1871 / 27 p. 2 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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»Die Glückwünsche, welche Mir der Magistrat von Berlin zum neuen Jahre darbringt, nehme Ich mit herzlichem Danke entgegen. Wir stehen noch mitten in einer ernsten Zeit, die unsere ganze Kraft in Anspruch nimmt, und wissen nicht, was die nächste Zukunft birgt. Nur das wissen wir, daß uns Alle Ein Gedanke beseelt der Ge⸗ danke an das theure Vaterland, für das wir jedes Opfer freudig tra— gen. Möge das eben begonnene Jahr uns bald den heißersehnten ehrenvollen Frieden bringen und auch für die Stadt segensreich sein, deren Bewohner in ihrer Opferwilligkeit und Hülfsbereitschaft jetzt wie immer das schönste Vorbild liefern. In ihrer Mitte zu wirken ist für Mich nicht nur Pflicht, sondern Ehre und wahre Freude.

Gott helfe weiter!

Berlin, den 2. Januar 1871. Au gu ta. An den Magistrat der Haupt- und Residenzstadt Berlin. «

»Indem Ich dem Magistrat von Berlin für die aus Veranlassung des Jahreswechsels Mir dargebrachten treugemeinten Glückwünsche, unter bester Erwiderung derselben, Meinen freundlichsten Dank aus⸗ spreche, nehme Ich hierbei gern Veranlassung, den Magistrat und die ganze Einwohnerschaft von Berlin der unveränderten Fortdauer Meines besonderen Interesses an dem Gedeihen und Wohlergehen der Stadt von Neuem zu versichern.

Charlottenburg, den 7. Januar 1871.

Elisabeth. An den Magistrat zu Berlin.«

»Ich danke dem Magisirate von Berlin für die guten Wünsche, welche Mir derselbe beim Eintritt in das neue Jahr in alter, Meinem Herzen lieb gewordener Weise dargebracht hat. Möge schon die nächste Zukunft die Hoffnung erfüllen, welche Aller Herzen bei diesem Jahres wechsel gleich lebhaft bewegt die Hoffnung auf einen glücklichen / dauernden, den großen Opfern unseres Volkes entsprechenden Frieden!

Berlin, den 2. Januar 1871.

An den Magistrat zu Berlin.«

Die Notifikationsschreiben Sr. Majestät des Kai⸗ sers und Königs wegen der Kaiserproklamirung an die Senate der freien und Hansestädte Bremen, Hamburg und Lübeck sind gleichlautend abgefaßt. Der Senat von Hamburg

Victoria, Kronprinzessin.

verkündete das Allerhöchste Schreiben durch folgende Prokla—

mation:

»Wir begrüßen mit Freude und Ehrfurcht die frohe Kunde, daß das neue Reich, zu welchem jetzt endlich die Stämme Deutschlands geeinigt sind, durch, die Wiederherstellung der Deutschen Kaiserwürde in der Hand des mächtigsten seiner Fürsten, seinen Abschluß und seine Weihe erhalten hat. ö

Wie das gesammte Vaterland in dem Glanz des Kaiserlichen Namens den der Ruhm neuer glorreicher Siege erhöht, Erinnerungen einer großen Vergangenheit und die Bürgschaft einer schönen Zukunft sieht, so empfängt auch unsere freje Stadt, eingedenk der Wohlthaten, die sie den Deutschen Kaisern entschwundener Jahrhunderte verdankt, mit freudiger Hoffnung die Zusicherungen des Kaiserlichen Schreibens, welches allen Deutschen den Schutz ihrer Rechte und die Segnungen des Friedens nach außen und im Innern verheißt. Der Senat hält sich überzeugt, daß seine Mitbürger, von denselben Gefühlen der Freude und des Dankes durchdrungen, mit ihm einstimmen werden in den Wunsch, daß Heil und Segen für immer mit dem Kaiser und dem Reiche sein mögen.

Gegeben in der Versammlung des Senats, Hamburg, den 22. Januar 1871.

Unmittelbar nach geschehener Veröffentlichung dieser Proklamation wurden die öffentlichen Gebäude in Hamburg geflaggt und 101 Kanonenschüsse abgegeben.

Auch in Lübeck wurde, wie in Hamburg und Bremen,

am Sonntag Mittag mit den Glocken der städtischen Haupt⸗ kirchen geläutet.

Dem Rundschreiben Jules Favres an die Ver—

treter Frankreichs im Auslande vom 12. Januar d. J., welches

ch auf seine beabsichtigte Betheiligung an der londoner Kon⸗

erenz bezieht, (5. den Wortlaut desselben weiter unten) schließt

sich der folgende Schriftwechsel an; . . . Paris, den 13. Januar 1871.

An Se. Excellenz den Herrn Grafen von Bismarck 2c. in Versailles.

Herr Graf! .

Lord Granville benachrichtigt mich durch seine Depesche vom

X29. Dezember v. J, welche ich am 10. Januar Abends erhielt, daß

Ew. Excellenz auf das Erfuchen des englischen Kabinets einen Geleit=

schein zu meiner Verfügung halten, welcher für den Bevollmächtigten rankreichs zu der Londoner Konferenz nothwendig ist, um die preu⸗ ischen Linien passiren zu können. Da ich in dieser Eigenschaft de— mirt bin, beehre ich mich von Ew. Excellenz die Zusendung diefes

Geleitscheins in meinem Namen in der möglichst kürzesten Frist zu

retlamirtn. Genehmigen Ew. 2c. Jules Favre.

Bersailles, den 16. Januar 1871.

An Se. Excellenz, Herrn Jules Favre, Minister der aus- wärtigen Angelegenheiten des Gouvernements der natio⸗ nalen Vertheidigung in Paris.

Herr Minister!

Ew. Excellenz bitte ich, in Erwiderung auf die gefälligen beiden Schreiben vom 13. d. M., mir zunächst die Beseitigung eines Mißverständnisses zu gestatten.

Ew. Excellenz nehmen an, daß auf den Antrag der König⸗ lich großbritannischen Regierung ein Geleitschein für Sie bei mir bereit liege, zum Zweck Ihrer Theilnahme an der londoner Konferenz.

Diese Annahme ist indessen nicht zutreffend.

Ich würde auf eine amtliche Verhandlung nicht haben ein gehen können, welcher die Voraussetzung zum Grunde läge, daß die Regierung der nationalen Vertheidigung völkerrechtlich in der Lage sei, im Namen Frankreichs zu handeln, so lange sie nicht mindestens von der französischen Nation selbst an⸗ erkannt ist.

Ich vermuthe, daß die Befehlshaber unserer Vorposten Ew. 2c. die Ermächtigung zum Passiren durch die deutschen Linien ertheilt haben würden, wenn Ew. ꝛc. dieselbe bei dem Kommando des Belagerungsheeres nachgesucht hätten. Letzteres würde nicht den Beruf gehabt haben, Ew. ꝛc. politische Stellung und den Zweck Ihrer Reise in Berücksichtigung zu ziehen, und die von den militärischen Führern gewährte Ermächtigung, unsere Linie zu passiren, welche von ihrem Standpunkte kein Bedenken gefunden, würde dem Botschafter Sr. Majestät des Königs in London freie Hand gelassen haben, um in Betreff der Frage, ob nach dem Völkerrecht Ew. 24. Erklärungen als Erklärungen Frankreichs anzusehen wären, seine Stellung zu nehmen, und seinerseits Formen zu finden, welche jedes Präjudiz verhütet hätten. =

Diesen Weg haben Ew. ꝛ2c. mir durch Ihr an mich unter

amtlicher Angabe des Zweckes Ihrer Reise gerichtetes amtliches

Gesuch um einen Geleitschein behufs der Vertretung Frankreichs auf der Konferenz durch Ew. ꝛc. abgeschnitten. Die oben an⸗ gegebenen politischen Erwägungen, zu deren Unterstützung. ich mich auf die Erklärung beziehe, welche Ew. ꝛc. am 12. d. M. amtlich veröffentlicht haben, verbieten mir, Ihrem Wunsche um Uebersendung eines solchen Dokumentes zu entsprechen.

Indem ich Ihnen dies mittheile, kann ich Ihnen nur über lassen, für Sich und Ihre Regierung zu erwägen, ob sich ein anderer Weg finden läßt, auf welchem die angeführten Be⸗ denken beseitigt und jedes aus Ihrer Anwesenheit in London fließende Präjudiz vermieden werden kann.

Aber auch wenn ein solcher Weg gefunden werden sollte, erlaube ich mir doch die Frage, ob es rathsam ist, daß Ew. ꝛc. Paris und Ihren Posten als Mitglied der dortigen Regierung jetzt verlassen, um persönlich an einer Konferenz über das Schwarze Meer Theil zu nehmen, in einem Augenblick, wo in Paris Interessen auf dem Spiele stehen, welche für Frankreich und Deutschland wichtiger sind, als der Artikel XI. des Ver⸗ trages von 1856. Auch würden Ew. 2c. in Paris die diplo⸗ matischen Agenten und die Angehörigen der neutralen Staaten zurücklassen, welche dort geblieben oder vielmehr zurückgehalten worden sind, nachdem sie längst die Erlaubniß zum Passiren der deutschen Linien erhalten hatten, und welche daher um so mehr auf den Schutz und die Fürsorge Ew. ꝛc. als des Ministers der faktischen Regierung für die auswärtigen Angelegenheiten angewiesen sind. .

Ich kann daher kaum annehmen, daß Ew. c. in der kri⸗ tischen Lage, an deren Herbeiführung Sie einen so wesentlichen Antheil hatten, Sich der Möglichkeit werden berauben wollen, *. 2 . mitzuwirken, wofür die Verantwortlichkeit auch

ie trifft.

Genehmigen Sie, Herr Minister, den Ausdruck der aus⸗ gezeichnetsten Hochachtung, mit der ich die Ehre habe, mich zu nennen Ew. ꝛc. v. Bismarck.

Das vorerwähnte Rundschreiben Jules Favres an die Vertreter Frankreichs im Auslande vom 12. Dezember v. J.

lautet: Paris, 12. Januar 1871.

Mein Herr! Die Regierung hat es bis jetzt für ihre Pflicht ge— halten, große Zurückhaltung betreffs der Veränderung der Vertrage von 186 zu beobachten. Daß eine solche Veränderung, wenn ste nothwendig ist, ausschließlich den Mächten, Unterzeichnern dieser Ver= träge angehört, ist eine so augenscheinliche Wahrheit, daß es unnütz ist, bei derselben zu verweilen. Sie konnte nicht in Zweifel gezogen werden. Sobald eine der Mächte die Aenderung der Konventionen verlangie, welche alle Unterzeichner gleichmäßig eipflichteten, wurde deshalb die Idee betreffs einer Kunferenz, in wescher die Frage disku— tirt werde, ohne Schwierigkeit angenommen. Der Plaß Frankreichs ist in derselben bezeichnet. Aber konnte es daran denken, ihn anzu⸗

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nehmen, wenn es von der Vertheidigung seines Territoriums gänzlich in Anspruch genommen war? So ist die Frage, welche die Regierung ö. den Umständen, an die ich summarisch erinnern will, zu prüfen atte.

Es war eine Depesche, datirt aus Tours vom 11. November eingetroffen in Paris am 17, durch welche der Minister der äußeren Angelegenheiten von Herrn von Chaudordy von dem Cirkular des Fürsten Gortschakoff Kenntniß erhielt. Diese Nachricht war ihm durch folgendes Telegramm unseres Ministers in Wien zugegangen: »Der russische Minister hat gestern eine Mittheilung gemacht, Jus welcher hervorgeht, daß seine Regierung sich durch die Stipulationen der Ver— träge von 1856 für nicht mehr gebunden erachtet. Am nämlichen Tage, 17. Nevember, antwortete der Minister des Aeußern Herrn Chaudordy und empfahl diesem die strengste Zurückhaltung. Wir hatten noch keine offizielle Mittheilung und wir mußten uns auf die Rolle des Beobachters beschränken, ohne jedoch zu versäumen, bei jeder Gelegenheit unser förmliches Recht aufrecht zu erhalten, zu einem Be— schluß hinzugezogen zu werden, der ohne unsere Betheiligung absolut ohne allen Werth sein würde. ;

Europa konnte dieses nicht anders auffassen und in den Unter— redungen und Noten zwischen den verschiedenen Mächten und uns galt es immmer für selbstperständlich, daß Frankreich nothwendiger Weise an der Berathung Theil nehmen und zu derselben berufen werden müsse.

Ich würde es für eine nicht zu entschuldigende Indiskretion halten, wenn ich heut die Einzelheiten dieser Unterredungen enthüllen würde. Unsere Bemühung war, aus den wohlwollenden Dispo— , die man uns bewies, Nutzen zu ziehen und die Repräsen— tanten der Mächte dahin zu führen, anzuerkennen, daß, ohne in Etwas das Interesse ersten Ranges aufzugeben oder zu verringern, welches für uns mit der Diskussion der Verträge von 1856 entstebt, wir bei unserem Eintritt in die Konferenz die Pflicht hätten, in derselben eine Debatte von einer ganz anderen Bedeutung

einzuführen, Vetreffs derer man uns kein »sin de non re-

cevoir« entgegenstellen könne. Indeß muß man sagen, daß die Delegation von Tours, indem sie diese Ansicht vollständig theilte, immer glaubte, daß wir die Einladung Europas, wenn sie an uns gerichtet würde, annehmen müßten. Diese Meinung zusammenfassend, schrieb Herr von Chaudordy in seiner Depesche vom 10. Dezember: »Die Delegation ist, nachdem sie mit mir alle Depeschen geprüft hat, der Ansicht, daß wir auf die Konferenz gehen müssen, selbst wenn wir vorher weder ein Versprechen, noch einen Waffenstillstand erkangt haben.“ Die Meinung der Mitglieder der Delegation hat sich übri— gens nie geändert. Herr Gambetta drückt sie noch auf so kräftige Weise in seiner letzten Depesche vom 31. Dezember aus. Sich an den Minister des Arußern richtend, sagt er: »Sie müssen auf dem Vunkte stehen, Paris zu verlassen, um sich zur Lond ner Konferenz zu begeben, wenn, wie man behauptet, es England gelungen ist, einen Gelelischein zu erhalten. Ich stelle mir die Qualen vor, welche Sie empfinden müssen, Paris zu verlassen. Ich höre hier den Ausdruck Ihrer Schmerzen und Ihrer ersten Weigerungen, und doch muß ich im Interesse unserer Sache Ihnen sagen, daß es geschehen muß.«

Ehe Hr. Gambetta diese Zeilen geschrieben, hatte der Minister des Acußern, die in Tours begonnenen und seitdem in Bordeaux fort- gesetzten Unterhandlungen verfolgend, so viel es die Unvollständigkeit und die Verzögerungen der Kommunikationen gestatteten, dem Hrn. de Chaudordy bekannt gemacht, daß die Regierung beschlossen habe, daß Frankreich, wenn man es auf regelmäßige Weise berufe, sich in der Londoner Konferenz, jedoch unter der Bedingung, vertreten lassen werde, daß England, welches die mündliche Einladung gemacht, sich damit befassen werde, seinem Repräsentanten, wenn er in Paris ge⸗ wählt würde, den nothwendigen Geleitschein zu verschaffen.

Diese Anordnung wurde von dem englischen Kabinet angenom men. Herr v. Chaudordy sttzte den Minister des Aeußern durch eine Depesche, Bordeaux, 26. Dezember 1870, die den 8. Januar eintraf, davon in Kenntniß. Er unterrichtete ihn zugleich, daß die Delegation der Regierung ihn dazu bestimmt habe, Frankreich in der Konferenz zu vertreten. Diese Mittheilung wurde durch folgendes Schreiben be⸗ stätigt, welches Lord Granville am 29. Dezember schrieb und welches durch die Vermittlung des Ministers der Vereinigten Staaten am 10. d. M ühergeben wurde

»Lord Granville an Se. Excellenz den Minister des Aeußern

in Paris. . London, 29. Dezember.

Herr Minister! Herr Chaudordy hat Lord Lyons benachrichtigt, daß Ew. Exc in Vorschlag gebracht worden ist, um Frankreich in der Konferenz zu repräsentiren, und er hat zugleich von mir verlangt, einen Geleitschein zu besorgen, welchen Ew. Exe gestatten werde, die preußischen 6 . durchschreiten. Ich bat sofort den Grafen von Bernstorff, diesen Geleitschein zu verlangen und Ihnen denselben durch einen als Parlamentär abzusendenden deutschen Offizier zustellen zu lassen. Herr v. Bernstorff ließ mich gestern wissen, daß ein Geleit⸗ schein zur Verfügung Ew. Exc. gestellt werde, sobald er durch einen von Paris nach dem deutschen Hauptquartier abgehenden Offizier verlangt werden würde. Er fügte hinzu, daß er von keinem deutschen Offizier ge—= bracht werden könne, fo lange dem Offizier, Träger der Parlamentär- fahne, auf welchen die Franzosen geschossen, keine Genugthuung gegeben worden sei. Ich bin von Herrn Tissot in Kenntaniß gesttzt worden, daß viele Zeit vergehen werde, ehe diese Mittheilung Ihnen von der Delegation in Bordeaux übersandt werden könne, und ich habe des halb dem Grafen Bernstorff ein anderes Mittel angerathen, sie Ihnen zukommen zu lassen und die Gelegenheit zu b nutzen, welche mir vom Geschäftsträger der Vereinigten Staaten angeboten wurde, um Sie von dem Vorgefallenen in Kenntniß zu setzen. Ich hoffe, daß Ew. Excellenz mir gestatten wird, diese Gelegenheit zu ergreifen, um der- selben meine Befriedigung, zu Ihnen in persönliche Beziehung zu tre—

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ten, und das Vergnügen auszudrücken, welches ich empfinden werde, .

Sie in London zu sehen. Ich habe die Ehre ze. Lord Granville.“

Durch diese Depesche direkt aufgefordert, konnte die Regierung, ohne dem Rechte Frankreichs zu entsagen, die Einladung nicht zu— rückweisen, die sie in seinem Namen erhielt. Ohne Zweif⸗l kann man erwiedern, daß die Stunde zu einer Diskusston über die Neu⸗ tralisation des Schwarzen Meeres für Frankreich nicht glücklich ge—⸗ wahlt ist. Aber gerade dadurch, daß in diesem höchsten Augenblicke, wo es allein für seine Ehre und Existenz kämpft, der offizielle Schritt der europäischen Mächte bei der französischen Neyublik ge— macht wird, erhält er einen ausnahmsweisen Ernst. Er ist ein verspäteter Anfang der Gerechtigkeit, eine Verpflichtung, von der man sich nicht mehr lossagen kann. Er heiligt mit der Autorität des Völkerrechts den Regierungswechsel und läst auf der Scene, auf welcher es sich um die Geschicke der Welt handelt, die ungeachtet ihrer Wunden freie Nation erscheinen Angesichts des Oberhauptes, das sie zu ihrem Ruin geführt, oder der Prätendenten, welche über sie verfügen wollen. Wer fühlt übrigens nicht, daß Frankreich, zu den Repräsentanten Europas zugelassen, das unbhestreitbare Recht erhält, vor ihnen seine Stimme zu erheben? Wer wird es aufhal— ten können, wenn es, sich auf die ewigen Regeln der Gerechtigkeit stützend, die Prinzipien vertheidigen wird, welche seine Unabhängigkeit

und seine Würde sicherstellen-; Es wird keines derselben aufeben; gut. Unse. Programm hat sich nicht geändert, und Europa, welches denjenigen einladet, der es aufgestellt, weiß sehr wohl, daß er den Willen und die Pflicht hat, es aufrecht zu erhalten. Man durfte daher nicht zaudern, und die Regierung hätte einen schweren Fehler begangen, wenn sie die ihr gemachte Eröffnung zurück- gewiesen hätte.

Indem sie dies aber anerkannte, dachte sie wie ich, daß der Minister des Auswärtigen, wenn es sich nicht um höhere Interessen handle, Paris inmitten des Bombardementz nicht verlassen könne, welches der Feind auf die Stadt richtet. Es sind 8 Tage, daß der Oberkommandant der preußischen Armee plötzlich, ohne die Waffen⸗ losen und Neutralen zu benachrichtigen, unsere Gebäude mit seinen Wurfgeschossen bedeckt. Es scheint, daß er unsere Hospizen, unsere Schulen, unsere Tempel und Ambulanzen mit Vorliebe gewählt hat. Die Frauen werden in ihren Betten getödtet, die Kinder in den Armen ihrer Mütter, wie unter den Augen ihrer Lehrer; gestern begleiteten wir zu ihrer letzten Ruhestätte fünf kleine Särge junger Zöglinge, nieder- geschmettert unter dem Gewicht einer Bombe von 180 Pfund. Die Kirche, wo ihre sterblichen Ueberbleibsel von dem Priester gesegnet und von den Thränen ihrer Eltern benetzt wurden, legte durch ihre Mauern, die in der Nacht durwlöchert worden waren, Zeugniß von der Wuth der Angreifer ab. Ich weiß nicht, wie lange diese unmenschlichen Hinschlachtungen dauern werden. Für den Angriff nutzlos, sind sie nur ein Akt der Verwüstung und des Mordes, dazu bestimmt, Schrecken zu verbreiten. Unsere brave pariser Bevölkerung fühlt mit der Gefahr ihren Muth steigen. Fest, gereizt, entschlossen, ist sie ent- tüstet und beugt sich nicht. Sie will mehr denn je kämpfen und siegen, und wir wollen es mit ihr. Ih kann nicht daran denken, mich in dieser Krisis von ihr zu ttennen. Vielleicht setzen unsere an Europa gerichteten Protestationen, wie die der in Paris anwesenden Mitglieder des diplomatischen Corps derselben bald ein Ziel. Eng- land wird begreifen, daß bis dahin mein Platz in der Mitte meiner Mitbürger ist. Dies erklärte ich dem Minister der äußeren Ange legenheiten Großbritanniens in der Antwort, die folgt und welche dieses Exposé natürlich schließt.

»Herr Graf! Ich erhalte erst heute, 10. Januar, um 9 Uhr Abends, durch Vermittelung des Ministers der Vereinigten Staaten den Brief, welchen Ew. Excellenz mir am 29. Dezember zu schreiben die Ehre erwies und worin dieselben mir ankündigen, daß Sie den Herrn Grafen von Bernstorff gebeien haben, den Geleitschein zu meiner Ver⸗ fügung zu stellen, dessen ich berarf, um die preußischen Linien zu durchschreiten und als Repräsentant Frankreichs der Konferenz bei⸗ zuwohnen, welche in London eröffnet werden soll. Ich danke Ew. Excellenz für diese Mittheilung und die Güte, mit welcher mir die⸗ selben die Erfüllung der mir auferlegten Pflicht erleichtert haben. Es wird mir jedoch schwierig, mich sofort aus Paris zu entfernen, das seit acht Tagen den Schrecknissen eines Bombardements Preis gegeben ist, welches ohne die im Völkerrechte übliche Ankündigung auf eine waffen lose Bevölkerung gerichtet ist. Ich schreibe mir nicht das Recht zu, meine Mitbürger im Augenblicke zu verlassen, wo sie das Opfer dieser Gewaltthat sind. Uebrigens sind die Verbindungen zwischen Paris und London durch die Schuld des Kommandanten der Belagerungs Armee so langsam und ungewiß, daß ich ungeachtet meines guten Willens auf Ihren Aufruf dem Wortlaute Ihrer Depesche gemäß nicht entsprechen kann. Sie haben mich wissen lassen, daß die Kon— ferenz am 3. Februar zusammentreten und sich dann wahrscheinlich auf eine Woche vertagen wird. Benachrichtigt am 10. Januar, Abends, würde ich nicht zur rechten Zeit von Ihrer Einladung Ge⸗— brauch machen können. Außerdem hat Herr von Bismarck, als er mir dieselbe zukommen ließ, keinen Geleitschein hinzugefügt, der doch unumgänglich nothwendig ist. Er verlangt, daß ein fran⸗ zösischer Offizier sich ins Hauptquartier begiebt, um ihn zu bolen, indem er sich auf eine Reklamation stützt, die er bie Gelegenheit eines Vorfalles, über den sich ein Parlamentär am 253. Dezember zu beklagen gehabt, an den Heirn Gouverneur von Paris gerichtet hatte, und Herr v. Bismarck fügt hinzu, daß, bis Ge—

nugthuung gewährt sei, der preußische Ober⸗Kömmandant jede Mit-

theilung durch Parlamentäre untersagt habe. Ich untersuche nicht, ob ein solcher, den Kriege gesetzen zuwiderlaufender Beschluß nicht die ab- solute Negation der höheren Rechte ist, welche die Nothwendigkeit und die Menschlichkeit immer zu Gunsten der Kriegsführung aufrecht er-