1873 / 114 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 May 1873 18:00:01 GMT) scan diff

dem das Haus ohne weitere Diskussion beitrat. Es folgte als vierter Gegenstand der Tagesordnung die Schluß⸗ berathung über die vom Abgeordnetenhause bei dem Gesetzent⸗ wurf über das Grundbuchwesen und die Verpfändung von Seeschiffen in der Provinz Schleswig⸗Holstein 5. 44, Zeile 3 von unten hinter dem Worte „haben“ beschlossene Einschaltung „und der Bergarbeiter.“ Der Referent Herr v. Bernuth bat, sich mit dieser Einschaltung einverstanden zu erklären und das Haus beschloß demgemäß. Als letzter Gegenstand befand sich auf der Tagesordnung der mündliche Bericht der Geschãftsordnungs⸗Kommission über die Anträge Graf v. Kras⸗ sow und Theune, welchen Graf zu Eulenburg erstattete. Das Haus genehmigte diese Anträge ohne jede Debatte in folgen⸗ der Fassung:

Dem 5§. 20 der Geschäftsordnung als Absatz 2 und 3 hinzu⸗ zufügen: Ueber den Inhalt der einer andern als der Petitions⸗Kom— mission überwiesenen Petitionen hat der Referent dem Hause bei der General⸗Diekussion Bericht zu erstatten. Dasselbe findet auch in den Kommissions⸗Berathungen statt. . .

Ueber die eingegangenen Petitionen wird von Zeit zu Zeit den Mitgliedern des Hauses ein Verzeichniß zugestellt, aus welchem der Extrahent und der kurze Inhalt der Petition, sowie die Kommission, welcher dieselben überwiesen worden, zu ersehen ist.

Der Präsideut schloß hierauf die Sitzung um 12 Uhr 10 Minuten, beraumte die nächste auf morgen Vormittag 10 Uhr an und setzte auf deren Tagesordnung: 15 Bericht der Il. Kom⸗ mission über den Gesetzenkwurf, betreffend die Geschäftssprache der Behörden ꝛ.; Y) Schlußberathung über den Gesetzentwurf, betreffend die auf den Forsten haftenden Berechtigungen in der Provinz Hannover; 3) Wahl eines Mitgliedes für die Central⸗ Kommission für die Grundsteuer⸗Regulirung in den neuen Pro⸗ vinzen; 4 zweiter Bericht der Matrikel⸗Kommission; 5) Vorbe⸗ rathung über den betreffend die Erwerbsgesell⸗ schaften; 6) Schlußberathung über den Gesetzentwurf, betreffend die Verwerthung der Forstnutzungen aus den Staatswaldungen in den vormals kurhessischen Landestheilen; 7) Petitionsberichte.

In der heutigen (16.) Sitzung des Hauses der Abge⸗ ordneten waren am Ministertisch anwesend die Staats⸗Mi⸗ nister Camphausen und Dr. Achenbach und mehrere Re⸗ gierungs⸗Kommissare. Der Präsident von Forckenbeck ver⸗ las zunächst das oben erwähnte Schreiben des Präsidenten des Staats⸗Ministeriums, Grafen von Roon. Hierauf verlas der

Abg. Neubourg folgende von ihm eingebrachte Inter⸗

pellation: ö

I) worin die bisherige Verzögerung des Baues der Eisenbahn von Harburg nach Stade ihren Grund gehabt hat,

2) ob die Stade⸗Cuxhafener Eisenbahn⸗ und Hafenbau⸗Gesell⸗ schaft in der That die Konzession auch für den Bau der Strecke Harburg⸗Stade erhalten hat, und, wenn dies der Fall aus ,,. . 5 die Konzessionsertheilung bisher nicht publizirt worden ist,

3) ob im Fall der Konzessiensertheilung, oder auch dann, wenn solche nicht stattgehabt haben sollte, nunmehr Maßnahmen erwartet werden durfen, welche die rasche Ausführung des Baues der Bahn in sichere Aussicht stellen?

Der Staats⸗Minister Dr. Achenbach beantwortete die Inter⸗ pellation dahin, daß die stattgefundene Verzögerung ihren Grund in technischen Hindernissen finde, nach deren Beseitigung die Ausführung des Baues der gedachten Bahn thunlichst beschleu⸗ nigt werden solle. Hierauf wurde folgende Interpellation des Abg. Dr. Pet ri verlesen:

Nach dem Gesetze vom 11. Februar 1879 soll unter die Provin⸗ zen Schleswig-Holstein, Hannover, Hessen⸗Nassau und Kreis Meisen⸗ heim der Jahresbetrag der bisher auf denselben lastenden Grundsteuer von 3,200 000 Thlr. nach Verhältniß des zu ermittelnden Rein⸗ ertrages der stenerpflichtigen Liegenschaften gleichmäßig vertheilt werden. Diese Vertheilung soll bis zum 1. Januar 1875 in der Art bewirkt sein, daß bis zu diesem Termin, nicht allein das von obiger Summe auf jede der Provinzen fallende Steuer⸗Kontingent feststeht, sondern innerhalb jeder Provinz das Soll jedes Kreises, innerhalb jedes Kreises das Soll jedes Gemeindebezirks, innerhalb jedes Gemeindebezirks das Soll jeder steuerpflichtigen Lie⸗ genschaft festgestellt ist. Es ist klar, daß nur aus einer nach gleich- mäßigen Grundsätzen erfolgenden Feststellung des Reinertrages jedes einzelnen steuerpflichtigen Grundstückes sich der Reinertrag jedes Ge⸗ meindebezirks, jedes Kreises, jeder Provinz und im Anschluß hieran deren Steuer⸗-Kontingent ergeben kann. Hieraus folgt, daß von einer gerechten, dem Gesetze vom 11. Februar 1870 entsprechenden Verthei⸗ lung der 3,2 0, 000 Thlr. Grundsteuer nicht eher die Rede sein kann, als bis die Reinertragsermittelung aller Liegenschaften in sämmtlichen betheiligten Provinzen vollständig durchgeführt ist. In gleicher Weise unzweifelhaft ist es, ö eine genaue landwirthschaftliche Reinertrags⸗ berechnung, die Feststellung des Flächeninhaltes der zu schätzenden Grundstücke als erste Bedingung voraussetzt. Es ist dies in der in Rede stehenden Angelegenheit um so unerläßlicher, als in Ueberein⸗ stimmung mit dem gesetzlichen Verfahren, bei der Grundsteuerregu⸗ lirung in den altländischen Provinzen, der Reinertrag nach Morgen⸗ ertragssätzen (Tarifsätzen für jede Kulturart und jede Klasse jeder Kulturart festgestellt werden soll. .

Die im Jahre 1868 begonnenen Neumessungen resp. Revisionen und Berichtigungen vorhandener Karten befinden sich aber in den hier fraglichen Provinzen in sehr verschiedenen Stadien.

Während es im Kreise Meisenheim und in den Regierungs⸗ bezirken Kassel und Wiesbaden gelungen ist, bis ult. Dezember 1872 die geodätischen Vorarbeiten wenigstens insoweit zu fördern, daß die⸗ selben voraussichtlich im laufenden Jahre werden vollendet werden, ist in den Provinzen ,, und Hannover bis ult. Desember 1872 noch nicht die Hälfte des Landes vermessen. ö

Diese Thatsache, gestattet gewiß die Annahme, daß die Vermes⸗ sung der anderen Hälfte nicht vor Ablauf einiger Jahre wird voll⸗ endet werden können. Hiernach erscheint es aber dermalen ganz un⸗ möglich, eine gerechte, dem Gesetze entsprechende Steuerausgleichung auf der einen Seite zwischen den Provinzen Schleswig⸗Holstein und auf der anderen Seite zwischen Hessen⸗Nassau und Meisen⸗ heim bis zum 1. Januar 1875 durchzuführen.

„Sollte die Absicht vorliegen, auf Grund ungefährer und daher unsicherer Flächenüberschläge und darauf basirender, ebenfalls nur über⸗ schläglichen und deshalb ungenauen Einschätzungen den Reinertrag jener beiden Provinzen ermitteln zu lassen und dann zu balanciren mit der PWweziell vermessenen und eingeschätzten Provinz Hessen⸗Nassau und Meisenheim und einstweilen, wenn auch etwa mit Vorbehalt nachträg— licher Ausgleichung das Kontingent jeder Provinz zu den 3,200, 0900 Thalern festzustellen so würde ein solches Verfahren der Provinz Hessen⸗Nassgu und Meisenheim gegenüber nicht gerechtfertigt sein.

Der Königlichen Staats-Reglerung muß es schon längere Zeit he⸗ kannt sein, daß die Vermessung und Einschätzung der belden Provin⸗ zen Hannover und Schleswig-Holstein nicht rechtzeitig fertiggestellt werden konnte. Dessenungeachtet ist bis jetzt eine Gefetzesvorlage nicht gemacht worden, durch welche der in dem Gesetze vom 11. Fe— bruar 1879 bestimmte Termin hinausgesetzt wird. Nach der Sach- lage scheint aber dieser Weg der einzige zu sein, auf welchem de Gesetze vom 11. Februar 1870 ohne Schädigung einzelner Landestheike genügt werden kann.

4 . richte deshalb an die Königliche Staats-Regierung die nfrage:

ob sie eine Gesetzes-Vorlage einzubringen gedenkt?

Der Regierungs ⸗Kommissar Geheimer Ober ⸗Finanz⸗Rath Schumann erklärte darauf, daß wegen Mangels an technischen Kräften die Regierung bisher noch nicht die erforderliche Ueber⸗

ficht über die Angelegenheit habe. Für die allgemeinen Rech⸗ nungen über den Staatshaushalt der Jahre 1869 und 1870 wurde in dritter Berathung ohne Debatte Decharge ertheilt. Ebenso enthielt sich das Haus aller Diskussion bei der ersten Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Verwendung der aus der französischen Krieg sentschädigung an Preußen gelangenden Geldmittel. (S. unter Landtagsangelegenheiten.) Darauf wurde in zweiter Berathung der Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des 5§. 3 des Gesetzes vom 19. März 1860 wegen Revision der Normalpreise angenommen, und sodann um 114 Uhr die Sitzung auf morgen früh 9 Uhr vertagt.

Morgen finden auf dem Exerzierplatze hinter der Hasen⸗ haide die Besichtigungen des Kaiser Alexander Garde⸗Gre⸗ nadier⸗Regiments Nr. 1, des Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗ Regiments Nr. 2 und des Garde⸗Schützen⸗Bataillons statt.

Der im Bureau des Ministeriums des Innern redigirte Adreßkalender für die Königlichen Haupt- und Resi⸗ denzstädte Berlin und Potsdam für das Jahr 1873 ist so eben ausgegeben worden. Derselbe enthält bekanntlich die Genealogie des Königlichen Hauses, eine Uebersicht der Reichs, Staats⸗ und städtischen Behörden, sowie der hier und in Pots⸗ dam bestehenden Gesellschaften, Vereine und Anstalten. Im An⸗ hange ist eine Nomenklatur des ärztlichen Personals, der Gast⸗ höfe und der Hotels garnis gegeben. , ,

= Der Major Schuxrig, Abtheilungs⸗Chef im Königlich sächsischen Kriegs⸗Ministerium, ist zur Erledigung dienstlicher Aufträge beim hiesigen Kriegs⸗Ministerium von Dresden hier angekommen.

Oels, 11. Mai. Die Enthüllung der hier errich⸗ teten Friedens- und Sieges säule fand gestern in feier⸗ licher Weise statt.

Bayern. München, 12. Mai. Eine Deputation der beiden Semeindekollegien, an deren Spitze sich die zwei Bürger⸗ meister befanden, hat heute Nachmittag dem Prinzen Leopold und der Prinzessin Gifela die Aufwartung gemacht. Prinz Leopold empfing heute auch eine aus Bayreuth hier ein⸗ getroffene Deputation des 7. Infanterie⸗Regiments, zu dessen Oberst⸗Inhaber er jüngsthin ernannt wurde.

Sachsen. Dresden, 13. Mai. Vom Gesetz⸗ und Verordnungsblatte ist das 6. Stück vom Jahre 1873 in der Ausgabe begriffen. Dasselbe enthält das Gesetz vom 21. April d. J., die Organisation der Behörden für die innere Verwaltung betreffend; das Gesetz vom 21. April d. J., die Bildung von Bezirksverbänden und deren Vertretung betreffend; das Gesetz vom 22. April d. J, das Verfahren in Verwaltungs⸗ strafsachen betreffend; die revidirte Städteordnung vom 24. April d. J; die Städteordnung für mittlere und kleine Städte, vom 24. April d. J.; die revidirte Landgemeindeordnung vom 24. April d. J.; das Gesetz vom 26. April d. J, das Volks⸗ schulwesen betreffend; das Gesetz vom 16. April d. J., zur Publikation des Kirchengesetzes wegen Errichtung eines evan— gelisch⸗lutherischen Landeskonsistoriums betreffend; das Kirchen— gesetz vom 15. April d. J., die Errichtung eines evangelisch⸗ lutherischen Landeskonsistoriums betreffend; die Verordnung vom 15. April d. J., den Eintritt der Wirksamkeit des Kirchen⸗ gesetzes vom 15. April d. IJ, wegen Errichtung eines evange— lisch⸗lutherischen Laudeskonsistoriums betreffend; das Kirchen⸗ gesetz vom 15. April d. J., den von jeder ordentlichen Landes⸗ synode zu bestellenden ständigen Ausschuß betreffend; das Kirchengesetz vom 15. April d. J., eine Abänderung der Be—⸗

stimmungen im 5. 25 der Kirchenvorstands⸗ und Synodalord⸗

nung über die Besetzung geistlicher Stellen betreffend; die Ver⸗ ordnung vom 15. April d. J. zu Ausführung des Kirchen⸗ gesetzes, eine Abänderung der Bestimmungen im §. 25 der Kirchenvorstands- und Synodalordnung über die Besetzung geistlicher Stellen betreffend.

Württemberg. Stuttgart, 10. Mai. Der Erb⸗ Großherzog von Oldenburg ist gestern zum Besuche der Königlichen Familie hier eingetroffen und heute wieder abgereist.

Baden. Karlsruhe, 11. Mai. Der Großherzog ist heute nach mehrtägiger Abwesenheit von der Jagd am Fuße des Feldbergs in die Residenz zurückgekehrt.

Heidelberg, 11. Mai. Gestern fand die feierliche Ein⸗ weihung des von der Sadt Heidelberg gestifteten Krieger⸗ denkmals auf dem Friedhofe statt. Dasselbe stellt einen an der Spitze mit einem Kranze versehenen schlanken Obelisk von weißgrauem Sandstein dar, ruhend auf einem Postamente aus gleichem Stoffe, dessen je zwei gegenüberliegende Seiten kriege⸗ rische Enbleme und den Reichsadler in gelungener Ausführung sowie die eingemeiselten Namen der hier Bestatteten in rother Schrift zeigen. Heute Morgen reihte sich die von der Uni⸗ versität zu ähnlichem Zwecke veranstaltete Feierlichkeit der gestrigen würdig an. In der St. Peterskirche war vor Kurzem die von der Hochschule gestiftete Gedenktafel für die im letzten Kriege gefallenen Heidelberger Studirenden eingemauert worden, und es wurde daher heute die Enthüllung festlich begangen. Das Denkmal trägt als Aufschrift: „Die Universität Heidelberg den im Krieg gefallenen Studirenden.“

Sach sen⸗Coburg⸗ Gotha. Coburg, 12. Mai. Auf ergangene Einberufungsschreiben trat heute Vormittag 9 Uhr der Spezial-Landtag für das Herzogthum Coburg zusammen. Erschienen waren sämmtliche Abgeordnete, von Seiten des Herzoglichen Staats⸗Ministeriums der Ministerial⸗ Rath Rose. Nach Eröffnung der Sitzung wurden folgende Vorlagen bekannt gegeben: 1) Erlaß Herzoglichen Staats⸗Mini⸗ steriums, die Gehalts- und Besoldungsverhaͤltnisse der Geistlichen betreffend. ) Erlaß Herzoglichen Staats⸗Ministeriums, die Or⸗ ganisation der Gerichtsbehörden betreffend. 3) Erlaß Herzog⸗ lichen Staats-Ministeriums, den Domänen⸗Etat, betreffend für die Periode vom J. Juli 1873 bis 30. Juni is79. Erlaß ger de ll hen Staats⸗Ministeriums, den Staats kasse⸗Etat für die evorstehende Finanzperiode betreffend. 5) Eingabe des Vor⸗ standes des Thüringschen Städteverbandes, Gemeinbehörden ꝛc. betreffend. Die Vorlagen ad 1, 3 und 4 wurden der Finanz⸗ Kommission, die Vorlage ad 5 der Rechts-Kommission und die Vorlage ad 2 einer besonderen Kommission überwiesen.

Bremen, 16. Mai. Der Jahrestag des Friedens⸗ schlusses, der 10. Mai, wurde heute durch die Einweihung des Kriegerdenkmals auf dem Heerdenthorsfriedhofe würdig ge— feiert. Das Denkmal ist ein einfacher Obelisk aus Sandstein, dessen Vorderseite unter dem Eisernen Kreuze die Inschrift:

rethen ihren Wunden oder Krankheiten erlegen sind. 187071“ und an dessen übrigen Seiten die Namen der vierundvierzig hier gestorbenen Krieger stehen.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 12. Mai. Gestern Abends 58 Uhr fand im Ceremoniensaale der Kaiserlich Königlichen Hof⸗ burg ein Empfang statt. Zu demselben hatten sich außer den obersten Hofchargen, Garde⸗Kapitänen und Hofdiensten das ge⸗ sammte diploina lische Corps, die durch dasselbe beim Kaiserlichen und Königlichen Ministerium des Aeußern zur Vorstellung bei Ihren Majestäten angemeldeten Fremden von Distinktion, die General Kommissäre und Mitglieder der ausländischen Au stel⸗ lungs⸗Kommissionen, die gemeinsamen Minister, sãmmtliche Minister für die diesseitige Reichshälfte, die Mitglieder der Kaiser⸗ lichen Ausstellungs⸗Kommission, der ungarischen Landes⸗Kom⸗ mission sowie der Landes⸗-Kommissionen einzelner Kronländer und die Mitglieder der General⸗Direktion zur Vorstellung bei Allerhöchstihren Majestäten eingefunden.

Ueber die Börsenkrisis druckt die ‚W. Abendztg.“ folgenden Artikel der ‚Montags⸗Revue“ ab: „Wir möchten alle Diejenigen, die jetzt nach der Regierung schreien, fragen, warum ihnen gerade jebzt der Name des Finanz⸗Ministers so ge⸗ läufig ist? Wenn man dem Baron de Pretis die Rolle der Vorsehung vindicirt, warum hat man darauf nicht gemerkt, daß er, mit der Verweigerung der Cote der Kartelbanken, mit der Hintanhaltung des Konzessionsunsuges seine Warnungszeichen gab? Wahrhaftig, es war nicht die persönliche Laune des Finanz⸗Ministers, sich mit solchen Dingen und tausend Chikanen selbst das Leben zu verbittern; er wußte, daß der altösterreichische Ruf „Polizei? in der Zeit der Noth wieder ertönen werde, darum stellte er sich noch früher auf den Platz, wo es gilt, die öffentlichen Interessen zu schützen. Die Interessen der Börse fallen damit nur zum Theile zusam⸗ men, Anforderungen von Industrie und Handel gehen ganz darin auf. Darum hält es die Finanz⸗Verwaltung vor Allem für ihre Pflicht, Industrie und Handel vor Gefahren möglichst zu schützen, und wir glauben versichern zu können, daß Baron de Pretis auf diesem Gebiete vor der Uebernahme der größten Verantwortlichkeit nicht erschrickt, wenn es gilt, Hülfe zu schaffen und Industrie und Handel aufrecht zu erhalten. Die Regierung wird auch ihren ganzen Einfluß bei der Nationalbank dafür einsetzen, daß sie im Eskompte sich koulant erweise und bei dem engen Konnex zwischen Industrie und Fi⸗ nanz in diesem kritischen Momente die bisher geübte strenge Scheidung zwischen Industrie⸗ und Finanzwechfel hintansetze. So dürfen wir hoffen, daß der Medio und Ultimo dieses Mo⸗ nates glücklich vorüberziehen werden und daß die Kalamität einer Sandelskrisis erspart bleibt, mit den vorhandenen normalen Mitteln. Gestaltet sich aber die Nothwendigkeit gebieterisch, zu außerordentlichen Mitteln für diesen Zweck zu greifen, so findet auch eine solche Situation die Regierung gerüstet.

J . . T. . , Nummer der Wiener t eine Kaiserliche Verord

ö . 5 14 * Bankstatuten. K Pesth, 12. Mai. Heute Vormittags halb 11 Uhr hat d

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m halb 1 Uhr besuchte der Erzherzog Joseph die Prin⸗ . . . . sich die e n in . 3 zogs Joseph und ihrer Suite nach der Marga⸗ Nachmittags 3 Uhr wird der Prinz von Wales eine Depu— tation der großen Loge von Ungarn unter Führung . desgroßmeisters Joanovies empfangen. Nachmittags werden ö. en einem , der Regatta und

ufführung von Erkels Oper „Hur L 9 und . . . . ,, Aus Karlsburg me. det man dem esti Naplo“ vom II. d. M., daß die katholische k . Vor⸗ konferenz gehalten habe, an welcher 80 Mitglieder, darunter vier Reichstagsahgeordnete, Theil nahmen. Ueber die Organisi⸗ rung fand eine lange Debatte statt. Viele wollten den verwal⸗ tenden Senat wählen, andere die ganze Organifation durchfüh⸗ ren. Morgen wird hierüber entschieden werden.

15. Mai. (B. T. B.) Das Unterhaus hat den Gesetzentwurf über die Eskompte⸗ und Handelsbank ange⸗ nommen.

Schweiz. Bern, 13. Mai. (W. T. B.) Die letzte Ne u⸗ wahl des großen Raths des Kantons Graubündten ist entschieden liberal ausgefallen. Heute findet in Freiburg eine Versammlung der sämmtlichen schweizerischen Bischöfe statt. Genf, 13. Mai. (W. T. B. Am Sonntag und Montag sind hier, einer Mittheilung des „Journal de Geneve zufolge, mehrere Flüchtlinge, unter weichen sich zwei Mitglieder der Kommune und ein Mitglied des Centralkomites befinden, durch die Polizei verhaftet worden, von der an den Bundesrath berichtet ist. Eine Untersuchung ist eingeleitet. Von den ersteren beiden ist einer in Lon zu 20 3 Zwangsarbeit wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder verurtheilt und derselbe auf Befehl des Bundesrathes nach Frankreich ausgeliefert worden.

Niederlande. Haag, 10. Mai. Die Hauptposten Kredites von 5,527,500 Gulden, welchen ha . . einem an die Zweite Kammer der Generalstaaten gelangten Gesetz⸗ entwurfe für Erhöhung des Budgets für i nne Indien auf das Jahr 1873 verlangt, um die Expedition gegen Atschin fortsetzen zu können, bilden die Voranschläge der Mehr⸗ Ausgaben für die Aus- und Zurücksendung von Militären, die Werbungskosten einbegriffen, um 1,180 060 Gulden, für Ma⸗ terial der Seemacht um 3957000 Gulden, für Material des Kriegsdepots um S650oh9 Gulden, für unvorhergesehene Aus— gaben um eine halbe Million u. f. w. Nach den dem Gesetz⸗ entwurfe beigefügten Erläuterungen wird es zur Deckung dieses Kredites nicht nöthig sein, andere Mittel anzuweisen, als die in dem Budget bereits bezeichneten; denn die betreffenden Mehr⸗ ausgaben werden reichlich gedeckt durch das, was der Verkauf von Kaffee und Zinn mehr einbringen wird. Der Kaffeeverkauf wird zusammen 42,155,317 Gulden einbringen, demnach g„50!,53! Gulden mehr, als im Budget veranschiagt ist. Außer dem bereits festgese ken Kontingente für das

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Heer in Ostin dien werden in diesem Jahre noch nach Java

geschickt werden 1700 Mann Infanterie, 20) Mann Artillerie

„Dem Andenken deutscher Krieger, welche in bremischen Laza⸗

und 100 Mineure und Sappeure, worunter 5 ö offiziere und 6 Prozent Rorporale. K

Großbritannien und Irland. London, 12. Mai. Zu Ehren des Königs und der Königin der Belgier veranstaltete der österreichisch⸗ungarische Botschafter Graf Beu st am Sonnabend Abend in seinem Hotel einen großen Empfang, bei welchem außer den belgischen Majestäten der Herzog von Cambridge, der Prinz Christian von Schleswig⸗Holstein, Prinz Eduard von Sachsen⸗Weimar, fast das gesammte diplomatische Corps und Vertreter der britischen Aristokratie zugegen waren.

Dem „Observer“ zufolge werden die allgemeinen Wahlen für das Parlament vorbehaltlich unvorhergesehenen Eventualitäten im nächsten Frühjahr stattfinden. Das (fetzige) Parlament wird, wie üblich, im Februar für eine kurze Session zusammentreten. Nach Annahme der Etats und Erledigung der nothwendigen Geschäfte der Session wird das Parlament aufge⸗ löst werden, um sobald als möglich nach Ostern wieder zusam⸗ menzutreten.

Die Regierung trifft weitere Anstalten zum Schutz der Goldküste gegen die IJnvasion der Ashantis. Der Schau⸗ feldampfer „‚Valorous“ verließ heute Portsmouth auf. der Reise nach Cape Eoast Coastle mit einem Detachement Marine-⸗Artille⸗ rie und einer Feldgeschütz Batterie. Sechs andere Offiziere be⸗ gleiteten das . An der spanischen Küste wird sich der Schaufeldampfer „Barraeouta“ dem „Valorous⸗ anschließen und mit demselben die Reise nach Cape Coast Castle antreten.

Ein Telegramm der „Times“ aus Ealeutta vom 12. d. M. meldet: Der Mir von Badakshan, Mahomed Shah, ist von seinen Unterthanen abgesetzt worden. Der Emir hat den afghanischen Gouverneur von Balkh angewiesen, die Ordnung wiederherzustellen.

Das kanadische Haus der Gemeinen hat, einem Telegramm aus Ottawa zufolge, den Gesetzentwurf angenommen, welcher die Registrirung und Klassifizirung kanadischer Schiffe und die Gründung eines kanadischen Lloyd verfügt.

13. Mai. (W. T. B.) Der Staatssekretär der Kolo⸗ nien, Earl Kimberley, erklärte einer Deputation gegenüber, welche die Annexion der Fidschi⸗Inseln durch Großbritannien befürwortete, daß diese Frage eine außerordentlich schwierige sei; die Regierung werde den Gegenstand einer reiflichen Prüfung unterziehen und denselben nicht aus den Augen verlieren.

Nach aus Bombay eingetroffenen dortigen Zeitungs⸗ nachrichten wäre dem Rear⸗Admiral Sir Arthur Cumming, Höchstkommandirenden in den ostindischen Gewässern, der Befehl zugegangen, sich sofort mit allen disponiblen Seestreit⸗ kräften nach Zanzibar zu begeben und dort weitere Befehle abzuwarten.

In der heutigen Sitzung des Unterhauses wurde von Stanley die Frage wegen Errichtung von Spielbanken in Helgoland zur Sprache gebracht. Der Unter⸗Staatssekretär im Departement der Kolonien, Hugessen, gab darauf die Erklärung ab, daß die den Behörden von Helgoland ertheilte Erlaubniß zur Errichtung öffentlicher Spielbanken schon seit zwei Jahren wieder zurückgezogen worden sei. Im Oberhause passirte die Bill über die Aufhebung des Testeides an der Universität Dublin die zweite Lesung.

Frankreich. Paris, 12. Mai. Wie die „Corr. Havas“ meldet, „wird die Regierung bei Eröffnung der Sitzungen der Kammer die organischen Gesetze zwar vor⸗ legen, aber auch zugleich die Vertagung der Besprechung der⸗ selben bis auf die Herbstsession, alsfo bis nach der muthmaß⸗ lichen Räumung des Gebietes, verlangen; in der am 19. Mai beginnenden Session würden dann nur das Militärgesetz und das Unterrichtsgesetz zur Sprache kommen.“

Da der Bagno von Toulon vor dem 1. Oktober geräumt sein soll, so hat die Regierung zum Transport der Sträflinge die Kriegsschiffe Virginia“, „Sybille“ und „Nereide“, welche taglich von Neu⸗Caledonien zurückerwartet werden und die „Alceste“, welche demnächst von ihrer Fahrt um die Erde zurückkehren soll, bestimmt.

Spanien. Madrid, 11. Mai. Der Protest der gewalt⸗ sam gesprengten Permanenz⸗Kommission lautet: ;

„An die Nation! Die unterzeichneten Vertreter des Landes, Mit- glieder des ständigen Ausschusses, während der letzten kritischen und absonderlichen Zeit aus Gründen der Vaterlandsliebe zu einem pein⸗ lichen Schweigen gezwungen, erachten es jetzt ihrer Ehre und Würde gegenüber für ihre unabweisbare Pflicht, vor der Nation zu erklären: I) daß die Unterzeichneten bis zu dem Augenblicke, wo die zerspreng— ten und verfolgten Mitglieder des Ausschusses sich wieder vereinigen und angemessene Beschlüsse fassen können, öffentlich und feierlich gegen das

Dekret vom 24. April, welches den durch die Nationalversammlung kraft

Gefetzes vom 11. März ernannten Ausschuß aufgelöst erklätt, Protest erheben; 2) daß sie die irrigen Behauptungen, die als Vorwand für jenen gewaltsamen und verfassungswidrigen Beschluß gebraucht worden sind, verwerfen; 3) daß sie die Hand aufs Herz und auf ihr Ehrenwort erklären, sich in allen ihren Handlungen streng in den Grenzen des von der Nationalversammlung ihnen gewordenen Lluftrages gehalten zu haben; ) daß sie der vollziehenden Gewalt gegenüber keinen Au— genblick die Achtung und die Rücksicht außer Augen gelassen haben, welche die öffentlichen Gewalten sich unter einander schuldig sind; und endlich, daß fie sich insbesondere und ausschließlich das Recht wahren, die Minister der vollziehenden Gewalt vor der gesetzmäßig versammel⸗ ten Vertretung der Nation zur Verantwortung zu ziehen, so wie die Urheber der ungerechten und schändlichen Vergewaltigung, die in der Nacht des 23. April vollzogen Horden, vor den Gerichten des Landes

zu verfolgen.

Unterzeichnet ist diese vom 6. d. M. datirte Erklärung von 15 Mitgliedern, also der Mehrheit des bei der Auflösung aus 29 Mitgliedern zusammengesetzten Ausschusses. Der Präsident desselben, Francisco Salmeron, hat sich nicht angeschlossen.

Aus Bareelona wird dem „Bureau Reuter“ vom J. ds. auf telegraphischem Wege Folgendes mitgetheiet: „Die letzten Berichte über das Gefecht in Monseny, melden, daß die Carlisten nicht General Cabrinety, sondern die republikanischen Freiwilligen von Arbucie angegriffen, deren Verluste stark waren, und die zahlreiche Gefangene in ihren Händen ließen. In Villa Terta verbrannten die Carlisten die Dekrete des Generals Velarde mit Bezug auf die Amnestie und die Ummauerung der Land⸗ häuser ünd Melereien. Die Bande des Valles, welche die Eisen⸗ bahnstation in Selva verbrannte, hat sich in mehrere Detache⸗ ments getheilt, um in Monbrio, Borjar und Aleexar in der Provinz Tarragona Kontributionen aufzulegen. General Velarde hat dem Kriegs⸗Minister telegraphirt, daß die Carlisten fort⸗ fahren, sich der Regierung zu unterwerfen. Er sagt: „Ich be⸗ reite eine Massenaushebung in den vier Provinzen vor; Saballs kann nur 300 Mann um sich schagren.“

Ein Telegramm des „Daily Telegraph“ aus Madrid meldet unterm 9. d.: Es heißt, daß der Kriegs⸗Minister die Kunde von der totalen Zersprengung der Regierungstruppen durch Dorregarray unweit Estella erhalten hat. Bis jetzt ver⸗ lautet, daß Oberst Noparro, welcher die Republikaner komman⸗ dirte, Gefangener ist, und daß 269 seiner Leute todt auf dem Platze blieben. Ferner wird versichert, daß die Carlisten auch eine große Anzahl Truppen zu Gefangenen gemacht und ein

Geschütz erbeutet haben. Drei Bataillone Infanterie haben Ma⸗ drid verlassen, um die zersprengten Truppen zu verstärken.

15. Mai. (W. T. B.) Gestern ist hier eine car⸗ listische Verschwörung entdeckt worden. Bei Gelegenheit vorgenommener Haussuchungen sind drei der Theilnehmer ver⸗ haftet. Sagasta ist gestern von hier abgereist. Die Wahlen nehmen einen ruhigen Fortgang.

Italien. Rom, 9. Mai. Der Deputirte Pellatis hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der die Erziehung des Kle⸗ rus durch den Staat zu regeln bestimmt ist. Dieser Gesetzent⸗ wurf schreibt vor:

Art. 1. Kein italienischer Bürger darf als Kleriker eingekleidet werden oder Zögling eines Seminars oder anderen Erziehungsanstalt werden, welche nicht direkt von der Regierung ressortirt, wenn er nicht: I) das 20. Jahr rollendet und 2) in einem Institut der Regierung eder einem demselben gleichgestellten die Gymnasial⸗ und Lycegl⸗Stu⸗ dien durchgemacht und das Zeugniß der Reife erlangt hat. Art. 2. Eltern oder Vormünder, welche ihren Kindern oder Mündeln erlauben würden, dem Art. 1 entgegenzuhandeln, werden das erste Mal mit einer Geldstrafe von 50 206 Lire bestraft. Im Rückfalle werden sie der väterlichen Gewalt beraubt oder ihres Amtes als Vormund entsetzt und mit einer Geldstrafe von 200 1000 Lire belegt. Art. 3. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. Oktober 1873 in Kraft. .

Bberst Prato, welcher den Entwurf für die Gründung des Arsenals in Tarent ausgearbeitet hat, der vom Mini⸗ sterium, vom Parlamentsausschuffe und von allen Technikern und Sachverständigen gebilligt wurde, ist vom Marine⸗Minister von Spezia nach Rom berufen und hat den Auftrag erhalten, einen neuen Plan zu entwerfen, dessen Ausführung 15 20 Mil⸗ lionen kosten darf und sich in der Weise verwirklichen läßt, daß sI Millionen in den ersten Jahren verausgabt werden und der Rest in den nachfolgenden Jahren, ohne daß dadurch die bereits ausgeführten Arbeiten irgend welchen Nachtheil erleiden. Der Oberst Prato hat den Auftrag übernommen, die Arbeit sofort begonnen und hofft im Laufe dieses Monats mit dem neuen Entwurfe fertig zu werden. .

Der Paragraph des Klostergesetzes über die Be⸗ handlung der Ordensgeneralate lautet in der ministeriellen Fassung folgendermaßen: .

. Die Besitzthümer derjenigen Ordenshäuser, in denen gegenwärtig die Generale oder Hanel lun feier von Orden, die im Auslande existiren, ihren Sitz haben, dienen zunächst zur Deckung desjenigen Betrages, welcher nöthig ist für die Dotation der Parochien, für den Unterhalt von Spitälern oder zu anderen Zwecken der öffentlichen Wohlthätigkeit oder des Unterrichts, sowie für die Deckung des für Pensionen der Ordensglieder erforderlichen Kapitals, welches auf den sechszehnfachen Betrag der einmaligen Pensionssumme festgesetzt wird. Das Uehrige wird dem heiligen Stuhle überwiesen, um zur Aufrecht— haltung seiner Beziehungen mit den im Auslande hestehenden Orden zu dienen. So lange der heilige Stuhl über die besagten Summen nicht disponiren sollte, werden sie je einer der früher dem Orden ge⸗ hörigen Kirchen zugelheilt, mit dem Zwecke, zum Unterhalt der Ge— . oder General⸗Prokuratoren zu dienen, so lange deren Amt

esteht.

Nach aus Rom in Paris am 13. d. M. eingetroffenen Nachrichten ist der Pap st, wie die „Agence Havas“ meldet, von einem katarrhalischen Leiden heimgesucht und wird mehrere Tage , empfangen. Nur die Kardinäle haben Zutritt in seine Ge— mãächer. ;

Eine weitere Depesche aus Rom, von demselben Tage, meldet: In dem Befinden des Papstes ist seit gestern eine leichte Verschlimmerung eingetreten. Heute hat derselbe keine Audienzen ertheilt.

Rußland und Polen. Monats⸗Uebersicht für April. In dem Besuche des Deutschen Kaisers und den da⸗ durch erwiesenen freundschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern erblickt die gesammte russische Presse ein neues Unterpfand des europäischen Friedens, und selbst die streng nationalgesinnten Blätter, wie ‚Golos“, „Börsen⸗Zeitung“, Russi⸗ sche Welt“ und „Moskauer Zeitung“ haben den Kaiser auf das Herzlichste bewillkommnet. Die deutschen Reichsangehörigen in Rußland, zunächst die von St. Petersburg, bewillkommneten den Deutschen Kaiser durch Adressen und besondere Deputationen; auch wird zur Erinnerung an die Anwesenheit des Kaisers von ihnen die Errichtung neuer wohlthätiger Stiftungen ins Auge

efaßt.

91 . Besuch des Schah von Persien wird erst um die Mitte des Mai erwartet, also erst einige Zeit nach der Abreise des Deutschen Kaisers.

Die japanische Gesandtschaft hatte eine nicht unbedeutende Aufgabe zu lösen: die Regulirung der Verhältnisse der zwischen dem Meer von Ochotsk und dem japanischen Meer belegenen langgestreckten Insel Sachalin oder Tarakai oder Krafft. Ver⸗ möge der Verträge von 1855 und 1867 läuft die russisch⸗japa⸗ nische Grenze zwischen den Kurilen-Inseln Urup (russisch) und Iturup (japanisch, und Sachalin verbleibt im gemeinsamen Befitz beider Mächte. Obwohl die Benutzung der Insel Sachalin keine Streitigkeiten hervorruft, sind Vorschläge zur größeren Klarstellung des Verhältnisses dennoch in Anregung gebracht worden.

In Betreff der Beschlagnahme der Güter des heiligen Grabes, die in Südrußland belegen sind, hat der Regierungs⸗Anzeiger ein Mandat veröffentlicht, nach welchem die Annahme einer Einziehung dieser Güter ausgeschlos⸗ sen wird. Die Beschlagnahme erfolgte wegen der Ahsetzung des Patriarchen von Jerüsalem durch sein Kapitel, welches Verfah⸗ ren die Kaiserlich rufsische Regierung als unkanonisch ansieht, ebenso wie die Wahl seines Nachfolgers. Der Ertrag der se⸗ questrirten Kirchengüter liefert jährlich etwa 200 900 Rubel.

Der Kriegszug gegen Chiwa ist, mit einer Armee von etwa 7700 Mann, in drei Hauptabtheilungen begonnen worden. Der Großfürst Nikolai Konstantinowitsch und ein Herzog von Leuch⸗ tenberg befinden sich bei der Erpeditionsarmee als Volontärs.

Bie öfters berührten Vorbereitungen zur Einführung der allgemeinen Wehrpflicht sind soweit gediehen, daß sie aus dem Stadium der Kommissionsberathungen in den Reichsrath über⸗ gegangen sind. Im Reichsrath finden die weiteren Berathungen unter dem Vorsitz des Kaͤisers statt. Der Abschluß wäre wohl noch vor dem Eintritt der Sommerferien zu erwarten. Bisher sind die Bildungsinteressen bei den Debatten besonders lebhaft in Frage getreten: im Ällgemeinen neigt man sich zur Annahme mehrerer Kategorien, so daß die pflichtmäßigen aktiven Dienst⸗ jahre sich immer höher stellen, je geringeren Bildungsgrad der Wehrpflichtige dokumentirt. . .

Eine zweite Frage in Bezug auf militärische Angelegenheiten war die Eintheilung der Armee im Großen und Ganzen. Ob die bisherigen Militärbezirke, ob die Corps maßgebend sein sollten das wurde der Gegenstand eingehender Erörterungen.

Zuletzt entschied man sich für ein kombinirtes System: die Corps,

bestehend aus je zwei Divisionen Infanterie mit entsprechender Kavallerie und Artillerie, bilden das Fundament. der Heeres⸗ Eintheilung, aber die Chefs der Militärbezirke bleiben (in ver⸗

ringerter Anzahl) die Vorgesetzten der Corps⸗Kommandanten, und repräsentiren in dieser Weise die höheren administrativen Einheiten.

In der städtischen Verwaltung St. Petersburgs ist eine bemerkenswerthe Aenderung vorgekommen. Früher hatte St. Peters⸗ burg einen Generalgouverneur und einen Civilgouverneur, deren Wirksamkeit sich über die Residenz und über das Gouvernement St. Petersburg erstreckte. Seit 1866 machte sich wegen der be⸗ sonderen Verhältnisse, die der Charakter St. Petersburgs als Residenz nach sich zog, das Bedürfniß geltend, den Stadtbezirk der Residenz von dem zugehörigen Gouvernement in administra⸗ tiver Hinsicht abzulösen. Die Funktionen des Ober⸗Polizeidirektors wurden daher in mannigfacher Weise erweitert und wurde eine Organisationsakte ausgearbeitet, nach welcher die Stellung des Ober⸗Polizeidirektors vermöge seiner von der anderer Polizei⸗ direktoren abweichenden Amtsgewalt offiziell präcisirt wurde. Das ist die Bedeutung der Ernennung des General⸗Adjutanten Trepoff zum „Gradonatschalnik“' oder „Stadtbefehlshaber“ der Residenz. Gradonatschalniks mit ähnlichem Wirkungskreise giebt es noch in Odessa, Taganrog, Kertsch=⸗Penikale.

Eines der wichtigsten Gesetze, die im Laufe des April realisirt wurden, enthält diejenigen Bestimmungen, unter welchen künftig Konzessionen zum Bau von Eisenbahnen ertheilt werden dürfen. Der Hauptsinn dieses am 30. März alten Styles publizirten Gesetzes ist gegen die un zweckmäßige Anlage neuer Bahnen gerichtet. Das Ministerium der „Verkehrswege“ be⸗ stimmt im Einvernehmen mit dem Finanz⸗Ministerium, welche Bahnen zu bauen nöthig oder zweckmäßig wäre, und läßt die Terrain⸗Untersuchungen dann auch auf Rechnung der Regierung veranstalten. Erst wenn die demnächst zu bauende Bahn be⸗ stimmt, die Vorarbeiten erledigt sind, und letztere die Allerhöchste Billigung erhalten haben, erst dann tritt die Frage heran, wer die Bahn baut, die Regierung oder eine Aktiengesellschaft, deren Bedingungen eben deshalb sorgfältig geprüft werden sollen.

Ein sehr ausführliches Reglement publizirte vor Kurzem der Regierungs⸗Anzeiger: „Die Statuten der Gesellschaft zur Pflege kranker und verwundeter Krieger.“ Diese Gesellschaft steht unter dem besonderen Protektorat der Kaiserin.

Der Bericht des Unterrichts⸗Ministers für das Jahr 1872, welcher auch kürzlich erst veröffentlicht wurde, zeigt günstige Resultate. Zu den vorhanden gewesenen 17 Seminarien sind im Laufe des vorigen Jahres allein 13 neu hinzugekommen. Außerdem haben die Provinzialstände auf ihre Rechnung sie⸗ ben neue Seminarien errichtet, und große Summen für das Volksschulwesen ausgesetzt. An den Orten, wo hinlänglich ge⸗ nug Schulen und Lehrer vorhanden wären, soll die Einführung der allgemeinen Schulpflicht angebahnt werden. Die Dotationen für das höhere Schulfach waren von jeher sehr groß und blie— ben auf dieser Höhe.

Die vom Regierungs-Anzeiger publizirten Choleraberichte (auf den Erhebungen des Medizinal⸗Departements beruhend, haben für St. Petersburg einerseits und für das innere Rußland andererseits keine hohe Sterblichkeitsziffer ergeben. Viel stärker und bösartiger trat die Cholera aber in den westlichen Provin⸗ zen (Polen und Litthauen) auf, ein Umstand, der die Aufmerk⸗ samkeit des Medizinal⸗Departements schon lebhaft in Anspruch nimmt.

St. Petersburg, 12. Mai. Die Kaiferlichen Waggons für den Schah von Persien sind am 9. d. M. nach Zarizyn abgegangen. Se. Majestät der Schah wird dem „Golos“ zu⸗ folge am 20. Mai in St. Petersburg eintreffen.

13. Mai. (W. T. B.) Nach Mittheilungen, welche der russische ‚Iwnvalide“ über die Expedition nach Chiwa enthält, hat die von Kasalinsk aufgebrochene Truppenabtheilung innerhalb vier Wochen eine Strecke von 5090 Werst zurückgelegt und wird sich sonach am 12.24. April in den bukanskischen Bergen mit dem von Dshisak ausgerückten Detachement vereinigt haben. Die Avantgarde der erstgenannten Abtheilung steht unter dem Befehl des Großfürsten Nikolaus Constantinowitsch.

Der Schah von Persien reist am 15. d. M. von Zarizyn ab, trifft um 8 Uhr des folgenden Morgens in Borisso⸗ gljebsk ein und reist nach kurzem Aufenthalte nach Kozlow wei— ter. Die Ankunft in Rjäsan erfolgt am 17. Mai Nachts, in Moskau am 18. Vormittags 109) Uhr.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 10. Mai. Den Offizieren und Unteroffizieren der Skären⸗Artillerie schreibt eine General-Ordre vom 3. d. M. vor, eine neue Uniform anzulegen, die in allen Stücken mit der jetzigen der Offiziere und Unteroffiziere der Flotte übereinstimmt. Dies darf sogleich, muß

aber spätestens bis zum 1. Mai 1874 geschehen; darauf darf die alte Uniform noch bis zum 30. April 1875 benutzt werden, aber nicht mehr vor der Truppe.

13. Mai. (W. T. B.) Die hierher abgeordneten Krö⸗ nungsbotschafter sind vom Könige durch Verleihung des Seraphinenordens ausgezeichnet worden.

Amerika. Washington, 13. Mai. (W. T B.) An

telle des verstorbenen amerikanischen Gesandten in St. Peters⸗ burg Orr ist Eduard Pierrepoint zum Gesandten der Vereinigten Staaten beim russischen Hofe ernannt worden.

Die Krisis in Louisiana hat einem Telegramm der „Times“ zufolge ihre Endschaft erreicht. Die Dazwischenkunft her Truppen veranlaßte die Parteigänger M GEnery s ihre Oppo⸗ sition aufzugeben. In Martinsville zerstreuen sie sich, und die Polizei ist im Besitz der Autorität. ö ; ö

In Port- au-Prince, der Hauptstadt von Hayti, hat, einem Washingtoner Kabeltelegramm zufolge, eine große Feuersbrunst stattgefunden, durch welche 150 Häuser eingeäschert wurden und sechs Menschenleben verloren gingen.

Nr. 31 des Amtsblatts der deutschen Reichs-Post⸗ verwaltung hat folgenden Inhalt: Genergl-Verfügung: Vom II. Mai 1875. Eröffnung der Eisenbahnen Salzwedel⸗Uelzen und Langwedel Uelzen. Vom 10. Mai 1873. Einrichtung von Post— fransporten auf der Eisenbahn zwischen Eilsleben und Schöningen.

Die Nr. 8. des „Deutschen Postarch iv“ hat folgenden Inhalt: JI. Aktenstücke und Aufsätze: Die dritte. Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend einige Abänderungen des Gesetzes über das Posttarwesen. Die Verkehrseinrichtungen in den Niederlanden. Zur historischen Erdkunde. Verwaltungs⸗Qrganisation der Verkehrsanstalten. II. Kleine Mittheilungen: Taubenwettslüge. Ulmerschiffe als Legirhäuser während der Wiener Weltausstellung, Sprachstatistik im österreichischen Heere. Eisenbahn durch das Berner Sberland. St. Gotthard⸗Tunnel. Frankreichs Handel im Jahre 1852. Produktivität der periodischen Preisse Frankreig 6. Die britische Post. Der Handel von Wladiwostok im Jahre 1872. Der australische Ueberlandtelegraph.

Die neuesten Entscheidungen des Reich⸗Oberhandels⸗ gerichts in Leipzig lauken: Art. 359 H.-G. B. schließt nicht aus, daß der vertragstreue Kontrahent bezüglich des erfüllten Theils eine Verspätungsentschädigung fordern könne. Vertretbarkeit des Unfalls beim Geauzkanf wie bei der Lieferung fungibler Quantitäten. Die

Rachfrsst aus Art. 356 H.⸗G. B. ist nicht etwa ungebeten zu offeriren,