1871 / 114 p. 7 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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seine eigenen Handlungen verantwortlich ist. Derselbe erscheint logisch durch die entscheidende Erwägung begrenzt, daß der Arbeiter sich den Gefahren unterwirft, welche aus der Cooperation anderer Arbeiter an seiner Arbeit entstehe, eine Erwägung, welche auf den Dritten nicht paßt und demgemäß die Wohlthat des Art. 1384 auf diesen, aber auch nur auf diesen, anwendbar erscheinen läßt. (Entscheidung des Hofes von Lyon, von Toulouse)

Der Schluß dieser Ausführung lautet:

-Die Sicherheit der Arbeiter ist geschützt durch die spezielle Aufsicht der Verwaltung, durch das eigene Interesse der Konzessionäre und durch die Verantwortlichkeit, welche den letzteren nicht blos wegen ihrer eigenen Versehen, sondern auch wegen derer ihrer Direktorien und Betriebsführer obliegt. Weiter gehen, würde ihre Lage unerträg- lich machen heißen. «

Prüft man den Wortlaut des Artikels 1384, so scheint es mir auch nicht zweifelhaft sein zu können, daß bei einer strikten Interpre— tation das Wort „préposs“, dessen sich der Artikel bedient, nicht auf Arbeiter angewendet werden darf. Die Regierungsvorlage ist dem— gemäß in Folge des früheren Reichstagsbeschlusses so weit gegangen, als irgend eine europäische Gesetzgebung; ja, ich muß hervorheben, daß sie weiter gegangen ist. Indem einer der folgenden Artikel der Vorlage die vorherigen Abmachungen zwischen Bergwerks-Eigen— thümern und Arbeitern über die eiwaige Entschädigung bei Strafe der Nichtigkeit verbietet, schärft derselbe in ganz erheblicher Weise die Tragweite der erörterten Bestimmungen. Es ist mir, als ich den Artikel 1384 bei anderen Gelegenheiten in dem eben hier an— gegebenen Sinne interpretirt habe, wiederholt erwidert worden: Wenn Fälle der hervorgehobenen Anwendung jener gesetzlichen Be— stimmung in Frankreich nicht weiter bekannt geworden, wenn keine gerichtlichen Entscheidungen außer den angedeuteten später erlassen worden seien, so liege das darin, weil bie Bergwerkseigenthümer und Industriellen sich in allen Fällen mit den Arbeitern vorher verstän⸗ digt hätten. Nun wohl, meine Herren, möchte diese Argumentation eine richtige stin, was ich bestreite, so würde jedenfalls daraus folgen, daß die Situation, welche unseren Betriebsunternehmern, unseren Berg— werkseigenthümern zugewiesen ist, in Folge des Entwurfes eine bei weltem schwiecigere sein wird, indem es ihnen überall abgeschniteen ist, sich von vorn herein durch Reverse zu sichern, wonach der Arbeite mit einer bestimmten Entschädigung sich zufrieden erklärt. Ich sehe deshalb in dieser Vorschrift eine erhebliche Verschärfung jenes vorher erörterten Rechtssatzes. Die Bestimmungen nun, wie sie der §. 2 für die betreffenden Gewerbe enthält, sind nach Auffassung der verbündeten Regierungen auch gerecht. Weiter zu gehen, würde, wie ich eben nachgewiesen habe, einen gesetzlichen Zustand auf

dem Gebiete des industriellen Rechts in unserem Vaterlande herbei⸗

führen, der bis jetzt in Europa beispiellos ist. Die Aufnahme jener industriellen Werke in dem §5 1 würde ein Vorgang sein, welcher in der Gesetzgebung anderer Staaten bis zur Gegenwart keinen Vorgang besitzt. Es würde jenen anderen Industriezweigen eine Unmöglichkeit auferlegt, und, abgesehen hiervon, eine unerträgliche Ueberlastung auf⸗— gebürdet werden.

Meine Herren! Der Herr Abgeordnete, welcher vorher die Tribüne verlassen, hat mit einer Apostrophe an das Haus geschlossen; er hat Sie darauf hingewiesen, daß hier der Fall vorliege, wo die Gesell⸗ schaft als solche für den Schaden aufkommen müsse, welchen der Ein— zelne gewissermaßen im Dienste der Gesellschaft erlitten habe. Dieser Gesichispunkt liegt allerdings, wie ich glaube, der gegenwärtigen Vor— lage fern, dieselbe will die Gesellschaft nicht anrufen, sondern beab⸗ sichtigt im Gegentheil das einzelne Individuum hafibar zu machen. Hätte die Tendenz vorgelegen, die Gesellschaft anzurufen oder sozia—⸗ listische Grundsätze in das Gesetz aufzunehmen, so würde freilich die ganze Vorlage einen anderen Charakter haben müssen. Sie ist nüch— tern an die zu lösende Frage herangegangen, und weil dem so ist, mußte meine Apostrophe an das Haus eine andere sein.

Es ist, ane gegen nicht zu unterschätzen, wenn diejenigen Industrie-⸗ zweige, welche 2 der Vorlage enthält, eine Ueberlastung erleiden sollten. Sie haben es hier mit Gewerben zu thun, welche unter der Konkurrenz des Auslandes stehen. Würde die Konkurrenz des Aus. landes einen schädigenden Einfluß auf jene Industriezweige ge— winnen, so würde der Unternehmungsgeist erlahmen, die Neigung, hier Kapitalien anzulegen, aufhören. Es würde auf der einen Seite die Entlassung einer großen Zatzl von Arbeitern und andrerseits ein Sinken des Arbeitslohnes mit Nothwendigkeit folgen. Indem Sie auf der einen Seite den Beschädigten große Vortheile zuwenden wollen, werden Sie auf der anderen Seite Tausende von Arbeitern erheblich schädigen. Nur dann, meine Herren, werden Sie die konkurrirenden Interessen wahren können, wenn Sie des Spruches gedenken, daß in allen Dingen mit Maß vorzugehen ist. Sehen Sie doch auf die englische Gesetzgebung, mit welcher Vorsicht schreitet dieselbe auf diesem so sehr difficilen Gebiete vor. Da der Bergbau in Frage ist, so möchte ich nur beispielsweise erwähnen, daß seit 1842 die englische Gesetzgebung sich speziell mit dem Berghau beschäftigt, aber bis zu dieser Stunde noch nicht gewagt hat, die Vorschriften, welche in Bezug auf die Steinkohlen⸗Bergwerke erlassen sind, auf die anderen Bergwerke, insbesondere die Erz⸗Bergwerke auszu⸗ dehnen. 1842 schuf man die Kohlenwerks-Inspektoren, 1850 erließ man ein Gesetz, um die polizeiliche Aufsicht über die Steinkohlen ge ern, zu ermöglichen, auf 5 Jahre; 1855 erneuerte man dasselbe auf 5 Jahre, 1860 erließ man das Gesetz dauernd, um nun endlich etzt bei dem gegenwärtig versammelten Parlamente zu beantragen, die Grundsäßze der polizeilichen Beschränkung, der Einengung der freien Bewegung des Bergwerkseigenthümers auf andere Bergwerke Ausdehnung finden sollten. Bei uns würde vielleicht sofort die Frage entstanden sein, ist es prinzipiell richtig, ist es konsequent nur eine Spezies des Bergbaus dem Gesetze zu unterwerfen, sind nicht andere

Arten des Bergbaues vorhanden, welche eine ähnliche Fährlichkeit bieten, muß nicht der ganze Bergbau unter die gleiche Bestimmung gestellt werden? Auf keinem Gebiet folgt die englische Gesetzgebung diesem Ideengang, und gerade deshalb hat sie vielfach Großes erreicht. . Meinerseits muß ich zum Schlusse betonen, daß mir auch bei den hier in Rede stehenden Fragen, welche wir ordnen sollen, den Arbeiter und Arbeitgeber nicht von einander trennen dürfen. Wir müssen an— nehmen, daß auch hier Beider Interessen gemeinsam sind. Wollen Sie diese Gemeinsamkeit erhalten, so dürfen Sie den Bogen nicht zu straff spannen. Anderenfalls werden Sie Vielen Leid zufügen, wäͤh— rend Sie Einzelnen wohlthun wollen.

Denken Sie nur an das Eine, daß wenn Sie die Haftung allgemein aufstellen, wie dieselbe der §. 1 bestimmt, würde dies nicht den Er— folg haben, daß der Bergwerks- oder Fabrik Eigenthümer wegen der folgenden Bestimmungen des Entwurfes alle verheiratheten Berg— werks oder Fabrikarbeiter entlassen wird, soweit er nur irgend ver- mag? wird nicht immer von Neuem die Frage entstehen: wie viel Kinder hat der einzelne Arbeiter? ich kann keinen Familienvater in meinem Bergwerke, bei meiner Arbeit annehmen, denn ich könnte nachher gezwungen sein, seine Kinder mit Alimenten versehen zu müssen. Legen Sie nicht durch eine allzu große Schärfe des Gesetzes zwangsweife dem Arbeiter den Cölibat auf; fluchen Sie nicht gewissermaßen den Verheiratheten; nöthigen Sie nicht den Bergwerkseigenthümer, sofort nach Erlaß des Gesetzes eine Razzia unter seinen Arbeitern zu halten, und ganze Reihen von ihnen, wo nur irgend die Furcht vor der Gefahr einer . zwangsweisen Alimentirung der Familie obwaltet, zu ent- ernen!

Beeine Herren! Ich glaube demgemäß, es ist gerade im Interesse der Arbeiter nothwendig, mit Maß und Ruhe vorzugehen. Die Bun— desregierungen sind sich bewußt, daß, falls der §5.2 von ihnen ange— nommen werden sollte, eine außerordentlich verschärfte Hafipflicht der Betciebsunternehmer eintreten werde und damit auch neue Sasten von der Industrie übernommen werden müssen; die Regie— rungen haben aber auch die Ansicht, daß diese neuen Lasten ertra— gen werden lönnen, daß dieselben den ferneren Frieden zwischen Ar— beitein und Arbeitgebern ermöglichen, ja ein gemeinsames Zusammen⸗ gehen erleichtern und fördern können. Ich bltte Sie deshalb, meine Herren, lehnen Sie den Schulzeschen Vorschlag ab, und halten Sie fest an dem Prinzip der Vorlage, die Eisenbahnen von den übrigen industriellen Etablissements zu trennen. .

Rach dem Bundes -Kommissar ergriff der Bundes⸗ k Geheime Ober -⸗Justiz⸗Rath Dr. Falk das

ort:

Meine Herren! Betrachten Sie meine Worte als einen speziellen Theil zu dem generellen Theil der Ausführung der Bundesregierun— gen, die Sie soeben gehört haben. Ich würde bieselben vielleicht noch etwas hinausschieben, wenn nicht mehrere der Herren Redner mich direkt und indirekt aufgefordert hätten, über einzelne Ausdrücke des §. 1 mich zu verbreiten. Ich würde glauben, daß, wenn ich die Antwort noch länger verzögerte, diese Fragen vielleicht in Vergessenheit gerathen könnten.

Ich bin zuerst gefragt worden, in welchem Sinne die Bundes- regierungen die Worte »bei dem Betriebe einer Eisenbahn« ver- standen hätten, und ich kann bestätigen, daß in der That diejenige Auffassung dabei bestanden hat, die von den Herren Ab— geordneten Lasker und Dr. Schwartze vorhin entwickelt worden ist. Man befand sich gegenüber dem preußischen Rechte. Das preußische Recht sprach nur von »Beförderung auf der Bahn«, und die Praxis hat ganz übereinstimmend entschieden, daß unter »Be—= förderung« die Bewegung der Eisenbahnfahrzeuge im weiteren Sinne zu verstehen sei. Eine derartige Auslegung des Gesetzes wurde gegenüber der Frage, ob ein neues Gesetz zu machen sei, für eine zu enge gehalten, und es mußte nach einem Ausweg gesucht werden, der eine solche Beschränkung beseitigte.

Das ist der eine der Gründe gewesen, weshalb der ursprüngliche Vorschlag des Bundespräsidiums, der uns vorher vorgetragen worden ist, und der die Bewegung ganz ausdrücklich noch viel konkreter als das preußische Gesetz in sich hineinnahm, später bei den Berathungen des Bundesraths nicht acceptirt worden ist. Man dachte unter Än— derem an den so nahe liegenden Fall, den der geehrte Herr Abg. Dr. Schwartze vorher hervorgehoben hat: wenn ein Zug zur Abfahrt bereit steht, und der Lokomotivkessel springt und verletzt auf dem Perron oder im Zuge Leute, und mußte sich sagen, daß das vorge— schlagene Gesetz ohne Aenderung auf diesen Fall nicht anwendbar sei. Eine derartige Auffassung glaubte man als eine berechtigte nicht an— erkennen zu dürfen. Der angeführte Fall ist aber auch nicht der einzige, es würden sich noch mehrere in diesem Sinne finden lassen. Aber es war der nächstliegende, —— Man denke ich bitte das festzuhalten daß das Gesetz nicht sagt: der Eisenbahnunternehmer haftet für den betreffenden Schaden, der bei seiner Unternehmung entsteht, sondern es ist gesagt: Der Unternehmer haftet für den Schaden beim Betriebe der Eisenb ahn, und das Wort Eisenbahn hat hier den engeren Sinn, daß darunter verstanden ist der Bahntörper mit seinen Schienen, auf dem eben das eigentliche Eisenbahn— gewerbe betrieben wird, daß also von denjenigen Unfällen im Para- graphen J die Rede ist, die entstehen bei der Vorbereitung, der Durch- führung, dem Abschlusse dieses erwähnten Betriebes. Der Herr Abg. von Unruh hat ein Amendement eingebracht, dahin lautend:

Wenn bei den Beförderungen auf einer Eisenbahn oder durch deren Lokomotiven und Wagen auf dem Fahrgeleise der Bahn ein Mensch getödtet oder körperlich verletzt wird u. s. w.

Er geht offenbar davon aus, die Inkonvenienz des preußischen Rechts, die ich mir eben zu kennzeichnen erlaubte, auszuschließen und

glaubt das hiermit erschöpfend gethan zu haben. Ich kann nicht

umhin, doch den Ausdruck der Vorlage vorzuziehen, schon

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aus einem prinzipiellen Grunde, den, wie ich glaube, sehr treffend der Herr Abg. Lasker im Eingange seiner Rede hervorhob, daß es wünschenswerth sei, mit allgemeinen Sätzen Und nicht mit Details, Beisplelen und Spezialien im Gesetz zu hand⸗ tieren. Ich besorge, daß das, was der Herr Abg. Lasker sagte, gleich auf diesen Fall anwendbar ist. Die Beförderung auf der Eisenbahn ist die erstẽ Kategorie, dann heißt es: »durch deren Lokomotiven und Wagen auf dem Zahrgeleise«; ich weiß nicht, ob damit wirklich alle Unfälle, die unter das Wort »Betriebe mit Recht gerechnet wer— den müssen, zu erschöpfen wären, aber ein Bedenken tritt mir sofort bei der Fassung entgegen: ist damit gemeint, daß der Verletzte auf dem Bahngeleise gewesen sein muß, oder ist damit nur gemeint, daß die Lokomotiven und Wagen auf dem Bahngeleise gewesen sind? Das ist ein Unterschied. Nehmen Sie an ich komme wieder auf das gebrauchte Beisgiel zurück daß ein Lokomotivfessel springt; dann wird bei der letztern Auffassung der Mensch, der guf dem Bahn⸗ geleise steht, entschädigt, der aber, der außerhalb des Bahngeleises war, nicht. Ich führe das nur an, um darzuthun, wie schwer es ist, wenn man in eine Kasuistik hineintritt, den richtigen Ausdruck zu treffen; ich glaube, man thut dann besser, einen allgemeinen Ausdruck zu wählen, der ein gemeinverständlicher ist. Ich erlaube mir zur Be— ruhigung des Herrn Abg. v. Unruh es ist ja schon so Manches aus dem Internen des Bundesraths hier vorgeiragen noch etwas mehr davon mitzutheilen. Es hatte der Justizausschuß gegenüber der Vorlage, die nur von »Bewegung« sprach, die Fassung beantragt, die gegenwärtig hier steht. Der Bundesrath des Norddeutschen Bundes fand das bedenklich und verlangte das Gutachten des Ausschusses für Handel und Verkehr oder für Eisenbahnen. Der Ausschuß erklärte fich mit der Fassung einverstanden, und diesem Ausschuß gehörte unter Anderen an der Direkter des preußischen Eisenbahnwesens.

Ich bin dann weiter befragt worden: wie steht denn die Sache mit dem Begriff »Eisenhahna? Ist dasjenize richtig, was Herr Ihne und Genossen in ihrer Denkschrift behaupten, daß alle die Dinge, die dort genannt sind, nter den Begriff »Eisenbahn« fallen? Da will ich zünächst von dem Unterirdischen reden und die ganz bestimmte Behauptung aussprechen, daß bei dem Begriff »Eisenkahn« man nur an die Unternehmungen über der Erde gedacht hat; die Unter nehmungen unter der Erde vermittelst einer sogenannten Eisenbahn haben keine andere Bedeutung als alle anderen Maschinen, die zur Erleichterung des Betriebes in einem Bergwerk benutzt werden. Das in Bezug auf das Unterirdische. Ich komme nun auf das Ueber⸗ irdische Aufirdische würde man es wohl richtiger nennen. Es ist der Gesichtspunkt, den der Herr Abz. Dr. Schwartze hervorgehoben hat, meines Erachtens in der That doch zichtig Es kommt nämlich darauf an, ob eine solche Eisenbahn wirklich nur integrirender Theil einer anderen Unternehmung ist ich betone das Wort »nurs. In diesem Falle kann man in der That nicht mehr sagen, als daß es sich um den Betrieb eines Bergwerkes oder einer Hütte handle, zu dessen Eileichterung derartge Einrichtungen dienen, die man im gewöhnlichen Leben auch Eisenbahnen nennt, die aber keine andere Bedeutung haben, als jedes Geleise unter der Erde im Bergwerke. Aber es giebt auch noch andere Eisenbahnen, die zum Betriehe einer Hütte dienen, die zur Förderung von einem Bergetablissement nach einem Hütten etablissement im weitesten Sinne reichen, und die von nicht unter— geordneter Ausdehnung sind, diese Eisenbahnen werden vermöge ihrer Natur auch unter das allgemeine polizeiliche Eisenbahn⸗Reglement fallen, weil sie eben ganz nach denselben Grundsätzen polizeilich be⸗ handelt werden müssen wie die Eisenbahnen im gewöhnlichen Sinne des Wortes, und für diese Eisenbahnen würde ich allerdings der Mei—⸗ nung sein, daß der §. 1 seine Anwendung finde, und zwar aus sol⸗ gendem ganz einfachen Grunde: Wenn auch durch die Bahn nur die eigenen Produkte des Bergwerksbesitzers weggeschafft werden nach der eigenen Hätte, um dort mit verbrannt zu werden, so bleibt doch immer die Gefahr nicht blos für die Beamten, sondern auch für alle dritte Personen dieselbe, wie bei allen anderen Eisenbahnen; auch üher solche Eisenbahnen muß von den Leuten, die rechts und links der Eisenbahn wohnen, hinweggefahren werden bei den Durchlässen. Diese Bahnen sind meines Erachtens also auch Eisenbahnen im Sinne des Gesetzes. Wo die Linie zwischen den beiden Kategorien zu ziehen ist, meine Herren; bin ich nicht im Stande priori zu sagen, das ist Sache des konkreten Falles; man muß dann eben fragen, wie liegt die Sache nach den Prinzipien, die ich mir erlaubt habe anzu— deuten. Der dritte Punkt ist die höhere Gewalt. Meine Herren, ich habe mir erlaubt, beim Eingange in die Generaldebatte neulich her⸗ vorzuheben, es fei meine Änsicht, daß die höhere Gewalt im Sinne des Entwurfs und der unabwendbare äußere Zufall ich werde mich bemühen, die beiden Dinge nicht zu verwechseln mit feinem Zusatz im preußischen Gesetze, daß die wirklich ganz das= selbe bedeuten, und ich bin verpflichtet, hierfür doch noch aus der Entstehungsgeschichte und der Anwendung des preußischen Gesetzes Einiges zu fagen. Nicht will ich Sie behelligen etwa mit Vorzeigung von Urtheilen, die über das Handelsgesetzbhuch und dessen Bestimmung hinsichtlich „höherer Gewalt« im Artikel 395 ergangen sind, obwohl ich im Stande wäre, die Urtheile so zu lesen, daß ich statt » höhere Gewalt immer »unabwendbarer äußerer Zufall« lese und dennoch der Sinn immer ganz derselbe sein würde. Aber ich will Folgendes an= führen: Es ist die Fassung des preußischen Gesetzes im Staatsragth entstanden und zwar unter hauptsächlicher Verweisung auf den §. 1734. 8. II. A. L. R. und der lautet:

Den ausgemittelten Schaden muß der Schiffer ersetzen, wenn er nicht nachweisen kann, daß selbiger durch inneren Verderb der Waaren oder durch einen äußeren Zufall entstanden ist, dessen Ab⸗ wendung er nicht in seiner Gewalt hatte,

und wenn man gegenüber diesem Muster nicht den letzten Ausdruck

»Gewalt« gewählt, sondern den ersten väußerer Zufall genommen hat, so liegt das einfach darin, daß der „äußere Zufall noch an ver⸗ schiedenen anderen Stellen des Landrechts vorkommt. Was aber die Praxis betrifft, so werde ich mir erlauben, aus einem Erfenntniß des Obtt · Tribunals aus dem Jahre 1863 eine Stelle vorzuführen, und zwar nur die Stelle, die hier speziell interessirt Es heißt dort:

»Als ein unabwendharer äußerer Zufall, worunter die Ent⸗ stehung des Schadens durch ein Ereigniß höberer Gewalt verstanden werden muß⸗

Meine Herren! Ein sehr verdienstvoller Schrifisteller auf diesem Gebiete, Herr Lehmann, hat die Frage auf das Allergenaueste erwogen und hat in dem schließlichen Resums auf Seite 34 seiner Schrift, die wohl Viele von Ihnen in Händen haben werden, gesagt:

»Der Richter wird den rechten Weg gehen, wenn er den Be⸗ griff „vis major“ (also die höhere Gewalt) eng auffaßt und von der Bahn den Nachweis »eines von außen kommenden seiner Natur nach oder nach Lage der Sache unabwendbaren Ereignisses verlangt.«

Ich glaube, ich stehe mit meiner Meinung, daß die Sache dieselbe ist, nicht allein. Nun könnten Sie freilich sagen: wenn dem so ist, warum wünschen die Bundesregierungen, daß der Ausdruck, den Sie vorgeschlagen haben, amendirt wird? Meine Herren, das hat einen sehr einfachen Grund, und zwar einen Grund, der eigentlich aus der Stellung als eines Faktors der Gesetz⸗= gebung des Deutschen Reiches herzuleiten ist. Es giebt ein Deutsches Reichsgesetz das Handelsgesetzbuch, und das braucht für ganz analoge Fälle denselben Ausdruck: höhere Gewalt« Es konnten die verbündeten Regierungen es nicht für geeignet halten, für die Reichsgesetzgebung von deren eigenem Sprachgebrauche auf die Ausdrucksweise eines Landesrechts zurückzugehen. Allerdings habe ich von einem anderen, auf diesem Gebiete sehr thä— tigen, juristischen Schriftsteller, von Koch, den Satz gelesen: die Kom⸗ mission, welche das Handelsgesetzbuch ausgearbeitet habe, habe einen wahren Erisapfel mit dem Begriffe der höheren Gewalt« unter die Juristen gtworfen. Allein, meine Herren, davor fürchte ich mich nicht; denn etwas zum Erisapfel unter den Juristen zu machen, würde vielleicht als etwas zu Schweres nicht angesthen werden können. In der That ich gebe das zu ist ein großer Streit in der Theorse enistanden, und die Herren haben sich abgemüht, die »höhere Gewalt« zu definiren; zahlreiche Definitionen wäre ich im Stande Ihnen vorzutragen; ich möchte aber von keiner behaupten, daß sie Alles erschöpfte. Es ist das eben einer der Begriffe, die ihren wahren Inhalt nur empfangen können im einzelnen Falle; sie lassen sich nicht abstrakt definiren. Daher ist es gekommen, daß, obschon der Erisapfel in der Theorie vorhanden ist, in der Praxis die Sache sich doch gemacht hat. Und sollte nun gar § 10 des Amendements angenom— men werden, wonach das Bundes⸗Oberhandelsgericht in letzter Instanz zuständig sein würde, nun meine Herren, dann können Sie sich bei diesem Ausdruck höhere Gewalt« um so mehr beruhigen, als dieser Begriff bei diesem Gesetze alsdann ebenso ausgelegt werden würde, wie über ihn bei jenem andern Paragraphen des Handelsgesetzbuchs von demselben hohen Gerichtshofe erkannt werden muß und erkannt werdin wird.

Ich glaube, es bleibt nur noch übrig, auf das Amendement des Herrn Abg. Reichen sperger einzugehen; er will dem ersten Satze des §. 1 den Zusatz hinzugefügt wissen:

»Der Betrieb s-Unternehmer haftet insbesondere auch für die durch seine Angestellten und Arbeiter bei Gelegenheit ihrer Dienst - verrichtungen verursachten Beschädigungen eines Menschen.«

Ich möchte meinen, daß namentlich in dieser Fassung das Amendement unannehmbar sei. Welche Falle umfaßt denn der Para—= graph, der vorgeschlagen ist? Neben denjenigen Fällen, in denen es sich um einen abwendbaren Zufall handelt, zwei große Kategorien: die Schuld der Eisenbahnbeamten und die Schlechtigkeit des Materials. Die eine der beiden großen Kategorien wird in dem zweiten Absatze, obwohl sie schon in dem ersten Absatze drinliegt, noch einmal speziell erwähnt, und zwar mit den Worten »insbeson⸗ dere auch« u. s. w. Wenn ich dem Sinn des Herrn Abg. Reichensperger folge, so müßte es eigentlich heißen: der Be⸗ triebs unternehmer haftet unter allen Umständen u. s. w. Dann würde ein derartiger Widerspruch oder vielmehr ein Doppelsagen desselben Gedankens nicht vorhanden sein, sondern wir würden es dann mit einem neuen Gedanken zu thun haben. Und in der That ist die Begründung des Antrages auch von diesem Ge. sichtspunkte aus erfolgt. Es ist gesagt worden: bleibt der Ausdruck v»unabwendbarer Zufall« bestehen, so ist es zweifelhaft, ob, wenn etwa die Eisenbahnarbeiter eine Meuterei ausführen, sich zufammenrotten und mit vereinter Kraft die Bahn zerstören, dieser Fall unter den im §. 1 ins Auge gefaßten fällt, es sei das aber nicht zweifelhaft, sondern allem Vermuthen nach muß man annehmen, er fällt nicht darunter, wenn der Ausdruck höhere Gewalt« stehen bleibt. Meine Herren, ich möchte doch glauben, daß dem kaum so ist. Der Fall, der hervor- gehoben worden, ist doch wirklich ein sehr singulärer. Es mußte ge— rade eine Meuterei der Eisenbahnarbeiter entstehen mit Zusammen— raffen ihrer Kraft zu dem feindlichen Vorgehen, damit der Vergleich mit einer Räuberbande, welche genannt worden ist, zutrifft. Macht sich denn das mit einem Male aus der heiteren Luft: Ich meine: ehe die Bahnarbeiter gegen ihre Verwaltung sich so auflehnen, dann liegen bereits manche Dinge dazwischen; da ist schen Streit und Zank gewesen und es muß vor allen Dingen auch der Zweifel bei der betreffenden Bahnverwaltung entstanden sein, ob die Leute, die in einer solchen Opposition sich zu der Verwaltung befinden, zuverlässige und brauchbare Leute

seien. Und wenn ich mir den Gang der Dinge so historisch vorstelle, so bin ich weiter der Meinung, wenn die Eisenbahnverwal-⸗