genehmigt und der größte Theil der Vorlage bis zum Schluß des Blatts fast ohne Debatte genehmigt.
— Wenn auch die Ausgabe des amtlichen Katalogs der Aus stellung des Deutschen Reichs auf der Wiener Welt⸗ ausstellung sich erst gegen Ende dieses Monats wird bewirken lassen, so ist doch die zu demselben gehörige Einleitung bereits in) einer Separatausgabe erschienen. Dieselbe enthalt eine Darstellung des Deutschen Reichs in geographischer, politischer und statistischer Beziehung, welche von dem Regierungs⸗Assessor T. Bödiker auf Grund amtlicher Quellen verfaßt ist. Wir be⸗ merken dazu, daß die für den Wiener Aus stellungsbericht be⸗ stimmte historisch—⸗statistische Uebersicht der gesammten volks⸗ wirthschaftlichen Zustande des Deutschen Reichs bereits im Ma⸗ nuskript uns vorliegt und daß der Abdruck derselben in der nächsten Zeit beginnen wird. Die erwähnte Uebersicht schließt sich an diejenige an, welche von uns im Jahre 1867 aus Anlaß der damaligen Pariser Weltausstellung in diesem Blatte veröffent⸗ licht und demnächst im Separatabdruck im Buchhandel erschie⸗ nen ist.
— Diejenigen deutschen Aussteller, welchen bei der vorjährigen polytechnischen Ausstellung in Mos kau Preis⸗Medaillen zuerkannt sind, erhalten zunächst Certifikate und dann Patente, welche letzteren ihnen das Recht geben, die ihnen zuerkannten Preis-Medaillen von dem Ausstellungs Komite gegen Zahlung des festgesetzten Preises zu beziehen. Der dem Metallwerthe fast gleiche Preis der in 3 verschiedenen Modellen hergestellten Medaillen, deren Ausführung als sehr gelungen bezeichnet wird, beträgt für die große goldene Medaille 170 Ru⸗ bel, für die goldene Medaille 80 Rubel, für die große silberne Medaille 15 Rubel, für die silberne Medaille 7 Rubel, für die bronzene Medaille 2 Rubel. Die Certifikate sind Ende Januar an die vom Komite für Deutschland bevollmächtigt gewesenen Agenten gesandt worden. Die Ausfertigung der Patente für die deutschen Aussteller hat sich theils in Folge der Mangelhaf⸗ tigkeit der Anmeldungen, theils durch die Erkrankung des Se⸗ kretärs des Ausstellungs-Kömites verzögert. Bis zu ihrer Be⸗ endigung wird noch einige Zeit vergehen.
— Auf dem Exerzierplatze hinter der Hasenhaide fanden heute Vormittag die Bes ichtigungen des Kaiser Alexander Garde⸗Grenadier⸗Regiments Rr. 1, des Kaiser Franz Garde⸗ Grenadier⸗Regiments Nr. 2 und des Garde ⸗ Schützen ⸗Batail⸗ lons statt.
— Das 4. Garde⸗Regiment zu Fuß und das 3. Garde⸗ Grenadier⸗Reginient Königin Elisabeth rückten heute Vormittag, von Spandau kommend, zur Theilnahme an den Frühjahrs⸗ Uebungen des Garde⸗Corps, durch das Brandenburger Thor hier ein und bezogen in der Stadt die für sie bereit ge⸗ stellten Bürgerquartiere. An Stelle derselben ist gestern Nach⸗ mittag das Füsilier⸗Bataillon 2. Garde⸗Regiments zu Fuß zur Ausübung des Garnisonwachtdienstes nach Spandau abmarschirt.
— In der am nächsten Sonnabend stattfindenden Sitzung des Vereins für die Geschichte Berlins wird der . strats - Sekretär Meyer einen Vortrag über die neuere Geschichte des Palais Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Carl und der Professor Holtze über den Wusterhausener Bau halten.
— Die Angabe unseres Berichterstatters über eine auf der Rückreise Sr. Majestät des Kaisers und Königs auf der Station Kalkuhnen (nicht „Letkuhnen⸗, wie in Nr. 113
d. Bl. irrthümlich gedruckt war) stattgehabte in e, durch
Vertreter des kurländischen Adels beruht auf einem Irrthum.
Aurich, 12. Mai. Der ostfrie sische Landtag ist heute wieder hier zusammen getreten.
Bayern. München, 12. Mai. Pxinz Ludwig wird sich am 25. d. zu der in Weißenburg stattfindenden Versamm⸗ lung bayerischer Landwirthe begeben.
Baden. Karlsruhe, 12. Mai. Der badische Städte⸗ tag wird auf den 15. Juni d. J. nach Baden⸗Baden ein⸗ berufen werden.
Konstanz, 10. Mai. Heute, am Friedenstage, ist das Sieg es denkmal, eine Victoria, ausgeführt vom Bildhauer Bauer, auf dem Marktplatze der Stadt enthüllt worden.
Hessen. Darmstadt, 14. Mai. Auf den Antrag des Abg. Freiherrn von Rabenau, die Ueberweisung des GSisen⸗ bahn-Konzessionswesens an das Reich betr, hat sich, wie die „Darmst. Ztg. meldet, die Großherzogliche Staatsregierung folgendermaßen geäußert:
„In Gemäßheit der Bestimmungen in Abschnitt VII., Art. 41, bis 47 der Verfassung des Deutschen Reichs stehen der Reichsgewalt in Bezug auf das Eisenbahnwesen bereits wesentliche Befugnisse zu. Es können insbesondere durch Reichsgesetz im Interesse der Vertheidigung oder des gemeinsamen Verkehrs für nothwendig erachtete Bahnlinien gegen den Widerspruch der Bundesglieder entweder für Rechnung des Reichs angelegt oder an Private zur Ausführung konzessionirt werden. Ebenso sind wegen Verpflichtung zur Zulassung neuer Anschlüsse, Beseitigung des Widerspruchsrechts gegen Anlage von Konkurrenzbahnen, Einführung eines allgemeinen Betriebs- und Bahnpolizeireglements und Kontrole über das Tarifwesen die im all
emeinen Interesse nothwendigen Bestimmungen getroffen. Die Groß e, Regierung vermag daher das Vorhandensein einer dringen⸗ den, unabweisbaren Nothwendigkeit einer Ausdehnung der Kompetenz des Reichs durch Uebertragung des Eisenbahnkonzessionswesens zur
Zeit nicht zu erkennen und findet sich daher dermalen nicht veranlaßt,
einen dahin zielenden Antrag bei dem Bundesrath einzubringen.“
Der Antrag des Ausschusses lautet:
I) den Antrag des Abg. Frhrn. von Rabenau, so wie er gestellt ist, abzulelehnen; 2) dee Großherzogliche Regierung zu ersuchen, für Errichtung einer Reichs-Cisenbahn⸗Aufsichtsb hörde und für Gewäh— rung eines Einwirkungsrechts für die Reichsgewalt bei Konzessionirung von Eisenbahnen, welche die Grenze des Einzelstaates 2 35 in dem oben angedeuteten Sinne thätig zu sein.
Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 14. Mai. Der Großherzogliche Hof feiert heute den neunzehnten Geburts⸗ tag der Herzogin Marie.
Oldenburg, 11. Mai. Das Gesetzblatt für das erzogthum Oldenburg enthält folgende Gesetze fär das Herzogthum Oldenburg vom 24. April 1873: betreffend das eheliche Güterrecht; betreffend das Erbrecht; betreffend die Theil⸗ wbarkest der Grundhesitzungen; wegen Einführung der Gesetze, betreffend das eheliche Güterrecht, betreffend das Erbrecht und betreffend die Theilbarkeit der Grundbesitzungen.
Bremen, 14. Mai. In der heutigen Sitzung der Bür⸗ gerschaft verlas der Präsident nachfolgenden von H. H. Meier und einer Reihe anderer Vertreter gestellten Antrag:
Aus den Verhandlungen des Reichstags über das definitive Münz⸗ gesetz hat die Bürgerschaft entnommen, 2 eine Vermehrung der be⸗
chenden Münzstätten im Interesse einer raschen und glücklichen Durch⸗ eren, des Gesetzes durchaus erforderlich und ein Bedürfniß ist, dem
die Reichsbehörden sich nicht werden entziehen können. Für Bremens Handel und Verkehr aber wäre die Errichtung einer eige⸗ nen Münzstätte am hiesigen Platze von der größten Be⸗ deutung. Denn abgesehen davon, daß es nur dadurch dem bremischen Handelsstande ermöglicht wird, von der gesetz⸗ lich eingeräumten Befugniß der Privatausprägung von Reichsgold⸗ münzen Gebrauch zu machen und die daraus für Handel und Ver⸗ kehr dentftchenden Portheile auszunußen, werden auf Diese Weise die Goldrimesfen, welche Bremen bisher über andere Plätze beziehen mußte, direkt nach Bremen gezogen, was für Bremens Handelsbezie⸗ hungen sehr wichtig ist. Die Bürgerschaft 2 daher den Senat, bu egg st mit dem Reichskanzler über Errichtung einer eige— nen Münzstätte in Bremen in Unterhandlung treten und ihr demnächst über das Resultat Mittheilung machen zu wollen. . Dieser Antrag wird deinnächst zur Berathung kommen.
Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 14. Mai. Die bereits telegraphisch avisirte Kaiserliche Verordnung vom 13. Mai 1875, wodurch mit Beziehung auf §. 14 des Grundgesetzes über die RKeichsvertretung vom 21. Dezember 1859 der 5. 14 der Statuten der privilegirten österreichischen Nationalbank abgeän⸗ dert wird, lautet: .
Die Nationalbank wird ermächtigt, Wechsel zu eskomptiren oder Effekten statutengemäß zu belehnen, ohne hinsichtlich der dafür ausge⸗ gebenen Notensummen an dem im Absatze 2. des 8. 14 der Bank⸗ ftatuten 1Gesetz vom 18. März 1872, R. G. Bl. Nr. 31) festgesetzten Betrag gebunden zu sein. ;
Biese Verordnung tritt mit dem Tage der Kundmachung im Wirksamkeit. — ö
Mit dem Vollzuge derselben ist der Finanz-Minister beauftragt,
— Der bisherige türkische außerordentliche und bevoll⸗ mächtigte Botschafter am Kaiserlichen und Königlichen Sofe Aarify Bey überreichte vorgestern Sr. Majestät dem Kaiser seine Abberufungsschreiben. Er tritt in Konstantinopel seinen früheren Posten als erster Dollmetscher des Divans wieder an. Sein Nachfolger Kabuli Pascha, wird täglich hier erwartet.
Graz, 14. Mai. (W. T. B.) Der österreichische Bot⸗ schafter beim päpstlichen Stuhle. Aloys Baron von Ku ebeck, ist heute Vormittag hier verstorben. .
Pesth, 13. Mai. Nach der gestrigen öffentlichen Sitzung des Reichstags fand im Ministerzimmer des Abgeordnetenhauses ein Ministerrath statt, welcher sich mit der Bankakte beschäf— tigte und die volle Einigung der Regierung über diese Ange⸗ legenheit erzielte. Indessen wurden die Minister für 2 Uhr zu einer neuerlichen Berathung beschieden für den Fall, als das Ergebniß der mit den Abgeordneten und den Vertretern der Banken gepflogenen Konferenz eine Aenderung des früheren Be⸗ schlusses nothwendig gemacht hätte.
In dieser Konferenz kennzeichnete Kerkäpoly die Situation des Geldmarktes und den Standpunkt der Regierung gegenüber dem Ver⸗ langen der Banken. Koloman Ghiezy sprach vom volkswirthschaftli⸗ chen und staatsrechtlichen Standpunkte aus gegen die Suspendirung der Bankakte. Schließlich drang die Ansicht des Abg. Dr. Max Falk durch, nach welcher die Antwort der ungarischen Regierung mit Vermeidung jeder Einmischung in die Gesetzgebung der an⸗ deren Reichshälfte im Wesentlichen dahin zu lauten hätte, daß die ungarifche Regierung in der Suspension der Bankakte keinen Grund sehen würde, in dem zwischen Ungarn und der Nationalbank thatsächlich bestehenden Verhältnisse eine Aenderung eintreten zu lassen. In Folge des Ergebnisses dieser Konferenz unterblieb der zweite Ministerrath.
— Im Unterhau se erwiderte in Beantwortung einer In⸗ terpellation Daniel Jranyi's der Finanz⸗Minister Kerkapoly, daß die ungarische Regierung die Anfrage der Regierung der anderseitigen Reichshälsté betreffs Aenderung der Bank⸗ statuten dahin beantwortet . daß, wenn die jenseitige Regierung in der genpissenhaften Aenderung der Bank⸗ stakuten ein Heilmittel der ausgebrochenen Kalamität erblicke und sich daher mit der diesbezüglichen Aenderung ein⸗ verstanden erklärt, Ungarn sich nicht bewogen sieht, der National⸗ bank gegenüber einen anderen Standpunkt einzunehmen und eine andere Haltung zu beobachten, als es sonst gethan hätte. Auf Einwendungen des mit dieser Antwort unzufriedenen Iranyi erklärte Kerkäpoly, man müsse Alles thun, was geeignet erscheine, dem Uebel abzuhelfen. Die verlangte Zustimmung Ungarns ändere gar nichts an seiner sonstigen Nachricht, am allerwenig⸗ sten berühre dieselbe die Frage der Anerkennung des Bankpri⸗ vilegiums. Die Antwort des Ministers wurde mit 108 gegen 100 Stimmen zur Kenntniß genommen.
Das Haus nahm sodann den Gesetzentwurf über die Es⸗ kompte⸗ und Handelsbank mit geringen Aenderungen an. Drei Paragraphen werden zur abermaligen Redaktion an den Central⸗ ausschuß zurückgewiesen, darunter einer, in welchem die neue Bestimmung aufgenommen werden soll, daß die Bank ermäch⸗ tigt sei, bis 20 Prozent ihres Stammkapitals die bei ihr im Depot befindlichen Papiere auf eigene Rechnung anzukaufen. Hierauf werden die Statuten der Bank bis 8. 11 erledigt.
— Auf Einladung des Präsidenten Lonyay wird der Prinz von Wales heute um 1 Uhr die Akademie der Wissen⸗ schaften besuchen. Um 3 Uhr findet Wettrennen, um halb TUhr große Parade der freiwilligen Feuerwehr, hierauf großes Diner im adeligen Kasins und um 9 Uhr Kasinoball im „Hotel Eu⸗ ropa“ statt. Mittwoch um 10 Uhr Vormittags reist der Prinz mittelst Separatzuges nach Wien.
Agram, 14. Mai. (W. T. B.) Die emigrirten Mon⸗ tenegriner, welche die Verwendung des Ministers der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten bei dem Fürsten von Montenegro behufs ihrer Amnestirung nachgesucht haben, erhielten zum Be⸗ scheid, daß der Fürst von Montenegro ihre direkten Amnestie⸗
gesuche berücksichtigen werde.
Schweiz. Bern, 14 Mai. (W. T. B.) Der Bundes⸗ rath hat heute den zwischen der schweizerischen Jurabahn— gesellschaft und der französtschen Ostbahngesellschaft abgeschlosse⸗ nen Cisenbahnvertrag genehmigt.
Freiburg 14 Mai. (W. T. B.) Den sämmtlichen schweizer Bischßfen, welche zu einer Konferenz bei dem hiesigen Bischofe Marille versammelt waren, wurde gestern Abend von den Schülern des hiesigen Kollegiums unter Theil⸗ ,. von Pfarrgeistlichen eine Serenade gebracht. Die Be⸗ völkerung verhielt sich dieser Ovation gegenüber indeß theil⸗ nahmlos und das auf den Bischof Lachat und auf Mermillod ausgebrachte Hoch fand keinen Anklang.
Großbritannien und Irland. London, 13. Mai. Die Königin wird während der Anwesenheit des Schahs von Persien in London zu Ehren des Hohen Gastes im Parke zu Windsor eine große Truppenschau abhalten.
Frankreich. Paris, 13. Mai. Der Kriegs⸗Minister . mittelst Rundschreibens den betreffenden Armee⸗Inten⸗ anten in Erinnerung gebracht, daß die deutschen Olkupations⸗ Truppen nach Artikel 13 der Konvention von Ferrières vom
—
11. März 1871 für die Bedürfnisse der bevorstehenden Räumung das Recht haben, Fuhrwerke und Gespanne gegen eine Entschã⸗ digung von 40 Centimes per Kilometer und Pferd (ohne Ent⸗ schädigung für die Rückfuhr) zu requiriren: den Mehrbetrag würde die französische Regierung ersetzen.
Spanien. Madrid, 12. Mai. Der Civilgouver⸗ neur der Provinz Navarra hat folgende Kundmachung veröffentlicht: . * . .
Ich halte es für meine Pflicht, die Wahrheit der vollendeten Thafsachen nicht zu verheimlichen, sondern der Bevölkerung dieser Provinz anzuzeigen, daß nach den mir zugegangenen Nachrichten die Kolonnen des Sbersten Navarro gestern ein unglückliches Gefecht bei Port Eraul gegen die vereinigten Banden von Dorregaray und Oito ßestanden, wobei der Chef der CLolonne, ferner der Oberst⸗ Lieutenant des Regiments von Sevilla, Martinez und der Kommandant dez Geniewesens in Gefangenschaft geriethen und der Feind sich auch einer Kangne bemächtigte. . . .
Bewohner von Raparra! Der Krieg, den wir führen, ist gerecht. Wir kämpfen für die Sache der Freihelt, der Civilisation und der Srdnung gegen die fanatischen Anhänger des Absolutis mus und der Ignoranz. Die beklagenswerthe Niederlage, die wir erlitten haben, Wird dazu dienen, den Muth derjenigen anzufeuern, welche Recht und Gesetz vertheidigen und wird die Ausrottung der Rebellen beschleunigen.
Pa nmpeluna, 6. Mai 1873. Der Gouverneur
Justo Maria Zavala.
Italien. Rom, 9. Mai. Der König ist von seinem Besuche bei der Kaiserin von Rußland zurücgekehrt.
— Der Fürst und die Fürstin von Montenegro machten gestern dem Minister des Aeußeren einen Besuch.
— 160. Mai. In der Generaldiskussion des Gesetzes über die religiösen Genossenschaften, welche am 6. d. M. in der De⸗ putirkenkamm er auf Grundlage der Fassung der Kommission eröffnet ward, hat gestern der Minister des Aeußern Visconti⸗ Venosta gegen die Minorität das Wort ergriffen. Nachdem der Minister im Eingang es als eine vergebliche Hoffnung bezeichnet hatte, die Linke zu bekehren, die nur die Lösung der römischen Frage, nicht aber die damit übernommenen Verpflichtungen aecep⸗ tirte, wandte er sich den Besorgnissen der im Ganzen mit der Regierung einigen Partei zu, welche fürchte, daß man, zvenn man auf dem mit dem Garantiegesetz betretenen Wege fortschreite, der klerikalen Partei eine zu große Macht geben werde. Die Frage nach dem Verhältniß zivischen Staat und Kirche, deren geschichtliche Entwickelung der Redner in kurzen Zügen charak⸗ lerisirte, werde durch die gegenwärtige Vorlage nicht präjudizirt, Italien behalte in dieser Beziehung die volle Freiheit des Handelns; aber Italien habe eine andere Frage, die weder für Deutschland, noch die Schweiz, noch Belgien vor⸗ handen sei: die Existenz des Papstthums auf seinem Gebiete und habe in Bezug auf diese Frage bestimmte Versprechungen gegeben. Das Garantiegesetz sei ein erster Schritt zur Freiheit der Kirche gewesen und die Haltung der Regierung, die ihr als übergroße Toleranz zum Verbrechen gemacht werde, sei nur eine treue Ausführung des Gesetzes gewesen. Als Minister des Aeußern begnüge er sich zu erklären, daß keine fremde Ein⸗ mischung, die sich niemals fühlbar gemacht, an dieser Haltung irgend einen Antheil gehabt habe. Das Garantiegesetz habe indeß nicht alle Fragen gelöst, und wenn man mit dem vorliegenden Entwurf daran gehe, gewisse kirchliche Institutionen zu unterdrücken so müsse man sich fragen, ob unter diesen auch solche seien, die der Regierung der Gesammtkirche dienen. Und hier habe man sich den Gene⸗ ralaten gegenüber gefunden. Diese als Institute von universellem Charakter hube man nicht aufheben können und ihnen die zur Erfüllung ihrer Aufgabe erforderlichen Mittel belassen müssen. Waͤre hierüber im Garantiegesetz eine Bestimmung getroffen, so würde schwerlich ein großer k sich erhoben haben; jetzt übertreibe man die Bedeutung der Sache und suche aus ihr eine gewichtige Frage zu machen. Man habe von politischen Motiven gesprochen. Das Beispiel Preußens, das man angeführt, sei nicht zutreffend, da die Aktion der preußischen Regierung sich innerhalb der staatlichen Kompetenz bewege, nicht aber mit dem Papstthum als religiösem Centralinstitut zu thun habe. Man habe wissen wollen, welche Anforderungen die fremden Mächte gestellt und Vorlegung der betreffenden Aktenstücke verlangt. Dle Regierung sei in der glücklichen Lage, keine solche Akten⸗ stücke zu besitzen, da über die in Rede stehende Frage wohl ein Ideenaustausch, nie aber ein Notenwechsel stattgefunden habe. Es sei das Bestreben der klerikalen Partei, der Regierung Ver⸗ legenheiten mit dem Auslande zu bereiten. Diese vermieden zu haben, sei gerade der Vorzug der bisher befolgten Politik, die auch ferner bestrebt jein müsse, eine Lösung zu finden, die zu keinem, auch nicht schweigendem Vorbehalt in der Meinung
der Welt Anlaß gebe, sondern wirklich abschließend sei.
Runtänien. Der Minister des Innern, Catargiu, hat an die Präfekte der Landbezirke ein Rundschxreiben erlassen, welches die Entwicklung der Dinge seit dem März 1871 darlegt.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 13. Mai. Der amtliche Regierungs⸗Anzeiger“ enthält Folgendes: Mit feierlicher ö den lorbeergekrönten Helden im Purpur, den Sleger von Sadowwa. Metz, Versailles und Paris begrüßend, er=
innert sich die russische Armee mit Stolz , daß er vor mehr als. ei
einem halben Jahrhundert in ihren Reihen seine ersten kriegerischen Erfolge in Frankreich erworben hat. Dieser bescheidenen, aber nichts desto weniger hellleuchtenden Erinnerung hat inmitten seiner jetzigen glänzenden Triumphe der deutsche Kaiser einen Platz gegeben, indem er die Gefühle seiner kr erg Wohlgeneigtheit gegen das alte Regi⸗ ment, das noch heute seinen Namen trägt, aussprach. So schöne Ge⸗ 66. die den Monarchen im Menschen noch mehr erhöhen, sind be⸗ onders erfreulich und theuer nicht nur der russischen Armee, sondern dem ganzen russischen Volke, das in dem erhabenen Gaste seines geliebten Kaisers nicht allein dessen Verbündeten und Freund, sondern zugleich guch Verwandten sieht, den Sohn König Friedrich Wil⸗ helms III. und der unvergeßlichen Königin Louise, die auch einst St. Petersburg besucht und ein theures Andenken in ihrer Tochter, der Kaiferin Alexandra Feodorowna hier zurückließen. An bezaubernder Freundlichkeit und Güte an seine in Gott ruhende Schwester, deren Name Rußland so theuer ist, erinnernd, hat Kgiser Wilhelm durch feine persönlichen Eigenschaften, eben so wie durch seinen Ruhm seinen Aufenthalt in der Hauptstadt Rußlands für alle Russen unvergeßlich gemacht. Einst wird die Geschichte lehren, daß dieser Aufenthalt und die Zusammenkunft der beiden mächtigsten Monarchen in Europa in seinen Folgen segensreich auch für die anderen Völker war.“
— 14. Mai. (W. T. B.) Mittheilungen, die von priwater Seite von der Expedition nach Chiwa eingetroffen sind, besagen, daß das Kasalinski'sche Detachement einige Tage an der Irik⸗Bay Rast machte, um dort zur Sicherung der Straße ein Fort zu erbauen. Dasselbe wurde in kurzer Zeit vollendet, mit einigen Geschützen armirt und am 25. März alten Styls von der Besatzung bezogen. Nach den Aussagen der abgesandten Kundschafter verschanzen sich die Chiwesen in Klytsch am Dau⸗ kara⸗See; ihre Avantgarde ist bis Meinbulak gegen die Russen vorgeschoben.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 11. Mai. Vorgestern empfing der König in besonderer Audienz den
außerordentlichen Gesandten aus Dänemark, Graf Moltke⸗Bre⸗ entved, sowie die Gesandten Menabrea und von Lieven, welche rauf der Königin und der verwittweten Königin ihre Aufwar⸗ tung machten.
— In der Zweiten Kammer des schwedischen Reichs⸗ tages machte der Präsident, Freiherr Akerhjelm, den Vorschlag, daß der Reichstag den König ersuchen solle, ohne die nähere Meinung des Reichstages einzuholen, solche Maßregeln zu treffen, welche als nothwendig erscheinen möchten, damit die von den Kammern bereits genehmigte Münzkonvention von Schwe⸗ den und Dänemark angenoinmen werden könne, sowie die nö⸗ thigen Redaktionsabänderungen in der Konvention selbst vorzuneh⸗ men. Dieser Vorschlag kam am Sonnabend zur Verhandlung und die kurz vorher eingetroffene norwegische Storthingsdeputa⸗ tion wohnte der Debatte in der Diplomatenloge bei. Der Fi⸗ nanz⸗Minister Wärn erklärte, daß es leider wahr sei, daß das norwegische Storthing mit 58 Stimmen gegen 51 die Konvention verworfen habe. Er wolle indeß die Aufmerksamkeit darauf hin⸗ lenken, daß es nur die Konvention sei, welche im Storthing zur Verhandlung gekommen wäre, wogegen der Gesetzwvorschlag, betreffend den ÜUebergang zum Goldmuͤnzfuß noch nicht vor⸗ gelegt worden sei und auch erst nach Rückkehr der Krönungs⸗ Deputation aus Stockholm vorgelegt werden würde. Dann erst würde man erfahren, ob das Storthing den Goldmünzfuß an⸗ nehmen und sich damit dem Brochschen Vorschlage, welche auf die Ausprägung von Goldmünzen ganz von derselben Art wie in der Konvention bestimmt worden ist, anschließen will, und ob somit die Verwerfung eigentlich nur der Veränderung der Rech⸗ nungseinheit gegolten hac. Uebrigens wolle er die Gelegenheit benutzen, der Versammlung mitzutheilen, daß der König in einem gestern abgehaltenen Staatsrathe beschlossen habe, Ver⸗ handlungen mit Dänemark über den Abschluß einer Separat⸗ Konvention, wobei es Norwegen vorbehalten bleibe, später bei⸗ zutreten, einzuleiten.
Dänemark. Kopenhagen, 12. Mai. Der König empfing heute in besonderer Audienz auf Schloß Amalienborg den am hiesigen Hofe akkreditirten italienischen Gesandten, Mar⸗ quis de Spinola, welcher nach beendetem Urlaub hierher zurück⸗ gekehrt ist.
— Bei der heute im Landsthinge vorgenommenen zwei⸗ ten Berathung des Finanzgesetzes erklärte der Marine⸗Minister, daß er nächstens einen besonderen Gesetzvorschlag über die Be⸗ willigung zum Bau eines neuen Panzerschiffes, welche das Folkething bei dritter Behandlung des Finanzgesetzes verweigert habe, vorzulegen gedenke.
— Das Eindeichungsgesetz für Lolland und Falster kam am Sonnabend zur zweiten Berathung im Folkething. Man beschloß, dem Minister die näheren Bestimmungen über Aus⸗ dehnung und Höhe der zu errichtenden Dämme zu überlassen, verwarf aber mit großer Majoritaͤt den eingebrachten Vorschlag über eine bedeutende Vergrößerung des Staatsbeitrages zu den Deichanlagen.
— 14. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Landsthings beantragte der Finanz⸗Minister bei der dritten Berathung des Münzgesetzes dem Schweden Könige von und Norwegen den Beitrilt zu der Münzkonvention zwischen Däne— mark und Schweden in Bezug auf Norwegen vorzubehalten.
Amerika. New⸗Jork, 14. Mai. (W. T. B.) In Louisiana ist die Ruhe vollständig wiederhergestellt.
— Durch den mit 203,339 Dollars in Gold in Plymouth eingetroffenen Dampfer „Elbe“ sind folgende Nachrichten aus Central⸗ und Südamerika eingegangen: In Salvador hatten neuerdings wiederholt Erdbeben stattgefunden, durch welche u. A. auch der Nationalpalast zerstört worden war. — In Panama hat der Präsident seine Stelle niedergelegt und ist an seiner Statt Cervera zum Präsidenten ernannt. — In Guatemala dauert der Bürgerkrieg fort; von der Partei der „Reaktionäre“ wird die Kandidatur Cerna's um die Präsidentschaft unterstützt. — Die Grenzstreitigkeiten zwischen Columbia und Venezuela nehmen einen anscheinend friedlichen Verlauf.
— Aus Rio de Janeiro wird unterm 23. April gemeldet: Die Kammern sind bis zum 2. Mai prorogirt worden. Ein De⸗ kret des Kaisers ernennt Baron Penedo zum brastlianischen Ge⸗ sandten in London. Baron Penedo ist auch mit der Aufgabe betraut worden, mit dem hiesigen britischen Gesandten bezüglich der zwischen den beiden Ländern schwebenden Forderungen zu unterhandeln. Die Konsular⸗Konvention zwischen Brasilien und Großbritannien wurde gestern unterzeichnet. Das Vermögen ver—⸗ storbener Brasilianer in England, und das von Engländern in Brasilien soll durch die betreffenden Konsuln verwaltet werden.
Havpang, 13. Mai. (W. T. B.) Regierungsseitig wird offiziell gemeldet, daß Ignacio Agramonte, der Ober⸗Be⸗ fehlshaber der Insurgenten auf Cuba, getödtet worden sei.
Asien. Aus Japan überbrachte die neueste Ueberlands⸗ post folgende Nachrichten: Die Regierung hat ein Edikt erlassen, welches den Eingeborenen anbefiehlt, künftighin Brod statt Reis zu essen. In Jeddo sollen vier große Parks hergestellt werden. Hokohama ist durch Gas erleuchtet. Soyesiena, der Minister für auswärtige Angelegenheiten, ist als Gesandter nach Tientsin gegangen, um eine Veränderung in dem Vertrage mit China zu erwirken und dem Vernehmen nach die chinesische Neutralität im Falle möglicher Verwickelungen mit Corea zu sichern. Japan hat eingewilligt, einen Vertrag mit Peru abgzuschließen, aber weigert sich, territoriale Rechte zuzugestehen.
Afrika. Nachrichten vom Kap der guten Hoffnung zufolge ist unweit Sydenburg in der Transvaalschen Republik Gold entdeckt worden.
Neichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 15. Mai. In der gestrigen Sitzung des Reichs⸗ tags nahm der Fürstlich lippesche Bundesbevollmächtigte Kabinets⸗ Minister von Flottwell in der Diskussion über den Büsing⸗ schen Antrag nach dem Abg. Hausmann das Wort;
Meine Herren! Ich muß zunächst meinem lebhaften Erstaunen Worte geben, daß dem Herrn Abgeordneten für Lippe und seinen Mandanten im fippeschen Lande es gefallen hat, sich in dieser Weise der lippeschen Be⸗ k hier im Reichstage zu entledigen. Wenn man gewohnt ist, sewie ich, Daß man mit einem sehr erheblichen Aufwande von Agita⸗ tion zu thun hat, so meine ich, es hätte sich gehört, daß man mit einem selbständigen Antrage, der der Entscheidung des Reichstags unterlegt wurde, hier hervortrat. Ebenso gut, wie ein solcher Antrag im Jahre 1869 geftelll und vom Reichstage sogar angenommen ist, war es hier ge— boten, diefen Antrag mit der Ferm einer wirklichen Beschwerds über unfere traurigen Zustände zu verbinden. Jetzt, nachdem dieser Antag gewissermaßen blos im Fahrwasser des greßen mecklenburgischen An⸗ trages somlt unterläuft, ist leider die Regierung nicht in der Lage, das herbeizufüihren, was sie aufs Sehnlichste wünscht, nämlich eine definltive und positive Entscheidung des Reichstags in den Fragen, die das lippesche Land bewegen. Wenn man verurtheilt ist, diese
Agitation, die im lippeschen Lande augenblicklich heimathsberechtigt ist, mlt durchzumachen, dann hat man das lebhafte Verlangen, einmal gewissermaßen vor dem Tribunal der öffentlichen Meinung, nicht in den engen Schranken des Kleinstaates, sich auszusprechen, und ein Verdikt herbeizuführen über die Frage, auf welcher Seite sich das Recht befindet. Denn, meine Herren, der hier vorgelegte Gesetzent⸗ wurf hat mit den lippeschen Verhältnissen so gut wie garnichts zu schaffen. Ich werde mir erlauben, den Herren das auseinanderzu⸗ setzen. Wir genießen unter der jetzt zu Recht bestehenden Verfassung von 1833 eine Landesvertretung, die aus Wahlen hervorgeht, und selbst wenn dieser Antrag, wie vorauszusehen ist, vom Reichstage angenom⸗ men, und wenn er wirklich in die Reichsverfassung aufgenommen wird, würde er an den sippeschen Verhältnissen doch nichts ändern. Die Wahlen in der ländlichen Bevölkerung werden dadurch herbeigeführt, daß saͤmmtliche Grundbesitzer — nicht wie Herr Hausmann aus einem mir unerklärlichen Irrthume anführt — nur diejenigen, welche ein Ver⸗ mögen von 3099 Thlrn. besitzen, sondern im Gegentheile alle — ohne den geringsten Zensus wählen; es ist also eine Repräsentgtion der wirklichen lippeschen Bevölkerung vorhanden, und ich nehme Bezug auf den Vortrag des Herrn Abg. Miquél, welcher hervorhob, daß in sämmtlichen Bundesstaaten das Requisit erfüllt ist, welches dieser Antrag für Mecklenburg verlangt. Dann aber, meine Herren, was wichtiger ist: das, was dieser Antrag für Lippe will, ist von der Regierung im vollsten Maße dem Lande geboten, die Regierung hat eine Vertretung der Berölkerung proponirt, die auf einer höchst breiten Basis etablirt war, und zwar deshalb, weil die Majoritäh der von der Regierung berufenen Vertrauensmänner einen solchen Modus wünschte. Dieses Wahlg esetz, gegen welches sich im lippeschen Lande von keiner Seite, selbst von der extremsten nicht, Widerspruch erhoben hat, sollte dem Landtage vorgelegt werden; es ist aber den Bemühungen des Herrn Hausmann gelungen, diesen Landtag zu vereiteln und einen Strike ins Leben zu rufen, der bisher in politischen Verhältnissen unerhört gewesen ist.
Meine Herren! Ich konnte nur lebhaft wünschen, und muß das wiederholen, daß die Regierung in die Lage gebracht wurde, hier einem positiven Antrage entgegenzutreten, denn ich bin der festen Ueberzeu⸗ gung, — und Sie werden mir Recht geben, wenn Sie meine Deduk—⸗ tion gehört haben, — daß wohl fast alle Parteien den Standpunkt der Regierung anerkennen würden, welche redlich bemüht gewesen ist, sich großen Schwierigkeiten entgegenzusetzen und das, was sie auf ihr Programm geschrieben hat, die Herstellung geordneter verfassungs⸗ mäßiger Zustände, herbeizuführen. .
Gestatten Sie mir, Ihnen in kurzen Worten eine Darstellung der lippeschen Verfassungsverhältnisse zu geben, wie sie thatsächlich bestehen, ohne daß ich mir erlaube, ein Urtheil einzuflechten.
Der Versammlung vom Jahre 1849, die auf allgemeinen Volks— wahlen beruhte, wurde von der damaligen Regierung eine Verfassung vorgelegt, welche in sehr weit gehender Weise sämmtliche Schlagwör⸗ ter enthielt, die damals die ganze politische Welt bewegten, bis auf die Vereidigung des Militärs auf die Verfassung. Dieser Ver— fassungsentwurf scheiterte damals an dem Widerspruche des Herrn Abgeordneten Hausmann, welcher als ersten Artikel darin die Be⸗ stimmung aufnehmen wollte: Alle Gewalt geht vom Volke aus, — welcher ferner nicht, davon ablassen wollte, daß ein suspensives Veto eingeführt würde, ferner, nicht davon, daß es von einem Beschlusse des Landtages — ich frage Sie, meine Herren, von 21 Personen — abhängig sein sollte, vb das Ministerium sofort zurücktreten mußte. (Ein Abgeord— neter: Dies Ministerium bestand auch blos aus einer Person. Gewiß, aber es hat doch jedenfalls die Selbständigkeit zu verlangen, daß es dem Landtage gegenübertreten darf. Diesen Bestimmungen gegenüber fiel der Entwurf, und die Regierung zog ihn zurück; wäre er damals ins Leben getreten, alle die jetzigen traurigen Verhältnisse hätten nie⸗ mals eintreten können. Allerdings ist im Jahre 1853 in Auslegung eines Bundestagsbeschlusses das bis dahin bestehende Wahlgesetz— und nur dies Wahlgesetz, muß ich hervorheben, keine einzige Be— stimmung der Verfasjumg — aufgehoben worden. Das ist ja be— kannt, meine Herren. Darauf hin hat sich der ständige Ausschuß der aufgelösten Versammlung an den damaligen Bundestag gewendet in ausdrücklicher Anerkennung seiner Befugniß, in dieser Sache zu entscheiden. Der Bundestag hat damals zu Gunsten der lippeschen Reglerung entschieden und die Beschwerde des ständigen Ausschusses zurückgewiesen; er hat nur die einzige Modifikation dabei gestellt, daß den lippeschen Ständen das Recht eingeräumt werden sollte, definitid Über die Ausgaben des Landes zu beschließen. Von da an, von 1853 bis zu der jetzigen Zeit, bis 1871 will ich sagen, hat dieser reaktipvirte Landtag in vollkommen anerkannter Wirksamkeit bestanden; das Land hat wiederholt ohne die Spur eines Protestes gewählt, die Koryphäen der Oppofition sind Mitglieder des Landtages gewesen; sie hahen nicht blos getagt, sondern sie haben in dem Landtage auch Abän— derungsvorschläge zu dem Wahlgesetz gestellt. Herr Hausmann ist allerdings nicht Mitglied des Landtages gewesen und es ist richtig, daß er nicht in den Landtag eingetreten ist, weil er sich unter dem 1840er Wahlgesetz geweigert hatte, den Huidigungseid Sr. Durchlaucht dem 2 zu leisten. Gerade der 1849 auf breitester Basis gewählte
andtag hat durch ein Votum anerkannt, daß die Zulassung des Herrn Hausmann in den Landtag unmöglich sei, so lange derselbe nicht bereit sei, den verfafsungsmäßig vorgeschriebenen Huldigungseid dem Fürsten zu leisten. Nur aus diesem Grunde ist der Eintritt des Herrn Haus— mann in den Landtag nicht erfolgt. Meine Herren, dieser Landtag hat also in diesen 19 Jahren ohne Ängriff getagt, er hat die wichtigsten Gesetze für das Uippesche Land gegeben, er hat Wahlen zum konsti⸗ tuirenden Norddeutschen Reichstage ausgeschrieben, den Vertrag wegen Eintritts von Lippe in den Norddeutschen Bund beschlossen. Aller⸗ dings will ö. das gleich von vornherein bemerken, es hat sich bei dem Landtage je länger je mehr das Bedürfniß herausgestellt, das damalige Wahlgefetz zu modifiziren, respective durch ein ganz neues zu ersetzen. Sowohl die Regierung als auch die gemäßigten Stimmen des Landes waren darin vollständig einig, daß es unmöglich sei, das Wahlsystem, wie es in der 1836 ger Verfassung etablirt war, das für die damali⸗ gen Verhältnisse auch ganz passend gewesen sein mchte, in der Neu⸗ zeit noch ferner aufrecht zu erhalten. Namentlich sah man ein, daß das Kurienfystem, wonach die Rittergutsbesitzer eine eigene Kurie bil- deten und berechtigt waren, durch die itio in partes die Beschlüsse des Landtags zu kontrekarriren, wirklich eine dem Zeitgeist widerstre⸗ bende Einrlchtung sei. Aus diesem Gesichtspunkt hatten auch meh— rere Mitglieder des damaligen Landtages, nachdem die Versuche, in gütlicher Weise eine Einigung mit der Ritterschaft. herbeizuführen, gescheltert waren, in Verbindung mit einem vorgelegten Bewerbe⸗ Steuergesetz sich beranlaßt gesehen, ihr Mandat niederzulegen und den Landtag dadurch beschlußunfähig zu machen, In di se höchst aufgeregte Zeit des Landes fiel eine Agitation hinein, die von dieser eigentlich politischen Frage völlig unabläängig war. Herr Hausmann hatte auf einen, allerdings einseitigen Vortrag von mehreren Universi⸗ täten Gutachten extrahirt, wonach in der Jagdfrage, die ja auch eine cause céssbre war, das Verfahren der Regierung als ungesetzmäßig erachtet wurde. Die Folge war, daß ein Zustand der Anarchie und des Chaos eintrat, dem die Regierung vergeblich su hte entgegen⸗ zutreten. In dieser Krisis war die Lage des Landes, als, das Vertrauen Sr. Durchlaucht mich zur Stellung eines Kabinets— Ministers berufen. Ich muß hier übrigens thatsächlich bemerken, daß ich nicht — wie Herr Hausmann anführt — von dem Herr v. Stiteneron verschrieben bin, sondern daß, wie in allen übrigen Staaten, so auch in Lippe Se. Durchlaucht der Fürst diejenigen be= ruft, die er mit seinem Vertrauen heehrt, ich habe als meine nächste Aufgabe betrachtet, in dieser Verwirrung, in die ich gewissermaßen als neuer Mann in neuen Verhältnissen geführt wurde, geordnete ver—= fafsungsmäßige Zustände herbeizuführen. Ich habe aus allen Theilen des Landes, angesehene, geachtete, intelligente und selbständige Männer gebeten, zufammenzutreten, um mit ihnen ein Wahlgesetz zu verein⸗ baren. Bie Regierung hat ferner Sr. Durchlaucht gerathen, in dieser unglückseligen Jagdfrage, welche z viele Verwirrung der Gemüther herbeigeführt hat, den Streit durch einen einzigen Federstrich zu besei⸗ tigen, dadurch, daß Se. Durchlaucht der Fürst. für seine
U Person auf das von ihm ausgeübte Jagdrecht unentgeltlich verzichte.
Se. Durchlaucht ist noch weiter gegangen, er hat eine allgemeine Am⸗ nestie für diesenigen in wahrhaft hochherziger Weise ausgesprochen, welche während dieser Jagdwirren in strafrechtliche Untersuchung ge⸗ rathen waren. Endlich hat die Regierun; nochmals einen Landtag berufen nach dem sechsunddreißiger Gesetz, mit der ausdrücklichen Er⸗ klärung, sie beriefe ihn nur zu dem Zwecke, das jetzt vorzulegende Wahlgesetz zu berathen und zu beschließen; es würde dies der letzte Landtag sein, welcher nach dem sechsunddreißiger Wahlgesetz berufen werden sollte. Dem neuzusammentretenden Landtag solle eine bereits von der Regierung redigirte Verfassung vorgelegt und dadurch endlich der Janustempel geschlossen werden, und das Lippe'sche Land zum in⸗ neren Frieden komme. Wie hat sich diesem Auftreten der Regierung gegenüber die dortige — sie nennt sich — Rechtspartei ver⸗ halten? Unter den Vertrauensmännern hatte ich natürlich Herrn Haus⸗ mann als einen der Führer, eigentlich den Führer dieser Angelegenheit, berufen. Er hatte mir persönlich die Zusicherung gegeben, zu er⸗ scheinen, und ich war daher erstaunt, als am Morgen des Einberu⸗ fungstages ein Brief kam, worin er erklärte, er wäre verhindert, an den Berathungen Theil zu nehmen, weil die Berufung nach Standen erfolgt wäre und die Eintheilung in das platte Land und den Städten unzulässig sei. Meine Herren! Die Menschen haben doch einmal die Eigen⸗ thuͤmlichkeit, daß sie entweder in Städten oder auf dem plaften Lande wohnen. Es ist wirklich unmöglich, zwölf Männer aus einem kleinen Lande wie Lippe zu berufen, ohne daß man sie vom Lande und aus den Städten ziemlich gleichmäßig beruft. Herr Hausmann ist übrigens hierbei nicht für die Städt? berufen, sondern als Vertreter der In⸗ telligenz des platten Landes. Außerdem war es nothwendig, daß nalũr⸗ lich einige Rittergutsbesitzer ebenfalls zugezogen würden, denn es handelte , darum, die Rechte der Ritterschaft zu beseitigen oder
Ich muß auch hier bemerken, daß der Schritt des Herrn Haus⸗ mann lebhaften Mißklang in seinem elgenen Lager hervorrie; ja ich will sogar so gerecht sein, meine Ansicht dahin auszusprechen daß ich glaube, dieser Schritt ging nicht aus seiner eigenen k sondern wurde ihm von anderer Seite octroöyirt. Als nan die Kabinetsordre wegen Aufhebung des bestehenden Jagd— rechtes und die Amnestie Sr. Durchlaucht erschien, da hatte die Re⸗ gierung sich keinen Augenblick der Illusion hingegeben, als wenn sich die Partei, die dermaßen die Agltation auf ihre Fahne geschrieben hatte, sofort beruhigen und diesen Akt dankbar annehmen würde. Ja⸗ dessen hatte die Regierung doch erwartet, daß man mit gewisser Be— friedigung dies anerkennen und den Wünschen der Regierung eutgege =
ö. zx ch 89. gen⸗ kommen werde, Nichts von alledem. Kaum war die Kabinetsordre erschienen, als ein Schmerzensschrei durch die Sonntagspost ging: das wäre nicht was man verlangte; im Gegentheil hierdurch würde die Willkür und die Nichtachtung der' Rechte nech stärker dargestellt, wie früher. Es wurde von Herrn Hausmann stets als ein menschenunwürdiges Dasein geschildert daß nicht jeder Grundbesitzer auf seinen Grund und Boden das Jagd⸗ recht ausüben könne; so ganz menschenwürdig scheint dies Sasein dennoch nicht gewesen zu sein, denn Herr Hausmann hat selbst damals mehrere Jagden gepachtet, und wenn ich nicht irre, hat er sogar mehrere Kontravenienten, welche gegen sein Pachtrecht das Jagdrecht ausübten, strafrechtlich verfolgt. Meine Herren, als nun endlich die Be— rufung des Landtages mit der Vorlage des durchaus liberalen Wahl gesetzes kam, da entstand die Frage: was wird nun die Volks⸗ und Rechtspartei thun? Meine Herren! Es gehört leider nach unserem Wahlgesetz nur eine Minorität dazu, um die Wahlen zu vereiteln. Es müffen naͤm— lich bei jeder Wahl zwei Drittel der Wahlberechtigten anwesend sein; Oi 8 gelingt, einen Mann auf die Seite der Minorität des einen Drittel 5 bringen, so kann die Wahl pereitelt werden. Es ist das dasselbe Manöver, welches im Jahre 1871 mit Erfolg versucht war, und dem leider auch jetzt wieder die staatlichen Verhältniffe zum Opfer gefallen sind; denn, wenn es nach der a bsoluten Masorität gegangen wäre, wäre der Landtag unbedingt zu Stande gekommen. Es wurde aber thatsächlich die Wahl vereitelt und es ent— stand etwas, was ich nicht anders bezeichnen kann, als einen Strike der Landesvertretung. Dieses Mittel war schon früher empfoh— len worden, ja auch selbst die Herren, die damals aus dem Landtage gugtraten, hatten behufs Herbeiführung der Beschlußunfähigkeit dieses Mittel ausgeübt. Indessen, meine Herren, damals hatte dieses Mit⸗ el ausgeübt. Indessen meine Herren, damals hatte dieses Mittel in der That eine innere Berechtigung, es war, wenigstens nach der An⸗ sicht derjenigen, die den Strike ausübten, kaum anders möglich, aus dem Konflikt zu kommen, als dadurch, daß sie den Landtag beschlußun⸗ fähig machten. Jetzt lag die Sache total anders und die Regierung hat in einer Proklamation ausdrücklich hervorgehoben, daß die jetzige Sachlage eine so diametral verschiedene war von der damaligen, daß alle diejenigen, die sich früher der Wahl enthielten, nicht die leiseste Veranlassung hätten, jetzt das Manöver zu wiederholen. Indessen meine Herren, es geschah doch, und wir leben in Lippe nun allerdings in der wenig beneidenswerthen Lage, daß die Regierung auf ihre eigene Verantwortung regieren muß, um den Staat nicht zu Grunde gehen zu lassen, ja, meine Herren, zu Grunde gehen zu lassen. Die etatsmäßigen Ausgaben des Landes — das werden Sie doch wohl zugeben — můffen geleistet werden und ich möchte die Herren doch darauf aufmerksam machen, daß auch in den schwersten Zeiten des Konfliktes in Preußen auch der Fortschrittspartei es niemals eingefallen ist, die Befugniß der Regierung dahin zu bestreiten, die nothwendigen Ausgaben weiter zu leisten. Nein, auch Sie nicht, Herr von Hoverbeck! Der Staat geht allerdings insofern zu Grunde, als die Regierung mit einem sehr be— deutenden Defizit von 30,900 Thlr. arbeiten muß; gerade die Hebung dieses Defizits begründete damals die Steuervorlagen, die zufallig in die damalige Krisis hineinfielen und demgemäß unausgeführt blieben. Der Staat muß zu den nothwendigsten Ausgaben Zahlungen in einer Höhe leisten, welche diese 30, 000 Thlr. in Anspruch nehmen. Es ist die nothwendige Folge davon und es ist dies dem Lande auch unverhohlen ge⸗ sagk worden, daß die Regierung die Aktivbestände des Staates ver—⸗ brauchen muß zu den laufenden Ausgaben. Es ist dies ein trauriger und von Keinem mehr, als der Landesregierung selbst beklagter Ju⸗ stand; aber selbst wenn Herr Hausmann in meiner Stelle wäre, so würde er kaum and rs handeln können. Es wird sich aber schwerlich eine Landesvertretung finden, die sich dazu entschließen könnte, durch 4—5fache Steuern die angegriffenen Aktivkapitalien wieder herzustellen, und daher ist meine Behauptung, daß das Land in diesen traurigen Zuständen zu Grunde geht, vollkommen gerechtfertigt.
Was bewog nun die Agitationspartei zu diesen ganz abnormen und einzig dastehenden Feldzugsplan? Es bewog sie dazu eine Be⸗ hauptung, die sie stets auf ihre Fahne geschrie en hat und die mich jetzt diesem Antrage gegenüber in doppeltes Erstaunen versetzt hat; sie will nämlich von Nichts wissen, als von der Wiederherstellung des neunundvierziger Wahigesetzes, sie weist jeden Vermittelungsvorschlag und jede Einigung zurück und bleibt bei der Behauptung stehen, das gekränkte Rechtsgefühl müßte dadurch versöhnt werden, daß das neun⸗ undvierziger Wahlgesetz wiederhergestellt werde. Meine Herren, die Ausführung dieses Verlangens, die Restituirung dieses, wie ich aller⸗ dings zugeben muß, früher zu Recht bestandenen Gesetzes, ist eine Un⸗ möglichkeit. .
Wenn ein Land 20 Jahre unter solchen Zuständen gelebt hat, wenn die wichtigsten organischen Gesetze, unter anderen ein großes Prozeßgesetz, auf dem sämmtliche Entscheidungen der Justizbehörden beruhen, ohne Widerspruch der Bevölkerung ergangen sind, wenn end— lich die Entscheidung einer damals staatsrechtlich höchsten Autorität, als welche der Bundestag anerkannt worden ist, vorlag, bei der sich die Parteien beruhigt haben, wenn ferner unter diesem Wahlgesetze, wie ich schon vorher erwähnte, die ganzen Verhandlungen über den Beitritt zu dem Norddeutschen Bunde, resp. Deutschen Reiche geführt wurden, so tst dies ein ganz ungeheuerliches Verlangen, daß durch dieses Zu⸗ rückgehen auf die früheren Zustände, wie mit einem Schwamm diese ganzen Verhandlungen, Verträge und Gesetze weggewischt und diese ganzen Jahre ungeschehen gemächt würden, daß alles annullirt werden solle, was inzwischen geschchen sei. Man sagt zwar, es ist gar nicht so bös gemeint, wir wollen blos ein paar Gesetze eera= tn das Uebrige kann bestehen bleiben; das ist aber
Wi
ein Widerspruch, meine Herren, denn wenn ein Gesetz stehen bleibt,