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dort bestnden, mit einbegriffen werden können oder nicht. Mit und ohne diese ist es immerhin ein Grundstück von hinreichender Aus dehnung und hat eine für den monumentalen Zweck sehr günstige Lage. Die Entfernung von den Ministerialgebäuden ist dort freilich ebenso roß, wie von dem Dönhofsplatze. Ebenso groß ist sie bei dem an—⸗ eren Grundstück am Kupfergraben, bestehend aus der Artillerie⸗ Kaserne und verschiedenen anderen fiskalischen Gebäuden, die westlich von der Artillerie Kaserne bis zur Stallstraße sich unter ver⸗ schiedenen Namen befinden. — Es ist dort von der Stallstraße durch⸗ schnitten und von der Spree und Georgenstraße eingefaßt. Ein sehr ausgedehntes Grundstück zwar, dort ist aber die Entlegenheit für den geschäftlichen Verkehr schon so groß, baß ich wenigstens die Frage, ob nicht dann der ganze Bundesrath und das Bundeskanzler ⸗Amt eben falls übertragen werden konnten, wenn dort gebaut würde, doch ernst⸗ lich zur Erwägung stellen möchte. Ein Anderes, was ich übersehen habe, ist noch der Königsplatz, früher bekannt unter dem Namen »der Kroll'sche Platz, von welchem das Raczynskische Haus den öst⸗ lichen Theil einnimmt, und wenn dieses Haus käuflich zu erwerben wäre, so böte sich dort ein wahrscheinlich Allen bekannter größerer Raum dar. Wenn die Regierungen voraussichtlich den Zweck des Antrages vollständig zu dem ihrigen machen und gern bereit sind, jede Hülfe zu einer baldigen ausgedehnten und angemessenen Ver— wirklichung zu leisten, so ist die Frage, die angeregt wird durch die Uebelstände des jetzigen Lokals, naͤmlich die des Provisoriums, eine sehr viel schwerer zu erledigende. Die Gefahr, daß ein zu be⸗ quemes Provisorium sich leicht in ein Definitivum verwandele, davon ist dieses Haus ein Beispiel. Es ist zum großen Theil von Holz gebaut und war, wenn ich nicht irre, auf eine Dauer von sieben Jahren berechnet. Innerhalb dieser sieben Jahre hoffte man damals, ein Sandtagsgebäude hergestellt Fu haben. Diese sieben Jahre sind bereits, glaube ich, um das Dop- . überschritten. Es sieht 21 bis 22 Jahre, und die Klagen dar iber sind in jedem Jahre dieselben gewesen; der gute Wille zur Ab— bülfe war steis vorhanden, aber es hat bisher immer an einer Ver- sßändiaung über den Platz gefeblt. Wie dem Provisorium, dem Be— dürfniß des Interimistitums, abgeholfen werden soll, darüber bin ich außer Stande, Ihnen jetzt Auskunft zu geben, und die Nummer 3 des Abänderungsantrages der Herren v. Bernuth und Genossen setzt mich in der That am meisten in Verlegenheit: Den Herrn Reichs— kanzler zu ersuchen, bis zur Vollendung des Reichstagsgebäudes auf thunlichste Beseitigung der Mängel des gegenwärtigen provisorischen , . Bedacht zu nehmen.“ Ja meine Herren, den Reichs—⸗ anzler zu ersuchen, ist leicht; aber Niemand thut mehr, wie er kann. Die Abänderung so schnell zu bewirken, daß es Ihnen noch in dieser Session zu Gute kommen könnte, das haben wir auf mehreren Wegen versucht, z. B. dadurch, daß man diesem Saale cine — andere Form, will ich nicht sagen, giebt, aber denselben in einer anderen Form benutzt, indem beispielsweise die Präͤsidenten ˖ Tribüne an die schmale Seite des Saales gelegt würde und dann die Sitze von dort aus aufsteigend hergestellt würden, wodurch nicht nur ein besseres Haren, sondern auch ein reichlicher Zuschuß von Plätzen ewonnen würde. Wir haben uns aber überzeugen inüssen, daß die rbeit, welche darauf verwandt werden müßte, doch so viel Zeit er= fordern würde, daß wir Ihnen eine solche Unterbrechung der Sitzungen nicht zumuthen können. Es ist ferner die Frage in Erwägung ge—⸗ ogen — und ich habe noch in diesen letzten beiden Tagen wieder ilechnische Untersuchungen anstellen lassen — ob dem Herrenhaussaal nicht eine großere Ausdehnung zu geben ogg sei — dadurch, daß man dort die Wand, an der der 54 Präsidenten sich befindet, zurückrückt. Es sind nur hölzerne Wände, die sich hinter dem Präßdentensitz befinden, und ich haite gehofft, es würde nur eine Arbeit von wenigen Tagen nöthig sein, wenn man diese Wände fort⸗ nähme, die Konferenzzimmer des Präsidenten und der Minister für diefe Zeit opferte, eine Treppe hoͤber ein unvollkommenes Surrogat dafür fände, um aus diesem Ort der Qual erloösen zu können und dort in behaglichere Räume überzusiedeln; aber selbst diese Arbeit war doch umfangreicher, als daß sie, selbst mit den sehr tüchtigen und schnellen Kräften, über die man hier in Berlin disponiren kann, inner- halb weniger Wochen, wie man mir sagte, ausgeführt werden könnte. Die Ermittelungen haben indeß ergeben, daß im Herrenhause, wenn man jeden Raum zu Ratbe hält, 317 Plätze zu findin sind; es reicht bas zwar nicht, wenn der Reichstag vollzählig ist, es hat sich aber statistisch konstatiren lassen, daß die böchste Zahl der Anwesenden bisher 305 erreichte. Also wenn wir sicher wären, daß das Maß von Theilnahme an den Debatten und von Gesundheit sich nicht wesentlich steigert in der Sitzungszeit, so glaube ich doch, es mit 317 Pläßen versuchen zu können, namentlich da unter Umständen ein Surrogat, wenn es auch an einer der Galerien wärt, momentan gefunden werden könnte, falls man in die Nothwendigkeit dazu käme. Es wird sehr enge mit 317 Plätren. Den Herren sind ja die Räum⸗ lichkeiten dort betannt; man kann aber dort mit Leichtigkeit in den Garten gelangen, die Jahreszeit ist dazu geeignet und man ist nicht genöthigt, anhaltend mehrere Stunden hintereinander hier in den verschiedenen Abstufungen schlechter Atmosphäre, welche die Räume darbieten, auszuharren. Ich möchte deshalb diese Seite der Sache, nämlich das Provisorium und die sofortige Verlegung in wenigen Tagen nochmals der Erwägung des Reichstages empfehlen, ob die Hohe Versammlung geneigt ist, dieses Risiko ihrerseits zu laufen, daß einmal eine Sitzung vorkommen könnte, in welcher einige Stehplätze auf kurze Zeit benutzt werden müßten. Es ist das die Erwägung des einen Uebels gegen das andere, und es kann diese nur von dem Reichstage aus- . denn das Bundeskanzler⸗Amt würde die Verantwortung dieser umuthung auf eigene Hand nicht gein übernehmen. Wie dem auch sel, meine Herren, so kann ich die Bereitwilligkeit der Regierung nach allen Seiten hin aussprechen, schon um sich selbst zu helfen — denn wir leiden ja auf den Pläsen, auf denen wir sitzen, nicht minder wie Sie,
von dem Sug — so rasch und so energisch, wie möglich, dem Uebel abzuhelfen, um in eine bessere Situation, so bald wie möglich, und in eine wirklich gute, später zu gelangen. Ich bin überzeugt, daß die Berathungen des Reichstages fördernd und klärend auf die ferneren Arbeiten einwirken werden, und daß die Wahl der Reichstagswmit—= glieder für eine Kommission gewiß das volle Entgegenkommen im Bundesrathe finden wird, dadurch, daß der Bundesrath seinerseits die Kommißssion vervollständigt und nachher Beschluß darüber faßt, wie sie außerhalb der beiden Reichskörper noch zu vervollständigen sei und Ihnen die betreffenden Beschlüsse zu einer gemeinsamen Verständigung darüber mittheilt.
2 — Nach dem Abgeordneten Frhrn, von Hoverbeck ergriff der Fürst⸗Reichskanzler nochmals das Wort: ch erlaube mir nur, an das Haus die Frage zu richten, ob die 6. die zum Theil ja auch Mitglieder des preußischen Landtages nd, es für indicirt halten würden, daß die Regierung, ohne sich mit dem preußischen Landtag zu benehmen, über ein Grundstück der einen Körperschaft des preußischen Landtages disponirte, ohne diese resp. den ganzen 8andtag zu fragen. Ich würde das kaum auf meine Verantwortung nehmen wollen, und ich weiß nicht, ob die Herren, die hier die Ansprüche des Reiches überwiegend geltend machen, mir auch mit derselben Energie als Landtagsmitglieder zur Seite steben würden, wenn ich darauf einginge. Wenn gesagt ist, ich habe diesen Plan als ein zu dauerndes Previsorium bezeichnet, so habe ich daran nicht gedacht, sondern ich habe zwischen zwei Provisarien entschieden: eines, das mir sehr lieb wäre, wenn es erreich bar sein sollte für die Dauer dieser Sitzung, also nur ein ganz kurzes Interimistitum, ein zweites für die Dauer der Jahre, die vergehen werden, bis das definitive Gebäude hergestellt sein wird, zu dem doch aber immer der Bund ein Grundstück oder doch wenigstens das provisorische Nutzungsrecht eines Grundstücks würde acquiriren müssen, wenn er das in seinem Besitz befindliche nicht zu diesem Provisorium benutzen will. Aber ich bin selbst Mitglied des Herrenhauses und würde mich anheischig machen, dort für Alles, was der Reichstag gut geheißen hat, mein Votum einzulegen; wie aber die Mehrzahl meiner Kollegen sich stellen wird, das weiß ich nicht und muß ich ihnen anheimstellen.
. In der Diskussion über den Antrag des Abg. Harkort, die Entschädigung für das in Praia kondemnirte Schiff »Fer= dinand Rießa betreffend, erklärte der Reichskanzler nach dem Bundes bevollmächtigte:
Ich habe den Auseinandersetzungen des Herrn Kommissars, der so eben gesprochen hat, zur Sache nichts Wesentliches hinzuzufügen. Auch ich kann die Hohe Versammlung nur bitten, den Antrag abzu⸗ lehnen, obschon es mir erwünscht war, daß er gestellt wurde und aß diese Die kussion stattgefunden hat; die portugiesische Regierung un ihre Behörden werden aus dieser Diskussion ersehen, daß die Auf merksamkeit Deutschlands und der deutschen Volksvertretung auf diese Sache gerichtet ist, und an den Entschluß Deutschlands und seiner Regierungen, die Rechte eines jeden Deutschen in fremden Ländern kräftig zu vertreten, wird man auch in Portugal nickt zweifeln.
Ich habe in der Hauptsache nur das Wort ergriffen, um dem Herrn Abgeordneten für Bremen auf die Bemerkung, die er im Allgemeinen üher unsere diplomatische Vertretung machte, in kurzen Worten zu entgegnen, indem ich seinen Vorwürfen gegenüber in der Allgemeinheit, wie sie aufgetreten sind, die achtbaren Beamten, die deuische Interessen jenseits des Meeres — von denen sprach er vorzugsweise — vertreten, wahren muß. Wenn mir Anzeigen von Pflichtwidrigkeiten und von Nachlässigkeiten zugebn, so werde ich mit rascher Entschiedenheit dagegen einschreiten, solche liegen mir nicht vor, ich muß daher die allgemeinen Vorwürfe, die der Herr Abgeordnete für Bremen gegen eine ganze Beamtenklasse gerichtet hat, als unbe⸗ gründet ablehnen; ich muß es aber als eine Pflicht des Herrn Ab⸗ geordneten für Bremen bezeichnen, mir speztelle Mittheilung zu machen über die Fälle, die er auf der Tribüne nicht nennen wollte. * erwarte das von ihm! Dem Herrn Abgeordneten liegt auch ein Theil der Verantwortlichkeit dafür ob, daß unsere Geschäfte im Auslande gut gehen, und, was er kann, muß der Herr Abgeord⸗ nete meines Erachtens dazu beitragen. Sind also zur Kenntniß des Herrn Abgeordneten für Bremen, was nach der Handelsverbindung seiner Heimath ja leicht möglich ist, Spezialitäten gekommen, die dem auswärtigen Amte unbekannt sind, und die ein Verschulden oder eine Nachlässigkeit eines unserer Vertreter bekunden würden, so halte ich es für eine Pflicht des Herrn Abgeordneten, mir davon Mittheilung zu machen, und ich fordere ihn auf, diese seine Pflicht zu erfüllen.
— Ueber den Antrag des Abg. Schulz, die Reisekosten und Diäten für Reichstagsabgeordnete betreffend, äußerte sich der Fürst ⸗Reichskanzler nach dem Abg. Dr. Völk:
Der Herr Antragsteller hat daran erinnert, daß ich bei einer frü⸗ heren Erörterung dieser Sache gesagt hätte, wenn das deutsche Par⸗ lament sich der Sache bemächtige und bliebe dabei, so würde der Widerstand schwierig sein. Ich weiß nicht, ob ich das gesagt habe; da es der Herr Antragseller so angiebt, so wird es wohl richtig sein, und ich kann dann nur sagen, daß ich damals eine anz richtige Voraussicht bekundet hatte. Es wird schwierig ein, aber wir sind nicht in der Lage, daß wir vor den Schwie⸗— rigkeiten unserer Aufgaben zurückschrecken dürften, und ich
laube, es wird auf der andern Seite eben so schwierig sein, diese
erfassungsänderung, jetzt, in diesem Stadium namentlich, und ich
hoffe auch überhaupt, durch den Bundesrath zu bringen. Ich hörte heut zum ersten Male, daß von mehreren Seiten und ge—⸗ rade von den lebhastesten eritetern derselben behauptet wird, daß die 13. an und für sich gar nicht so bedeutend wäre, daß sie in ihrer Wichtigkeit erheblich üͤherschäzt werde; dann aber weiß sch
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nicht, warum Sie in jedem Jahre mit einem Eifer, der nach meinem Urtheil einer besseren Sache würdig wäre, darauf zurück kommen und sie jedes Jahr grundsätzlich wieder auf die Tagesordnung stellen, auch dann, wenn wir nach der ganzen Haltung und Temperatur des Hau⸗ ses glaubten voraussetzen zu dürfen, daß Sie den Moment für einseitige Verfaffungtszänderungen nicht für gekommen hielten sondern der Ver. faffung Zeit lassen wollten, sich festjuwurzeln. Welche Einwirkung die Bewilligung oder Nichibewilligung von Diäten auf die Zusam⸗ mensetzung dieses Hauses haben würde, meine Herren das ist eine, ich will nicht sagen Glaubenssache, aber eine Schätzungs ache, eine Vertrauensfache. — Ich will das mit voller Sicherheit nicht entscheiden, daß, wenn Diäten gegeben würden, diese Ver⸗ sammlung sehr viel anders zusammengesetzt sein würde, aber wenn es doch der Fall wäre, — es würde mir zu schmerzlich sein, als daß ich auch nur den Versuch wagen sollte; es würde schwer wie der gut zu machen sein, man würde sich vergeblich nach der früheren, durch Gewohnheit und ihre Verdienste liebgewonnenen Versammlung zurücksehnen; ich wage den Versuch nicht. — Aber ich habe so eben in der Hoffnung, das Wort zu finden, welches der Herr Antragsteller von mir anführte, in den früheren Verhandlungen nachgeschlagen, habe da aber aus meinen Aeußerungen ersehen, daß ich mich weniger davor gefürchtet habe, daß die Zusammensetzung der Versammlung eine weniger zuverlässige für Staatszwecke und für Innehaltung des- jenigen Maßes im Forischreiten; welches die Regierungen glau⸗ en festhalten zu sollen, sein würde, sondern daß ich hauptsãächlich die nüßliche Wirlung auf kurze Parlamente darin zu erblicken geglaubt habe. Dieser Gesichtspunkt ist, so viel ich mich erinnere, heute gar nicht hervorgehoben und doch ist er ein ganz außerordent. lich wesentlicher. Wenn die Volksvertretungen wirklich ein lebendiges Bild der Bevölkerung zu geben fortfahren sollen, so müssen wir noth⸗= wendig kurze Parlamentssitzungen haben, sonst können alle diejenigen Leute, die noch etwas Anderes in der Welt zu thun haben — und Gott sei Bank sind wir Deutsche derart, daß Jeder so ziemlich seinen Beruf hat, dem er sich nicht zu lange entfremdet — ich sage, sonst können biefe Leute sich nicht bereitwillig und mit voller Hingabe dazu her bei⸗ laffen, als Wahlkandidaten aufzutreten. Nur turze arlamente machen es möglich, daß alle Berufskreise, und gerade die Tüchtigsten und Treuesten in ihrem bürgerlichen Beruf, sich die Zeit abmüßigen fönnen, daß sie dem Vaterlande auch hier an dieser Stelle ihre Dienste weihen. Nun ist das, meine herren, eine Erfahrungs ache, daß diäten jofe Sitzungen immer kürzer sind, als diejenigen, bei denen Diäten egehen werden. Es ist das gan ohne Frage, wir können im preu⸗ 6. Landtage den Vergleich zlehen: Das Herrenhaus hat immer ie Neigung, die Sitzungen abzukürzen, das Abgeordnetenhaus hat die Regung, seine Thätigkeit noch weiter fortzusetzen. Ich bin weit entfernt, in den Diäten das allein Wirfsame zu sehen, ich glaube vielmehr, daß darin sich schon die Wirkung fühlbar macht, Bie ich vorher als zu verineiden chgrakterisirte. Es giebt im preußlschen Abgeordnetenhause mehrere Mitglieder, die es zu ihrem Vebensberufe geradezu gewählt haben, ihrem Vaterlande in dieser Fichtung vorzugswelse zu dienen und ihre andern Geschäfte mehr in den Hintergrund treten zu lassen. Es giebt wenigstens einen Kern von Abgeordneten, die nach der Thätigkeit, die sie ihrem Mandat als Abgeordnete widmen, nach den Vorstudien, die sie zu den Sitzungen machen, nach den gründlichen Prüfungen der Sachen, die sie vertreten, gar nicht im Stande sind, daneben etwas erhebliches Anderes zu thun, auch bei der größten Arbeitskraft. Nun achte ich diese Hingehung für die parlamentarische Thätigkeit sehr hoch und würde es sehr he⸗ dauern, wenn dieses Element uns fehlte; daß es aber in den parla⸗ mentarischen Versammlungen vorherrschend sei, das halte ich nicht für erwünscht, daß der — wenn ich mir den Ausdruck erlduben darf — aus der Volksvertretung einen Lebensberuf machende Abgeordnete vorherrscht, das halte ich nicht für ut. Dann haben Sie keine wirkliche Volksvertretung mehr, dann
aben Sie eine Art von berufsmäßiger büreaukratischer Volks= vertretung, eine andere Art von Beamten, die für die Arbeiten ber Geseßgebung zwar sehr nützlich sind, aber doch nicht immer im Sinne 'des Bolkes und seiner augenblicklichen Stimmung, nicht immer in lebendiger Vertretung aller Berufsklassen wirkten, weil diefe Berufsklassen nicht immer die Zeit haben, sich ihrem Beruf so lange zu entziehen, wie lang gedehnte Parlamente sitzungen es n machen. Ich brauche die Beispiele nicht zu citiren. Wir haben Herren, die im Avgeordnetenhause 6 bis S Yonate ge= fesfen haben; nachher ist man bel der Ueberlast der Arbeiten in ungesun⸗ ber Luft des Lokals in der Nothwendigteit einer Erholung, einer Kur Es ist total unmöglich, daß man daneben seine Geschäͤfte als Kaufmann, als Gutsbesitzer, als Advokat, als Arzt dann noch so treiben kann, daß man behaupten kann der Abgeordnete sei nicht von diesem feinem ursprünglichen Beruf vollständig geb und sei * dem des Volksvertreters übergegangen. Ich wage bel der vor- geruͤckten Zeit über dieses Thema, über das sich vom psychologischen und politischen Standpunkt aus Bücher schreiben lassen, mich nicht weiter auszulassen, nur so viel versichere ich, daß meine Meinung von der Unannehmbarkeit des Antrages für die Regierung dieselbe eblieben ist. Der Herr Vorredner sagte, er fände eine Inkonse quenz 3 wenn man auf dem Wege des allgemeinen Stimmrechts nur bis zu der diätenlofen Wahl ginge, er hielte den Weg erst voll⸗ ständig zurückgelegt, wenn man durch die Gewährung der Diäten einen Jeden, auch den Bedürftigsten; in die Lage setzte, an der Volksvertretung Theil zu nehmen. Ich sehe das für keinen schla⸗ genden Grund an. ede Konsequenz hat ihre Grenzen. Die Regierungen sind eben bisher nicht entschlossen, sagen Sie immerhin, sie wagen es nicht, denn es ist ein trauriger Muth, auf die Gefahr des öffentlichen Wohles hin etwas zu wagen, also sagen wir immerhin, fie wagen es nicht, in diesem Augenblick soweit zu
gehen; man kann nicht jeden Weg bis ans Ende gehen, man hat einen Punkt, auf dem man Halt machen will, und wo man sagt, hier will ich jetzt nicht weiter vorgehen und abwarten, wie sich die Sache gestaltet. ch wollte nur ein Wort noch über das Korrettiv für eine diätenlose Versammlung sagen, welches der Herr Abg. Windt horst und der Herr Abg. Graf Münster in der Gestalt eines Zwei— kammer. Systems finden. Ich muß zu meinem Bedauern sagen — und ich gebe damit nicht jetzt, sondern ich habe früher schon Ueberzeugungen aufgegeben, die denen verwandt waren, und nicht ohne Bedauern — aber die politische Erfahrung hat mich überzeugt, daß solche Versammlungen, wie der Herr Vorredner richtig ausführte, den Zweck, ein Gegen⸗ gewicht und einen Schutz zu gewähren gegen die Gefahren die das allgemeine Stimmrecht in seiner vollsten Ausbeutung in ssch bergen kann, nicht erfüllen können. Ich gehöre ja selbst einer solchen Ver— sammlung, dem preußischen Herrenhause, an, und Sie werden des · halb nicht von mir verlangen daß ich contra domum spreche; aber ich habe keinen Glauben an die Stärke dieses Gegengewichts in den jeßigen Zeiten; wenn eine frisch durch Wahlen legitimirte, den An⸗ n,. einer Vertretung des gesammten Volkes in sich tragende Ver⸗ sammlung das Gegentheil votirt, dann brauche ich ein schwereres Gegengewicht. Das haben wir im Bundesrathe. Ich weiß nicht, waß die Herren bewegt, den Bundesrath in den gesetzzebenden Fakto- ren nicht mitzuzählen. Die Verfassung weist ihm die volle Gleich- berechtigung an, und wenn ich sage, er wiegt schwerer als ein ge⸗ wöhnliches erstes Haus, so ist das, weil er zugleich ein Staatenhaus im vollsten Sinne des Wortes ist, in viel berechtigterern Sinne, als was man gewöhnlich Staatenhaus nennt, was z. B. in der Erfurter Verfaffung' Staatenhaus genannt wurde. Dort stimmte im Staaten haus nicht der Staat, sondern das Individuum ab es war Jemand ernannt worden — ich weiß nicht ob auf Lebenszeit oder auf limi⸗ tirte Bauer — aber ich erinnere mich genau, er stimmte nicht nach Instruktionen, sondern nach seiner Ueberztugung ab. So leicht wiegen die Stimmen im Bundesraih nicht; da stimmt nicht der Freiherr von Friesen, sondern das Königreich Sachsen stimmt durch ihn, nach seiner Instruktion giebt er ein Votum ab, was sorgfältig destlllirt ist aus all den Kräften, die zum 6ffentlichen Leben in Sachsen mitwirken. In dem Votum ist die Diagonale aller der Kräfte enthalten, die in Sachsen thätig sind, um das Staatswesen zu bilden; es ist das Votum der sächsischen Krone, modifizirt durch die Einflüsse der sächsischen Landes pertretung, vor welcher das sächsische Ministerium für die Vota, welche es im Bundesrath abgeben läßt, veranwortlich ist. Es ist also recht eigentlich das Votum eines Staates, ein Votum in einem Staaten ˖ haus. Analog ist es — ich habe Ihnen dies Beispiel von Sachsen nur genannt — in den Hansestädten, in den republikanischen Gliedern, es ist das ganze Gewicht der Bevölkerung einer reichen, großen, mäch= tigen, intelligenten Handelsstadt, was sich Ihnen in dem Votum der Stadt Hamburg im Bundesrath darstellt, und nicht das Votum eines Hamburgers, der nach seiner persönlichen Ueberzeugung so oder so vo⸗ uͤren kann; die Vota im Bundesrath nehmen für sich die Ach ung in Anspruch, die man dem gesammten Staatswesen eines der Bundesglieder schuldig ist. Und das halte ich für außerordentlich schwer wiegend, und diese Bedeutung macht sich unbewußt ja in uns längst fühlbar. Einem Votum von fünfundzwanzig einzelnen Herren würden Sie nicht das Ansehen beimessen, deffen der Bundesrath sich glücklicherweise erfreut, aber dem Votum von fünfundzwanzig Staaten, wo Jeder der Herren hier einem derfelben angehört und von lauter Staaten, die sich einer freien par- lamentarischen Verfassung erfreuen, wo die Abstimmungen der Einzelnen recht eigentlich den Ausdruck der Gesammtheit dessen, was man früher sagte, Völker, jetzt will ich nur sagen Einwohnerschaften für sich haben, dem sind Sie Achtung schuldig in einer anderen Weise, und die zollen Sie ihm auch, und die Bevölkerung zollt sie ihm.
Ich halte deshalb jede Neuerung in unseren Institutionen, durch welche dieser meines Erachtens sehr glücklich gefundene Senat — Staatenhaus, erstes Haus — des Deutschen Reiches in seiner Bedeu— tung abgeschwaäͤcht, gewissermaßen mediatisirt wird, für eine sehr be denkliche Aenderung in der Verfassung. Ich glaube daß der Bundes rath eine große Zukunft hat, indem er zum eisten Male den Versuch macht, der monarchischen Spitze, ohne die Wohlthaten der monarchi⸗ schen Gewalt — oder der hergebrachten republikanischen Obrigkeit — dem Einzelstaat zu nehmen, in seiner höchsten Spitze als föderatives Kol- legium sich einigt, um die Souveränetät des gesammten Reiches zu üben; denn die Souveränetät ruht nicht beim Kaiser, sie ruht bei der Gesammtheit der verbündeten Regierungen. Es ist das zugleich nütz⸗ lich, indem die — nennen Sie es Weisheit oder Unweisheit von fünf und zwanzig Regierungen unvermittelt in diese Berathungen hineingetragen wird S eine Mannigfaltigkeit von Anschauungen wie wir sie im Einzel. staate niemals gehabt haben. Wir, haben, so groß Preußen ist, pon den kleineren und kleinsten Mitgliedern doch Manches lernen können; sie haben umgekehrt von uns gelernt. Es sind fünf und zwanzig Ministerien oder Obrigkeiten, von denen jede unverküm · mert in ihrer Sphäre die Intelligenz, die Weisheit, die dort quillt, an sich saugt und im Bundesrath selbständig von sich zu geben berech · tigt ist ohne irgend eine Beschränkung, während der Einzelstaat sehr viele Hemmniffe hat, die die Quellen auch da, wo sie fließen möchten, stopfen. Es ist nur ein einziger Verschluß, der die ganze Aeußerung der einzelnen Staatsgewalt hemmen oder frei lassen kann, mag er nun in dem Majoritätsvotum eines Ministeriums, oder mag er in dem Willen des Landesherrn bestehen. Es ist das ein Verschluß, der der Minorität des Ministeriums, die nicht zur Geltung gekommen ist, oder demjenigen Ministerium, welches sich mit dem Landesherrn für den Augen⸗ blick nicht in Einklang zu sezen vermochte, den Mund schließt, wäh rend hier , Oeffnungen sind, die offen bleihen, wenn sie nicht fünfundzwanzigfach verschlossen werden. Kurz ich kann Ihnen aus meiner Erfahrung sagen, daß ich glaube, in meiner politi- schen Bildung durch die Theilnahme an den Sitzungen des Bundes