1873 / 116 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 16 May 1873 18:00:01 GMT) scan diff

In der heutigen 633.) Plenarsitzung des Reichstags

welcher am Tische des Bundesraths der Reichskanzler Fürst p. Bismarck, die Staats-Minister Delbrück und v. Mittnacht und der Bundes⸗Kommissar Geheimer Ober⸗Regierungs⸗ Rath Pr. Michaelis beiwohnten, wurde ein Antrag der Königlich bayerischen Polizei ⸗Direktion in München auf Ertheilung der Er⸗ mächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung des Redactenrs Sigl wegen Beleidigung des Reichstags und ebenso ein gleicher Antrag der Königlich sächsischen Regierung, der sich auf mehrere sãchsische Zeitungen bezog, abgelehnt. Demnächst trat der Reichstag in die dritte Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Gruͤndung und Verwaltung des Reichs⸗Inpalidenfonds. An der Generaldiskufsion' betheiligten sich bis zum Schlusse des Blattes die Abgg. Richter, von Benda, Miquel und Dr. Windthorst Meppen). .

Im Verlauf der gestrigen Sitzung des Herxgen⸗ hau ses wurde die Diskussion über den Bericht der XI. Kom⸗ mission über den Gesetzentwurf, betreffend die Geschãftssprache der Behörden, Beamten und politischen Körperschaften des Staates fortgesetzt. An der General⸗Diskussion betheiligten sich die Herren Kohleis, Graf Bninski, von Kleist⸗Retzow, von Thaden und Sulzer, letzterer als Referent. Auch der Regierungs⸗Kom⸗ missar, Geheimer Ober ⸗Justizrath Dr. von Schelling, nahm an der Diskussion Theil. Bei der Spezʒial⸗Diskussion stellte zu den §. 1, welchen die Kommission in folgender unverãnderter Fassung der Regierungs⸗Vorlage: . K .

Die deutsche Sprache ist die ausschließliche Geschäftssprache aller Behörden, Beamten und politischen Körperschaften des Staa—⸗ tes Fin schriftlicher Verkehr mit denselben ist nur in der deut- schen Sprache gestattet. Auch die Führung der Kirchenbücher erfolgt in deutscher Sprache.

zur Annahme empfahl, Herr Wever folgenden Antrag.

Abfatz 1: Den zweiten Satz zu fassen, wie folgt: Schriftliche Eingaben und Anträge, die nicht in deutscher Sprache abgefaßt find, können unberücksicht bleiben, oder zurückgegeben werden. Ilußerdem beantragte Herr von Kleist⸗-Retzow in dem ersten

Satz die Worte und politische Körperschaften zu streichen. An Der Diskuffion betheiligten sich die Herren Graf Scorzewski, Weyer, von Kleist⸗Ketzow, sowie die Staats⸗Minister Dr. Leon⸗ hardt und Graf Königsmarck und die Regierungs⸗Kommissare Geheimer Ober ⸗Justiz⸗Rath Dr, von Schelling und Geheimer Regierungs⸗Rath Steinmann. Dann wurde der Antrag Wever und der ntrag von Kleist⸗Retzow abgelehnt und die Vorlage angenommen. Zu 5. 3, welchen die Kommission in folgender Fafsfung zur Annahme empfahl: ;

„Ist vor Gericht mit einer Person zu verhandeln, welche der deutschen Sprache nicht kundig ist, so muß ein beeidigter Dol⸗ metscher zugezogen werden. Das Protokoll ist in deutscher Sprache aufzunehmen und, falls es einer Genehmigung Seitens jener Person bedarf, ihr durch den Dolmetscher in der fremden Sprache vorzu⸗ tragen Die Führung eines Nebenprotokolls in der fremden Sprache findet nicht statt.“

beantragte Herr Wever: .

Im ÄAbsatz 3 statt der Worte: „findet nicht statt“ zu sagen: ist nicht nothwendig.“ Als Absatz 4 hinzuzufügen: Bei Verträgen unter Lebenden und bei letztwilligen Verordnungen kann die der deutschen Sprache nicht mächtige Partei verlangen, daß ein Neben⸗ protekoll in ihrer Sprache aufgenommen werde.

Auch dieser Antrag wurde nach kurzer Diskussion abgelehnt und der Kommissionsantrag angenommen. Ebenso fanden die übrigen Paragraphen des Gesetzes nach den Beschlüssen der Kommission ohne weitere erhebliche Diskussion die Zustim⸗ mung des Hauses. Schließlich wurde der Graf Borries durch Acclamation zum Mitglied für die Central⸗Kommisfion zur Re⸗ gulirung der Grundsteuer in der Provinz Hannover gewählt, und darauf die Sitzung um 3 Uhr geschlossen.

In der heutigen 34 Sitzung des Herrenhauses, wel⸗ cher der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt, Finanz⸗Minister Camp⸗ hausen, sowie eine große Anzahl von Regierungs⸗Kommissarien beiwohnten, und welche der Präsident Graf Otto zu Stolberg⸗ Wernigerode um 10 Uhr 20 Minuten eröffnete, theilte der letz⸗ ere zunächst mit, daß Graf Borries die auf ihn gefallene Wahl als Mitglied der Central⸗Kommission für die Grundsteuer⸗Regu⸗ lirung in der Provinz Hannover angenommen habe. Die XIII. Kommission zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betref⸗ fend die Betheiligung der Staatsbeamten bei der Verwaltung von Erwerbsgesellschaften sei gewählt und habe sich in folgender Weise konstituirt: v. Plötz, Vorsitzender, Graf zu Eulenburg, Stell vertreter des Vorsitzenden, hr. Schulze, Schriftführer, v. Thaden, Stell vertre⸗ ter des Schriftführers, Fleck. Wilckens, Graf v. d. Schulenburg⸗ Angern, Henrici, v. Kleist⸗Retzow, Graf zur Lippe, Fürst von Pleß, Wener, Graf v. Dönhoff, Hr. Sulzer, v. Voß. Nunmehr rat das Haus in die Tagesordnung. Der erste Gegenstand der⸗ selben war die Schlußberathung über den Gesetzentwurf, betref⸗ fend die Erhöhung der Gebühren der Advokatanwalte und Ad⸗ vokaten im Bezirk des Appellationsgerichtshofes zu Cöln. Auf Antrag des Referenten Herrn Grimm wurde das Gesetz nach den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses angenommen. Es folgte die Schlußberathung über den Gesetzentwurf, betreffend die den Ge⸗ richtsbeamten bei den Kollegialgerichten im Bezirk des Appella⸗ Konsgerichtshofes zu Cöln für Reifen in Civilprozessen zustehen⸗ den Reisckosten und Tagegelder. Der Referent Herr Wever em⸗ pfahl die unveränderte Annahme des Gesetzentwurfs, und das Haus trat diesem Antrage ohne Diskussion bei. Als dritter Ge⸗ genstand der Tagesordnung folgte die Schlußberathung über den Gesetzentwurf, betreffend die Verwerthung der Forstnutzungen aus den Staatswaldungen in den vormals kurhessischen Landes⸗ theilen, auf Grund der unverändert angenommenen Vorlage. Auch in die ser Berathung wurde das Gesetz ohne Diskusston genehmigt. Ohne weitere Debatte wurde ferner auf Antrag der Justiz⸗Kommis⸗ fion die Petition des Landwirth Hälsken zu Kirchhellen, Kreis Reck⸗ linghausen, durch Tagesordnung erledigt. Es folgte demnächst ö über den Gefetzentwurf, betreffend die Berech⸗ nung des Kostenpauschquantums in den Streitsachen der Armen⸗ verbaͤnde. Der Referent Hr. v. KleitzRetzow beantragte, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen, und das Haus trat diefem Antrage ohne Diskussion bei. Als sechster Gegenstand befand sich auf der Tagesordnung der mündliche Bericht der Budget⸗Kommission, betreffend die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalts⸗Etat des Jahres 1869. Der Berichterstatter Graf v. d. Schulenburg⸗Angern stellte den Antrag:

das Herrenhaus wolle beschließen: unter Beitritt zu den Beschlũssen des Hauses der Abgeordneten vom 14 d. M. die Entlastung der

Königlichen Stag regierung in Bezug auf Pie allgemeine Rechnung forderlichen Zahlungen einstweilen und vorschußweise aus den

des Jahres 1869 und in Bezug auf die Verwaltung des Staate— schaßes pro 1869 auszusprechen,

und das Haus schloß sich diesem Antrage ohne jede Diskussion

9 . städtischen Baukommission (bestehend aus 9 Mitgliedern) für richt der Budget ⸗Kommission, betreffend die allgemeine Rechnung über den Staatshaushalt des Jahres 1870. Der Berichterstatter demselben abzuschließenden Kontraksbedingungen, wonach Herr Sobrecht ein jährliches Honorar von 4500 Thalern als Entschä⸗

an. Den Schluß der Tagesordnung bildete der mündliche Be⸗

Herr von Rabe beantragte: ö unter Bezugnahme auf den Beschluß des Hauses der Abgeordneten

zu der allgemeinen Rechnung des Jahres 1868, die Entlastung der

Königlichen Staatsregierung in Bezug auf die allgemeine Rechnung

des Fahres 1870, sowie in Bezug auf die Verwaltung des Staats⸗ schatzes für dasselbe Jahr auszusprechen. .

Das Haus schloß sich nich diesem Antrage ohne Diskussion

an, worauf der Präsident um 11 Uhr die Sitzung schloß.

Nächste Sizung unbestimmt, wahrscheinlich Montag oder Dienstag.

Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung des Hau⸗ ses der Abgeordneten wurden in namentlicher Abstimmung 50, 750, 000 Thlr. für den Bau der Bahn von Berlin nach Wetzlar mit 251 gegen 57 Stimmen bewilligt, ebenso 20750, 000 Thaler für den Bau der Bahn von der Reichsgrenze bei Sierk über Trier und Coblenz unter fester Ueberbrückung des Rheins nach Oberlahnstein zum Anschluß an die Lahnbahn. Desglei⸗ chen wurden die in gestriger Nummer mitgetheilten drei Reso⸗ lutionen, die Antrãge der Rommission mit Bezug auf die zahl⸗ reichen Petitionen und schließlich das ganze Gesetz in der Fassung der Kommission angenommen. Hierauf folgte die erste und zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die auf Grund des Reichsgesetzes vom 8. Juli 1872 zur Ueberweisung an Preußen gelangenden Geldmittel, und wurden die S§. 1 und 2, die von der Tilgung 4sprozentiger Anleihen im Betrage von 20 284, 100 Thlr. handeln, 3 Debatte genehmigt. In §. 3:

„Aus den im 5. 1 bezeichneten Geldmitteln sind ferner diejeni⸗ gen Ausgaben für Eisenbahnz ecke zu bestreiten, zu deren Dedung nach dem Stagtshaushalts⸗Elat für das Jahr 1873 die Realisirung von Anleihen in Aussicht genommen war. Soweit jene Geldmittel hiernach nicht zur Verausgabung gelangen, sind dieselben bis dahin, wo über ihre . Beflimmung getroffen wird, durch vor⸗ übergehende zinsbare Anlegung möglichst nutzbar zu machen. Zu diesem Behufe können auch Schuldverschreibungen preußischer Staats⸗ anleihen angekauft werden.“

beantragte der Abg. Richter, das Alinea 2 zu fassen:

„Soweit jene Geldmittel hiernach nicht zur Verausgabung ge⸗ langen, können dieselben bis zum 1. Januar 1874 durch Ankauf von Schuldverschreibungen preußischer Staatsanleihen und durch Anle⸗ gung in inländischen oder auf Gold lautenden ausländischen Wechseln ersten Ranges nutzbar gemacht werden.“

während der Abg. Lasker wünschte, daß die nicht verausgabten Geld⸗ mittel bis zum 1. Januar 1874 vorübergehend zinsbar anzu⸗ legen seien. Doch wurden beide Amendements abgelehnt, und §. 3, desgleichen die 55. 4 und 5 ohne Debatte in der Fassung der Vorlage angenommen. Hierauf wurde die Sitzung gegen 3 Uhr geschlossen und die nächste auf heute 9 Uhr festgesetzt.

In der heutigen (18) Sitzung des Hauses der Abgeord⸗ neten waren am Ministertisch die Staats⸗Minister Camphausen und Dr. Achenbach mit mehreren Regierungskommissarien an⸗ wesend. Das Haus beschäftigte sich zunächst mit der dritten

erathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufnahme der An⸗ leihe von 120 Millionen Thalern zur Erweiterung, Vervoll⸗ ständigung und besseren Ausrüstung des Staatseisenbahnnetzes. Die Staats⸗Minister Camphausen und Dr. Achenbach entwickelten aufs Neue den Standpunkt der Regierung in der Angelegenheit und betonten namentlich, daß mit der Vorlage keineswegs eine Schwächung der Privatindustrie angestrebt werde; die neu anzu⸗ legenden Staatsbahnen wären durch das wirthschaftliche und militärische Interesse des Lendes geboten. Hierauf wurde das Gesetz mit großer Majorität angenommen. Der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die auf Grund des Reichsgesetzes vom 8. Juli 18727 zur Ueberweisung an Preußen gelangenden Geldmittel, wurde in deritter Berathung ohne Debatte angenommen und sodann die Uebersicht über die Staatseinnahmen und Ausgaben des Jahres 1871 nebst der dazu gehörigen Denkschrift und den Motiven für die darin nachgewiesenen Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen extraordinären Ausgaben in zweiter Berathung genehmigt. Hierauf vertagte sich das Haus um 11 Uhr bis Mittags 12 Uhr. In dieser kurzen (79.) Sitzung wurde über mehrere zur Behandlung im Plenum ungeeignete Pe⸗ titionen nach den Beschlüssen der Kommission entschieden und die obengenannte Uebersicht über die Einnahmen und Ausgaben des Jahres 1871 u. s. w. in dritter Berathung angenommen. Die nächste Sitzung ist noch nicht bestimmt. e

Bei dem Reichskanzler und der Fürstin von Bismarck finden am 17. und 24. d. M. Soireen statt, zu welchen außer den Reichstags⸗Abgeordneten die Mitglieder des Bundesraths, die Staats⸗Minister, sowie die Räthe und Hülfs⸗ arbeiter des Reichskanzler⸗Amts und des Auswärtigen Amts Ein⸗ ladungen erhalten haben.

Nachdem mit dem gestrigen Tage die Besichtigungen des Garde⸗Infanterie⸗Regiments beendet worden sind, hat nunmehr das Exerzieren im Brigade⸗Verbande seinen Anfang genom⸗ men; so exerzierten heute Vormittag auf dem Tempelhofer Felde die zweite Garde⸗Infanterie⸗Brigade (2. Garde⸗Rgt. z. F. und 4. Garde⸗Regt. z. F) unter dem Commandeur derselben, Ge⸗ neral⸗Major von Krosigk, sowie die kombinirte Garde⸗Infanterie⸗ Brigade (Kaiser Franz Garde⸗Grenadier⸗Regiment Nr. 2 und Garde⸗Füsilier⸗Regimenth unter dem Commandeur der 4. Garde⸗ Infanterie⸗Brigade, General⸗Major von Dannenberg.

Der General⸗Lieutenant von Budritz ki, Commandeur der 2. Garde⸗Infanterie⸗Division, ist von einer vor Kurzem an⸗ getretenen Urlaubsreise hierher zurückgekehrt.

In der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten⸗ Versammlung wurde u. A. die Vorlage wegen Inangriff⸗ nahme der Kanalisation des Radialsystems III. berathen. Der Referent Dr. Virchow berichtete über die von der Geldbewilli⸗ gungs⸗Deputation beschlossenen Vorschläge:

1) Die Versammlung hält die in dem Beschlusse vom . März d. J. aufgestellten Bedingungen mit Ausnahme der zwei⸗ ten durch das Schreiben der Minister des Handels und des In⸗ nern vom 6. Mai d. J. im Wesentlichen für erledigt. In Be⸗ ziehung auf den zweiten Punkt (finanzieller Zuschuß Seitens des Staates) ersucht die Versammlung den Magistrat, die Ver⸗ handlungen mit der Königlichen Staatsregierung im Sinne des Beschlusses der Stadtverordneten⸗Versammlung fortzusetzen, und zwar, wenn irgend möglich, ohne Verbindung dieser für die öffentliche Gesundheitspflege überaus wichtigen Frage wegen

Abtretung der Straßen.

2) Sie erklärt sich damit einverstanden, daß nunmehr mit der Ausführung des Radialsystems III. begonnen und die er⸗

bereitesten Mitteln bestritten werden. Beide Anträge wurden nach dem Vorschlage der Kom⸗ mission angenommen, ebenso Punkt 3, die Bildung einer

die Känalisatiöan und Punkt 4 die Uebertragung der Aus. führung des Baues an den Baurath Hobrecht und die mit

digung für Fuhrkosten ꝛc. 709 Thlr. jährlich, und eine Ban⸗ prämie von 10.000 Thlrn. erhält, wenn der Bau in 3 Jahren, vom 1. Juli ab gerechnet, fertig gestellt ist.

Bei der Schlußabstimmung wurde der so amendirte Ma⸗ gistratsantrag einstimmig angenommen und gleichzeitig der Ma⸗ gistrat ersucht, in gewissen Perioden, spätestens aber alle halbe Jahre von dem Stande der Kanalisationsarbeiten Mittheilung zu machen. Die Mitglieder der Baukommission sollen in der nächsten Sitzung gewählt werden.

Die diesjährige Berliner Pastoralkonferenz wird in den Tagen vom 16. bis 12. Juni abgehalten.

Am Sonntag fand die feierliche Einweihung der Kirche im neuen Strafgefängniß am Plötzensee und die Einführung des Anstaltsgeistlichen Prediger Jung in sein Amt durch den General⸗Superintendenten Propst Brückner statt. Der festlichen Handlung wohnten der Wirkliche Geheime Rath und erste Prãäsident des Kammergerichts Dr. von Strampff, der Prãsident des evangelischen Ober ⸗Kirchenrathes Dr. Hermann, der Präsident des Konsistoriums der Provinz Brandenburg Hegel, der Superintendent Strauß und andere Staatsbeamte bei. .

Frankfurt, 15. Mai. Gestern traf Se. Hoheit der

Herzog Bernhard von Sachsen-Meiningen nebst G⸗

folge und Dienerschaft hier ein und nahm im Russischen Hofe Wohnung.

Cöln, 16. Mai. (W. T. B.) Heute Morgen 3 Uhr ver⸗ starb hier der Gouverneur General⸗Lieutenant von Fran⸗ kenberg.

Sigmaringen, 12. Mai. Unter zahlreicher Theil nahme wurde gestern Nachmittag auf dem sogenannten Brenzkofer Berge der Grundstein zu einem Kriegerdenkmale gelegt. Daffelbe wird nach dem Entwurfe des Fürstlichen Bauraths J. Laur aus einer Säule mit daraufstehender Germania beste⸗ hen und im Ganzen 50 Fuß hoch werden. Die Figur wird in Berlin gefertigt, und zwar auf Veranlassung Sr. Königlichen Hoheit des Fürsten von Hohenzollern, Höchstwelcher zugleich den Platz um das Denkmal in würdiger Weise herrichten läßt.

Bayern. München, 13. Mai. Bei der Königlichen Staatsregierung sind die geforderten Gutachten der Landes⸗ universitãten, sowie des Polijtechnikums über die Frage Betreffs der Verlegung der Central⸗Forstlehranstalt von Aschaffen⸗ burg beziehungsweise deren Verbindung mit einer Landesuniver⸗ sität eingelaufen. Die Universität Würzburg hat dem Korr. v. u. f. D.“ zufolge, die meiste Aussicht, daß die genannte An⸗ stalt mit ihr vereinigt wird. Das Polytechnikum zu München zielt in seinem Gutachten ebenfalls auf Vereinigung ab; doch könnte dieselbe wegen Platzmangels erst im Jahre 1875 statt⸗ finden. Von den Professoren der Forstakademie hat sich die Mehrheit selbst für Vereinigung derselben mit einer Hochschule ausgesprochen.

Sachsen. Am Sonntag beging in der deshalb im Fest⸗ schmuck prangenden Stadt Annaberg der Verein ehrenvoll verabschiedeter Militärs „Kameradschaft“ das Fest der Fahnen⸗ weihe. An dem Festzuge betheiligten sich 29 Militärvereine mit 2222 Mitgliedern. Der Weiheakt selbst fand auf dem Schützenplatze statt. Der Seminar⸗Direktor Schmidt hielt die Anrede. Den ersten Nagel schlug der denominirte Stell⸗ vertreter des Kronprinzen von Sachsen, Hauptmann Raabe, ein. Am Abend fand ein Festmahl statt, bei welchem der erste Toast dem Deutschen Kaiser und dem König von Sachsen, der zweite und dritte dem Kronprinzen des Deutschen Reichs und von Sachsen galt. An demselben Tage feierte auch der Militärverein für Lommatzsch und Umgegend in dieser Stadt seine Fahnen⸗ weihe, an der zahlreiche Vertreter von 16 auswärtigen Militär⸗ vereinen sich betheiligten.

Baden. Karlsruhe, 11. Mai. Der Ausschuß des Städtetags trat heute im hiesigen Rathhause zusammen, um . Vorarbeiten für den ersten badischen Städtetag zu voll⸗ enden.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 14. Mai. Der Großherzog wird dem Dr. J.“ zufolge gegen Ende des Monats zur Besichtigung der Ausstellung eine Reise nach Wien antreten. Unter den aus Dresden nach Wien gegangenen Ge⸗ genständen ist auch das Standbild Karl Augusts von Donndorf, welches im Jahre i875, dem Säkularjahre des Regierungsantritts des Herzogs, in hiesiger Stadt aufgestellt werden soll. In Wien trifft der Großherzog mit dem Erbgroßherzoge zusammen, welcher bis dahin von seiner Orientreise zurückgekehrt sein wird.

Braunschweig, 15. Mai. Die Nr. 24 der Gesetz⸗ und Verordnungs⸗Sammlung enthält eine Berichtigung einer im Gesetze vom 20. März 1873 Nr. 13 über die Einfuͤhrung der Grundsteuer in der Stadt Braunschweig ꝛc. enthaltenen Un⸗ richtigkeit.

Sachsen⸗Altenburg. Altenburg, 14. Mai. In der heutigen Sitzung des Landtages wurde an erster Stelle ein Antrag des Abg. Findeisen berathen und zum Beschluß erhoben, der auf das Erfuchen an die Staatsregierung gerichtet ist, mög⸗ lichst bald der Landschaft eine Vorlage zugehen zu lassen, welche die Aufbesserung des Diensteinkommens der Geistlichen unter 500 Thalern jährlich durch Gewährung von Theuerungszulagen und zwar vorläufig auf die letzten beiden Jahre der instehenden Finanzperiode aus den Ueberschüssen der laufenden Finanz⸗Ver⸗ waltung bezweckt. Den zweiten Gegenstand der Tagesordnung bildete der Bericht der Finanz⸗Kommission über den höchsten Erlaß, den Verkauf der Gößnitz⸗Geraer Eisenbahn betreffend.

Reuß. Greiz, 15. Mai. Wie die „L. Ztg.“ meldet, wurde der Fürst gestern von einem ernsten Unfall betroffen, in⸗ dem er auf einem nach dem Jagdschloß Waldhaus ohne Beglei⸗ tung unternommenen Spazierritte von einer Ohnmacht befallen, vom Pferde fiel und mit einem Fuß im Bügel hängen bleibend, in bewußtlosem Zustande von dem durch den Fall scheu gewor⸗ denen Pferde eine Strecke weit geschleift wurde. Se. Durch⸗ laucht, welche erhebliche Körperverletzungen nicht erlitten, war, obwohl in hohem Grade angegriffen, doch kurze Zeit darauf wie⸗ der im Stande, zu Fuß zurückzukehren und in der Nähe der Stadt das aufgehaltene Pferd wieder zu besteigen. Nach Ver⸗ sicherung des Leiharztes giebt das Befinden Sr. Durchlaucht zu ernsten Besorgnissen keinen Anlaß Seitens der Beyölkerung giebt sich die allgemeinste Theilnahme kund.

Oesterreich⸗ An garn. Wien, 15. Mai. (W. T. B) Der Fürst von Montenegro hat auf Verwendung des Mi⸗ nisters des Aeußern. Grafen Andrafssy, den nach Desterreich⸗ Ungarn emigrirten Montenegrinern die freie und straflose Rück⸗ kehr in ihre Heimath zugestanden.

Pesth, 14. Mai. Im Abg eordnetenh au se interpellirte Karl Szathmarn den Handels⸗Minister wegen der deutschen Auf⸗ schriften auf ungarischen Ausstellungsgegenstãnden der Wiener Keltausstellung. Adam Lazar interpellirte den Minister des Innern wegen der Regelung des Königsbodens. Minister Graf Szapary antwortete, daß der diesbezügliche Gesetzentwurf fertig ist und sobald als möglich zur Verhandlung gelangen wird. Anton Molnar überreichte den Bericht des Centralausschusses äber die Vorlagen des Verkehrs⸗Ministers, über die Kreditreste von 1872 und die Modifikation der galizischen Eisenbahn⸗Kon⸗ zession. Zur Tagesordnung übergehend, erledigte das Abgeord⸗ netenhaus den Gesetzentwurf über die Eskomptebank so wie die Statuten derselben und nahm aus den letzteren vier Paragraphe in den Gesetzentwurf auf. Auch die in der Schwebe gebliebenen Paragraphen des Gesetzentwurfs wurden hierauf erledigt.

Der-Prinz von Wales besuchte gestern um 1 6 in Begleitung des Prinzen Arthur die Königlich ungarische Akadenrie der Wissenschaften. Im Portikus wurden die Hohen Gäste von den beiden Präsidenten Graf Lonyan und Esengery, dem Sekretär Johann Arann und den Akademikern Pulszky, Vambery und Hunfalpa empfangen. Die Prinzen besuchten die Bibliothek, die Sitzungssäle und die Bildergallerie, in welch letz⸗ terer ihnen der Sirektor des Nationalmuseums Franz Pulszky als Führer diente. Abends rückten saãmmtliche Feuerwehren Buda⸗ Pesihs unter dem Kommando des Grafen Szechen yi aus und defilirten vor dem Nationalkasino, wo die Prinzen bis 9 Uhr soupirten. Nachts fand im Hotel Europa Ball statt. .

Aus Karlstadt meldet man vom heutigen Tage: Die katholische Ständeversammlung konstituirte sich, wählte 214 Mitglieder des verwaltenden Ausschusses und beschloß, an die Regierung eine Petition in Angelegenheit des Theresten⸗ Waisenhauses und der Rückgabe der eingezogenen Waisengelder zu richten.

Schweiz. Bern, 12. Mai. (W. T. B.) Die Antwort der Baseler Diözefanstände auf den vom Bischof Lachat gegen seine Amtsentsetzung beim Bundesrathe erhobenen Rekurs giebt der Hoffnung Ausdruck, daß der Bund anläßlich dieser Frage nicht blos formales Recht schaffen, sondern auch auf Garantie für die innere Freiheit des schweizerischen Staats- und Volkslebens Bedacht nehmen werde.

Belgien. Brüssel, 135. Mai. (W. T. B). Die De⸗ putirtenkamm er hat heute mit 69 gegen 19 Stimmen das Kriegsbudget genehmigt; morgen steht der Etat des Ministeriums des Auswärtigen zur Berathung. ö

Großbritannien und Irland. London, 14 Mai. Eine Deputation von Parlamentsmitgliedern und Vertretern der hauptsächlichsten Missionsgesellschaften, der Gesellschaft zum Schutz von Ureingeborenen und des Anti⸗Sklaverei⸗Vereins, machte gestern dem Minister für die Kolonien, Earl von Kimberley, ihre Aufwartung, um ihn zu ersuchen, dem dem⸗ nächst im Unterhause zur Diskussion gelangenden Antrage des Herrn M. Arthur zu Gunsten der Annexion der Fidschi— Infeln Seitens Großbritanniens seine Unterstützung zu ge⸗ währen. Der Minister wies in seiner Erwiderung auf ie Schwierigkeiten eines solchen Unternehmens hin, versicherte aber, daß der Gegenstand bereits die Aufmerksamkeit der Königlichen Regierung ernstlich beschäftige.

Frankreich. Paris, 14. Mai. Der Stat“ ist auf den Antrag des Ministers des Innern vom Gouverneur von Paris, General Ladmirault, unterdrückt worden.

Heute Morgen um 9 Uhr fand in der Notredame Kirche eine stille Messe fuͤr Napoleon J. Statt. Eine größere Anzahl von Bonapartisten, darunter auch einige Offiziere in Uniform, welche die italienische Denkmünze trugen, hatten sich eingefunden. Unter den Anwesenden bemerkte man ferner den Prinzen Murat, den Herzog de Padua, den Dichter Belmontet und die Depu⸗ nirten Abatucci, Gavini und Levert, so wie viele ehemalige Mit⸗ glieder des gesetzgebenden Körpers und frühere Kaiserliche Beamten.

16. Mai. (W. T. B.) Gestern hat eine Zusamm en⸗ kunft von konservativen, keiner parlamentarischen Fraktion an⸗ gehörigen, Abgeordneten stattgefunden, bei der hauptsãchlich solche Deputirte, deren Haupta)nngenmerk auf. die „gesellschaftliche Erhaltung“ gerichtet ist, zugegen waren. Die Versammlung er⸗ ließ eine Einladung an alle Kammermitglieder der gleichen poli⸗ tischen Richtung, ihre Rückkehr nach Paris zu beschleunigen und am Montage an einer Konferenz Theil zu nehmen, in welcher die von ihnen den erwarteten Vorschlägen der Regierung gegen⸗ über einzunehmende Haltung erörtert werden soll.

Italien. Die Agence Havas publizirt ein Telegramm aus Rom vom 14. Abends, wonach der Pa pst sich besser befindet, eine Messe gehört und die Beamten mehrerer religiöser Körperschaf⸗ ten, welche geschäftliche Vorträge erstatteten, wieder empfangen hat.

15. Mai. (W. T. B.) Heute trat diejenige Gruppe der Majorität der Deputirtenkammer, welche in dem Gesetzentwurf über die religiösen Körperschaften eine abweichende Haltung einnimmt, mit dem Minister Lanza zu einer Kon⸗ ferenz zusammen, in welcher sie demselben ihre Ideen aus⸗ einandersetzte. Der Minister Lanza behielt es sich vor, den übrigen Ministern am Abend darüber noch Mittheilung zu machen. In der Kammer wurde die Generaldebatte über den. Ge⸗ setzentwurf, die religiösen Körperschaften betreffend, ge⸗ schlofssen. Bei dem Schlusffe der Debatte unterzog der Justiz⸗Minister den Gesetzentwurf einer nochmaligen Prü⸗ fung und wies nach, daß sowohl das nationale als öffent- lichẽ Recht weder verletzt, noch in seiner weiteren Entwickelung gehemmt werde. Der Justiz⸗Minister betonte schließlich noch die Vörtheile dieses Gesetzentwurfes und konstatirte die Gefahren, die eine Aenderung des bisher verfolgten Verfahrens mit sich führen würde.

Türkei. Konstantinopel, 15. Mai. (W. T. B.) Der Minister des Aeußern Savfet⸗Pascha ist zur Disposition gestellt und an seiner Stelle der bisherige Minister der öffent⸗ lichen Arbeiten Rashid⸗Pascha zum Minister des Aeußern ernannt worden. Zum Minister der öffentlichen Arbeiten ist der bisherige Vali von Jemen Mouktar⸗Pascha ernannt worden.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 15. Mai. (W. T. B.) In Chiwa ist dem russischen „Invaliden“ zufolge allgemeine Volksbewaffnung angeordnet. Als Versammlungsort für die mit Pferd und Waffen aufgebo⸗ tenen Landesbewohner ist die Umgegend von Kungrad bestimmt, von wo sich dieselben nach dem befestigten Punkte Dschany⸗Kala auf dem Urgumurungebirge begeben sollen. Der Schah von Persien hat fich am 12. d. M. in Rescht auf einem russischen Kriegsdampfer nach Astrachan eingeschifft.

16. Mai. (W. T. W.) Der Schah von Persien ist, wie von Astrachan gemeldet wird, nach einer stuͤrmischen

Ueberfahrt über das Kaspische Meer am gestrigen Abend im besten Wohlsein dort eingetroffen und wird morgen über Zaritz in seine Reise fortsetzen. Der Großfürst Michael hat sich nach dem Kaukasus begeben.

Schweden und Norwegen. Ueber die Krönungs⸗ feierlich keiten entnehmen wir den H. N.“ Folgendes:

Stockholm, 12. Mai. Heute Vormittag 11 Uhr setzte sich der Krönungszug in Bewegung und schritt langsam dahin unter den Tönen der Regimentsmufik, welche längs dem Wege in passenden Entfernungen aufgestellt war. Die Reihenfolge war folgende: Trabanten, Pagen, zwei Herolde, der Hofmarschall, die Hofstaaten, Kanzleien und Stäbe, zwei Herolde, die zwölf Deputirten des nor⸗ wegischen Storthing, die Mitglieder des schwedischen Reichstags, zwei Herolde, der Justiz⸗Sachwalter des Reichstags, der Ju stiz⸗ Kanzler und das höchste Gericht, zwei Herolde, der norwegische Staatsrath, zwei Herolde, der schwedische Staatsrath, vier Herolde, der Reichsherold, der Reichsmarschall mit dem Stabe, der Krönungsmantel des Königs und die Regalien, nämlich die Schlüssel, der Apfel, das Schwert, das Scepter und die Krone, jedes einzelne Stück getragen von einem Staatsrathe; der König mit Fürstlicher Krone und Fürstlichem Mantel, hinter ihm seine drei ältesten Söhne, der Kronprinz und die Herzoge von Gotland und Westergotland (15, 14 und 12 Jahre alt), an der Seite des Königs der norwegische Staatsrath, vor ihm eine große Wache, über ihm ein Thronhimmel, getragen von acht Prã⸗ sidenten und hohen Beamten unterstützt von eben so vielen Obersten, das Reichspanier, getragen von einem Oberst⸗Lieute⸗ nant, unterstũtzt von zwei Sbersten, die Herolde des Seraphinen⸗ Ordens, das Panier dieses Ordens, getragen von dem ersten Hofmarschall, unterstützt von zwei Kapitänen, die Seraphinen⸗ ritter, denen keine andere Funktion bei der Krönung zuertheilt war, die Ober⸗ und Unteroffizianten, sowie die Commandeure des Schwert-, Nordstern⸗ und Wafa⸗Ordens, die Ritter des Carls XII. (Freimaurer) Ordens, die Commandeure des nor⸗ wegischen St. Olafs⸗Ordens.

An diese Prozession des Königs sollte sich die der Königin anschließen, nämlich: Pagen, zwei Herolde, der dienstihuende Hofmarschall der Königin mit dem Stabe, Kammerherren und Kammerjunker, zwei Herolde, der Ober⸗ vofmarschall der Königin, der Krönungsmantel und die Rega—⸗ lien der Königin, letztere bestehend in Apfel, Scepter und Krone, jedes Stück getragen von hochstehenden Personen, die Königin mit Fuͤrstlicher Krone und Fürstlichem Mantel, geführt von zwei hohen Würdenträgern, unter einem Thronhimmel, getragen von vier hohen Beamten, unterstützt von eben so vielen Sbersten, die Gattinnen der Excellenzen, jede geführt von einem dazu von ihr gewählten Kavalier, die Staatsdamen, die Gattinnen der Staats⸗Räthe und Seraphinenritter, die Fräulein und die beim Hofe präsentirten Damen. Zuletzt zwei Herolde, die Kollegien, Beamte, Direktionen, Akademien u. a, die in Stockholm befind⸗ lichen schwedischen und norwegischen Land- und Seeoffiziere und Trabanten.

Des anhaltenden Regens wegen unterblieb indessen der zweite Zug, und die Königin begab sich direkt in die Kirche.

An der Kirchthüre wurde der König von dem Erzbischofe, umgeben von dem Bischof in Rinköping und Strengnas und dem Pastor Primarius mit dem Wunsche: „Gesegnet sei Er, der da kommt in dem Namen des Herrn!“ und mit einem kur⸗ zen Gebet empfangen und von den beiden ersten an den König⸗ lichen Stuhl im Chore zur Rechten des Altars geführt.

Auf die gleiche Weise wurde die Königin von dem Bischofe von Strengnas empfangen und von diesem und dem Pastor Primarius an ihren Stuhl zur Linken des Altars geführt wurde.

Als Alle ihre Plätze eingenommen hatten, schwieg die Musik. Der König trat an den Thron, der auf einer Er⸗ höhung vor dem Altare stand, und ward dort von dem Reichsmarschall, den Herren, welche seinen Mantel und die Regalien getragen hatten, und seiner großen Wache umgeben, das Reichspanier war zur Rechten und das Seraphinenordenspanier zur Linken. Hier nahm ihm der oberste Kammerherr und der oberste Kammerjunker den Fürstlichen Mantel und er selbst die Fürstliche Krone ab, welche beide auf den Altar gelegt wurden; der Erzbischof und ein dazu ernannter General-Lieutenant nahmen von dem Altare (wo er nebst den Regalien bis dahin gelegen hatte) den Krõnungsmantel und legte ihn dem Könige um die Schultern. Der Erzbischof schlug in der Bibel, die auf dem Betstuhl vor dem Könige lag und vor welchem der König auf die Knie fiel, das erste Kapitel des Cvangelium Johannis auf und der König legte, die Hand auf die Bibel haltend, den Königseid ab, der ihm von dem Staats⸗-Minister der Justiz vorgesagt wurde, öffnete darauf das Hemd und wurde von dem Erzbischof aus dem Oelhorn auf der Stirn, Brust, den Schläfen und Handgelenken gesalbt unter einem vorgeschriebenen Gebete. Nachdem dann der König sich erhoben und seinen Platz auf dem Throne wieder eingenommen hatte, setzte ihm der Erzbischof die von dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten von dem Altare genommen? Königliche Krone mit einem kurzen Gebet auf das Haupt und überreichte ihm auf . Weise unter Gebeten die einzelnen Regalien. Darauf gab der Reichs marschall dem Reichsherold ein Zeichen, dieser trat auf die oberste Stufe zum Throne und rief mit lauter Stimme: „Nun ist Oskar der Zweite gekrönt zum Könige von Schweden, der Gothen und Wenden. Er und kein Anderer!“ und darauf nebst allen Herolden und der Versammlung unter Pauken⸗ und Trompetenbegleitung: „Es lebe König Oskar der Zweite!“ worauf die Musik im Chor einfiel: „Glück zu dem Könige!“ (J. Samuelis 10, 24) ein Kirchenlied gesungen, von dem Erzbischofe ein Gebet gesprochen und der Segen ertheilt wurde. Darauf kehrte der König zurück in seinen Stuhl mit dem Scepter in der Rechten und dem Apfel in der Linken,

während ihm der Schlüssel sowie auch das Schwert entblößt und

aufgehoben nachgetragen wurden. Als der angeführte Ruf des Herolds verklungen war, donnerten von den beiden Batterien auf dem Skeppsholm und Kastellholm im Ganzen 84 Schüsse.

Die darauf folgende Salbung und Krönung der Königin geschah nach ähnlichem Ritus, nur daß sie keinen Eid ablegte und die Salbung auf der Stirn und den Handgelenken geschah. Auch nach der Krönung erfolgte der Ruf des Herolds: Nun ist Sophia Wilhelmina Mariana Henrietta gekrönt zur Königin von Schweden, der Gothen und Wenden: Sie und keine Andere!“ und don den Batterien verkündeten 84 Schüsse dieses Ereigniß, welches etwa 4 Stunde nach der Krönung des Königs (um? Uhr) erfolgte. Als die Königin ihren Stuhl wieder eingenommen hatte, rief der Reichsherold mit lauter Stimme: „Gute Herren und Männer der beiden Kammern des Reichstages, leistet dem Könige Euren Eid!“ Das geschah denn auch mit erhobener Hand. Die Feierlichkeit schloß mit dem Gesange des Liedes: ‚Nun Fanket alle Gott!“ worauf die Prozession sich in derselben Ord⸗

nung, wie sie gekommen war, wieder aus der Kirche begab.

Dänemark. Kopenhagen, 12. Mai. Die Ver⸗ legung der Königlichen RKesidenz nach dem Schlosse Friedensburg wird im Laufe der nächsten Woche erfolgen. Am Sonnabend stattete der Prinz Waldemar in Begleitung des Adjutanten des Königs, Kapitaͤn Meldal, einen Besuch auf der Kadetten⸗Korvette ‚Hemdal“ ab. Der Prinz wird sich dem Ver⸗ nehmen nach dem Seedienfst widmen.

Der Kriegs⸗ und Marine⸗Minister Thomsen hat durch einen speziellen Vorschlag im Folkething die nöthi⸗ gen Mittel zum Beginn eines Baues eines neuen großen Panzer⸗ schiffes zum Werthe von 26 Mill. Rdl. nachgesucht. Für das e, . 1873 74 sollen dazu 150 000 Rdl. verausgabt werden.

Amerika. Ein Telegramm aus New⸗Jork vom 13. d. M. meldet: „Die Modoc⸗Indianer haben die gegen sie aus⸗ gesandte Expedition angegriffen. Die Angreifer, 30 an der Zahl, überfielen, nachdem sie von ihren Pferden abgestiegen, das ame⸗ rikanische Lager und tödteten vier Soldaten, sowie einen besreun⸗ deten Indianer. Ihr Feuer wurde erwidert, worauf sie mit Zu⸗ rücklassung von 6 Todten und 23 Pferden und Packeseln die Flucht ergriffen.

Nachrichten aus Central⸗Amerika und von der Westküste Süd-Amerika, welche per Dampfer „Elbe“ am 14. ds. Mts. im Londoner „Bureau Reuter“ eintrafen, melden Folgendes: Die peruanische Regierung hat eine Kommission von Ingenieuren nach dem Isthmus von Panama gesandt, welche bei der Vermessung des Laufes eines unter⸗ ozeanischen Kanals Beistand leisten soll. In Canada, 20 Meilen von Lima, war ein Revolution sversuch mißlungen. Der Rãädelsführer Herraga wurde getödtet und seine Anhänger wurden geschlagen und gezwungen, in den Bergen eine Zuflucht zu suchen, nachdem sie auf dem Wege dahin Brücken und Dörfer verbrannt hatten. In Guatemala herrscht noch Ver⸗ wirrung. Die reaktionäre Kirchenpartei ist noch immer thätig, jede Gelegenheit zu ergreifen, um der Regierung Schwierig⸗ keiten zu bereiten. Der Krieg dauert noch immer fort. Die reaktionäre Partei will Cerea zum Präsidenten wählen. In Salvador folgt etn Erdstoß dem anderen mit furchtbarer Schnelligkeit. Der Nationalpalast ist eingestürzt. Man hält es allgemein für zweckmäßig, die Hauptstaadt an an⸗ derer Stelle wieder aufzubauen. In Panama hat eine neue unblutige Revolution stattgehabt. Präsident Niera hatte im Einklange mit dem Volkswillen die Zügel der Regierung niedergelegt und Sennor Cervera hatte die Führung der Präsi⸗ dentschaft übernommen. Der ehemalige Präsident hatte sich nach Bogota begeben, um sich über die Weise, in welcher er aus dem Amte gestoßen wurde, zu beklagen. In Hayti erwartet man eine gute Kaffee⸗Ernte. Gegen die Lokalbehörden von Puerto Plata auf St. Domingo, die vor Kurzem die Flüchtlinge aus dem britischen Konsulak gewaltsam entführen ließen, ist das britische Kriegsschiff ‚Niobe“ mit strengen Maßregeln vorgegangen. Der Gouverneur selber mußte den Gefangenen die Fußschellen ab⸗ nehmen und sie dem Commandeur der Niobe“ ausliefern, und ein dominikanischer Ofsizier wurde genöthigt, die britische Flagge in Gegenwart der dominikanischen Armee mit dem Gouverneur an ihrer Spitze auf dem Konsulat aufzuhissen, worauf die Flagge mit 21 Kanonenschüssen salutirt wurde. Die Grenz⸗ frage zwischen Columbia und Venezuela dürfte zu keinem ernstlichen Zerwürfniß führen. Nachrichten aus Honduras melden, daß ein Theil der Eisenbahn im Betriebe ist und sich als lohnend erweist.

Asien. Offizielle Nachrichten aus Cabul vom 8. d. M. melden, daß der unlängst von seinen Unterthanen abgesetzte Mir Mahomed Shah von Badakshan wieder eingesetzt wurde.

Kunst und Wissenschaft.

Nürnberg, 14. Mai. Der Großherzog von Hessen hat dem Germanischen Museum die bisher in seinem Peivatbesitze befindliche Handbüchse, welche mit vielen andern interessanten Gegen—⸗ ständen im Jahre 1810 aus dem 1399 zerstörten Schlosse Tannenberg ausgegraben wurde, für die Sammlung der Feuerwaffen zum Geschenk gemacht. Wenn auch äußerlich unscheinbar, ist dieses Stück doch deshalb von unschätzh atem Werthe, weil es vielleicht das einzige ist, das unzweifelhaft noch in das 14. Jahrhundert gehört.

Stuttgart, 15. Mai. Dr. Herman Reuchlin, der Ge— schichtsschreiber Italiens, ist gestern Abend hier verstorben. In der letzten Zeit war derselbe noch mit der Durchsicht des dritten Bandes seiner Geschichte Italiens beschäftigt, der die Ereignisse bis zum Krieg von 1366 einschließlich behandeln wird. Das Manuskript ift vollkommen druckfertig und theilweise bereits unter der Presse.

Freiburg, 13. Mai. Bei dem Festmahle zur Feier des Pro⸗ rektorwechsels wurde dem Großherzog als rector magnisicen- tissimus ein Festaruß der Universität telegraphisch übermittelt. Un⸗ mittelbar darauf iief folgendes Antworttelegramm ein:

An den Prorektor der Universität Freiburg, Herrn Funke.

Ich danke Ihnen für die freundliche Ucbermittelung des Ausdrucks der von der Uniderfität mir gewidmeten Gesinnungen und ersuche Sie, der Universität meinen Dank dafür mit der Versicherung auszusprechen, daß mir das Gedeihen und zunehmende Aufblühen dieser ehrwũrdigen Hochschule stets eine der werthesten Sorgen meines Berufes blei⸗ ben wird. K

Friedrich, Großherzog von Baden.“

Mainz, 12. Mai. Im Laufe der verflossenen Woche wurden bei den Erdarbeiten am Hauptstein römische Gräber aufgedeckt. Außer einigen kleinen Thonkcügen fand sich jedoch nichts vor. Eine große Amphora wurde leider durch Unvorsichtigkeit beim Ausgraben theilweise zertrümmert. Sämmtliche Gegenstände wurden dem Müu— seum überliefert. Auch aus der Stadt kamen einige mittelalterliche Thongefäße, welche bei Privatbauten gefunden wurden, ebendahin.

London, 12. Mai. Von der amerikanischen Nordpol Expedition liegen nunmehr ausführliche Nachrichten aus New-Nork vor. In Roberts Bay, Neufundland, ist ein Dampfer angelangt, der zwölf Männer, zwei Frauen und fünf Kinder pon Kapitän Hals Rordpol⸗Erforschungsschiff Polaris,“ das New ⸗York im Juni 19871 verließ, mitbrachte. Die se Personen wurden in einem offenen Boote, 0 Meilen von der Labrador Küste entfernt, im 557 30) nördlicher Breite angetroffen. Die „Polaris“ passirte im Sommer von 1871 Smiths Sund und erreichte im Oktober dessel ken Jahres den S20 16 närdlicher Breite. Kapitän Hall machte eine Schsittenreise nach dem angeblich offenen Polarmeere des Dr. Kanne, und fand, daß es eine 15 Meilen breite Meerenge sei, üher die hinaus indeß offene See vor⸗ handen zu sein scheint. Kapitän Hall starb im November 1871 an einem Schlaganfall. Im August 1872 wurde das Schiff im durch mancherlei widrige Um⸗ stände gezwungen, seine Vorräthe., zu. landen aber kaum damit begonnen, brach das Eis und führte diejengen, die auf dem elben an der Arbeit waren, mit sich fort. Sie trieben auf den Cisfeldern 169 Tage in südlicher Richtung umher. Ursprünglich fünf Meilen im Umfange, verringerte sich das Eis allmählich bis auf einige Ruthen. Dann nahmen die Abgeschnitten n ihre Zuflucht zu dem einzigen übrig Febliebenen Boot. Die Polaris ist seit der Trennung nicht gesehen worden. Es waren ihr eine Bemannung von 13 Mann inel. Kapitãn Boddington und eine Menge Proviant, aber keine Boote geblieben.

779 35 nördlicher Breite

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