1873 / 57 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 05 Mar 1873 18:00:01 GMT) scan diff

Zur Geschichte des Droschkenwesens in Berlin.“) II. (Vergl. Nr. 56 d. Bl.)

Im Jahre 1812 beantragte der Pferdehändler Mortier oder Mortgen aus Dessau die Ertheilung des Privilegiums, sogenannte Warschauer Droschken, d. h. halbverdeckte, vorn und hinten in Federn hängende einspännige Wagen, in Berlin aufstellen zu dürfen. Nach langen Verhandlungen, deren Abschluß sich besonders dadurch verzögerte, daß die Behörden der in Preußen eben erst eingeführten Gewerbefreiheit möglichst Rechnung tragen wollten, wurde dem Mortgen durch eine Allerhöchste Kabinetgordre d. d. Wien, 29. November 1814 die aus— schließliche Befugniß, sogenannte Warschguer Droschken in Berlin aufzustellen, auf 6 Jahre ertheilt. Der Bezug der Wagen aus War⸗ schau verzögerte das Inslebentreten der neuen Einrichtung bis zum 20. November 1815, an welchem Tage 32 Warschauer Droschken zum ersten Male auf den ihnen angewiesenen 5 Halteplätzen auffuhren. Der Tarif war für die Viertelstunde auf 4 Gr. für 1 Person, auf ( Sgr. für 2 Personen, hei Zeitfahren auf 12 resp. 18 Sgr. für die Stunde festgesetzt, der Kutscher mußte 50 Thlr. Kaution stellen. Das Unternehmen, in welches der Banquier Henochsohn als Com- pagnon eingetreten war, gedieh so gut, daß zahlreiche Mitbewerber auftraten. Man glaubte, die freie Konkurrenz nicht ganz ausschließen zu dürfen, rief aber dadurch die größten Verwickelungen hervor, die endlich durch Allerhöchste Kabinetsordre vom 19. Dezember 1816 dahin geschlichtet wurden, daß anderen Fuhrleuten das Hal⸗ ten von Droschken, dem Mortgen aber die Aufstellung anderer Wagen als Droschken gänzlich untersagt wurde. Im Jahre isl7 hatte Letzterer bereits 70 Droschken in Fahrt. Er erlangte in Verbindung mit He⸗ nochsohn und Joel Meyer bei Ablauf des Privilegiums die Erneue⸗ rung desselben für 80 Droschken auf 6Jahre vom 1. Oktober 1821 an. Jedem Kutscher wurde von den 30 verschiedenen Halteplätzen ein be⸗ stimmter angewiesen, auf welchem er des Morgens auffahren mußte; für die Reinhaltung der Halteplätze hatten die Ünternehmer zu sorgen. Der Tarif kannte nur Zeitfahrten, für 1 resp. 2 Personen bis 20 Mi⸗ nuten 4 resp. 6 Sgr., 55 Minuten 8 resp. 12 Sgr. u. s. w. Das Droschkenwesen entwickelte sich jetzt so günstig, daß das Privilegium des Mortier und Genossen noch bis zum 1. Oktober 1837; verlängert wurde. Seit 1827 waren im Sommer 120, im Winter 100 Drosch⸗ ken, denen 34 Halteplätze angewiesen waren, im Betrieb; sie durften die Fahrten auch nach 12 Stationspunkten außerhalb der Ringmauern fortsetzen. Das Droschkenwesen gab zu wenig Klagen Veranlassung und brachte auch für die Unternehmer günstige finanzielle Resultate.

Das am 1. Oktober 1837) ablaufende Privilegium wurde nicht erneuert, das Droschkenwesen vielmehr nun nach dem Prinzip der be⸗ schränkten freien Konkurrenz, welches hierfür noch heut maßgebend ist, umgestaltet. Das Polizei⸗Präsidium forderte durch eine Bekannt⸗ machung vom 10. Januar 1837 diejenigen Fuhrleute, welche zur Auf⸗ stellung von ein⸗ und zweispännigen Wagen auf den Straßen am 1. Oktober 1837 bereit seien, zur Meldung auf. Mit den Bewerbern wurden Kontrakte auf ein Jahr geschlossen, in welchen die genauesten Vorschriften über Beschaffenheit der Wagen, Pferde 2c. enthalten waren. Obwohl der , Entrepreneur Henoch allein 100 Ein⸗ spänner übernommen hatte, wurde die erwartete Zahl von 300

Droschken nicht erreicht: es fuhren nur 206 ein und 30 zwei—⸗ spännige Wagen auf. Die Konkurrenz der früheren Entre— preneurs drückte aber die Fahrpreise für die Tour

durch die ganze Stadt wurden von 1 und 2 Personen nur 5 Sgr. gezahlt, jo daß sich Wagen und Pfe. de sehr bald auffallend verschlech⸗ terten. Man glaubte, namentlich mit Rücksicht auf die bevorstehende Einführung der Omnibus, dem Droschkenwesen durch noch freiere Konkurrenz und noch hilligere Preise aufhelfen zu können, und stellte im Kontraktsjahr 1838/38 339 ein und 42 zweispännige Wagen auf, ermäßigte den Preis der Fahrt von 20 Minuten für eine Person auf 4 Sgr, führt auch für Tourfahrten innerhalb der Stadt Abonnements, 20 Fuhren à 2 Thlr. ein, aber man stieß bald auf Widerstand bei den Droschkenbesitzern, die sich zu einem Verein zusammengethan hatten und im Sommer 1839 mit Betriebseinstellung drohten, wenn der Minimalpreis nicht wieder auf 5 Sgr. erhöht würde. Die Behörde gab diesen Wünschen nach und, beschränkte auch die allzufreie Kon⸗ kurrenz dahin, daß nur, wer mindestens 5 Ce hd 9 könne und wolle, auf die Erlaubniß rechnen dürfe. Durch diese Neuerung vermehrte sich die Zahl der Wagen so erheblich, daß im Jahre 1841 schon 458 ein⸗ und 164 zweispännige Droschken aufgefahren wurden. Seitdem hat die Zahl der Droschken nach und nach erheblich zuge⸗ nommen, aber auch die Klagen über die Verschlechterung dieses Zweiges des öffentlichen Fuhrwesens sind konstant geblieben, und das Polizei⸗ Präsidium hat vergeblich versucht, durch zahlreiche Reglements dem Verfall des Droschkenwesens Einhalt zu thun. Die Zahl der Droschken betrug im Jahre 1848: 839 ein- und 58 zweispännige, 1849: 875 und 57, 1850: 907 und 59, 1851: 9652 und 47, 1859: 1005 einspännige, 1861: 1200, 1863: 1584, 1867: 2077, 1869: 3000, Ende 1371: 2861. und 3424 1J, Klasse. Im Jahre 1872 wurde die Zahl der Droschken auf 4569 fixirt, und zwar 1090 J., 3500 II. Klasse. Anfangs Juni waren 3836 Droschken im Betriebe, von denen nur 56 nicht zu den Vereinen der Droschkenbesitzer es ist neben dem alten, 320 Mit⸗ glieder zählenden Verein noch ein neuer von 1552 Mitgliedern ent⸗ standen gehürten. Die Verträge, welche früher mit den einzelnen Unternehmern abgeschlossen wurden, sind schon seit vielen Jahren durch Konzessionen ersetzt. 9.

Durch die mittelst Polizei⸗Verordnung vom 25. Juli 1868 er— folgte Einführung der Droschken J. Klasse sind für die wohlhabendere Bevölkerung die meisten Mängel der Droschkeneinrichtung beseitigt worden, wogegen die übrigen Droschken, II. Klasse, immer mehr zu wünschen übrig ließen. Das Polizei-Präsidium hat mit dem Reglement vom 20. Januar d. wiederum eine Re⸗ organisation des Droschkenwesens unternommen, welche hauptsächlich die Wagen zweiter Klasse . neben welchen auch Packetdroschken, Broughams mit einer Vorrichtung auf dem Verdeck zum Foitschaffen von Gepäck, zugelassen werden sollen. Für die Wagen ist eine zweck⸗ mäßigere Einrichtung und saubere Ausstattung vorgeschrieben worden, zu deren Ausführung den bisherigen Konzessionaren aber Fristen bis 1. Juli d. J. resp. 1. Januar k. J. bewilligt sind, wie ihnen auch gestattet worden ist, das im Betriebe befindliche Material vorbehalt—= lich einzelner innerhalb jener Fristen zu bewerkstelligenden Umände⸗ rungen noch bis zum J. Jannar 1875 zu benutzen. Die Auffahrts. zeit ist für alle Droschken von 7 Uhr Morgens bis 12 Uhr Nachts verlängert; eben 3 lange dauert die in . tung, für den Tagestarif zu fahren. Für gewöhnliche Zeitfahrten ist bei Droschken J. Klasse der Minimalbetrag von 10, bei Droschken II. Klasse und Gepäcdroschken von 5 Sgr. auf 15 Minuten festge⸗ jetzt, aber auch auf 2 Personen ausgedehnt worden; 3 und mehr Per- sonen entrichten 15 resp. I Sgr. Die Tourfahrten werden fortan nach Meterentfernung bezahlt, wobei die angegebenen Minimalsätze für 2400 Meter als Einheit dienen; die Entfernung wird von dem in jeder Droschke anzubringenden Wegemesser abgelesen. Für . außerhalb des engern Polizeibezirks ist ein ö Tarif maß⸗ gebend. Bekanntlich haben am 1. März d. J, an welchem Tage dieses neue Reglement in Kraft getreten ist, sämmtliche Droschken—⸗ besitzer Berlins den Betrieb eingestellt, um für sich günstigere Regle⸗ mentebedingungen zu erzwingen.

Blicken wir a auf die ganze Entwickelung des Droschken⸗ wesens zurück, so zeigt sich in demselhen die rapide Zunahme des Ver⸗ kehrs in Berlin. Während im vorigen Jahrhundert zur Blüthezeit des Fiakerwesens, etwa im Jahre 69, 1 Fiaker auf ca. 4000 Civil⸗ einwohner kam, berechnen sich im Jahre 1858, ungeachtet der in den Omnibus neu hinzugetretenen öffentlichen Verkehrsmittel, nur 440 und im Jahre 1872 gar nur 210 Cipileinwohner auf 1 Droschke, was einn daß der Verkehr in 100 Jahren sich mindestens verzwanzig⸗ 1 at.

) Nach dem Aufsatz des Regierungs h Dr. Dieterici in 83 Zeitschrift des Königlich a , statistischen Bureaus. Jahrg.

Walhall und Hell.

Von den beiden Vorlesungen: Walhall und Hel, der „Tod“ im germanischen Mythus hielt Dr. Werner Hahn gestern die erste über Walhall vor einem zahlreichen Publikum im Saale des Hotel de Rome. An die beiden Namen: Walhall und Hel so führte der Redner aus knüpften die alten Germanen ihre Vorstellungen über den Tod. Walhall bedeutet die Halle Odhins für die Seelen der auf dem Schlachtfelde Gefallenen, Hel dagegen ist in Niflheim darauf bedacht, denen Wohnungen anzuweisen, die vor Alter oder durch Krankheit gestorben sind. Was den Zusammenhang der mythi⸗ schen Vorstellungen mit dem Systeme der germanischen Götter⸗ auffassung anbetrifft, so sind Walhall und Hel nicht bloße Mythenbilder, sondern stehen als letzte Ausläufer mächtiger Grundvorstellungen des germanischen Götterdaseins da. Von den Germanen wurde der Tod als Form des Lebens an⸗ gesehen, und während bei den Griechen die Welt des Todes ausschließlich als Unterwelt dargestellt ist, so finden wir bei jenen Dahinlautendes höchstens nur annähernd in Bezug auf Hel. Die Götter der Griechen wenden sich vom Tode ab, die der Germanen verkehren mit ihm und sind ihm zugänglich. Walhall hängt mit Odhin eng zusammen. Letzterer trägt ganz den Charakter eines monotheischen Wesens in sich, steht dem All gegenüber, ist größer als Zeus und erleidet eine Beschränkung nur von Loki. Die übrigen Götter sind Aeußerungen seiner Macht, werden zumeist seine Söhne genannt und besittzen eine nur beschränkte Gewalt in einem beschränkten Gebiete. Vor⸗ übergehend erscheint Odhin zwar in Zerstreutheit und Zerstücke⸗ lung, aber dennoch wurzelt dauernd seine Macht in den Kräften der Natur als hellstrahlende Sonne und wolken⸗ jagender Sturm sowie im Leben der Menschen und Völker. Hier ist das Umfassendste aber nicht Ackerbau, Lust, Jagd, Ge⸗ rechtigkeit, Handel und Schiffahrt denn für all dieses haben die Germanen eigene Untergötter —, auch nicht der Krieg und die Dichtkunst, da wir auch dafür zwei Gottheiten bei ihnen vorfinden, wohl aber die beiden letzten zusammengenommen; beide wachsen in enger Verbindung auf und aus. Ohne den Krieg hätte die Poesie bei einem Naturvolke keine Grundlage, und es ist das Zeugniß der Tiefe des germanischen Volkstypus, daß beides in ihm gemeinsam zum höchsten Ausdruck gekommen ist. Odhin nun persinnbildlicht vereint den Krieg wie die Dicht⸗ kunst. Zwei neben einanderstehende Strophen der Edda geben dazu einen sichern Anhalt. Sie lauten: „Sökkwabeck heißt die vierte (Halle), kühle Fluth überströmt sie immer; Odhin und Saga trinken alle Tage da selig aus goldenen Schalen. Gladsheim heißt die fünfte, wo golden schimmert Walhalls weite Halle: „da kiest sich Odhin alle Tage vom Schwert erschlagene Männer“. Von keiner anderen Thätigkeit wird Aehnliches über ihn ausgesagt, da die übrigen bei ihm wechseln (Sökkwabeck heißt zu Deutsch „versinkender Bach“, ein symbolischer Ausdruck für jede Erinnerung). Obiger Wortlaut der Edda dürfte nach Ansicht des Vortragenden einen dankbaren Stoff jedem Künstler für ein Gemälde geben, würdig der Kriegs⸗ kunst und des Dichtergeistes der Germanen, vorausgesetzt, daß der Künstler zur Staffage ausschließlich schöpft aus dem über⸗ reichen Born der Edda; damit würde dem Deutschthum für alle Zeit ein köstlicher symbolischer Ausdruck geliehen werden. Der Redner ging sodann näher auf die Etymologie von Wal⸗ hall ein. Die gefallenen Helden sind Odhins Auserwählte, das

Walhall, in das Haus seiner Wahl. Das Bild dieses letzteren entrollte er darauf im Wortlaute der Edda und wies daraus vier Bildergruppen nach: a. Heldenkampf ist die höchste Lebens⸗ weise, die vor der Gottheit die meiste Berechtigung hat; b. die Majestät des Göttlichen, welche der unnahbare Ort Walhall überall darstellt; c. das Verhältniß zu den Grundbestandtheilen der Welt; d. die Befreiung von allem Niedriggearteten als Mittel der Idealisirung. Im ganzen Mythus spiegelt sich eine wunderbare Reinheit des germanischen Volks⸗Charakters ab. Das Bild der Walhall durchdrang dermaßen die alten Helden, daß sie darauf ausgingen, den Tod im Heldenkampfe zu suchen, und manche Perle der eddischen Dichtkunst haben wir ihm zu verdanken. Zur Erläuterung des letzteren legte der Vortragende zum Schlusse mehrere Bruchstücke aus den Liedern über Helgi, dem Hundingstödter, vor, verflocht sie zu einem ganzen Bilde und wies nach, wie in Walhall jede ehemalige persoͤnliche Feind⸗ schaft aufhört.

Die Geflügelausstellung im Indu strie⸗Gebäude.

Unter dem Protektorat Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Carl hat der Geflügel⸗Verein Cypria am 28. Februar in dem in der Kommandantenstraße gelegenen Industrie⸗ Gebäude eine Ausstellung von Geflügel, Sing⸗ und Schmuck⸗ vögeln eröffnet. Dem Verein ist es trotz der mannigfachen Schwierigkeiten, welche einem derartigen Unternehmen entgegenstehen, nicht nur gelungen, ein befriedigendes Resultat zu erzielen, son⸗ dern er hat auch bei sachverständigen Fachmännern die größte Anerkennung gefunden. Es waren auf der bereits gestern ge⸗ schlossenen Ausstellung nicht nur fast alle überhaupt bekannten Arten der Hühner⸗, Taub en⸗ und Schmuckvögelwelt vertreten, sondern es zeichneten sich die einzelnen zur Schau gestellten Exemplare auch durch Schönheit in hervorragender Weise aus.

Der Besucher gelangte zuerst in denjenigen Theil des Aus⸗ stellungsraumes, welches die Tauben enthielt. Hier stellte sich dem Betrachter eine Mannigfaltigkeit der Arten und eine Aus⸗ wahl von Exemplaren dar, wie sie wohl eine Privatsammmlung überhaupt nicht aufzuweisen vermag. Jedes Mitglied des Ver⸗ eins Cypria hatte zu dieser Fülle nach Kräften beigetragen. So hatte namentlich die hohe Protektorin, Höchstderen Samm⸗

lung überhaupt zu den bedeutendsten in Deutsch⸗ land gehört, eine große Auswahl der schönsten und seltensten Tauben zur Verfügung gestellt. Hervorzuheben

sind unter den 18 Nummern, welche Ihre Königliche Hoheit beigetragen hat, besonders bucharische Trommeltauben, eine Race, welche erst kürzlich nach Europa eingeführt worden ist. Von anderen ausländischen Taubenarten . sich noch die blauen ägyptischen, sowie die blauen chinesischen Mövchen durch Schönheit aus. Von den ausgestellten Kröpferarten zog besonders ein Paar rother französischer Herzkröpfer das Interesse der Kenner auf sich. Ein indianisches Taubenpaar fiel haupt⸗ sächlich darum auf, weil das Paar verschiedenartig gefärbt war; der Täuber war roth, die Taube gelb.

Interessante Beiträge zur Taubenausstellung hatte außerdem Dr. Bodinus, der Direktor des zoologischen Gartens, geliefert. Dahin gehörten ein Paar bucharischer Tauben, ein Paar Mekka⸗ tauben, gelbe englische Kropftauben, zwei Paar Almont⸗Tümm⸗ ler. Der Schriftführer des Vereins Cypria, Herr Herrmann

Schlachtfeld ist seine Wahlstadt, als Gäste kommen jene nach

reiches aber um so werthvolleres und interessanteres Kontingent gestellt, darunter ein rothes indianisches Taubenpaar, ein Paar weiße Kröpfer mit blauen Schwänzen und ein Paar teollige Mövchen mit schwarzen Schwänzen. Den der Zahl nach reich- sten Beitrag hatte Herr V. Moeser geliefert, fast 30 Nummern. Unter diesen sind hervorzuheben ein Paar schwarze ägyptis Möhchen, ein Paar englische Kröpfer, ein Paar muntere Lach— tauben, weiße Maltheser und noch manch andere werthvolle auz— ländische und inländische Art.

Neben einer großen Zahl deutscher Städte, wie Leipzig Frankfurt a. M., Dresden, Hannover, Stralsund, Cöln, Lübeck, Freiburg i. S., Stettin, Altenburg, Magdeburg, Braunschweig, Bautzen, Prenzlau hatte sich auch Amsterdam in hervorragender Weise betheiligt, und bei der bereitwilligen Förderung, welche besonders unsere Nachbarstädte Charlottenburg, Spandau und Potsdam dem Unternehmen hatten zu Theil werden lassen, bot dieser Theil der Ausstellung eine reiche Uebersicht über die Ergebnisse der Taubenzucht.

In gleicher Weise wie bei der Taubenausstellung hatte der Direktor des zoologischen Gartens dafür Sorge getragen, dem Beschauer die auserlesensten Hühnerarten in wahren Musterexemplaren vorzuführen. Besonders hervorzuheben sind die schwarzen Cochinchinahühner. Diese merkwürdige Race wurde zuerst im Jahre 1843 aus Shanghai im nordöstlichen China, wo sie eigentlich zu Hause ist, als Geschenk für die Königin Victoria von Großbritannien mitgebracht. Obgleich nun Ihre Majestät die Weiterzucht derselben sehr förderte und fortwäh— rend neue Stämme anlangten, sie auch zwei Jahre später nach Pari⸗ in den jardin des plantes kamen, erregten sie doch erst seit dem Jahre 1850, wo sie auf verschiedene englische Ausstellungen und von da auch nach Deutschland gelangten, allgemeines Aufsehen und Interesse. Diese Hühner wurden seit der Zeit mit großer Vorliebe gesucht, oft mit bedeutenden Preisen bezahlt, freilich ihr Werth auch vielfach überschätzt. Der große, plumpe Bau, der kleine Kopf, welcher langgestreckt und nach vorn geneigt ist, stellt diese Hühnerart ihrer äußeren Erscheinung nach nicht in die erste Linie. An Schönheit ragen im Gegensatze zu ihnen in der Sammlung des Dr. Bodinus besonders die spanischen und die blauen Bredahühner hervor.

Auch um diesen Theil der Ausstellung hat sich der Schrift= führer des Vereins durch die Zahl und Mannigfaltigkeit seiner Bantamsarten ein Verdienst erworben. Wir finden hier Gold⸗ bantam, Silberbantam, schwarzen Bantam, kukuksfarbigen Ban—⸗ tam, roth⸗ und weißhalsigen Krempfbantam. Die Figur und das Benehmen dieser Hühnerraee ist zierlich und graziös, ähnlich wie bei dem gemeinen Landhuhn; auch die Beine sind leicht und zierlich gebaut, die Zehen ziemlich kurz. Das ächte Bantamhuhn, welches schon seit Jahrhunderten in Japan gezähmt gehalten wird, scheint aus dem wilden Bankivahuhn durch Kreuzung mit irgend einer orientalischen Hühnerart erzielt zu sein, wie aus der Aehnlichkeit der Figur und Färbung hervorgeht. Von Japan

und durch die Holländer danach benannt. In Europa gelten see noch immer für selten.

Noch ist eine Kollektion von 13 Nummern zu nennen, welche aus der Nähe von Hannover zur Ausstellung hierher gelangt war. Schon die Höhe der Preise spricht für die Schönheit und Seltenheit der gelieferten Exemplare. Es waren hier zwei Paar Cochinchinesen, deren Verkaufswerth auf 30 resp. 25 Thaler gestellt ist, ferner Hamburger Goldlack und Spanier, welche ebenfalls als Musterexemplare gelten dürfen.

Ohne an dieser Stelle auf Beschreibung der einzelnen Exemplare und Sammlungen noch weiter eingehen zu können, bemerken wir nur noch, daß sich auch bei diesem Theile der Ausstellung die fernsten Theile Deutschlands, wie die nächsten der Art betheiligt hatten, daß dem Kenner und Liebhaber ein in teressantes Bild der Hühnerzucht vor Augen geführt wurde.

Endlich haben wir noch den Theil der Ausstellung zu be— rühren, welcher die Sing⸗ und Schmuckvögel umfaßte. Ein bekannter hiesiger Vogelhaͤndler hatte zahlreiche Papageienarten eliefert, daneben suchte ihn ein anderer durch gut sprechende e, nen und Kakadus zu überbieten. Trotz der geringen Vorräthe, welche sich gegenwärtig in den Vogelhandlungen be⸗ finden, waren schöne Kanarienvögel, besonders Harzer Roll⸗ schläger, Trompeten⸗Kanarienvögel, vorhanden. Ihren Preisen nach billiger, aber für den Vogel⸗Liebhaber nicht minder inter— essant, waren die ausgestellten Papstfinken, Reiß⸗ und Mus— katfinken, weißköpfige Nonnen und noch manche andere Art bekannter und beliebter Zierden der gefiederten Welt.

Zum Schlusse erwähnen wir auch die beiden Brütapparate, welche sich ebenfalls auf der Ausstellung befanden. In einem Kasten daneben tummelte sich eine Anzahl vor sechs Tagen künstlich ausgebrüteter Küchlein, deren Lebendigkeit und Munter⸗ keit zeigte, daß die künstliche Brütmethode durchaus keinen schäd⸗ lichen Einfluß auf die Beschaffenheit der so ins Leben gerufenen Thierchen übt.

Die Schönheit und Reichhaltigkeit der Ausstellung ließ er⸗ kennen, daß der Pflege der Hühner⸗ und Taubenzucht, wie der der Sing⸗ und Schmuckvögel fortwährend große Sorgfalt zu⸗ gewandt wird. Gewiß ist auch das Beispiel der hohen Protel⸗ torin des Vereins nicht ohne Einfluß auf die günstigen Erfolge e r n, welche die Ausstellung der Reichshauptstadt vorge⸗ ührt hat.

Wiener Welt⸗A Ausstellung.

nom menen Zählung der verfügbaren Wohnungen und Betten im ol izeirayon Wien ist bereits bekannt und stellt sich folgendermaßen eraus; In 3120 Häusern sind 62435 8979 mf und 3498 Kabinetten mit 183273 Betten, verfügbar. Diese Zahl ist jedoch zu niedrig gegriffen, da die Besitzer der größeren Hotels keine genauen Angaben machten, weil angeblich alle Wohnun— gen über die Dauer der Weltausstellung bereits gemiethet seien.

Redaktion und Rendantur: Schwieger.

Berlin, Verlag der Expedition (Kesseh. Druck: H. Heiberg

Vier Beilagen l(einschließlich der Börsen · Beilage).

Köhne, ein bekannter Taubenliebhaber, hatte ein weniger zahl⸗

wurde diese Race nach der Stadt Bantam auf Java gebracht

Wien, 3. März. (Wien. Itg.“ Das Ergebniß der vorge—=

3 Wohnungen, bestehend aus

z 357.

Königreich Preußen. TVersonal Veränderungen.

I. In der Armee.

Offiziere, Portepee⸗Fähnriche ꝛc. A. Ernennungen, Beförderungen und Versetzungen.

Den 25. Februgr 1873. Erbgroßherzog von Mecklen⸗ 1e e, ih Königliche Hoheit, Rittm. à Ua spite des 2. Garde— lan Regts,, ein vom 23. Dezember 1867 datirtes Patent seiner Fharge verliehen. Spitz, Hauptm. vom J. Rhein. Inf. Regt. 6g, unter Versetzung, als ältester Hauptm. in Das 2. Posen. nf. Regt. Nr. 19, in seinem Kommdo. als Adjutant von em Gouvernement von, Mainz 13. Division versetzt. lalotki von Trzebigtowski, Hauptmann und Com- apnie⸗ Chef im Kaiser Franz Garde⸗-Gren. Regt. Nr. 2 alg Ldiutant zum Gouvernement gon Mainz kommandirt. w. Rosen⸗ erg, Pr. Lt. vom Kaiser Franz Garde⸗Gren. Regt. Nr. 2, zum Dauptm. und. Comp. Chef befördert. v. Vignau, Pr. Lt. von kems. Regt. ein vom 18. Februar 1871 datirtes Patent seiner Charge „lichen. Frhr. v. Kageneck, Pr. Lt. vom 1. Bad. Leib, Grengad, hegt. Nr. IM,. unter Entbindung von dem Kommando als Adjutant er 2. n Brig, in das Kaiser Franz Garde-Gien. Regt. är. ; versetzt. Gr. v. Pfeil, Pr. Lt. vom 1. Garde⸗ Regt zu Fuß, ils Adsut. zur 2. Garde⸗Inf. Brigade kommandirt. v. Fo erster, Sec. Lt. vom 1. Westpreuß. Gren. Regt. Nr. 6, in das 4. Nieder⸗ chles. Inf. Regt. Nr. Hl versetzt.

B. Abschiedsbewilligungen re.

Den 25. Februar 1813. v. Pirch, Sec. Lt, vom 1. Thüring. Inf. Regt. Nr. 31, als temporär ganzinvalide mit Pension unter dem gesetzlichen Vorbehalt ausgeschieden. v. Borcke, Pr. Lt. von der Inf. (ch 'I. Bals. Weimar) H. Thüring. Landw. Regts; Nr. 4, als

auptm. mit der Armee Uniform der Abschied bewilligt. Braun,

Hberst-Lt. 4. D., zuletzt im Garde- Fuß⸗Artill. Regt., unter Erthei⸗ ung der Erlaubniß zum ferneren Tragen der Uniform. des gedachten Regts, in die Kategorie, der zur Disp. stehenden Offiziere versetzt. b Schmeling⸗Diringshofen, Major a, früher m J Pommerschen Gren, Regt. (Colherg Nr. und während hes Feldzuges 1870,71 zuletzt als militär. Mitglied der Reserve⸗ Uazareth⸗Kommiss. zu Frankfurt a. / O. in Funktion gewesen, der Cha⸗ after als Oberst⸗Lieut. verliehen. Heuduck, Hauptm; a. D., zuletzt zip. Chef im 2. Brandenburg. Gren. Regt. Nr. 12 (Prinz Garl hon Pr.), die Anstellungsberechtigung im Cipildienst erthgiit. Ther enberg', Sec. Lt. g. B., zuletzt ven der Res. des 3. Rhein. Inf. hegts. Nr. 29, die Erlaubniß zum Tragen der Uniform der Reserve⸗ Offiziere des gedachten Regts. ertheilt.

zur

HI. In der Marine. Offiziere ꝛe. A. Ernennungen, Beförderungen ze.

Den 25. Februar 1873. Zembsch, Ditm ar, Kap. Lis. hon der 2. Matrosen⸗Division, zu Korvettehn⸗Kapitäns befördert.

B. Abschiedsbewilligungen ꝛc.

Den 22. Februar 1873. v. Schrötter- u. v. Stut tzer⸗ heim, See Kadett, zur Reserve der 1. Matrosen-Division entlassen. Goerne, Lient. zur See von der 1. Matrosen⸗Dipision, unter dem esetzlichen Vorbehalt ausgeschieden.

Aichtamtliches. Deutsches Reich.

Sachsen. Dresden, 4. März. Die Erste Kammer deschäftigte sich zunächst mit dem Berichte der Finanz⸗Deputa⸗ ion, die Eisenbahnanlage Krippen⸗Schandau Bautzen betreffend, nd trat hierbei nach kurzer Debatte, in welcher die Deputa⸗ ions-Anträge von keiner Seite angegriffen wurden, in Gemäß— eit derselben den Beschlüssen der Zweiten Kammer bei mit

llusnahme desjenigen, nach welchem die Staatsregierung er—

ucht werden solt, den Bau der Bahn mit thunlichster Beschleu—⸗ igung in Angriff zu nehmen und zu fördern, auch wenn irgend möglich, binnen 4 Jahren fertig zu stellen und die Bahn dem Betriebe zu übergeben. Der Verkauf des Kupferhammer⸗ und Walzwerks Grünthal wurde einstimmig genehmigt. Den Rest der Sitzung füllten mündliche Berichte der Petitions⸗Deputa— ion. Nach Erledigung der Tagesordnung theilte Staats-⸗Möi⸗ ister Frhr. v. Friesen mit, daß nach genauer Erwägung der Verhältnifse sich herausgestellt habe, daß es nicht möglich sein herde, Donnerstag den 6. d. M., die Sitzungen des Landtags u schließen, es werde daher, wahrscheinlich noch im Laufe des

Tages, ein Könialiches Dekret an die Kemmern gelangen, nach

ö der Schluß der Sitzungen auf Sonnabend aufge— choben sei.

. der Zweiten Kammer erstattete Vize⸗Präsident Streit anderweiten Bericht über den von der Ersten Kammer abgelehnten Gesetzentwurf wegen einiger Abänderungen der Verfafsungsurkunde. Er nahm die Zweite Kammer gegen den Vorwurf einer Verzögerung der Sache durch einen Ueberblick ber den Gang der Angelegenheit in Schutz. Am Schlusse einer Rede drückte er die Hoffnung aus, daß die Erste Kammer doch noch zur Erkenntniß kommen werde, wie ihr Beschluß dem Wohle des Staates nicht entspreche und daß sie durch eine enderung ihres Votums in patriotischer Weise die Hand bie⸗ en werde, um nachtheilige Folgen abzuwenden. Zuvor hatte r darauf hingewiesen, daß der jächsische Landtag allen Grund sabe, in Bezug auf die Beschleunigung seiner Arbeiten dem Beispiele des Reichstages nachzueifern. Abg. Dr. Wigard führte odann aus, daß dieser Fall von Neuem beweise, daß nur eine Aenderung der Zusammensetzung der Ersten Kammer Abhülfe

chaffen könne. Der Abg. Haberkorn gab im Namen der Rech⸗ en die Erklärung ab, daß auch sie aufrichtig das iblehnende Votum der Ersten Kammer beklagten, daß

ie einstimmig an dem 6 . der Zweiten Kammer festhielten

ind zuversichtlich hofften, die Erste Kammer werde doch noch im nteresse Aller Und im Intereffe eines friedlichen, und freund⸗ ichen Zusammenwirkens aller Gesetzgebungsfaktoren den dies⸗ eitigen Beschlüssen beitreten. Nachdein noch die Abgg. Dr. Bie⸗ dermann und Ludwig gesprochen, beschloß die Kammer einstimmig, ei ihren Beschlüssen stehen zu bleiben. Nach Erledigung einiger

um Deutschen Reichs⸗Anz

Erste Beilage

Mittwoch, den 5. März

anderer Berathungsgegenstände trat die Kammer sodann in die allgemeine Diskussion des neuen Berichts der außerordentlichen Steuerreform⸗Deputation über den aus der Ersten Kammer her⸗ übergekommenen Gesetzentwurf ein. Die gesammte Deputation empfahl im Einverständniß mit der Regierung, den Beschluß, von spezieller Durchberathung des aus den Verhandlungen der Ersten Kammer , Entwurfs abzusehen, und es werden demgemäß von beiden Theilen der Deputation lediglich wieder Grundzüge für eine dem nächsten Landtage zu machende Reformvorlage zur Annahme empfohlen. Für das Prinzip der Ma⸗ jorität (Ersatz der Gewerhe⸗ und Personalsteuer und eines Theiles der Grundsteuer durch eine allgemeine Klassen⸗ und Einkommensteuer, bez. Ersatz der Gewerbe⸗ und Personalsteuer und der Grundsteuer durch eine solche) sprachen die Abgg. Referent hr. Gensel, Jordan und Philipp, für das System der Minorität (Verbindung einer dem muthmaßlichen durchschnittlichen mitt⸗ leren Ertrag der Steuerobjekte entsprechenden Grund- Gewerbe⸗

nd Rentensteuer, Ertragssteuer, mit einer progressiven Ein⸗

1

kommensteuer für die höhern Einkommenstufen von 400 oder 500 Thalern an aufwärts) die Abgg. Dr. Heine, Referent Günther und Uhlemann. Im Sinne einer ausgleichenden Re⸗ vision und Reform des bestehenden Steuersystems äußerten sich die Abgg. Walter, Haberkorn, Käferstein; Abg. Haberkorn stellte

den Antrag, zur Zeit keinen der seit 1368 gemachten Vorschläge

anzunehmen, vielmehr die Regierung zu neuen umfassenden Erhebungen in der Richtung eines jeden dieser Vorschläge zu ersuchen und zu ermächtigen. Nachdem ein Antrag auf Schluß der Debatte angenommen worden, wurde der Haberkornsche Antrag mit großer Majorität abgelehnt, und es wurden die formellen Anträge der Deputation, in die spezielle Berathung des Entwurfs der Ersten Kammer nicht einzutreten und die Regierung um die Vorlegung eines neuen Gesetzentwurfs über die direkten Steuern an den nächsten Landtag zu ersuchen, ein⸗ stimmig angenommen.

Baden. Karlsruhe, 28. Februar. Am 2. März tritt hierselbst der Ausschuß zusammen, welcher die Vorarbeiten zu dem im Mai abzuhaltenden Badischen Städtetage beginnen und zu leiten haben soll. Eine Kommission des Gemeinderaths in Mannheim hat bereits die Grundzüge festgestellt, welche beim Erlasse einer Städteordnung zur Durchführung kommen sollen; dieselben liegen dem Gemeinderathe, nebst einem Statut für den Städtetag, zur Beschlußfassung vor und sollen hiernach dem Städtetage selbst als Anträge unterbreitet werden. Diese Grund⸗ züge lauten nach der „Magdeburger Zeitung“:

J. Die künftige Stadtgemeinde wird durch alle Einwohner eines Stadtbezirkes mit Ausnahme der Militärpersonen des aktiven Dienst⸗ standes gebildet.

II. Alle Einwohner des Stadtbezirkes sind zur Mitbenutzung der öffentlichen Gemeindegnstalten berechtigt und zur gleichmäßigen Theilnahme an den städtischen Gemeindelasten verpflichtet.

III. Das Bürgerrecht im engeren Sinne besteht in dem Rechte der Theilnahme an den Wahlen, sowie in der Befähigung zur Ueher— nahme unbesoldeter Aemter der Gemeindeverwaltung und der Ge⸗ meindevertretung.

IV. Das Bürgerrecht im engeren Sinne wird für Inländer durch einen einjährigen Aufenthalt in der Stadtgemeinde erworben. Unter der gleichen Voraussetzung erwerben Reichsangehörige das aktive und passive Wahlrecht in den ürgeraussch̃n ( ; ö

Die Wählbarkeit in den Gemeinderath setzt einen dreijährigen Aufenthalt in der Gemeinde und die Landesangehörigkeit voraus.

V. Den Stadtgemeinden soll die Befugniß zustehen, ihre Ge⸗ meinde⸗Bedürfnisse, so weit solche durch Umlagen zu decken sind, auf eine ihren lokalen Verhältnissen angemessene Weise zu bestreiten; ins— besondere soll dahin gewirkt werden, daß sie durch die Gesetzgebung auch die Befugniß erhalten, die erforderlichen Umlagen ganz und allein im Wege einer nach Klassen eingetheilten, mäßig progressiven Einkommensteuer zu erheben. Mindestens aber wäre zuzugestehen, daß diese Einkommensteuer als Ergänzungssteuer zu der bestehenden Grund, Häuser⸗ und Gewerbesteuer zulässig sein soll. .

Die Art und Weise der Durchführung bleibt den cinzesnen . unter Aufsicht der betreffenden Staatsbehörde über- assen.

VI. Die Verwaltung und Vertretung der Stadtgemeinde bleibt dem Gemeinderathe und dem Bürger⸗A1usschusse übertragen.

Der letztere wählt sich einen Vorsteher und alljährlich eine Kom⸗ mission von zehn Mitgliedern, welche die von dem Gemeinderatye an den Bürgerausschuß gelangenden Vorlagen und die vom Bürgeraus— schuß ausgehenden Anträge bearbeitet und darüber dem Ausschusse Bericht erstattet. ; (

Das Nähere bestimmt die Geschäftsordnung. Dem Bürgeraus—⸗ schuß soll das Recht, der Initiative innerhalb der Grenzen seiner ge— setzlichen Zuständigkeit eingeräumt werden.

Die von ihm ausgehenden Anträge müssen im Einzelnen be— erf und mit Vorschlägen in Betreff der Durchführung ver⸗ nüpft sein.

n e. durch den Vorsteher zu berufenden Versammlung dessel⸗ ben muß der Gemeinderath oder dessen hierzu bestellte Kommissare zugezogen und muß derselbe jederzeit gehört werden. 2

Zur Gültigkelt eines Gemeindebeschluffes ist die Uebereinstim⸗ mung des Gemeinderathes und Ausschusses in getrennter Abstimmung erforderlich. Kann ein solches Einverständniß in erster Abstimmung nicht erreicht werden und auch in einer, nach angemessener Frist auf's Neue anzuberaumenden wiederholten Berathung des Gegenstandes nicht erzielt werden, so findet nach dieser zweiten resultatlosen Abstimmung k der ö Sitzung eine Durchzählung der Stimmen beider Col⸗ egien statt. .

Wird der Gemeinderath auch bei diesen beiden letzten Abstim= mungen überstimmt, so muß ihm der Rücktritt aus dem Amte frei⸗ gestellt sein, ohne daß die Bestimmungen des §. 17 der G.⸗O. An⸗ wendung finden.

VII. Das Klassensystem bei der Wahl des Bürgerausschusses ist zu beseitigen.

2 VIII. Die Organisation des Gemeinderathes bleibt aufrecht er= halten. . .

Ueber die an ihn gelangenden Anträge des Bürgerausschusses be⸗ schließt derselbe in gesonderter Sitzung.

1X. Die Gemeinderäthe der Stadtgemeinden sind von der Ver⸗ pflichtung zur Führung der Grund- und UÜnterpfandsbücher zu befreien. Dieselbe ist von einer besonderen Behörde unter Verantwortlichkeit des Staates zu übernehmen.

X. Ein Regulativ soll genau diejenigen Geschäfte feststellen, welche die Gemeinderäthe, nn . e , auf Ver⸗ anlassung der Staats- und Militärbehörden künftig zu besorgen haben und welche Kostenvergütungen hierfür zu leisten sind. .

eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1873.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 3. März. Der Kaiser hat mit einem Handschreiben vom 3. März dem lebenslänglichen Herrenhausmitglied, Hugo Grafen Abensberg⸗Traun, die Würde eines erblichen Herrenhausmitgliedes verliehen.

Das Abgeordnetenhaus nahm heut die Uebergangs⸗ bestimmungen (Anhang) zum Gesetz über die Beamtengehalte an und zwar den §. 1 mit dem Abänderungsantrag Weiß, welcher dasselbe Prinzip wie der Antrag des Ausschusses verfolgt, den §. 3 gemäß des Antrages der Minorität des Ausschusses, wonach die Beamten bei der Einreihung in eine niedrigere Rangklasse, als ihre derzeitige Diätenklasse ist, für ihre Person den bisherigen Rang und die demselben ent⸗ sprechenden Bezüge behalten, genehmigte auch den Antrag Scharschmiedts auf Hinzufügung eines 6. Paragraphen, welcher besagt, daß denjenigen Beamten, welche durch die Gehaltsregu⸗ lirung gegenüber den derzeitigen Bezügen inclusive Quartiergeld und Theuerungszulage weniger Gehalt bekommen, eine Zulage im Differenzbetrage zuerkannt werde. Sämmtliche Paragraphen des Gesetzes, betreffs Regelung der Aktivitätsbezüge des Perso⸗ nals der vom Staate angestellten Lehrer und der Bibliotheks⸗ beamten, wurden nach den Ausschußanträgen angenommen. Seidl und Genossen beantragten, die Regierung aufzufordern, sie möge einen Gesetzentwurf betreffs der Regelung der Wittwen⸗ pensionen und Erziehungsbeiträge vorlegen.

Die „Wiener Abendpost“ erklärt, daß die Reise des Krakauer Bezirkshauptmannes Bobowski nach Wien durch persönliche Angelegenheiten hervorgerufen und die Nachricht von einer amtlichen Berufung desselben sammt allen Folgerungen unrichtig ist.

4. März. (W. T. B.) Die zweite Lesung der Wahl⸗ reformporlage ist für nächsten Donnerstag auf die Tagesordnung des Abgeordnetenhauses gesetzt.

Pesth, 3. März. Im Unterhause interpellirte Kisz den Minister des Innern, ob der neu ernannte Obergespan des Za⸗ rander Komitates Ferdinand Hoeszler derselbe sei, der im Jahre 1848 im russischen Lager Dienste verrichtete und später unter dem absoluten Regime Beamter war. Svetozar Miletic inter⸗

pellirte den Kultus⸗Minister wegen des Vorgehens des König⸗

lichen Kommissärs in Angelegenheit des Neusatzer Gymnasiums.

Fraukreich. Versailles, 4. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Nationalversamm lung nahm der Prä⸗ sident Thiers das Wort. Derselbe erklärte zunächst, daß Dufaure dem eigentlichen Gedanken der Regierung Ausdruck gegeben habe und daß er dessen Erklärungen weder verbessern noch ab⸗ ändern, sondern nur vervollständigen wolle. Den Gesetzentwurf der Dreißiger⸗ Kommission nehme er dessen ganzen Umfange nach an, das Hauptgewicht müsse er auf den Artikel 4 des Ent⸗ wurfs legen, nicht etwa um die gegenwärtige Regierungsform zu einer definitiven zu machen, sondern um die Mittel zu ge⸗ winnen, vollständiger wie bisher seine Pflichten gegen das Land und gegen die Versammlungen erfüllen zu können. Unter dem Kaiserreiche habe er die Freiheiten verlangt, welche er für noth⸗ wendig gehalten habe, heute verlange er die Herstellung von Einrichtungen, die ihm nothwendig erschienen. Vor Allem sei es nothwendig, daß die Regierungsgewalt dauernden Be⸗ stand gewinne. Thiers betonte darauf, daß er den Gesetz⸗ entwurf auch besonders um deswillen befürworten müsse, weil sich das Bedürfniß eines Zusammenhaltens und einer ge—⸗ wissen Uebereinstimmung der Parteien gebieterisch geltend mache. Er hoffe, die Versammlung werde nicht auseinandergehen, ohne Einrichtungen hinterlassen zu haben, in welchen die Ordnung einen Stützpunkt finden könne. Während die monarchischen Parteien die aufrichtige Ueberzeugung hätten, daß die Monarchie die einzig mögliche Regierungsform sei, glaubten die Republi⸗ kaner aus eben so voller Ueberzeugung an die alleinige Mög⸗ lichkeit der Republik. Dieser Gegensatz der Meinungen nöäthige zu einer gewissen Toleranz in den politischen Dingen, aber nichts desto weniger werde die Regierung, welche das Gleichgewicht unter den Parteien aufrecht zu erhalten suche, angeklagt, ihr Spiel mit denselben zu treiben, während doch Unparteilichkeit der einzige Beweggrund ihres Verhaltens sei. Thiers hob sa⸗ dann hervor, daß der Vertrag von Bordeaux auf die gegen⸗ wärtigen Verhältnisse eben so gut seine Anwendung finde, wie auf die politische Sachlage, aus welcher er hervorgegangen sei. Er habe gegen keine Partei sich einer Untreue schuldig gemacht. Der Pakt von Bordeaux bezeichnete für die Einen die Sicherung der gegenwärtigen Zustände, für die Anderen die Freiheit, welche die Zukunft bringen werde. „Für mich bedeutet derselbe die treue und loyale Erfüllung meiner Pflichten.“ Der Präsident deutete alsdann auf die Beendigung der Okkupation hin und hob hervor, daß der Augenblick der Befreiung nahe sei; von der Weisheit der Versammlung hänge es ab, die betreffende Frist noch zu verkürzen „Wir haben ein zwiefaches Vaterland zu vertheidigen, einmal unseren vaterländischen Boden, dann aber den Zustand det Ordnung und Ruhe. Gern würden wir mit unserem Blut den Boden Uusers Vaterlandes befreit haben, es ist uns wenig⸗ stens gelungen, die Ordnung wiederherzustellen. Vertrauen und Wohlstand kehren wieder. Im weiteren Verlaufe der Rede er⸗ klärte es der Präsident nicht für rathsam, die Republik förmlich zu proklamiren, aber es müsse etwas geschehen, um das gegen⸗ wärtige Provisorium zu konsolidiren. Das sei die in der Bot⸗ schaft ausgedrückte Meinung gewesen. Die Versammlung hatte die Aufgabe, den Frieden abzuschließen und als⸗ dann die „Befreiung des Territoriums von der fremden Okkupation herbeizuführen. Sei dies erreicht, so habe die Versammlung ihr Mandat erfüllt. Gegenüber dem Wider⸗ spruch, der sich von der Rechten gegen diese Aeußerung erhob, erklärte Thiers: Er verstehe darunter nicht die Auflösung der Versammlung an einem bestimmten Tage, aber man dürfe doch annehmen, daß noch dieses Jahr das Ende der Arbeiten der , ,, sehen werde. Uebrigens sei die Republik die legale Regierungsform des Landes. Als darauf von ver⸗ schiedenen Seiten der nur provisorische Charakter der Republik betont wurde, fuhr Thiers fort: Es handle sich nicht darum, eine definitive Republik zu begründen, jedenfalls aber müsse die Republik konservativ sein, denn eine Monarchie sei augenblicklich unmöglich. Der Präsident schloß seine Rede, indem er der Ver⸗ sammkung dringend empfahl, behufs Erreichung des patriotischen Zweckes bei der Beurtheilung der verschiedenen Meinungen mit

Toleranz zu verfahren: er werde die Republik als ein ihm an⸗