1872 / 124 p. 7 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 29 May 1872 18:00:01 GMT) scan diff

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Lytton Earl Bulwer) einer der hervorragendsten englischen Diplomaten, ist am 24. d. Mts. in Neapel im Alter von 67 Jahren gestorben. Der Verstorbene war der ältere Bruder des Fekannten Romanschriftstellers Lord Lytton Bulwer, und von 1812 48 bevollmächtigter Minister in Madrid, von 1849 bis 1853 in Washington, von 1852 —– 55 außerordentlicher Gesandter

in Toscana, 1856-58 Kommissar zur Untersuchung der Donau-

fürstenthümer und 18538 66 Botschafter in Konstantinopel. Die Pairswürde erhielt er im vorigen Jahre. Lord Dalling war, wie sein jüngerer Bruder Schriftsteller und hat u. A. mehrere Werke politischen und historischen Inhalts heraus⸗

gegeben. . 28. Mai. In der heutigen . des Unterhauses

antwortete Lord Enfield auf eine Anfrage Mundella's hinsicht— lich der Deportation mittelloser Kommunisten nach England,

die Regierung sei wegen dieser Frage noch fortwährend in leb.

hafter Korrespondenz mit der Versgiller Regierung. Für jetzt könne er sich jedoch noch nicht darüber erklären, ob Frankreich für den Unterhalt dieser Deportirten verantwortlich zu machen sei. Auf eine Interpellation Disraeli's antwortete Gladstone, der Zusatzartikel zum Washingtoner Vertrage werde nach seiner Unterzeichnung und noch vor der Ratifikation dem Parla⸗ mente mitgetheilt werden. Gladstone wies ferner auf die Depesche der englischen Regierung vom 29. März hin, in welcher nach— gewiesen sei, daß England sich für berechtigt halten durfte, die von ihm aufgestellte Ansicht, betreffend die Tragweite des Washingtoner Vertrages, aufrecht zu erhalten. Er könne augen⸗ blicklich die Frage wegen des bereits erwähnten Versprechens eines amerikanischen K0ommissars, wonach die indirekten Schaden⸗ ansprüche nicht zur Sprache kommen sollten, nicht beantworten, da eine Auskunft hierüber gerade jetzt, wo die heiderseitigen Regierungen jedem Mißverstandnisse vorzubeugen suchen, von nachtheiligen Wirkungen sein könnte.

IFrankreich. Paris, 2. Mai. Das Journal officiel veröffentlicht ein am 25. d. M. beschlossenes Gesetz, durch welches der Termin für die Wiederherstellung der Civilstandsakten von Paris bis zum 1. Januar 1873 verlängert wird. Versailles, 28. Mai. In der Ration alversamm⸗ lung führte heute bei der Fortsetzung der Debatte über das Militärgesetz Oberst Denfert aus, daß das moralische Element in der Armee durch den Elementarunterricht und durch militä—⸗ rische Exerzitien der Jugend vom 13. Lebensjahre an gehoben werden müsse. General Changarnier sprach sich für den pas⸗

siven Gehorsam aus, welcher von Denfert angegriffen worden war. Der Herzog von Aumale befürwortete die Einstellung aller Klassen ohne Unterschied und erklärte sich für Einführung der fünfjährigen Dienstzeit. Derselbe forderte schließlich die Versammlung auf, den Gesetzentwurf in der Fassung der Kom⸗ mission anzunehmen.

Spanien. Das » Journal des Debats« enthält eine Korrespondenz aus Bilbao vom 24. Mai, welcher wir Fol⸗— endes entnehmen: »Den letzten Nachrichten zufolge hatte der arschall Serrano sein Hauptquartier nach Zornoza, an der Straße von Bilbao inmitten einer weiten Ebene, verlegt. Dort fand am 21. März 1837 das berühmte Treffen zwischen den Truppen des Generals Espartero, bei wel cen sich die französische Legion unter dem Kommando des Generals Evans befand, und den carlistischen Bataillonen unter Befehl Honizs und Villareals statt. Das Gefecht dauerte an eilf Stunden und forderte bedeutende Opfer. Die Bewohner Bilbaos, welche sich dieser Waffenthat erinnern, halten es nicht für unmöglich, daß auch in diesem Feldzuge bei Zornoza eineentscheidende St lacht statt⸗ finden könne, da die Carlisten aus dem Orozeothal in einem Tagesmarsch dort eintreffen können. Auf die Nachricht hin, daß Marschall Serrano geneigt sei, Gnade zu üben, begab sich eine Deputation, bestehend aus Notabeln der Stadt Bilbao, sowie Munizipal- und Provinzial⸗Räthen, zu demselben, um ihn für eine vollständige Vernichtung zu stimmen. Der Herzog de la Torre soll jedoch in seinem Entschluß fest geblieben sein und erklärt haben, er wolle die „auf Abwege gerathenen Brü⸗ der« nicht als Feinde behandeln; versprach jedoch energische Maßregeln für den Fall, daß man auf die Stimme der Vater— landsliehe und der Vernunft nicht höre.

Aus Bilbao, 26. Mai, wird ferner gemeldet, daß Marschall Serrano, nachdem er von Seiten der Carlisten Unterwerfungsvorschläge entgegen genommen habe, vorgestern darin eingewilligt hat, ihnen Pardon (Indulto) zu geben, wenn sie am nächsten Tage ihre Waffen an den ihnen bezeichneten Orten niederlegen würden. Diese Formalität sei genau befolgt worden und es hätten gegenwärtig alle Insurgenten der Pro— vinz Biscaya ihre Waffen niedergelegt. Nach einer der Epoca⸗— ,, Depesche sind die Chefs nach Frankreich ent⸗—

ohen.

Schweden und Norwegen. Christignia, 24 Mai. Die an verschiedenen Orten zur Unterschrift ausgelegte Adresse der stimmberechtigten Bürger in Christiania lautet:

»Gnädigster König! Die unterzeichneten stimmberechtigten Bür—⸗ ger Christianias erlauben sich hierdurch in Unterthänigkeit Ew. Majestät unsere Bekümmerung und Angst, hervorgerufen durch die Adresse des Storthings an Ew. Majestät vom 15. d. Ms., zu erken⸗ nen zu geben. Es ist für uns ein Bedürfniß, vor Ew. Majestät auszusprechen, daß ein nach unserer Ueberzeugung unentbehrliches Glied in der Verfassung geschwächt werden würde, wenn der aus einer all— seitigen und selbständigen Ueberlegung hervorgegangenen Anwendung der bedeutungsvollsten Prärogative der Königsmacht, Hindernisse in den Weg gelegt würden und wir können das vom Storthinge, den jetzigen Rathgebern, Ew. Majestät ausgesprochene Mißtrauen nicht theilen Es würde ein Rücktritt der Mitglieder der jetzigen Regie⸗ rung unter den augenblicklichen Verhältnissen und auf Grundlage der Storthing-⸗Adresse von uns als ein Schritt zum Schaden des Vater

(landes betrachtet werden. Christiania, den 22. Mai 1872.

(Folgen 31 Unterschriften der angesehensten Bürger der norwegischen Hauptstadt.) .

Dänemark. Kopenhagen, 25. Mai. In einem Aller⸗ höchsten Reskript giebt der König seine Zufriedenheit und seinen Dank für die Treue und den Eifer zu erkennen, womit der Kronprinz während der Abwesenheit des Königs die ihm am 18. Rovember v. J. übertragene Leitung der Regierung in Ausführung gebracht hat. .

General Wörishöffer ist zum Chef der diesjährigen Lager-Division ernannt worden.

Asien. China. Die Mongolei hat besonders durch die ebenfalls von dem muselmännischen Aufstande ergriffenen Städte Gantchjeu und Suctchjeu viel zu leiden. Denn obgleich die Bevölkerung dieser Städte, sowie die des Thales Etzene ⸗gool sich nicht durch bedeutende geistige Fähigkeiten auszeichnet und nebenbei ziemlich schlecht bewaffnet ist, findet sie doch in den tapferen und besser ausgerüsteten Einwohnern an den Quellen des Si⸗nin allzeit treue Verbündete zu den Räubereien. Wären die genannten drei Orte Ganctchjeu, Su-tchjeu, und Etzenei— gool von chinesischen Truppen besetzt, so würden die Staaten von Khalkhas jedenfalls in vollkommener Ruhe leben können.

Gewohnheltsgemäß wenden sich die Räuber in vollster Un— ordnung nach einer sehr bekannten Gegend im Distrikte Sain⸗ noin, dem Fürstenthum des Gun (Prinz) Abirmit. Hier for⸗ miren sie einen geschlossenen Trupp und dringen dann in die Gegend ein, weiche sie für ihre Thätigkeit ausersehen haben. Bei dem Ausmarsche haben sie in der Regel weder Waffen, noch Kleidung, noch Mundvorräthe; sie versehen sich damit meist erst im Laufe des Streifzuges im Wege der Räuberei.

Wie in den vorhergehenden Jahren ist auch jetzt wieder beim Heranrücken des Frühlings in der Mongolét das Gerücht von einem baldigst bevorstehenden Einfalle der Insurgenten verbreitet worden; man hat jetzt aber in Erfahrung gebracht, daß diese Gerüchte von mehreren Mongolen ausgingen, welche ebenfalls dem Räuberhandwerke oblagen und bei ihrer Fest⸗ nahme solche Angaben machten. Andererseits scheint das Land aber sehr gut bewacht zu werden, wie aus folgenden Ziffern hervorgeht, die jedoch nicht ohne jeden Vorbehalt aufzunehmen find. Die Abtheilung Tchakhar von 1000 Mann, welche in Tui stationirt ist, hat Befehl erhalten, nach dem Süden der großen Postverbindüng zwischen Uligssutar und Khobdo zu gehen. Die Abtheilung der Solonen von 1500 Mann, welche im Südosten von Merghen⸗van bei Kukukhoto im Winterquartier gelegen hatte, soll sich nach Khara⸗nidun, einer der Stationen der Heerstraße von Peking nach Uliassutar, in der Nähe des Onghi⸗Flusses, be⸗ geben, der den Insurgenten im September vorigen Jahres zum Sammlungsorte gedient hatte. Tzagan⸗ghyghen steht mit i000 Mann südlich von Uliassutal, und andere Tausend Kal⸗ mücken liegen in der Nähe von Khobdo. Diese Stadt hat außerdem eine eigene chinesische Besatzung von 1000 Mann aus Daltun; desgleichen Uliassutasi. Ferner sind an verschledenen Punkten der westlichen Bezirke noch ungefähr 2000 Mann auf— gestellt. Urgha ist von 2000 chinesischen Soldaten und 500 Mongolen aus Tsytsen⸗khan (Khan Kreis, Bezirk) besetzt. Im Falle eines Angriffs benutzt der mandschurische Amban einen Theil dieser Mannschaften, um den Eindringlingen in den Weg zu treten.

b . und Tucheé⸗tu⸗khan sind mit je 500 Mongolen esetzt.

Diese Vorsichtsmaßregeln und die daraus resultirende Sicherheit sind den Khalkhas⸗-Staaten zu verdanken, sowie der Umsichtigkeit und Energie des Tchjan tiniu, des Amban von Urgha, welcher bei der Regierung von Peking eifrig dahin gewirkt hat, daß ausgedehnte Truppenmassen bereit gehalten würden, um den Handstreichen der Insurgenten, wie sie im Jahre 1870 gegen Uliassutai vorgekommen waren, zu begeg⸗ nen. Auf diese Weise ist die Mongolei jetzt durch mehr als 106000 Mann regulärer und mongolischer Truppen besetzt. Diese Truppen sind allerdings für die Einwohner eine große

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Last; so mußten vor Kurzem vier Distrikte von Khalka 40000 Kameele oder die entsprechende Summe Geldes für den Durchmarsch einer einzigen Abtheilung aufbringen.

Der Verkehr der russischen Karavanen durch die Wüste Gobi ist während des ganzen Winters nicht unterbrochen, son— dern in ganz bedeutendem Maße betrieben worden. Bis zum Monat Januar haben die Theerussen den Verkehr zwischen Urgha und Kiakhta sehr lebhaft unterhalten und nur in den ersten Tagen des Februar erlahmte derselbe in Folge des Man⸗ gels an Beförderungsmitteln derart, daß in den Magazinen von Urgha augenblicklich 20,900 Kisten zum Transport bereit stehen. In den letzten Tagen ist wieder einige Regelmäßigkeit in der Beförderung eingetreten.

Der neue Dzian-Dziun von Uligssutai hat bis jetzt seinen Posten noch nicht angetreten. Da der mandschurische Khe⸗be— amhan, welcher die Funktionen des Dzian-Dziun hatte, eben⸗ falls abgereist ist, so befindet sich dieser Bezirk unter der pro⸗ visorischen Verwaltung eines Amban von Khobdo und des mongolischen Khebe⸗amban und Fürsten Bichiriltu. Der Letztere ist eine der geachtetsten Personen der Mongolei. Zu selnen tüchtigen geistigen Anlagen kommen noch die Kenntnisse des Mandschurischen sowie des Thibetanischen. Früher war er Lama und wohnte als solcher in Urgha, woselbst er kirchliche Würden besaß. Als einziger Sohn mußte er nach dem Tode seines Vaters in die Oeffentlichkeit treten und den Titel eines Prinzen annehmen. Es ist zu bedauern, daß die Regierung von AUlliassutai, welche ausschließlich aus Mandschuren besteht, im Gegensatz zu Urgha), ihre Wirksamkeit nicht auch bis auf die östlichen Distrikte der Khalkhas-Staaten ausdehnen kann.

Die Untersuchung gegen die drei Mongolenhäuptlinge,

welche im Oktober v. J. die zu Biliutai gefangen gehaltenen Insurgenten entkommen ließen, dauert noch immer fort. Dugar, der Anführer der Tchakhars, Tchimit, Chef der Abtheilung von Tuchetu⸗khan und Bikhe⸗Otchir, Befehlshaber in Tiytsen⸗ khan sind der Nachlässigkeit im Dienste angeklagt. Dugar wird degradirt und nach Ili in die Verbannung geschickt wer⸗ den, die beiden Andern werden freigesprochen, aber vorläufig der Auszeichnung, welche sie am Hute in Gestalt eines Knopfes tragen, bexaubt werden. Die Regenten der vier Distrikte von Khalkha sollten im Laufe des Frühjahrs in Urgha zusammenkommen, um über die Expedition zu verhandeln, welche den neuerwählten Khu— tukhtu nach Thibet begleiten soll; bis jetzt hat diese Zusammen⸗ kunft jedoch noch nicht stattgefunden, da das Kaiserliche Er— nennungsdekret noch nicht von Peking eingetroffen ist. Dieser Heilige ist 3 Jahre alt. Der Dalai⸗Lama räth zur Beschleu— nigung seiner Abreise nach Urgha, um es noch vor Ablauf seines sechsten Lebensjahres zu erreichen. Die Reiseroute ist noch nicht bestimmt, sondern wird erst durch die vor⸗ erwähnte Zusammenkunft der mongolischen Fürsten festgesetzt werden. Man glaubt, daß der alte Weg über den Khukunoor gewählt werden wird, aber es bieten sich dabei einige Schwierigkeiten. Nach dem alten Brauche ist nämlich der Amban von Si⸗nin für die Reise verantwortlich und trägt sämmtliche Verluste, welche der Begleitung des Khutukhtu, von Seiten der Bergbewohner von Aran am Ufer des Khukunoor wohnhaft zugefügt werden; und die augen⸗ blickliche Lage der Dinge in der Provinz Gan⸗su bietet ihm nicht die geringste Sicherheit für die Expedition.

Reichstags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 29. Mai. In der gestrigen Sitzung des Reicht tags erklärte in der Diskussion über den Maxine-Etat mit Bezug auf eine Aeußerung des Abg. Schmidt Stettin) der Chef der Admiralität, Staats⸗Minister von Stosch:

„Ich bin mir nicht bewußt, in den Berathungen der Kommissarien für die Abschaffung des See⸗Bataillons gestimmt zu haben; ich glaube, ganz entschieden mich dagegen ausgesprochen zu haben. Ich habe ge⸗ sagt, der Abschaffung der See⸗-Artillerie stebe von Seiten der Marine augenblicklich Nichts entgegen, da die Entwichlung der Artilleriekräfte in der Marine hinreichend vorgeschritten sei; eine Entbehrung des Sce⸗ Bataillons, im Prinzip wohl zulässig, sei augenblicklich noch nicht mög⸗ lich, da die Marinetheile, die Matrosendivision nicht im Stande sei, den vollen Dienst zu leisten, den heute das See Bataillon der Marine selbst leistet, abgesehen davon, daß das See⸗Bataillon einen Theil der Garnisonwachdienste überninunt, für die wir augenblicklich keine In⸗ fanterie disponibel haben. Wegen der Artillerie ist es aber eine reine Etatsfrage; denn die Artillerie, auf die ich gleich vorgreife, die drei Batterien oder Compagnien, die im Etat der Marine sind, müßten von der Landarmee ersetzt werden; es ist also das eine Etatsfrage, über welche noch übereingekommen werden müßte. Ich spreche es also noch einmal aus; die Interessen der Marine machen es wün— schenswerth, daß das See⸗Bataillon noch erhalten wird; ob auf die Dauer, ist eine andere Frage für die See -Artillerie sind die Interessen geringer.

In Betreff der Indienststellung von vier Fahrzeugen im verflossenen Winter äußerte der Staats⸗Minister von Stosch auf eine Anfrage des Abg. Seelig:

Was die politische Basis anbetrifft, in Folge deren die Indienst- stellung im vorigen Herbst stattgehabt hat, so entzieht sich das meiner Beurtheilung. So viel ich weiß, beschränkt sich der Grund aber nicht auf die einfach erwähnte Wirthshausschlägerei, sondern es sind all—⸗ gemeinere politische Kombinationen gewesen, iwelche diese Indienst⸗= stellung nothwendig gemacht haben. Daß die Indienststellung in eine Zeit fiel, wo die Nordseeschiffahrt noch vollstaͤndig im Gange war, ist eine Schuld der politischen Lage, und diese verursachte, daß eine Menge verheiratheter Leute der aältesten Jahrgänge, die sich bereits von der Schiffahrt zurückgezogen hatten, eingezogen werden mußten.

. Man erkannte aus den Uebelständen, die sich dabei ergaben, daß wir in der Marine noch nicht weit genug entwickelt, in der Zahl der Mannschaften im Friedensstand noch nicht weit genug gegangen waren, um solche kleinen Indiensistellungen, denn es war nur von 4 Schiffen die Nede, zu ertragen. Also diese Indienststellung hat den großen Nutzen gehabt, daß sie uns, auch hier dem Hohen Hause und allen politischen Machthabern, die Ueberzeugung gab, daß wir vorwärts kommen müssen mit der Marine, um solchen einfachen Bedürfnissen zu genügen, und der dem Hohen Hause vorliegende Nachtragsetat 6. ö. ist eine Folge der Kenntnisse, die damals gewonnen wor⸗

Was nun die Kosten dieser Indienststellung anbetrifft, so betrage sie in Summa 116343 Thlr. mit allen . 6 Schi ö. die damit verbunden waren. Die Kosten waren aus dem . Etat zu ersetzen, weil der Krieg eine Menge Indienststellungn, die im Etat vorgesehen waren, unmöglich gemacht hatte. Deshalb hat der Fonds für Indienststellungen aus dem Jahre 1871 auch noch andere Ersparnisse, die an anderer Stelle zum Vorschein kommen.

Was nun die Beruhigung betrifft, die der Herr Vorredner ge⸗ fordert hat für künftige derartige Indienststellungen, so bemerke ich, daß von diesem Jahre an, wo wir 969 Mann mehr eingestellt haben als früher und im nächsten Jahre wieder einige Hundert Mann mehr einstellen werden, der Etat unserer im Dienst befindlichen Mann schaften hinreichen wird, um den politischen Anforderungen, die an die Marine gestellt werden, zu genügen.

Was nun die Verschuldung anbetrifft, welche dargethan sein soll durch die vielen Schiffe, die momentan nicht brauchbar waren, so muß ich darauf aufmerksam machen, daß der Krieg das Material in einer Weise abgenutzt hatte, wir unsere Werften wieder herzustellen nicht im Stande waren. Unsere Wersten sind weder in Bauten noch im Personal bis jetzt so stark; um den extraordinären Bedürfnissen genügen zu können. Wir müssen auch darin weiter vorschreiten und müssen für die Bauten noch mehr Mittel geben. Ueberrascht hat es, glaube ich, Jeden, daß damals die Schiffe eine solche außerordentliche Zeit gebrauchten, um fertig, zu werden; aber wie gesagt, es war mehr eine Folge der friedlichen Aussichten und der rasch in den Wersten in die Hand genommenen Neubauten, als ein Mangel an Thätigkeit und Umsicht von oben. Für die Zukunft, glaube ich, ist sicher gestellt, daß wenn plötzliche Indienststellungen nothwendig sind, dieselben rascher eintreten lönnen, da ein gemi se⸗ Theil Schiffe als erste Reserve hingestellt sind, die zu jeder Zeit fertig sein müssen, um eine Indienststellung aushalten zu können.

Auf die Anfrage des Abg. Miquel in Betreff der Kosten der Herstellung und cht gut des Hafens an der Jade antwortete der Stgats-⸗Minister v. Sto sch:;

Ich bin nicht vorbereitet, um diese Frage in speziellen Zahlen zu beantworten, sondern ich kann es nur aus der Erinnerung thun, und da muß ich sagen daß aus dem Indienststellungsfonds und aus den Ersparnissen des Ordinariums nichts übrig geblieben ist, um zu diesen großen Zwecken etwas zu verwenden, daß aber, so viel ich weiß, von denjenigen Mitteln, die für Kiel bestimmt waren zum Hafenbau, bedeutende Summen nach Wilhelmshaven übertragen worden sind, weil Wilhelmshaven zuerst fertig werden mußte, um überhaupt einen Hafen zu haben, daß aber auch für Wilhelmshaven aus dem Kriegsfonds ganz extraordinäre Mittel verwendet worden sind, weil der Beginn des Krieges den Gebrauch des Hafens eben⸗ falls nothwendig machte.

Nach einer Bemerkung des Abg. v. Kusserow fügte der Chef der Admiraltät hinzu:

Ich kann zur Sache nur bemerken, daß die Etatsfonds die Ver waltung nöthigen, die Bauten in Wilhelmshaven, zumalen aber in Kiel in einem Maße zu reduziren, welche nicht mit den Interessen der Ver- waltung selbst übereinstimmt, und daß ein solcher Antrag, daß hier außer dem Bau für die Fortifikation oder die Befestigung der beiden Häfen augenblicklich ca. R bis Soo 000 Thlr. zur Disposition stellte, ein großer Vortheil für die Entwicklung der beiden Häfen wäre.

Auf eine Replik des Abg. Miquel nahm der Staats-

5 ö . 1h. Wort: seine Herren! habe der Admiralität das Zeugniß zu geben

wenn ich den Ausdruck gebrauchen darf, daß sie fe n Extra ordinarium sehr gern mehr gehabt haben würde, als in dem Ihnen vorgelegten Etat vorgeschlagen ist. Indessen ist es auf der anderen Seite von Seiten der verbündeten Regierungen als eine Pflicht er— schienen, sich innerhalb der Grenzen, die durch den dem Hause vorge—⸗ legten und im Hause zwar nicht ausdrücklich, aber doch der Sache nach genehmigten Flottengründungsplan für die Etatsentwickelung der Marine gestellt waren. Daß für Kiel insbesondere mehr auf den Etat gebracht würde, als gebracht ist, wenn man sich innerhalb der eben von mir bezeichneten Grenzen halten wollte, das war nicht möglich. Es würde also eine Mehrforderung für den Hafen von Kiel nur außerhalb der eben bezeichneten Grenzen.