1871 / 110 p. 7 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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vollkommen neutral zu verhalten. Die Vertreter des Bundesraths, die damals an der Disfussion theilnahmen, hatten zu konstatiren die verschiedenen Seiten, von denen aus die Sache betrachtet werden könne, die verschiedenen Bedenken, zu welchen nach der einen oder andern Seite hin die eine oder andere der vorgeschlagenen Lösungen führe, sodann aber zu betonen, daß es für die verbündeten Regierungen für die von ihnen zu fassende Beschlußnahme vom höchsten Werthe sein würde, . in einer Frage, wie diese, die Ansichten des Hauses kennen zu ernen.

Der Reichstag hat damals die Verhandlungen nicht vollständig u Ende geführt; er hat indessen unzweideutig mit großer Majorität une Ansicht dahin ausgesprochen, daß er eine Gesetzgebung über den Gegenstand für nothwendig halte. Und er hat auch in Beziehung auf die Richtung dieser Gesetzgebung wenigstens in einem wesentlichen Punkte einen Besckluß gefaßt. Dieser Vorgang ist unzweifelhaft ein sehr wichtiges Moment für die Erwägung und Entscheidung der Bedürfnißfrage, für die Erwägung und Entscheidung der Frage, ob die vorliegende Materie überhaupt im gegenwärtigen Moment richtig zum Gegenstand der Gesetzgehung gemacht wird. Die verbündeten Regierungen ihrerseits haben sich nicht allein auf diese Autorität, die in dem Votum des Reichstags lag, beschränkt, sie haben ihrerseits auch objektiv die Frage in gründliche Erwägung gezogen und sind dahin gelangt, auch ihrerseits die Bedürfnißfrage zu bejahen.

Die Lage, wie sie hinsichtlich der sogenannten Prämienpapier⸗ gesetzlich und thatsächlich in Deutschland besteht, ist eine keinesweges gleichmäßig geordnete. In der überwiegenden Mehrzahl der Bundes— stagten hängt die Emission solcher Papiere von einer Genthmigung des Staats ab, mag nun diese Genehmigung ertheilt werden durch die höchste Verwaltungsinstanz, mag sie ertheist werden durch den Landesherrn, mag sie ertheilt werden durch ein Gesetz. Indessen ist das nicht durchgängig der Fall. Ein neuester Vorgang hat gezeigt, daß wenigstens in einem Bundesstaate zur Emission solcher Papiere eine Genehmigung des Staats nicht erforderlich ist. Diejenigen Staaten, in denen es einer Genehmigung bedarf, haben von der ihnen unzweifelhaft zustehenden Befugniß, diese Genehmigung zu ertheilen, in sehr verschiedenem Maße Gebrauch gemacht Von den größeren Bundesstaaten haben Sachsen, Württemberg und Mecklenbuig Üüber—⸗ haupt nicht solche Genehmigungen ertheilt. Im Großherzogthum Hessen datirt, wie Sie aus der Ihnen vorliegenden Liste sehen, die letzte Genehmigung auf 37 Jahre zurück, und in Preußen auf 15 Jahre. Ebenso verschieden wie dieser Gebrauch der , ist die Art ge— wesen, wie man diese Befugniß gebraucht hat. Sie finden in der Ihnen vorliegenden Liste, daß Anleihen ausgegeben sind in Appoints von 4 Thalern oder 7 Gulden bis zu 1060 Thalern. Eo liegt das Verhältniß in Bezuz auf Anleihen, die in Deu tsckland emittirt sind In Bezug auf Anleihen, die im Auslande emittirt werden, besteht überhaupt eine Beschränkung oder Kontrole nicht. Diese Anleihen können an sämmtlichen deutschen Börsen ohne weitere Genehmigung gehandelt werden und werden an den deutschen Börsen ohne weitere Genehmigung gehandelt. Die ge— setzliche und thatsächliche Lage ist also eine sehr verschiedene. Daraus allein würde allerdings noch nicht mit zwingender Nothwendig— keit folgen, daß der Weg der Gesetzgebung zu beschreiten sei, und in der That haben auch die verbündeten Regierun⸗ gen und hat insbesondere die Königlich preußische Regierung aus diesem AUmstand an sich nicht das Bedürfniß herleiten können, mit einer geseßlichen Regelung der Sache vorzugehen. Indessen kom men andere Momente hinzu, die auf eine solche Regelung drängen. Es ist eine Thatsache, daß in den veischiedenen Bundesstaaten die Einzel Legislaturen sich in ihrer Ansicht zu der vorliegenden Frage sehr verschieden gestellt haben. Die preußische Legislatur hat

sich zu der vorliegenden Frage so gestellt, daß es für die preufische Regierung jedenfalls sehr große Bedenken haben würde, die Kon— zession zu einer Prämienanleihe, die nicht eiwa Staatsanleihe wäre dann ist es ja Sache des Gesetzes zu verlangen. Anderwärts ist die Lage anders. Es führt dies zu einer weitern Ungleichheit, die thatsächlich Infonvenienzen herbeiführt, die auf der Hand liegen. Es tommt aber auch noch ferner in Betracht, daß in der That in der allerneuesten Zeit die Emission von Prämienanleihen einen Umfang ewonnen hat, den sie früher nicht im Mindesten besaß, und zwar einen Um« ö. in der Menge, als auch einen Umfang nach der Seite hin, wo die Prämienanleihe sich dem Gebiete der Lotterie sehr nähert. Es sind nach dem Ihnen vorliegenden Verzeichnif, wenn man die Gulden und Franken auf Thaler reduzirt, im verflossenen Jahre 1074 Millio⸗ nen Prämienanleihen im Allgemeinen emittirt und in den ersten drei Monaten dieses Jahres bereits 38,200,060 Thaler.

Nun haben Sie soeben von dem Herrn Vorsitzenden der Petitions- kommission gehört, daß bereits eine Reklamation vorliegt, welche sich bezieht auf eine Prämienanleihe von 12 Millionen Thalern, und ich kann that— sächlich bemerken, daß beim Bundes rath nach Abschluß seiner Berathungen noch eine weitere Reklamation eingegangen ist, die sich bezieht auf eine Prämienanleibe von 8 Millionen Thaler. Ven beiden Anleihen wird behauptet, daß sie bereits im Handel seien, und das würde also für die kurze Zeit von vier Monaten, die das Jahr 1871 noch nicht einmal vollständig beendet hat, eine Summe von 18 000, 000 Thbalern ergeben. Diese Lage und die Erwägung, daß es in der That immer schwieriger wirt die Grenze zwischen dem, was Lotterie ist, was also unter das Strafgesetzbuch fällt, wenn (6 ohne Konzessien betrie⸗ ben wirt, und dem was Praämienan eibe ist, fest zu kalten, hat die verbündeten Regierungen dahin geführt, im Einrerständnß mit der überwiegenden Masoꝛität des Norddeuischen Reichtteges die Bedürf— nißfrage ihrerseits zu bejahen.

Mit der Bejahung der Bedürfnißsrage ist man allerdings erst einen sehr kleinen Schritt weiter gekommen, denn es kommt nun, wenn man die gesetzliche Regelung der Sache in's

Auge faßt, darauf an: wie soll diese erfolgen; und da stehen sich allerdings die Ansichten sehr entschieden gegenüber. Auf der einen Seite läßt sich anführen, daß alle jetzt von mir geschilderten Uebelstände eben darin beruhen, daß überhaupt Konzessionen für dergleichen An⸗ leihen nothwendig sind. Die Uebelstände, die von mir angeführt sind, wurzeln ja eben zum Theil in der Verschiedenheit der Gesetzge— bung der einzelnen Bundesstaaten, zum Theil darin, daß, während in der größten Mehrheit der Bundesstaaten eine Genehmigung zur Emission der Prämienanleihen nöthig ist, jede ausländische Prämiengnleihe ohne Genehmigung auf den inländischen Markt kommen kann. Es ist an sich zweifellos, daß diesen Uebelständen einfach dadurch abgeholfen werden könnte, daß man die Konzessionspflicht der Prämienanleihen unbedingt aufhebt und damit eine vollkommene Gleich heit herstellt. Es ist das ein Weg, der, wenn ich mich recht erinnere, auch in der vorjährigen Session des Reichstages des Norddeutschen Bundes von einer Seite vertheidigt wurde; es ist ein Weg, von dem ich ferner anerkenne, daß er der auf anderen Gebieten angestrebten Verkehrsfreiheit an sich konform ist. Man kann es als eine Inkense— quenz bezeichnen, wenn im Laufe einer Gesetzgebung, welche im Nord deutschen Bunde wie im Zollparlament dahin gerichtet war, Beschränkungen des Verkehrs zu beseitigen, Konzessions - Ver— pflichtungen aufzuheben, wenn man da einen Gegenstand, der bisher nur zum Theil einer gesetzlichen Regelung unterlag, zum Gegenstande einer allgemeinen gesttzlichen Regelung machen will; man kann es für konsequenter halten, auf dem auf anderen Gebieten ein— geschlogenen Weg weiter zu gehen und Alles frei zu geben. Indessen würden gegen die Wahl eines solchen Weges, wie mir scheint, fehr große Bedenken obwalten. Abgesehen davon, daß dieser Weg über- haupt nicht in der Beschränkung auf Prämienanleihen eingeschlagen werden könnte, sondern daß man dann überhaupt die ganze Frage der Inhaberpapierein die Regelung mit hineinzuziehen haben würde, würde in der That eine absolute Freiheit dieser Form der Anleihe in ihrer logischen Konsequenz zu einer absoluten Freigebung der Lotterie und in ihrer weiteren logischen Kanseuenz ich muß beinah sagen zu einei Aufhebung der Verbotsbestimmungen über das Spiel führen. Das sind die Gründe, aus denen die verbündeten Regierungen diesen Weg nicht gewählt haben. Es konnte noch ein anderer Weg in Frage kommen, der auch in der letzten Session des Norddeutschen Reichstages in An— regung gebracht ist, nämlich das absolute Verbot. In dieser Beziehung ist, wie ich glaube, damals schon mit vollem Recht bemerkt worden, daß das Autsprechen eines absoluten Verhots doch eigentlich nicht vie! Anderes wäre als ein legislativer Monolog. Es ist das eben ein Gesetz, was Nichts weiter aus— sprechen würde, als daß dieser Reichstag in dieser Session eine Prämien Anleihe nicht haben will; jeder folgende Reichstag in Ucbereinstim— mung mit dem Bundesraih würde in der Lage sein, dieses Gesetz aufzuheben.

Die verbündeten Regierungen sind deshalb auf den Weg einge⸗ gangen, welchen der Norddeutsche Reichstag bei seiner Abstimmung im vorigen Jahre auch empfohlen hat, nämlich den, in Zukunft die TCmission und den Handel mit Prämien -Anleihen von einem Att der Gesetzgebung abhängig zu machen. Es konnte dabei nicht unerwogen bleiben, ob nicht ein anderer Weg noch übrig sei, nämlich die Aus— stellung von Normgtiv-Bedin gungen, und auch dieser Weg ist ja vielfach einpfohlen. Indessen habe ich zu konstatiren, daß es trotz ernsthafte— ster Eiwägungen nicht hat gelingen mollen, Normativ Bedingungen aufzustellen, welche man wirtlich als Normativ⸗Bedingungen bezeich= nen könnte, d. h, als Bedingungen, die in sich die Garantie der Dauer und der richtigen Anwendbarkeit haben. Gegen den in der Vorlage vorgeschlagenen Weg läßt sich ein allgemeiner Gesichtspunkt geltend machen: Es wird damit die vorliegende Frage auf den Weg verwiesen, den man in der englischen Parlamentssprache die Privat—⸗ bills nennt, und es ist nicht zu verkennen, daß solche Privatbills ihre bedenklichen Seiten haben. Indessen bei voller Anerkennung dieser Bedenken glaube ich dech, daf, wenn man eine Materie vor sich hat, die man auf keine andere Weise regeln kann, man von dem Wege

Der Pripatbills nicht zurückschrecken darf, wenn man eine Regulirung

der Sache für noͤthig hält.

Fast noch schwieriger, als die Frage, wie in Zukunft die Emission von Prämien -Anleihen zu behandeln fei, war die Frage, wie die jetzt umlaufenden Prämien Anleihen zu behandeln seien.

Es tönnte zunächsi darüber nicht wohl ein Zweifel obwalten und so viel ich mich erinnere, ist auch im Nori deutschen Reichstage seiner Zeit ein Zweifel gar nicht erboben worden, daß die in Deutschland emittirten Papiere unter allen Umständen in ihrer ferneren Cirfula— tion nicht gehindert werden sollen. Anders verbält es sich mit den aus ländischen Papieren. Die Mehrzahl der in Deutschland emittirten Papiere ist versehen mit der Genchkmigung einer der rerhündeten Re— ierungen ; es ist bei der ühérwiegenden Mehrzahl ein siaatlicher Akt, er die Cirku ation dieser Papiere, wenn auch zunächst in ihrem Emissionsgebiet, ausdrücklich gestattet hat. Ein ähnlicher Akt, sei es pen Sesten einer einzelnen Bundesregierung, sei es ger vem Reiche Ubst. ligt hinsicht! ich der ausländischen Prämienanleihen nicht vor. Es ist de halb in Ermägung gekommen, schon in der letzten Session des Norddeutschen Reichstagek, ob es nicht zulässtg lei, die Notirung der fremden Pränienanlcihen an der Börse nach Ablauf einer ge⸗ wissen Seit zu untersagen. Die verbündeten Regierungen haben nicht geglaubs, auf diesen Weg eingehen zu können. Bei Papieren, ,. vorliegenden, gehört zu ihrem Werth ror allen Dingen ihre leichte Verkäuflichkeit, und ihre leichte Verfäuflichkeit ist bedingt dadurch, daß sie an der Börse notirt werden, schließt man die Notirung an der Börse aus, so vermindert man die Verkänflichfkeit der Papiere, man vermindert dadurch ihren Werth und man fügt einer großen Menge von Personen und es handelt sich bei dieser Sorte von Anleihen keineswegs vorzugsweise

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um große Kapitalisten, sondern um eine Menge kleiner Leute man fügt einer großen Menge von Leuten, die solche Papiere erworben haben, einen Schaden zu.

Eine zweite Form, die in Erwägung gekommen ist, ist die, die Zulässigkeit des Handels mit ausländischen Prämien ⸗Anleihen auf die augenblicklich in Deutschland vorhandenen Stücke zu beschränken. Es ist dies ein Gedanken, der sehr nahe liegt, indem er einerseits die Be— sitzer dieser Stücke vor jedem Nachtheil zu sichern geeignet ist und in— dem er andererseits dem vorbeugt, daß nun für eine nicht unerheb⸗ liche Anzahl ausländischer Prämienanleihen, weil sie zugelassen sind, ein gewisses Privilegium geschaffen wird. Dieser Weg ist bei der Vorberathung des Gesetzes eingehend erwogen worden, man hat in— dessen nicht geglaubt, ihn betreten zu können, und zwar aus zwei Rücksichten. Die eine bezieht sich auf die praktische Ausführung: wenn man sich denkt, daß eine solche Maßcegel, wie ich sie jetzt be— zeichne, etwa im Staate Hamburg zu treffen wäre, da würde ich gar kein Bedenken haben, daß sie ausführbar sei, da geht der legis— lative Apparat sehr rasch, man kann sagen, morgen müssen die Papiere vorgelegt werden und sie können auch morgen vor- gelegt und können abgestempelt werden. Hier handelt es sich um ein großes Gebiet, und in einem Gebiete, in welchem diese Papiere keines wegs blos an großen Börsenplätzen vorhanden sind, sondern sehr weit durch große Kreise verbreitet sind, da wird man gar nicht anders können, als einen Termin zu setzen, der wenigstens einen gewissen Raum darbietet, man würde sonst eine Menge ganz unschuldiger Leute, die sich nicht sehr viel um das Bundesgesetzblatt bekümmern, in großen Schaden bringen. Setzt man aber auch nur einigermaßen einen Raum, so kann man es gar nicht hindern, daß alle disponibeln Stücke der benachbarten Börsen nach einem deutschen Börsenplatze ge⸗ schickt werden; da werden sie abgestempelt und man hat den Zweck nicht erreicht, den man im Auge hatte.

Ein zweites Moment, worauf ich ind ssen weniger Gewicht legen will, ist das, daß man durch diese Maßregel den in Deutschland um—⸗ laufenden Stücken dieser Prämienanleihen einen tünstlichen Werth geben könnte. Es ist ja tlar, daß wenn ein Werthpapier nur auf dem nicht deutschen Markte zirkuliren kann ich meine hier unter Papier ein Stück und ein anderes Stück desselben Papiers in der ganzen Welt, so hat dieses andere Stück desselben Papiers, welches Überall zirkuliren kann, entschieden einen Vorzug vor dem ersten.

Es ist dies mit ein Grund gewesen ich sage nicht: der entschei⸗

dende —, der dahin geführt hat, diesen Weg nicht einzuschlagen. So sind denn die verbündeten Regierungen ich muß bekennen mit schwerem Herzen dahin gekommen, zu sagen, daß die in der Liste vorhandenen Papiere auch ferner ohne staatliche Genehmigung in dem Reichsgebiete zirkuliren sollen.

Im Verlaufe der Diskussion nahm nach dem Abgeord⸗— neten Dr Braun (Gera) der Bundesbevollmächtigte Finanz⸗ Minister Camphausen das Wort:

Meine Herren! In der Diskussion ist sehr häufig des Verhält⸗ nisses gedacht worden, was der preußische Staat den Prämien⸗An— leihen gegenüber eingenommen hat; es ist ferner in der Diskussion von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen worden, daß der Bun⸗ desrath nur gezwungen sich zu dieser Vorlage entschlossen habe. Ich muß Letzteres als einen unbedingten Irrthum bezeichnen. Einem Zwange würde der Bundesrath nicht gefolgt sein, wenn er glaubte, daß die vorgeschlagene Maßregel an sich schädlich sei. Daß auch sein? Entschließung nicht ohne Einfluß geblieben ist, daß in dem Reichstage des vormaligen Deutschen Bundes der Erlaß heschränkender Bestim⸗ mungen in dieser Beziehung gewünscht worden ist, das ist eben so unzweifelhaft, und ich glaube, daß es stets Aufgabe der verbündeten Regierungen sein wird, sich mit dem in weiten Kreisen der Nation gefühlten Verlangen in Einklang zu setzen. Es ist aber auch, abgesehen von diesem Ausspruch, durchaus nicht zu übersehen, daß die Dinge vor und nach in Bezug auf die Prämien⸗Anleihen einen Gang genommen hahen, der einen unerträglichen Zustand herbeiführte. Im preußischen Staate hat bekanntlich stets das Prinzip der Konzessionirung für alle Inhaberpapiere, auch für die Prämienanleihen bestanden. In Bezu auf die Prämienanleihen hat man von dem Rechte der Konzessioni⸗ rung nur überhaupt zweimal Gebrauch gemacht, einmal in weit ent⸗ legener Zeit, als der verewigte Staats-Minister Rother eine solche Prämienanleihe ausgab, das andere Mal im Jahre 1855; seitdem ist eine neue Konzession zur Ausgabe von Prämienanleihen nicht ertheilt werden. Wohl hat es einen Zeitpunkt gegeben, wo es in ernstliche Er⸗ wägung kam, ob es nicht dem Staatsinteresse entsprechen würde, eine Prämienanleihe für Rechnung des Staates zu machen, und ich will laut und offen bekennen, daß ich persönlich Ende 1867 diese Ansicht sehr lebhaft vertreten habe; ich will hinzufügen, daß ich noch heute der Meinung bin, wir haben damals einen finanziellen Fehler be— gangen, daß wir nicht eine große, solide, für Staatszwecke ausgege⸗

bene Prämienanleihe gemacht haben. Man kann darüber verschiedener

Ansicht sein, ich bin so frei, diese Ansicht zu hegen. Im Jahre 1869 ging die Regierung zu dem Gedanken über, daß es vielleicht auch zu lässtg sein möchte, an Privatgesellschaften eine solche Konzession zu er- theilen. Ich persönlich habe das nie gewünscht; ich bin auch noch heute der Ansicht, daß Prämienanleihen in der Regel, wenn über- haupt nur für Staatsrechnung auszugeben seien, das ist aber eine offene Frage. Es können ja Interessen im Lande hervortreten, die so allgemein verbreitet sind; daß man zu Gunsten dieser Interessen sich auch entschließt eine Ausnahme 4h machen. Diese Frage könnte ent⸗ stehen ; B. in Bezug auf den Kredit des Grundbesstzes. Da hat es eine Periode gegeben, wo allerdings die Frage sehr wohl entstehen konnte; will man für diesen Zweck eine Ausnahme von der Regel zulassen? Ich wiederhole, ich habe persoͤnlich mich nicht für diese Aus- nahme interessirt.

Nun, meine Herren, der preußische Landtag hat im Oktober 1869 den Ausspruch gethan daß er die Konzessionirung einer Privatgesell schaft, die damals in Frage stand, nicht herbeigeführt zu sehen wünsche. Die preußische Regierung hat sich verpflichtet gehalten, seitdem irgend eine Konzession nicht zu ertheilen. Was ist nun die Folge davon? Wenn der große Staat Preußen sich unbedingt dessen entkält, daß er eine Prämienanleihe konzessionirt, und wenn er dann bei dem bis dahin befolgten Grundsatze, daß Verkehrsverbote gegen das Ausland in dieser Beziehung nicht eintreten sollten, stehen bleibt, so ist er der Exploitirung einfach preisgegeben, und zwar einer Ezploctirung in einer schlimmeren Weise. Denn, wenn der preußiiche Staat eine Prämienanleihe ausgegeben hätte, dann würde er schon dafür gesorßt haben, daß von Taäuschung keine Rede sein könne, daß dem Spieltriebe nicht übertriebener Vor- schub geleistet würde, und daß es sich im Wesentlichen um eine ver⸗ zin sliche Anleihe gehandelt hätte mit einem mäßigen Spa— tium für die Gewinne, die nach Art einer Lotterie ver- theilt würden. Eine Einwirkung auf diese Dinge ist aber nach der bestehenden Gesetzgebung ausgeschlossen, wenn es in irgend einem deutschen Staate oder im Auslande beliebt wird, unsern Markt mit Prämienanleihen zu überschwemmen. Es liegt also auf der Hand, daß doch jedenfalls zwischen den deutschen Regierungen eine Verständigung darüber herbeigeführt werden mußte, nach welchen Grundsätzen man diese Konzessionen ertheilen wolle. Ferner hat es sich herausgestellt, daß in einem Staate, in der Stadt Hamburg, die Ertheilung der Konzession gar nichm erforderlich ist, das also dort Pripate zusammentreten und ohne staatliche Kanzession mit einer Prämienanleihe hervortreten konnten. Wir haben ja in dieser Be⸗ ziehung die in meinen Augen sehr unerfreuliche Erfahrung gemacht, daß auch selbst nach den Verhandlungen im letzten Reichstage, dieses Vor—⸗ recht der Stadt Hamburg noch in der Weise ausgenußt worden ist, daß man dort eine neue Prämien-Anleihe ausgegeben hat, die im Wesentlichen auf Preußen berechnet war. Ich bin daher der Ansicht, daß ein unahweisliches Bedürfniß vorliege, eine Einheit der Grund⸗ sätze für das Deutsche Reich herzustellen, und bin dieser Ansicht auch völlig unabhängig von dem im Reichstage des Norddeutsches Bundes im vorigen Jahre gefaßten Beschlusse. Ich freue mich aber allerdings, 3 mitwirken zu können, daß dieser Beschluß seine Bedeutung erhalte.

Nun, meine Herren, was thut nun das Gesetz nach der Richtung hin, um die Hgramiemnanteihen unmöglich zu machen? In der Beziehung geht er nicht so weit, als wie hier und da behauptet worden ist; er überläßt das dem freien Ermessen der gesetzgebenden Gewalten im Deutschen Reiche. Darin liegt auch der Grund, der dazu bestimmt

hat, Rormativbedingungen in das Gesetz nicht aufzunehmen. Denn:

weiche Normen man in dem Augenblicke, wo über eine solche Anleihe Beschluß zu fassen ist, gelten lassen will, darüber können die Ansichten im Laufe der Zeit in der That abweichen. Möglich wäre es allerdings, Normativbedingungen in dem Sinne vorzusehen, daß damit wenigstens momentan ein Riegel vorgefchoben würde: Wir legen das Gelübde ab, jedenfalls Prämienanleihen nicht dann eintreten zu lassen, wenn nicht wenigstens diese Normativbedingungen erfüllt würden. Aber das würde schon ein ganz anderer Sinn der Normativbedingungen sein, als den letzteren im vorigen Jahre von den Antrag— stellern, wie ich glaube, beigelegt wurde, denn im vorigen Jahre hatte es sich darum gehandelt, Normativbedingungen aufzustellen und auszusprechen: Jeder der bereit ist, diesen Normativbedingungen sich zu unterwerfen, darf eine Prämien Anleihe ausgeben. Sie würden grade das Gegentheil von dem da— mit erlangt haben, was die große Mehrheit des Reichstages, wenn ich sie zu jener Zeit richtig verstanden habe, wünschte. Denn was die Normativbedingungen selbst betrifft, so würden Sie dieselben schwer— lich viel anders formuliren können, als sie den damals neuesten soli⸗ den Prämienanleihen die insbesondere im Königreich Bayern und im Großherzogthum Baden gemacht waren, zu Grunde lagen. Sie hätten vielleicht hinzufügen können, die Unternehmer sollen verpflichtet sein, gleich bei der ersten Bekanntmachung den Zinsfuß ganz genau anzugeben, zu dem die Prämie in Wirklichkeit kontrahirt wird. Sie würden damit aber nur eine Bestimmung ge— troffen haben, die wenigstens bei den fraglichen Anleihen allen Geschäftsleuten auch ganz genau bekannt war. Die Geschäfts⸗ leute hatten sich natürlich bis auf die sechste Dezimalstelle ausgerech= net, wie hoch der Zinsfuß sein würde, der nunmehr dem Unterneh— men zufiele. Im Uebrigen würden schwerlich die Vorschriften für eine solide Prämienanleihe wesentlich anders haben lauten können.

Wenn der geehrte Herr Vorredner davon sprach, daß man die künstlichen Reizmittel gänzlich beseitigen wolle, so glaube ich, daß er damit eigentlich die Prämienanleihe wohl ruinirt haben würde. Man kann nur davon sprechen, daß der Grad der fünstlichen Reizmittel ein etwas größerer oder ein etwas geringerer sei. Ich will durchaus nicht in Abrede stellen, daß das so sein kann, aber ohne alle künstlichen Reizmittel wird es wohl niemals ablaufen, denn das wird stets der Unterschied sein zwischen der Prämienanleihe und der einfach verzinslichen 6. Nun, meine Herren, wenn der Herr Vorredner ich möchte sagen dem Reichstage oder der Bundesregierung, ich weiß nicht wen er mehr ins Auge gefaßt hat, den Vorwurs macht, daß man im Begriff stände, ein Zickzacksystem durchzuführen und auf der einen Seite, wie es bei den Aktiengesellschaften geschehen ist, eine größere Freiheit der Bewegung eintreten zu lassen und auf der anderen Seite wieder eine größere Einengung, so glaube ich, daß man diesen Vorwurf wohl hinnehmen kann, denn hier handelt es sich darum, daß in weiten Kreisen die Auffassung getheilt wird, ich selbst bin nicht ganz dieser Ansicht, daß in dem Reize ein sehr unsittliches Mo- ment liege und daß man dieses unsittliche Moment ausschließen wolle, was bei den Aktien ⸗Unternehmungen nicht unterstellt wurde,