1871 / 178 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 24 Nov 1871 18:00:01 GMT) scan diff

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Gesetzjebung in Bezug, auf. das Strasrecht an das Reich hat das Reich nicht etwa blos Rechte, es hat auch Pflichten ühertom- men und eine Veipflichtung, die Strafgesetzgebung ihatig werden zu lassen, kann ganz sicherlich nicht blos da als vorhanden angenommen werden, wo ein Bedürfniß zugleich in allen Theilen des Reichs em- pfunden wird. Jadessen, ich will diesen Gesichtspunkt nicht weiter urgiren. Aber den größten Werih lege ich auf die Behau tung, daß es sich im Wesentlichen um eine gemeinsame Angelegenheit des Reichs fragt, um eine gemeinsame Angelegenheit in dem Sinne, daß man jedem einzelnen Bundezstaate zurufen könnte: „Tua res agitur

Wir haben bei Gründung des Reiches einen Organismus ge— schaffen, ein organisches Ganze; die nothwendige Folge davon ist, daß, wenn ein Glied des Reichs leidet, bald der ganze Organismus mit- leiden wird. Auch in dem Sinne kann man von einer gemeinsamen Angelegenheit sprechen, als das Bild einschlägt, daß es im Nachbar haufe brennt. Die Weiterverbreitung des Brandes ist nicht auige⸗ schlossen, nein, sie liegt sehr nahe. Seien Sie davon überzeugt, wenn die Gegner, gegen welche wir kämpfen, wohl in Bayern den Sieg werden errungen haben, werden sie sich mit Ihrem Erfolge nicht begnügen. Sie werden ihre Expeditionen weiter führen und ihren Truppen andere Wege anweisen. Denken Sie nur, meine Herren, an unsere neu erworbenen Provinzen, an Elsaß und Lethringen!

Wenn ich zur Hauptsache selbst übergehen will, so bezeichne ich den Kern der Sache, um den es sich handelt, damit, daß es sich fragt, wer Herr im Staate sein soll, die Regierung oder die römische Kirche.

Ich habe gesagt die Regierung. Ich meine damit nicht irgend ein absolutes Regiment, ich meine damit nicht irgend ein bestimmtes Ministerium, welches ein Interesst daran hätte daß die Herrschaft seines Systems nicht gebrochen wird, nicht ein Ministerium um es . und trivialer auszudrücken, das die Portefeuilles in seinen Hän⸗

en gern erhalten sähe, nein! die Regierung ist in dem vorliegenden Falle Alles, was zu den Organen des Staatsregimentes gehört, vom Monarchen angefangen bis zu den Vertretern des Volkes, einerlei, welches System sich jrweilig in Geltung befindet. Diese Behauptung erlauben Sie mir mit Folgendem zu begründen Kein Staatswesen hat Bestand, in welchem zwei Regierungen neben einander bestehen, noch viel weniger dann, wenn die beiden Regierungen sich unter einander bekriegen, wenn die eine Regierung Dinge empfiehlt und durchzuführen sfucht, welche die andere Regierung als verwerflich bezeichnet. In einem solchen Stagtswesen muß nothwendig alle Autorität zu runde gehen. Die Achtung vor dem Gesetze wird verschwinden, das Ansehen der Verwaltung aufhören, alle Grundlagen der öffent lichen Ordnung werden erschütteri. Besser keine Regierung in einem Lande, als deren zwei. Ein solcher Zustand, wie dersenige ist, von dem ich mir so eben zu sprechen erlaubt habe, findet sich aber sehr leicht in denjenigen Staaten, deren Bevölkerung der Mehrheit nach, wenn auch nur vorübergehend, den Einflüssen der römischen Kirche preisgegeben ist. In solchen Staaten bestehen in Wahrheit zwei Regierungen neben einander, und wenn die weltliche Regierung der kirchlichen sich nicht einfach unterwirft, stehen sie gegen einander. So ist es nicht blos dann, wenn eine Regierung kirchenfeindlich, wenn sie religionsfeindlich zu Werke geht, o nein! auch dann, wenn sie troß ber größten Achtung vor der wahren Religion, trotz offenkundiger Religionsfreundlichkeit nur danach strebt, den Rechten versciedener Konfesstonen Geltung zu verschaffen. Das Gegeneinander der Regie rungen wird nicht ausbleiben, ich wiederhole es, wenn sich die welt⸗ liche Regierung nicht einfach dem Kirchenregimente unterwirft. Rur unter dieser Bedingung ist die Hersiellung eines emheitlichen Re—⸗ gimentes denkbar. Sie verlangen den Nachweis dieser Behauptungen und nichts finde ich begreiflicher. Liegt ja doch die Behauptung sehr nahe, daß das weltliche und das kirchliche Regiment jedes sein Gebiet für sich habe und daß beide, insofern sie sich auf ihr Gebiet beschränken wollten, sehr wohl in Frieden neben einander zu bestehen vermögen.

Vielerwaͤrts, ich gebe es zu, uad auch zu verschiedenen Zerten ist es auch wirklich so gewesen. Thatsächlich, ja, meine Herren, aber ein rechtlich gesicherter Zustand ist dies niemals gewesen. Daß jedes Re⸗ giment sein Gebiet für sich habe, das hat die Kirche niemals von Rechtswegen zugegeben, sie hat von jeher andere Theorien vertreten, und wenn sie dieselben zweimal nicht praktisch vollzogen hat, so hat sie es gewiß nicht aus dem Grunde gethan, weil sie den bestehenden Zustand für den berechtigten hielt, sondern weil sie, wie dies vielfach Jeäußert worden ist, die Zeiten für zu schlecht gebalten hat.

Die Kirche vindizirt sich als ihre eigenen Gebiet die des Glaubens und der Sitte. Von dem Gebiet der Glaubens in diesem Augenblick zu sprechen ist keine Veranlassung. Was aber das Gebiet der Sitte betrifft, so legt die Kirche ihre Beredtigung dahin aus, daß in dieses Gebiet alle Beziehungen des Menschen zu einander gehören. Es ist keine Materie denkbar, welche man als Staatsangelegenheit bezeichnen könnt? und welche nicht auch von der Kirche mindestens unter Um— ständen als etwas bezeichnet wird, was ihrem Regimente an⸗ häimfällt. Viele Beläge für diese weitgehende Behauptung stän—⸗ den mir zu Gebote; gestatten Sie mir, daß ich nur einen ein zigen anführe. Ich erwähne die Finanzgesetze. Man sollte doch meinen, daß die Frage, ob diese oder jene Steuer in einem Jande erhoben wird,” garnichts kirchliches an sich habe, und dennoch sind auch diefe Dinge als ein Gegenstand bezeichnet worden, über die sich eventuell die Autorität der Kirche erstrecke Man giebt kirchlicherseitz zwar zu, daß solche Gesetze wie diese und z. B. auch die Gesetze über die Regelung der Staatsämter in ihren verschiedenen Abstufangen rein profane Dinge betreffen, durch wꝛilche 5 rein geistliches Interesse direkt berührt würde; man fügt aber sogleich hinzu daß es dow indirekt geschehen kann, daß solche Gestze Handlungen, welche die Kirchengesetze als sündhaft bez iihnen, he, ünstigen, denselben eine Art kirchlicher Weibe geben, und den Unterthanen die Gelegenheit bieten, solche Handlungen auszuführen und folgert hieraus, daß es der

Kirche zukomme, den weltlichen Gesetzgeber, wenn er aus Unwissen. heit oder Bosheit Gesetze erläßt, deren Materie zwar auschließlich ö ist, die aber indirett die Seelen schädigen, zu ermahnen und ede gesetzliche Bestimmung, durch welche ihrer Ueberzeugung nach die höheren, ihrer Obtzut anvertrauten, unverletzlichen und geheiligten Interessen beeinträchtigt werden, aufzuheben.

Es giebt allo nach kirchlicher Theorie ein Gebiet, welches aus.

schließlich der Kirche anheimfällt und in welchem der Staat nichts zu

sagen hat; aber es giebt umgelehrt kein Hebiet, das ausschließlich dem iimfiel Schon hierauß folgt, daß eine Einheit des Regiments, ein Äusschluß der Doppel.

Staate anheimfiele und eventuell nicht der Kirche.

reglerung in den Staaten, von denen ich vorhin gesprochen habe, nur denkbar ist bei der einfachen Unterwerfung der welilichen Regierung unter die kirchliche. .

Gewiß ist nichts natürlicher, als daß der Staat und seine Regie— rung sich diesen Schlußsolgerungen nicht einfach unterwerfen; ein solches Verhalten des Staats wäre gleich der Abdankung, ja es wärt mehr als Abdankung, wenn er räahig mit zusehen wollte, wenn seint Gefetze nicht etwa blas von einer berechtigten, Jedermann zustehenden Kritlk angefochten würden das würde der Staat nie zu verhindern

im Stande sein sondern von einer zweiten obrigkeülichen Macht

als unwirksam und nicht verbindlich erklärt werden. Ich wiederholt nichts ist natürlicher, als daß sich der Staat dagegen zu schüßtzen ver sucht, nichis natürlicher, als daß er seine Autorität wahrt, daß er nicht duldet, daß die Kirche einen dicken Strich macht durch sine Ge setze und durch seine Anordnungen.

Was ich hier von den Absichten und Anschauungen der Krrche sage, ist nichts Neues, diese Dinge sind läugst dagewesen. Alte Theorien sind es, von denen ich hier spreche. Eben so alt sind auch die Versuche der Staaten, sich gegen die Schlußfolgerungen aus solchen alten Theorien zu schützen. ie sinden in allen Gesetzgebungen ein Kapitel von der Kirchenpolizei. Dort sind verschiedene Meitlel be

zeichnet, durch welche der Staat es versucht, sich gegen die Uebergrif

der Kirche sicher zu stellen. Sie finden eine Vorschrift über das Pla.

cetum regium, über den recursus ab abusu und ähnliche Dinge.

In diesem Kapitel hat der Staat nicht genug gethan; er hat damit keinen Schutz für sein Gebiet geschaffen, das liegt jetzt klar zu Tage; die jüng.

sten Erfahrungen baben dies zur Genüge gezeigt. Ueber Placetum regimm und recursus ab abusu hinweg haben sich die kirchlichen Behördnn

gesetz und ihre Zwecke unbekümmert um die bestehenden verfassungk⸗

mäßigen Bestimmungen verfolgt. Ich bin der Letzte, den dieses wun. dert bei dem Mangel an exekutiven Vorschriften, die man neben dite

betreffenden Bestini mungen hätte setzen müssen, wenn sie irgend einen praktischen Werth hätten haben sollen. Es ist einleuchtend, daß ein folcher Zustand nicht für die Dauer hestimmt ist.

Werfen Sie nochmals einen Blick auf die Sachlage zurück, Zwil Gewalten bestehen im Staate; der Staat schüßt mit seiner Gewalt mit der weltlichen Gewalt, die Autorität der Kirche. Er zwingt den neugeborenen Siaatsbürger in ein religiöses Bekenntniß hinein, a einn. mit seiner Gewalt das Kind zur Theilnahme an dem religi. en Unterricht, an religissen Uebungen 2c. Von der Wiege bis zum Grabe macht er den Staatsangehörigen hegreiflich, daß die Autorität der Kirche zu achten und zu ehren 16

Dem entgegen vindicirt sich die Kirche das Gebiet des Staates und ganz offen die Oberhoheit über den Staat. Kirchlicherseits i dieses so oft, so aufrichtig und so laut ausgesprochen worden, daß

man kein Bedenken tragen kann, es nachzusagen. Und nun belaͤmpft

die Kirche mit ihren Organen den Staat, so oft sie nicht mit ihm einverstanden ist und zwar unter Anwendung des Ausspruch̃s, daß seine Gesetziebung mit dem göttlichen Gesetze in Widerspruch stehe, daß es Gottes Gebot sei, den schlechten Gesetzen des Stagtes den Ge— horsam, zu verweigern und daß es religiöse Pflicht sei, Gott mehr zu

gehorchen als den Menschen, daß aber selbstoerständlich die Kirche i

sei, welche zu bestimmen habe, was Gott befiehlt, was nicht. Wůürdt der Staat das anerkennen, er läge bald mit gebundenen Han. den zu den Füßen der Kirche

Feuer brannte nicht. Was ist begreiflicher, ich wiederhole es, als neu Anstrengungen des Staates zum Schutze feiner Stellung. Wie aba soll man diese Anstrengungen ins Wirk setzen in welcher Richtum soll man sich bemühen, gegen die bestehenden Verhältnisse Abhülfe z

schaffen? foll man es ihun durch Pflege und Ausbildung der Institut;⸗

des Placetum regium, des recursus ab abusu und ähnlicher Dingtl Offen gestanden, meine Herren, ich bin dieser Ansicht nicht, ich bin

fein Freund, sondern ein entschied'ner Gegner von Instituten wie del

Piacetum regium und der recursus ab abusu. Dlieser Meinung hul⸗ dige ich nicht ausschließlich, ja nicht einmal vorwiegend deshalb, weil ich di Ohnmacht des Staates auf diesem Gebiete anerkenne. Freilich halt

ich es für sehr heilsam, sich diese Ohnmacht zu vergegenwärtigen um ch vor Augen zu balten, daß es nicht möglich ist, von Seiten dit

loeltlichen Regielung eine Macht zu üben über die Gewissen, daß h dem Staate nicht zukommen kann, Nachlaß der Sünden zu erzwingen wo er vom Diener der Kirche verweigert wird, die feierliche Trauum zu erzwingen, wo man stie aus kirchlichen Rucksichten verweigern n müssen glaubt u. s. w. Aber ich bin der Ansicht, daß man d pjabetum regium und ähnliche Sachen nicht weiter verfolgen sol weil sie nit den Prinzipien des Staats, mit den Prinzipien del vilgeschmähten modernen Staats geradezu ugvereinbar sind.

Sißgat muß sich selbst treu bleiben, auch wo er seine Gegner bekãmpft Der moderne Staat schreibt auf seine Fahne die Gewissensfieihel Daraus folgt, daß kein Kultus ⸗Minister das religiöse Glauben

bekenntniß irgend einer Religtonsgeiellschast orthopadisch behandell

kann. Daraus folgt, daß kein Kultus Minister bestimmen kann, In. als Mitglied einer Kirden emeinde anzuerlennen ist, und wer nicht. Daraus folgt, daß kein Lultus - Minister bestimmen kann, wer geist

liche Funklonen vornehmen darf und wer nicht. Das gebe ich Alle

diesem Klerus gemacht hat,

Der Staat hat es nie gewollt, er hat sich zu wahren versucht, aber sein Schwert war stumpf und sein

unleuabaren Schmeichelei gegen

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Auch hier bekenne ich mich, wie ich es bereits an einem andern Dre gethan, zu dem Satze, daß der Kirche jene Freiheit eingeräumt werden muß weiche die Konsequenz der modernen Staagtsthegrien ist, und welche sie im Kampfe gegen die Institution des Placetum re— giunm verlangt 1

Aber eine Folge ziehe ich daraus dee, daß auch dem Staate seine Freiheit werden muß Es ist undenkbar, daß der Staat der Kirche als Schemel diene Au ihrer Erhebung über Gesetz und Necht.

Sz ist undenkbar, daß der Staat das Vollzugsorgan derjenigen Kirche

die sich vollständig unabhängig von ihm gestellt hat. Es ist un denkbar, daß der Staat auf seinem Gebiete der Kirche als solcher ein Wort mitzusprechen gestatte. Er muß sein Geblet abgrenzen, er muß es schützen Das kann nun freilich nicht geschehen durch einen förmlichen Abschluß, durch Hinderung alles Verkehrs; gewiß nicht! aber es kann geschehen durch Aufrichtung eines Systems von Boll— werken gegen jeden feindlichen Angriff. Ein solches Bollwerk, meine Herren ist nach unserer Anschauung das vorgeschlagene Geset.

Ich habe schon vernommen, daß man deu Gesetz den Vorwurf macht, es sei ein Ausnahmegesetz. Nein! zwischen Kirche und Privaten ober auch einem Vereine von Privaten läßt sich kein Vergleich ziehen. Bie Kirche ist eine Macht, eine souveräne Macht, ein Staat im Staate; sie ist mehr; sie ist ein Staat, der sich über viele Stagten hinweglieht. Von einem Ausnahmegesetz, ven einem privilegium zdiosum, kann man dem vorliegenden Gesetzentwurfe gegenüber so wenig sprechen, als bei den Bestimmungen, die für die Delilte von Beamten und in ähnlichen Fällen getroffen sind,

Der Gesctzentwurf, dessen Annahme wir Ihnen empfehlen, ist auch feine neue Erfindung. In vielen Strafgesetztzebungen sinden sich ähnliche Bestimmungen Bestimmungen von viel größerer Schärfe; sie sind im verschiedenen Stagten in Deutschland in Geltung und,

sei /

was sehr zu beachten sein wird, in sehr vielen europäischen Staaten,

und gerade in denjenigen, in welchen die katholishe Kirche sich der meisten Nechte erfreut: in Italien in früheren Zeiten, in Spanien, in Frankreich, in Belgien.

Sie wenden vielleicht ein, daß die Strafbestimmungen, von denen ich rede, aus Zeiten firchenfeindlicher Regierungen stammten; sie wurden aber von allen späteren Zeiten beibehalten, und man hat diese Be⸗ fimmungen in jeder Zeit erneuert, so verschiedene Regimenter auch am Ruder gewesen sind.

Ein Einwand könnte mir auch noch gemacht werden, dahin gehend, daß ich ja selbst zugestanden hätte, es handele sich nicht um Neuerun— gen, sondern um alte Theorien, um alte Zustaͤnde, also sei auch kein Hrund, jetzt in der Gesezzebung Neucrungen zu machen. Ja, das ist wohl richtig, aber zwei Gründe giebt es, die doch die Lachlage wesent. lich verändern. Ein Giund liegt darin, daß man in neuerer Zeit einen Anlauf genommen hat, dle alten Theorien so recht tüchtig ins Feben einzuführen, und der zweite Grund liegt darin, daß man sich in dem neuen Dogma neue Einrichtungen geschaffen hat, welche ditsen Bestrebungen einen sehr guten Untergrund gewähren. Um von dem ersten Grunde zu sprechen, so darf nicht übersehen werden, daß in vielen deutichen Staaten der Klerus seit mehreren Dezennien zimlich umgestaltet worden ist. Der Klerus, wie ich ihn in meiner

ugend kannte, wie ihn die alten Fürstbischöse erzogen batten, der, meine Herren, ist ausgestorben, an seine Stelle ist ein Klerus ge— freten, der im wesentlschen das Ebenbild des Jefuitismus ist. Meine Herren! Die Erfahrungen, die man in verschiedenen Ländern mit sind in der That höchst bedenklicher Natur. In unzähligen Reden von den Kanzeln bei vielfachen Ge⸗ legenheiten geistlicher Amtsübung erfolgen Angriffe auf die weltliche Regierung, die sich kaum recht hezeichnen lassen, Ei handelt sich nicht eiwæ um Kritiken einzelner Geseße und obrigkeitlicher Anordnungen, nein, die ganze Haltung der Negierung wird verurtheilt, nicht der Re⸗ gierung allein, sämmtlicher Gesetzgebungsfattoren. Man hat der Ge⸗ setzibung der heutigen Staaten den Vorwurf gemacht, daß sie für ihren Beruf gänzlich unfähig sei, daß sie nur hin und her taumele zwischen den verschiedenartigsten Versuchen, heute das, morgen jenes propontre, nicht etwa im Interesse der Bevölkerung, sondern nur zu rem Schaden. Man erklärt die Interessen des Volkes durch diese Ärt der Handhabung der Gesetzgedung und Verwaltung auf das Aceußerste gefährdet und weiß sich kaum in genügenden Sc mäbungen gegen den modernen Staat zu ergehen. Man befäwmpft nicht mit den Gründen einer sachlichen Krjtik die Handlungen der gesetzgebenden

Gewalt und der Verwaltung nein, immer mit dem Vorwurf, daß

die Akte der Gesezgebung und die Atte der Verwaltung mit der Re liglon, mit Gottes Gebot im Widerspruch steben, und daß es eine Pfücht der Religion sei, denselben den Gehorsam zu verweigern. 6. Ansehen der welilichen Regicrung wird auf diese Weise unter⸗ graben.

Meine Herren! Man hat schon sehr viel davon gesprochen, daß dle Kirche im Beg iff stche, mit den Massen des Voltes sich zu ver binden und mit diesen ihren Zwecken nachzustreben. Nun, meine Herren, ich lasse dahingestellt, wie viel an solchen Aufstellungen be⸗ gründet ist, ich will hierüber keine Enticheidung treffen, ich will nicht von den Belegen sprechen, die tagtäglich namentlich in den Blättern der ultramontanen Richtung sich dem Leser aufdrängen; ich will nicht davon sprechen, daß ich meinerseits im Stande wäre, die Grande, die für folche Aufstellungen sprechen, zu vermehren; aher das bleibt doch wahr, meine Herren: die Geifllichen, von denen ich mir bis her zu fprechen erlaubt babe, benehmen sich so, als wenn die Verbindung der Kirche mit den Massen wirklich benßände. Wenn sie die Regierung bekämpfen, wenn sie ihre Interessen vertreten, geschieht es mit einer die Massen und gegen die Empfin⸗ dungen der Massen. Man stärkt und steift sie in ibrer Abneigung zu steuern für hohere Zwecke, und die Entlastung der Massen ist dieser Richtung von Rednern die Hauptsache.

So ist es, meine Herren, wie ich mir zu sagen erlaubte, bei uns

zu Hause; Sie haben auch hier schon Anklänge gehabt, welche Ihnen manche Andeutungen dafür geben, daß meine Behauptungen nicht ungegründet, nicht übertrieben sind.

Ich erinnere Sie nur an die Neden, in denen immer die Floskeln vorkommen, daß der Eine oder Andere der Abgesandte des Volkes sei lals wenn es nicht Alle wären, die sich hier befinden) daß man gesandt sei von dem Volke, das hinter uns« steht, und wie dergleichen Dinge alle heißen. Würde die Art und Weise, zu sprechen, von der ich eben rede, Königen gegenüber geübt, ich glaube wirklich, man hätte keinen anderen Namen dafür als »Byzantinismus«. hat i . , . Grund , man neuerdings Ursache

/ egen vorzugehen, das Dogma von de fallibilitä des Papstes bezeichnet. ö M

Ich, will mich nicht des Näheren auf diese Materie einlassen, aher einen Gesichtspunkt gestatten Sie mir hervorzuheben. Die alten Theorien, von denen ich früher sprach, waren längst in der Welt und vielen Katholiken hinreichend bekannt; sie waren kein Anlaß, um denjenigen Katholiken, der die Absicht hatte, mit dem Gesetz im Ein klang zu bleiben, irgendwie zu geniren, sie waren ja nur eine Lehr⸗ meinung, und der Katholik, der seiner Kirche treu bleiben, zugleich aber auch dem Gesetze Gehorsam prästiten wollte, konnte dies sehr wohl / ohne mit seinem Gewissen irgendwie in Kenflift zu gerathen. Jetzt ist das anders geworden, jeßt kann man eine solche Lehrmeinung nach Bedarf gls Dogma erklären, und dem betreffenden Katholiken bleibt nichts Anderes übrig, als die Wahl zwischen seinem Glauben oder dem Getorsam gegenuber der Regierung; beides mit einander verbinden wird er nicht können. Es ist die einfachste Sache von der Welt, eln Kind kann sie begreifen. Man erklärt alle Angelegenheiten, auch die Staatsangelegenheiten vom reinsten Wasser für Dinge die dem Gebiete der Sitten anheimfallen und daher dem Kirchenregiment unterstellt sind, man sagt, daß man das Recht habe, alle diese Sachen nach Bedarf als Glaubenssätze festzustellen, thut dies nach Bedarf, verlangt dann von der Regierung, daß ste einfach den Standpunkt der Unterordnung unter die Geseße der Religion einnehme, auch wenn sie nicht lediglich die Regierung von Katholiken ist, man denunzirt die Regierung als irreligiss, als der Exkommunikation verfallen, wenn sie nicht auch in weltlichen Angelegenheiten den kirchlichen Standpunkt einnimmt, und hofft es dahin zu bringen, daß die Regierung einfach nicht den neuen Glaubenssatz allein, sondern auch im Voraus die künftigen annehme und noͤthigenfalls zum Exekutor an sich selbst würde.

Einen Einwand konnte man weiter uns noch entgegenstellen: man könnte sagen, wir sollten mit dem Aufbau von Bollwerten gegen Uebergriffe erst dann beginnen, wenn man auch mit der Anbahnung der Freiheit begonnen haben würde. Nun darüber könnte man ver. schiedener Meinung sein; ich glaube, es ist vorsichtiger, sein Gebiet erst zu befestigen und dann erst dem Gegner freie Bewegung einzu⸗ räumen. Indeß ist diese Erwägung eigentlich nicht besonders zu be⸗ tonen die Hauptsache ist: Die Kirche hat bereits die Freiheit nicht vom Staate verliehen erhalten, sie hat sie sich gegeben.

Ein Zweifel ist über die Bedeutung des von uns veranlaßten Gesetzentwürfs noch erhoben worden, von dem ich wenige Worte sprechen will. Man fragt sich; wozu nützt der Gesetzentwurf? erreicht man die Absicht, die man billigerweise erreichen muß? Nun, meine Herren, ich gestehe offen, ich lege den größten Werthk, was den Gesetz⸗ entwurf betrifft, darauf, daß er demjenigen Theile der Geistlichkeit, welchem das von mir geschilderte Getriebe bis ins Herz hinein zu—⸗ wider ist, einen Schutz gewährt. Wir bei uns zu Hause haben solcher Geistlichen nicht wenige; sie waren bisher nicht stark genug, dem Terrorigmus der ultramontanen Presse zu widerstehen, der kaum zu qualifiziren ist, und dem Druck zu widerstehen, der von den geistlichen Oberen geübt wurde, die ihrerseits wieder von einem anderen spiritus familiaris getrieben wurden. Diefen Geistlichen ist ein Schuß durch unseren Geseßentwurf gewährt welcher ihnen es möglich machen wird, ihren Herzenswünschen ent⸗ sprechend Frieden mit dem Staate zu halten.

Im Uebrigen gebe ich zu, ein Universalmittel ist der von uns vorgeschlagene Geseßentwurf nicht, es ist nur ein Bollwerk, welchem bei Revislon des Kirchenstaatsrechts, wie ich mir die Sache denke, an dere folgen müssen. . ̃

Daß sind in Kürze die Motive, welche die bayerische Regierung bestimmt haben.

. Das Gesetz, betreffend die prägung von Reichs⸗ goldmünzen lautet nach den Beschlüssen des Reichstages in dritter Berathung:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kalser, König von Preußen 2c, verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

§. 1. wird eine Reichsgoldmünze ausgeprägt, von welcher aus Einem Pfunde feinen Goldes 1393 Stück ausgebracht werden.

SF 2. Der zehnte Theil dieser Goldmünze wird Matk genannt und in hundert Pfennige eingetheilt.

§ 3 Außer der Reichsgoldmünze zu 10 Mark .)) sollen ferner ausgeprägt werden:

Reichs goldmünzen zu 20 Mark, von welchen aus Einem Pfunde feinen Goldes 869, Stück ausgebracht werden 4. Das Mischungsverbälimiß der Reichs goldmünzen wird auf 900 Tausendtheile Gold und 100 Tausendtheile Kupfer festgestellt.

Es weiden demnach 125,83 Zehn⸗Mark. Stücke, 62,75 Zwanzig Mark-⸗Stücke je Ein Pfund wiegen.

§ 5. Die Reichsgoldmünzen tragen auf der einen Sçte den Reichsadler mit der Inschrift ⸗Deutscheäß Reich und mit der Angabe des Werihes in Mark, sowie mit der Jahreszabl der Ausprägung, auf der anderen Seite das Vildniß des Landesherrn, beziehungsweise