1872 / 87 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 Apr 1872 18:00:01 GMT) scan diff

2106

(Bulletin des lois 516 No. 3930 die nachstehend bezeichneten Vor⸗ rechte ertheilen: . ; ö

1) die Gesellschaft kann ihren Schuldnern gegenüber alle Rechte und die spezlellen Mittel zur Exekution anwenden welche durch das vorerwähnte Dekret und das dieses Dekret abändernde Geseß vom 16. Juni 1853 (Bulletin des lois 56 No, 5l6 eingeführt sind

Y die Hypothekeneinschreibungen zu Gunsten der Gesellschaft ge⸗ nießen den Vortheil des Artikels 47 des Dekrets vom 2ͤ68. FJe⸗ bruar 1852; - 6

3) die Gesellschaft hat das Recht, wenn sie es für zweckmäßig hält, die Purgation der geseßlichen und stillschweigenden Hypotheken nach Artikel 1 des Gesetzes vom 106. Juni 1853 zu erwirken;

4 die von der Gesellschaft gegen n n von Pfandbriefen oder Kommunal- Obligationen geleisteten Vorschüsse unterliegen dem Geseße vom 19. Juni 1857 Bulletin des leis 312 No. 4685),

Die Bestimmung im Artikel 46 des mehrgedachten Dekrets vom 28. Februar 1852 findet auf die gedachten fandbriefe keine An⸗ wendung. .

n lndlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei⸗ er e Te e, ehe rer

egeben Berlin, den 18. März 1872. ; ; (L. S.] Wilh el m. Fürst v. Bismarck.

(Das in der notariellen Urkunde vom 8. Februgr 1872 verlaut · barte Statut der Aktiengesellschaft für Boden und Kommunalkredit in Elsaß Lothringen wird durch die »Straßburger Zeitung und amt⸗ liche Nachrichten für Elsaß - Lothringen« und durch die »Zeitung für Lothringen« veröffentlicht.)

Neichstags⸗ Angelegenheiten.

Berlin, 12. April. Der dem Reichstage vorgelegte Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeam ten, lautet (Schluß):

z 52. (Nachweis der Dienstunfähigkeit) Zum Erweise der Dienstunfähigkeit eines seine Versetzung in den Ruhestand nachsuchen den Reichsbeamten ist die Erklärung der demselben unmittelbar vor⸗ gesezten Vienstbehsrde erforderlich, daß sie nach pflichtmäßigem Er= n ,. Beamten für unfähig halte, seine Amtspflichten ferner

u erfüllen.

In wie weit andere Beweismittel zu erfordern oder der Erklä— rung der unmittelbar vorgesetzten Behörde entgegen für ausreichend zu erachten sind, hängt von dem Ermessen der Über die Versetzung in den Ruͤhestand entscheidenden Behörde ab. ;

§. 53. Die Bestimmung darüber, ob und zu welchem Zeitpunkte

dem Antrage eines Beamten auf D in den Ruhestand statt⸗

emselben zusteht, erfolgt Bei denjenigen Beamten, welche eine enehmigung des Kaisers

zugeben ist, sowie ob und welche Pension durch die oberste Reichsbehörde. enje: Kaiserliche Bestallung erhalten haben, ist die

zur Versetzung in den Ruhestand erforderlich.

§. 54. (Zahlbarkeit der Penstonen Die Versetzung in den Ruhẽstand tritt, sofern nicht auf den Antrag oder mit ausdrücklicher Zustimmung des Reichsbeamten ein früherer Zeitpunkt festaesetzt wird, mit dem Ablaufe des Vierteljahres ein, welches auf den Monat folgt, in welchem dem Beamten die Entscheidung über seine Versetzung in den Ruhestand und die Höhe der ihm etwa zustehenden Pension (8. 53) bekannt gemacht worden ist. .

8. 55. Die Penstonen werden mongtlich im Voraus gezahlt,

F§. 56. (Kürzung, Einziehung und Wiedergewährung der Pen—⸗ sionen) Das Recht auf den Bezug der Pension erlischt durch rechts- kräftige Verurtheilung zu einer Strafe, welche, wenn sie während der Dienstzeit des Beamten verhängt worden wäre, den Verlust des Amtes kraft des Gesetzes nach sich gezogen hätte.

§. 57. Das Recht auf den Bezug der 6 ruht: 1 wenn ein Pensionär das deutsche Indigenat verliert, bis zu etwaiger Wieder- erlangung desselben; wenn und so lange ein Pensionär im Reichs im Staaks- o der im Kommunal ⸗Dienste ein Diensteinkommen he— zieht, insoweit als der Betrag dieses neuen Diensteinkommens unter Hinzurechnung der Pension den Betrag des von dem Beamten vor der Pensionirung bezogenen Diensteinkommens übersteigt.

J. 58. Ein Pensionär welcher in eine an sich zur Pension be⸗ rechtigende Stellung des Reichsdienstes wieder eingetreten ist (G5. 57 Nr. Y), erwirbt für den Fall des Zurücktretens in den Ruhestand den Anspruch auf Gewährung einer nach Maßgabe seiner nunmehrigen verlängerten Dienstzeit und des in der neuen Stellung bezogenen Diensteinkommens berechneten Pension nur dann, wenn die neu hin⸗ zutretende Dienstzeit wenigstens ein Jahr betragen hat. ö ;

Mit der Gewährung einer hiernach neu berechneten Pension fällt bis auf Höhe des Betrages derselben das Recht auf den Bezug der früheren Pension hinweg. . . 2.

F. 59. Erdient ein Pensionär, welcher in eine an sich zur Pen⸗ sion berechtigende Stellung des Stagts- oder Kommunaldienstes ein⸗ getreten ist, in dieser Stellung eine Pension, so findet neben derselben der Fortbezug der auf Grund dieses 8 gewährten Pension nur in dem durch 8. 57 Nr. 2 begrenzten Umfange statt. .

S. 60. Die Einziehung! Kuͤrzung oder Wiedergewährung der Pension guf Grund der Bestimmungen in den §§. 55 bis 59 tritt mit dem Beginn desjenigen Monats ein, welcher auf das, eine solche Veränderung nach sich ziehende Ereigniß folgt.

Im Falle vorübergehender Wiederbeschäftigung im Reichs-, im Staats- oder im Kommunaldienste gegen Tagegelder oder eine ander⸗ weite Entschädigung, findet die im Schlußsaßze des §. 30 enthaltene Vorschrift Anwendung.

§. 61. IZwangsweise Versetzung in den Ruhestand) Ein Reichs. beamter, welcher durch Blindheit, 3 oder ein sonstiges körper- liches Gebrechen oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geisti=

en Kräfte zu der Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig ist, oll in den Ruhestand versetzt werden.

§. 62. Sucht der Beamte in einem solchen Falle seine Versetzung in den Ruhestand nicht nach, so wird ihm oder seinem nöthigenfalls . besonders zu bestellenden Kurator von der vorgesetzten Dienst .

ehöͤrde unter Angabe des zu gewährenden Pensionsbetrages und der Gründe der Pensionirung 3 daß der Fall seiner Versetzung in den Ruhestand vorliege.

3 63. Innerhalb sechs Wochen nach einer solchen Eröffnung 62) kann der Beamte seine Einwendun en bei der vorgesetzten ienstbehörde anbringen. 36 dies i cheh⸗ , so werden die Ver⸗

handlungen an die oberste Neichsbeh nicht der Beamte eine Kaiserliche Bestallung erhalten hab Pensionirung entscheidet,

Gegen diese Entscheidung steht dem Beamten der Rekurs an den Bundesrath binnen einer Frist von vier Wochen nach Empfang der Entscheidung zu.

die

es Rekursrechts ungeachtet, kann der Beamte von der obersten

Reichsehörde sofort der weiteren Amtsverwaltung vorläufig ent— hoben werden. : n

Sat der Beamte eine Kaiserliche Bestallung erhalten, so erfolgt die Entscheidung vom Kaiser nach Anhörung des Bundesraths.

§. 64. Dem Beamten, dessen Versetzung in den Ruhestand per⸗ fügt ist, wird das volle Gehalt noch bis zum Ablaufe desjenigen Vierteljahres fortgezahlt, welches auf den Monat folgt, in dem ihm die schließliche Verfügung (8. Sz / 3 15 hun die erfolgte Versetung in den Ruhestand mitgetheilt worden ist.

. 65. Wenn der Beamte gegen die ihm gemachte Eröffnung (6. G3) innerhalb sechs Wochen keine Einwendung erhoben hat, so wird in derselben Weise verfügt, als wenn er seine Pensionirung selbst nachgesucht hätte.

Die Zahlung des vollen Gehalts bestimmten Zeitpunkte. 4 :

§. 66. Ist ein Beamter vor dem Zeitpunkt, mit welchem die Penstonsbercchtigung für ihn eingetreten sein würde dienstunfähig

geworden, so kann er gegen seinen Willen nur unter Beobachtung

derjenigen en welche für die Disziplinar⸗Untersuchung vor— geschrieben sind, in den Ruhestand versetzt werden

Wird es jedoch von der obersten Reichsbehörde mit Zustimmung des Bundesrathes angemessen befunden, dem Beamten eine Pension zu dem Betrage zu bewilligen, welcher ihm bei Erreichung des vor⸗ gedachten Zeitpunktes zustehen würde, so kann die Pensionirung des— selben nach den Vorschriften der S8. 61 65 , .

§. 67. (Bewilligungen für Hinterbliebene) Hinterläßt ein Pen- sionär eine Wittwe oder eheliche Nachkommen, so wird die Pension noch für den auf den Sterbemonat folgenden Monat gezahlt. An wen die Zahlung erfolgt, bestimmt die oberste Reichsbehörde.

Die Zahlung der Pension für den auf den Sterhemonat folgen. den Monat kann mit Genehmigung der obersten Reichsbebörde auch

dann stattfinden, wenn der Verstorbene Eltern, Geschwister, Geschwister⸗

kinder oder Pflegekinder, deren Ernährer er gewesen ist, in Bedürftig⸗

keit hinterläßt, oder wenn der Nachlaß nicht ausreicht, um die Kosten

der letzten Krankheit und der Beerdigung zu decken. .

Der über den Sterbemongt hinaus gewährte einmonatliche Be— trag der Pension kann nicht Gegenstand der BVeschlagnahme sein.

§. 68. (Transitorische Bestimmungen.) Ist die nach Maßgabe dieses Gesetzes bemessene Pension geringer als die Pension welche dem Beamten hätte gewährt werden müssen, wenn er vor dem Er— lasse dieses Gesetzes nach den damals für ihn geltenden Bestimmun— en pensionirt worden wäre, so wird die letztere Pension an Stelle * ersteren bewilligt. §. 69. Insofern vor der Uebernahme eines Beamten in den Reichsdienst hinsichtlich der aus den früheren Dienstverhältnissen dem—

selben erwachsenden Pensionsansprüche mittelst eines vor dem Erlasse

dieses Gesetzes abgeschlossenen Staatsvertrages besondere Festsetzungen getroffen sind, sollen diese Festsetzungen auch für die Berechnung der jenem Beamten demnächst aus der Neichskasse zu gewährenden enston maßgebend sein. Indeß sollen statt der gedachten besonderen Bestim⸗ mungen die im gegenwärtigen Gesetze enthaltenen Vorschriften inso⸗ weit Anwendung finden, als sie für den Beamten günstiger sind.

§. 70. (Allgemeine Bestimmungen üher Dienstvergehen und deren Bestrafung) Ein Reichs beamter, welcher die ihm obliegenden Pflichten S. 10 verletzt, begeht ein Dienstvergehen und hat die Disziplinar⸗ bestrafung verwirkt. ö

§. 7f. Im LFaufe einer gerichtlichen Untersuchung darf gegen den Angeschuldigken ein Disziplinarverfahren wegen der nämlichen That⸗ sachen nicht eingeleitet werden. . .

Wenn im Laufe eines Disziplinarverfahrens wegen der nämlichen Thatsachen eine gerichtliche Untersuchung gegen den Angeschuldigten eröffnet wird, so muß das Disziplinarverfahren bis zur Beendigung des gerichtlichen Verfahrens ausgesetzt werden. .

5. 73. Wenn von den gewöhnlichen Strafgerichten auf Fei. sprechung erkannt ist, so findet wegen derjenigen Thatsachen, welcht in der gerichtlichen AIntersuchung zur Erörterung gekommen sind, ein Disziplinarverfahren nur noch insofern statt, als ieselben an sich und ohne ihre Beziehung zu deni gesetzlichen Thatbestande der strafbaren

Handlung, welche den Gegenstand der Untersuchung bildete, ein Dienst⸗

vergehen enthalten. Ist in einer gerichtlichen Untersuchung eine Verurtheilung er

ngk welche den Verlust des Amtes nicht zur Folge gehabt hat,

o bleibt derjenigen Behörde, welche über die Einleitung des Dis—

ziplinarversahrens zu verfügen hat, die Entscheidung darüber vor—

rde eingereicht, ich sofern ber

Absatz i, beziehungsweise 4 über

dauert bis zu dem im 8. 66

. ob außerdem ein Disziplinarverfahren einzuleiten oder fort- zusetzen sei. ö SFS. 3. Spricht das Gesetz bei Dienstvergehen, welche Gegenstand eines Disziplinarverfahrens werden, die Verpflichtung zur Wieder⸗ erstattung oder zum Schadensersatze oder eine sonstige civilrechtliche n,, aus, so gehört die Klage der Betheiligten vor das ivilgericht.

§. 74. Ist von dem gewöhnlichen Strafrichter auf eine Freiheits- strafe von laͤngerer als einjähriger Dauer auf eine schwerere Strafe oder auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt, so zieht das Straferkenntniß den Verlust des Amtes von selbst nach sich.

§. 75. Ein Beamter, welcher sich ohne den vorschriftsmäßigen Urlaub von mn. Amte entfernt hält, oder den ertheilten Urlaub uüberschreitet, ist, wenn ihm nicht besondere Entschuldigungsgründe zur Seite stehen, für die Zeit der unerlaubten Entfernung seines Dienst. einkommens verlustig.

§. 75. Die Dienstentlassung (5. 79 Nr. Y) tritt ein, wenn die unerlaubte Entfernung vom Amte; I) von besonders erschwerenden Umständen begleitet ist, oder 2 über vier Wochen fortdauert, nach⸗ dem der Beamte aufgefordert ist, sein Amt anzutreten oder zu dem⸗

selben zurückzukehren, oder 3) über acht Wochen dauert.

§. 77. Die Disziplinarstrafen bestehen in Ordnungsstrafen, Ent⸗ fernung aus dem Amte. ;

§. 78. Ordnungsstrafen sind: 1) Warnung, 2) Verweis, 3) Geld⸗ buße 4 gegen untere Beamte auch Arreststrafe auf die Dauer von höchstens acht Tagen welche jedoch nur in solchen Räumen zu voll . ah die den Verhältnissen der zu bestrafenden Beamten ange⸗ messen sind.

Zu dieser Beamtenklasse werden gerechnet: Postconducteure, Briefträger, Wagenmeister, Postillone, Exekutoren, Boten, Kastellane / Diener und die zu ähnlichen, sowie die zu blos mechanischen Funk— tionen bestimmten Beamten.

§8. 79. Die Entfernung aus dem Amte kann bestehen:

. . in ein anderes Amt von gleichem Range, jedoch mit Verminderung des Diensteinkommens und Verlust des Anspruchs auf Umzugskosten, oder mit einem von beiden Nachtheilen; .

Min Dienstentlassung.

Die Dienstentlassung hat den Verlust des Titels und Pensions⸗ anspruches von Rechtswegen zur Folge. Hat vor Beendigung des Disziplinarverfahrens aus irgend einem von dessen Ergebniß unab— hängigen Grunde das Amtsverhältniß bereits aufgehört, so wird an Stelle der Dienstentlassung auf Verlust des Titels und Pensions- anspruchs erkannt. Gehört der Angeschuldigte zu den Beamten, welche einen Anspruch auf Pension haben, und lassen besondere Um⸗ stände eine mildere Beurtheilung zu, so ist die Disziplinarbehörde er— mächtigt, in ihrer Entscheidung zugleich festzusetzen, daß dem Ange⸗ schuldigten ein Theil des gesetzlichen Penstonsbetrages auf Lebenszeit oder auf gewisse Jahre als Unterstüͤtzung zu verabreichen sei.

§. 80. Welche der in den §§. 77 bis 79 bestimmten Strafen anzu⸗ wenden sei, ist nach der größeren oder geringeren Erheblichkeit des Dienstvergehens mit Rücksicht auf die sonstige Führung des Angeschul— digten zu ermessen, unbeschadet der besonderen Bestimmungen der S§S. 75 und 76. Ist auf die im § 79 unter Nr. J bezeichnete Strafe 2 so wird die Versetzung durch die oberste Reichsbehörde an⸗ geordnet.

S. 81. Von dem Disziplinarverfahren) Jeder Dienstvorgesetzte ist zu Warnungen und Verweisen gegen seine Untergebenen befugt.

§. 82. Geldbußen können I). von der obersten Reichsbehörde gegen alle Reichsbeamte und zwar bis zu 30 Thalern oder bis zum Betrage des einmonatlichen Diensteinkommens, 2) von den derselben unmittelbar untergeordneten Behörden und Vorstehern von Behörden bis zum Betrage von 19 Thalern, 3) von den den letzteren unter⸗ geordneten Behörden oder Vorstehern von Behörden bis zum Be⸗ trage von 3 Thalern, durch eine mit Gründen zu unterstützende schrift⸗ liche Verfügung verhängt werden.

§. 83. Nur diejenigen Dienstvorgesetzten, welche gegen die im §. 78 unter Rr. 4 bezeichneten Beamten Helbbußen verhängen kön⸗ nen, sind ermächtigt, gegen dieselben Arreststrafen zu verfügen.

Diejenigen Vorgeseßten, deren Strafgewalt auf Geldbußen bis zu drei Thalern beschränkt ist, dürfen bei den Arreststrafen das Maß von drei Tagen nicht überschreiten.

8§. 84. Gegen die Verfügung von Ordnungsstrafen findet nur Beschwerde im vorgeschriebenen Instanzenzuge statt.

. J. S5. Der Entfernung aus dem Amte muß ein förmliches Dis- ziplinarverfahren vorhergehen

Dasselbe besteht in der von einem Kommissarius zu führenden schriftlichen Voruntersuchung und in der mündlichen Verhandlung nach den folgenden näheren Bestimmungen.

§. 86. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens wird von der obersten Reichsbehörde verfügt. Dieselbe ernennt auch den Unter— suchungs ⸗Kommissarius und denjenigen Beamten, welcher die Verrich⸗ tungen der Staatsanwaltschaft wahrzunehmen hat.

Ist Gefahr im Verzuge, so kann die Verfügung der Einleitung des Disziplinarverfahrens und die Ernennung des Untersuchungs— Kommissarius vorläufig von einer der im §. 82 unter 2 bezeichneten Behörden oder einem der dort bezeichneten Beamten ausgehen. Es ist alsdann die Genehmigung der obersten Reichsbehörde einzuholen und, sofern diese versagt wird, das Verfahren einzustellen.

5§. 87. Die entscheidenden Disziplinarbehörden, welche je nach Beduͤrfniß zusammentreten, sind I) in erster Instanz die Disziplinar⸗ kammern, Y in zweiter Instanz der Disziplinarhof in Berlin.

§S S8. An folgenden Orten; Potsdam, Frankfurt a. O. Königs⸗ berg Dan zig, Stettin, Cöslin, Bromberg, Posen, Magdeburg, Erfurt, Breslau Liegnitz, Oppeln, Münster, Arnsberg, Düsselderf, Cöln, Trier, Darmstadt, Frankfurt a. M., Cassel, Hannover, Schleswig,

2107

Leipzig, Karlsruhe, Schwerin, Lübeck und Bremen wird je eine Disziplinarkammer errichtet.

Durch r, des Kaisers können unter Zustimmung des Bundesrathes einzelne Disziplinarkammern auch an anderen geeigneten Orten errichtet werden.

. 89. Die Bezirke der Disziplinarkammern werden vom Kaiser ingernehmen mit dem Bundesrathe abgegrenzt.

. im einzelnen Falle ist die Disziplinarkammer, in deren Bezirk der Angeschuldigte seinen dienstlichen Wohnsitz hat, und wenn dieser Wohnsiß im Auslande sich befindet, die Disziplinarkam⸗ mer in Potsdam.

8§. 90. Jede Disziplinarkammer besteht aus einem Präsidenten und sechs anderen Mitgliedern, von denen wenigstens drei in richter⸗ licher Stellung in einem Bundesstaate sein müssen. Zur Erledigung der Disziplinarsachen ist bei den Disziplinarkammern die Theilnahme von wenigstens fünf Mitgliedern, mit Einschluß des Vorsitzenden, er forderlich, von denen wenigstens zwei in richterlicher Stellung in einem Vundesstaate sein müsfen.

§. 91. Wenn auf den AÄntrag des Beamten der Staatsanwalt⸗ schaft oder des Angeschuldigten der Disziplinarhof das Vorhandensein von Gründen anerkennt, welche die Unbefangenheit der zuständigen Disziplinarkammer zweifelhaft machen, so tritt eine andere durch 26 Disziplinarhof substituirte Disziplinarkammer an deren Stelle.

S. 2. Der Disziplinarhof besteht aus einem Präsidenten und acht anderen Mitgliedern, von denen wenigstens drei zu den Bevoll⸗ mächtigten zum Bundesrathe und wenigstens vier zu den Mitgliedern der im Reichsgebiete befindlichen höchsten Gerichtshöfe gehören müssen.

ir Erledigung der Disziplinarsachen ist bei dein Disziplinar- hofe ie Theilnahme von mindestens fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden erforderlich, von denen wenigstens zwei zu den richterlichen Mitgliedern gehören müssen.

S8. 93. Die Zahl der Mitglieder, welche bei Fassung eines Be⸗ schlusses mitwirken, muß bei den Disziplingrkammern, wie bei dem Disziplinarhofe (6. 90 und 92) immer eine Ungerade sein.

. S. 94. Die Mitglieder der Disziplinarkammern und des Dis⸗ ziplinarhofes werden alle drei Jahre vom Bundesrathe gewählt, vom 8a J g und für die Erfüllung der Obliegenheiten ihres Amtes

erpflichtet.

Ein Mitglied, welches im Laufe der dreijährigen Wahlperiode ein= tritt, bleibt nur bis zum Ende derselben in Thätigkeit. Die ausscheiden⸗ den Mitglieder können wieder gewählt werden.

.S. 35. In der Voruntersuchung wird der Angeschuldigte unter Mittheilung der Anschuldigungspunkte vorgeladen und, wenn er er— scheint, gehört; es werden die Zeugen nach Befinden eidlich ver—= nommen und die zur Aufklärung der Sache dienenden sonstigen Be⸗ weise herbeigeschafft.

Die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft werden durch einen

Beamten wahrgenommen, welchen die oberste Reichsbehörde ernennt.

§. 96. Die oberste Reichsbehörde ist ermächtigt, mit Rücksicht auf den Ausfall der Voruntersuchung das fernere Verfahren einzustellen und geeigneten Falls nur eine Ordnungsstrafe zu verhängen.

In, diesem Falle erhält der Angeschuldigte Ausfertigung des dar⸗ auf bezüglichen, mit Gründen zu unterstützenden Beschlusses.

§. 97. Wird das Verfahren nicht eingestellt, so wird nach Eingang einer von dem Beamten der Gin nn olf r anzufertigen den Anschuldi= gungsschrift der Angeschuldigte unter abschriftlicher Mittheilung dieser Anschuldigungsschrift zu einer von dem Vorsitzenden der entscheiden⸗ den Disziplinarbehoͤrde zu bestimmenden Sitzung zur mündlichen Ver⸗ handlung vorgeladen. .

§. 98. Bei der mündlichen Verhandlung, welche in nicht öffent⸗ licher Sitzung stattfindet, giebt zuerst ein von dem Vorsitzenden der Behörde aus der Zahl ihrer Mitglieder ernannter Referent eine Dar⸗ enn. der Sache, wie sie aus den bisherigen Verhandlungen her⸗ vorgeht.

Der Angeschuldigte wird vernommen.

Es wird darauf der Beamte der Staatsanwaltschaft mit seinem 2 . Antrage, und der Angeschuldigte in seiner Vertheidigung gehört.

Dem Angeschuldigten steht das letzte Wort zu.

§. 99. Wenn die Behörde auf den Antrag des Angeschuldigten oder des Beamten der Staatsanwaltschaft, oder auch von Amtswegen die Vernehmung eines oder mehrerer Zeugen, sei es durch einen Kom missar, oder findlich vor der Behörde selbst, oder die Herbeischaffung anderer Mitfer zur Aufklärung der Sache für angemessen erachtet, so erläßt sie die erforderliche Verfügung und verlegt nöthigenfalls die Fortsetzung der Sache auf einen andern Tag, welcher dem Angeschul⸗ digten bekannt zu machen ist. .

§. 1090. Der Angeschuldigte, welcher erscheint, kann sich des Beistandes eines Advokaten oder Rechtsanwalts als Vertheidigers bedienen. Der nicht erscheinende Angeschuldigte kann sich durch einen Advokaten oder Rechtsanwalt vertreten lassen. Der Disziplinarbehörde steht es jedoch jederzeit zu, das persönliche Erscheinen des Angeschuldigten, sofern

erselbe seinen dienstlichen Wohnsitz nicht im Auslande hat, unter der Warnung zu verordnen, daß, bei seinem Ausbleiben, ein Ver⸗ theidiger zu seiner Vertretung nicht werde zugelassen werden.

§. 161. Bei der Entscheidung hat die Disziplinarbehörde, ohne an positive Beweisregeln gebunden zu sein, nach ihrer freien, aus dem ganzen Inbegriffe der Verhandlungen und Beweise geschöpften Ueber —ᷣ zu beurtheilen, inwieweit die Anschuldigung für begründet zu erachten.

Die Entscheidung kann auch auf eine bloße Ordnungsstrafe lauten.

Die Entscheidung, welche mit Gründen versehen sein muß, wird in der Sitzung, in welcher die mündliche Verhandlung beendigt wor⸗ den ist, oder in einer der nächsten Sitzungen verkündigt und eine Aus⸗ fertigung derselben den Angeschuldigten ertheilt.

§. JI02. Ueber die mündliche Verhandlung wird ein Protokoll

im