starkes Schloß, das wohl⸗ erhalten ist und an einem seiner Thore die historische Devise der Vaudrey's trägt: J'ai vallu, vaux et vauldrey. Vallerois⸗ Lorioz liegt 1100 Fuß hoch, in der unmittelbaren Nähe des⸗ selben eine Einsiedelei, von der aus der St. Bernhard und der Mont Blanc zu sehen sind. Etwa 1 Meile östlich der beiden Vallerois liegt das kleine Dreieck Marast⸗Villersexel⸗ Moimay; Marast liegt an einem kleinen Zuflusse des Oignon, 5 Kilometer von Villersezel, das fast 900 Fuß hoch am eben genannten Flusse und der Scey, 4 Meilen süd⸗ ö6stlich Vesoul zu suchen ist; Moimay ist am Einflusse des Lauzin in den Oignon gelegen, 3 Kilometer südwestlich von Villersexel; die ganze Gegend erscheint als sehr zerklüftetes, von Gebirgsbächen und Anhöhen mannigfach durchzogenes, koupirtes Gefechtsfeld.

Montbard oder Marmagne liegt an der Bahnlinie, welche das Departement C5õte d'or in schräger Richtung nach Dijon hin durchläuft, an der Brenne und dem Kanal von Bourgogne, es ist eine Stadt von 2800 Einwohnern, in deren Nähe Schloß Bourgogne liegt, dessen Donjon, Umfassungsmauer und großer Thurm noch stehen; ersterer ist ein etwa 130 Fuß hoher viereckiger Thurm, dessen vier Stockwerke mit einer Plateform . ind welche mit Schießscharten versehen und besonders armirt ist.

Der Abschnitt bei Ardenay wird durch das Flüßchen Hora gebildet, welches in geradem Laufe von Süden nach Norden und bei St. Mars la Bruysre in die Huyne fließt, die ihrerseits bei le Mars in die Sarthe mündet; Ardenay (oder Ardenais) ist ein Ort von kaum 500 Einwohnern, liegt

370 Fuß hoch im Kanton Montfort und nur noch 277 Meilen westlich le Mans an der Straße von dieser Stadt nach

St. Calais und Vendéme.)

Weiter liegen vom Kriegsschauplatz folgende Nachrich⸗

ten vor:

Versailles, 6. Januar. Der General⸗Lieutenant von Fabrice ist hier eingetroffen und hat seine Funktionen als General Gouverneur der Departements Seine⸗et⸗Oise, Oise, Somme, Seine⸗Inférieure, Loiret und Eure⸗et⸗Loir angetreten.

Dem bayerischen Kriegs Ministerium ist folgende telegraphische Nachricht aus Versailles vom 10. d. zuge⸗ gangen: Am 8. d. schlug Oberst Dannenberg bei Montbard einen Angriff der Garibaldi'schen Freischaaren zurück. Am 9. d. M. stieß General von Werder bei seinem Vor—⸗ marsch auf Villersezel auf die Flanke des 20. französischen Corps und nahm den Ort, wobei 2 Stabsoffiziere, 14 Offiziere, über 500 Mann in unsere Hände fielen. Alle Angriffe des hierauf sich entwickelnden Gegners, bei dem auch das 18 Corps eingriff, wurden mit diesseitigen geringen Verlusten in der Linie Villersexel, Moimay und Marat abgewiesen. Die Truppen Chanzy's wichen am 9. d. an allen Punkten vor unseren vordringenden Kolonnen auf Le Mans zurück, der Abschnitt von Ardenay ist von unseren Töten überschritten. Die Anzahl der Gefange— nen, welche bis jetzt in unsere Hände gefallen sind, beträgt über 1000.

Französischerseits sind vom Kriegsschauplatz folgende Nachrichten eingegangen:

Die Vertheidigungs armee von Paris beträgt nach einer Korrespondenznachricht des »Daily Telegraph« Alles in Allem 525,000 Mann und wird in drei Armeen getheilt.

L. Armee. General Thomas. 300009 Mann,; Nationalgar—⸗ den und Nationalgarden sédentaire. Ein Theil der ersteren, in neuformirten Regimentern zusammengestellt, ist auch für den Gebrauch im freien Felde bestimmt, hat aber nur 5 Bat—⸗ terien und keine Kavallerie; die Garde sédeéntairè besetzt die Posten in der Stadt und die Wälle der Stadt⸗-Enceinte; die städtische Garde versieht den Polizeidienst Die Bekleidung ist dem Belieben überlassen, als Uniformabzeichen sind jedoch ein Käppi mit rother Kokarde, blaue Pantalons mit rothen Streifen vorgeschrieben.

Il. Armee. G. Ducrot. 150,000 M. reguläre Truppen und Mobilgarden mit 8 Feld⸗ und Mitrailleusen-Batterjen, sowie mit 2 Kavallerie⸗Regimentern. Sie soll durch Verstär⸗ kungen, muthmaßlich durch die bei der J. Armee ausgesonderten Kriegsbataillone, auf 200,000 Mann gebracht werden, kampirt außerhalb der Stadt und betritt diese nicht. Die II. Armee besteht aus drei Armee⸗Corps, von denen die beiden ersteren je 3, das letztere 2 Divisionen haben. .

III. Armee. G. de Vinoy, für die Besetzung der Forts bestimmt, ist 70,000 Mann stark, und aus den Depot-⸗Bataillo⸗ nen der früheren Kaiserlichen Garde (welche in die Garde⸗Ma—⸗ rine eingereiht sind und ihre früheren Galons verloren haben), einigen Linien ⸗Bataillonen, den früheren Stadt-Serganten, Gensd' armen ꝛc. zusammengesetzt. Die III. Armee zerfällt in 7 Divisionen, von denen jedoch die 2. Division unter dem Vize— Admiral de la Ronciére aus dem Verbande dieses Corps in—⸗ zwischen ausgetreten und selbständig geworden ist. Diese Di⸗ vision bildet die Besatzung von St. Denis und wird auch zu Ausfällen benutzt, wie dies bei dem letzten Ausfall gegen Le Bourget am 21. v. M. der Fall gewesen ist.

Brüssel, 10. Januar. (W. T. B.)

Nach dem »Journal de Lille« war in Verneuil eine Ab— theilung preußischer Truppen angekommen. In der Umgegend von Abbeville haben sich preußische Truppen gezeigt.

Eingetroffenen Nachrichten zufolge sollen die Preußen be⸗ absichtigen, Givet zu belagern. Preußische Plänkler haben sich bereits in Vireux gezeigt. Wie von Longwy gemeldet wird, . ö. preußische Belagerungsartillerie vor dem Platze ein⸗ getroffen.

Nach in London eingegangenen Berichten aus Havre fand am 10. Januar ein Voꝛrpostengefecht in der Gegend von Saint Romain statt. General Loysel ist zum Ober⸗Befehls— haber der bei Havre operirenden Armee ernannt worden.

Die südfranzösischen Blätter enthalten folgende ihnen aus Mailand zugegangene Mittheilung:

Es geschah aus Haß gegen den General Garibaldi, daß einige ein

flußreiche Perfonen energifch gehandelt haben, um von der Regierung

der nationalen Vertheidizung für den Obersten Frappoli die Mission und Mittel zu erhalten, ein Corps italienischer Freiwilligen zu bilden. Die italienischen Freiwilligen, welche in Frankreich ankommen, wer den in den lyoner und anderen Depots zurückgehalten, um fast mit Gewalt in das Corps Frappoli's eingereiht zu werden. Außerdem durchziehen die Agenten des letzteren unsere (die italienischen) Städte, um die Garibaldianer zu verleumden und in Mißkredit zu bringen. Wir halten es für unsere Pflicht, unsere italienischen Bruder ⸗Gesell⸗ schaften zu benachrichtigen, damit sie die Handlungsweise Derer ken⸗ nen lernen, welche aus blindem Ehrgeiz und um von der italienischen

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Regierung selbst unterstützt zu werden, in Frankreich den Garibaldia—

nischen Namen beflecken.

Wie der »Indépendance, aus Lyon vom 7. gemeldet wird, operiren Bourbaki, Bressolles und Garibaldi gemeinsam an der Sarne und in den Vogesen gegen General Werder. Nachrichten aus Lille vom 9. zufolge nehmen die Deutschen unter General Manteuffel eine konzentrirte Stellung zwischen Bapaume und Cambrai ein und haben die Ortschaften Hrain⸗ court, Havrincourt, Bertincourt besetzt. General Faidherbe stützt seinen rechten Flügel auf Adinfert, seinen linken auf Moyenneville.

Genf, 10 Januar. (W. T. B.) Französische Privat⸗ depeschen aus Lyon melden, daß am 9. d. in der Gegend zwischen Rougemont und Villersezel ein Zusammenstoß zwischen französischen Truppen unter General de Marche und den Deuischen erfolgt ist. Bestimmtere Nachrichten über den Aus⸗ gang liegen noch nicht vor.

Die »Tuxriner Zeitung« veröffentlicht einen Brief aus

Epinay vom 28. Dezember, geschrieben von einem Garibal⸗ dianer. In demselben heißt es: „H Die offiziellen Zeitungen und Depeschen der Regierung sind be— ständig bestrebt, den Geist des Widerstandes zu preisen, der die Fran— zosen beseelt. Wäre es nur wahr! Die Massen sind müde eines Krieges, der schon über fünf Monate dauert, und diese Bevölkerung wäre zufrieden mit jedem Vertrage, der nur den Frieden brächte. Viel- leicht ist man in den großen Centrum noch nicht so kläglich tief ge— sunken, aber ich spreche als Augenzeuge, und was ich sehe, schlägt mich nieder. Gewiß war nach Sedan eine revolutionäre Fiber in Be— wegung, die bis jetzt einen ziemlich energischen Widerstand möglich machte; aber es täuschen sich im Jalande and im Auslande alle die, welche glauben, daß solche Ueberanstrengungen lange hinhalten können; es ist die Abspannung, welche jetzt die Ueberhand hat, und nur zu sehr ist das allgemeine Elend der Verbündete derselben. Die Familien und Gemeinden sind von Requisitionen unterdrückt, sei es von preußi⸗ schen oder französischen oder von beiden zusammen. Für die ersten Lebensbedürfnisse muß man ein Auge aus seinem Kopfe hergeben. Es ist die soziale Frage, die mit großen Schrit en heranrückt; die Frauen klagen und wirken auf die Stimmung der Männer ein. Oh, mon Dieu! Que ga finisse vite, d'une manisre ou de l'autre! Das ist der Refrain, den ihr von allen Seiten hört, und es hieße Wasser ins Sieb schütten, wollte man von der Nothwendig— keit predigen, die Fremden um jeden Preis zu vertreiben. Wenn der Krieg noch etwas länger dauert, wenn die letzten Hülfsmittel des Landes erschöpft werden, so werdet ihr sehen, daß im März und April 1871 noch ganz andere Leiden über das Land kommen“

Im Königlichen Schauspielhause ging gestern Abend ein neues fünfaktiges »vaterländisches« Lustspiel Earl Gutz kows, des Dichters von »Zopf und Schwerdta: Der Gefangene von Metz zum ersten Male in Scene. Die Handlung spielt auf dem Wittwensitze der Herzogin Elisabeth, Tochter des Kurfürsten Joachim J. von Brandenburg, ver— wittwete Gräfin von Henneberg und Herzogin-Wittwe von Braunschweig⸗Hannover, auf der Veste Kahlenburg, zwischen Hannover und Göttingen. Die Gestalten dieser energischen, deutsch gesinnten Fürstin und ihres Vetters, des kriege— rischen Albrecht Aleibiades, Markgrafen von Brandenburg⸗ Culmbach, treten in plastischer Schärfe hervor und in kräftigem Gegensatz zu dem leichtfertigen Herzog von Aumale, den Albrecht Alcibiades mit glücklichem Handstreich in der Schlacht vor Metz 1553 zum Gefangenen gemacht und den er seiner Muhme Elisabeth auf der Kahlenburg im Ge— wahrsam hinterläßt, bis das Lösegeld von Frankreich einge⸗ troffen ist. Das sehr zahlreich versammelte Publikum nahm die sich unwillkürlich aus dem Stücke ergebenden Beziehungen auf die Gegenwart mit Spannung und lebhafter Theilnahme auf.

Sachsen. Dresden, 10. Januar. Das »Dresd. Journ.“ schreibt: »Das Wiener »Fremdenblatt« vom 9. Januar enthält

Folgendes:

»Ein Telegramm des »Pest Ll« erwähnt eines in Dresden ver⸗ breiteten Gerüchtes, wonach zwischen dem Kronprinzen von Sachsen und dem König von Preußen heftige Differenzen stattgefunden hätten. Anlaß soll die stetige Exponirung der Sachsen und das ihnen be⸗ wiesene, his zur förmlichen Bewachung gehende Mißtrauen gegeben haben. Der Kronprinz hätte dem Könige seinen Degen vor die Füße geworfen und wäre verhaftet worden. König Johann wäre, um zu Gunsten seines Sohnes zu interveniren, heimlich nach Versailles ge—⸗ reist. Thatsache ist, daß der König seit mehreren Tagen unsichtbar ist, und daß kein Neujahrsempfang stattgefunden hat« .

Sollten derartige Gerüchte hier in Dresden wirklich in Umlauf gewesen sein, so würde glücklicher Weise die Böswil—⸗ ligkeit ihrer Erfindung durch ihre Unsinnigkeit übertroffen wer⸗ den, so daß sie Niemand geglaubt haben kann, der noch einigen Anspruch auf vernünftige Ueberlegung zu machen im Stande ist. Auf Erfindung allein mußten aber solche Gerüchte, wenn sie überhaupt eristirt haben, beruhen, da auch nicht einmal

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