1873 / 127 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 May 1873 18:00:01 GMT) scan diff

Westschlesien und seine Bewohner.“)

So sehr Westschlesien durch jeine hohe Kultur, durch Reichthum an Ottschaften, durch deren oft meilenweite Ausdehnung, durch seine sanfte Gebirgsformation und deshalb vorzugsweise mehr anmuthige als großartige Landschaften, durch mehr Baum- als Waldreichthum u. s. w. in gefälligem Wechsel sich vortheilhaft vor dem Nordosten Deutschlands ö, , . so fehlt ihm eine, besonders Nordoftdeutsch⸗ sand esgenthümliche, landschaftliche Schönheit, die der größeren stehen⸗ den, natürlichen Wasserflächen. der Seen. Wer an diese oft. von steilen Hügeln, oder großen Wiesenflächen, oder von dichten Wäldern eingeschlossenen oder theils mit Städten und Dörfern bebauten und belebten Wafserspiegel, an diefen oft wahrhaft hohen Zauber der nerd⸗ deutschen Landschaften gewöhnt, oder dafür empfãnglich ist, der wird, wenn auch durch die vielerlei Reize Westschlesiens anfänglich mehr als befriedigt, dennoch mit der Zeit dort diesen Mangel empfinden.

Allerdings liegt in dem Fehlen der großen Wasserflächen mit ein Grund des hohen Gesammiwerthes des Areals, der starken Beysõlke⸗ rung und ihres im Allgemeinen großen Wohlstandes; denn jene Wasser⸗ flachen sind außerordentlich weniger rentabel als der im größten Theile 3 ischlesiens fast durchweg edle und schon lange mit Fleiß und In⸗ telligenz kultivirte Grund und Boden. .

Glnecs Kullurreißes muß hier auch gedacht werden, nämlich der an den vielen Kunststraßen und den Landwegen meist, wenn zwar auch nicht durchgehends, fleißig angepflanzten Obst⸗ und anderen Baum⸗ alleen. . ; Welchen angenehmen Wechsel bieten diese Baumreihen und Ge⸗ büschstreifen durch die vielen Unterbrechungen der Aus⸗ und Fern⸗ sichten; und welchen hohen Nutzen gewähren sie durch Brechung der Winde, durch Verminderung der Uusdörrung des Bodens, durch Kon⸗ servirung der Feuchtigkeit, namentlich des Nachtthaues, den . in landwirthschafllicher, und den Bewohnern in gesundheitlicher Bezie⸗ hung! Doch der betriebsame Schlesier weiß aus vielen dieser Bäume, namentlich Pappeln, Linden, Eichen und Ulmen, noch einen Nutzen für die Landwirthschaft dadurch zu ziehen, daß er sie als atmosphärische Wiefen betrachtet, indem er sie in gewöhnlich vierjährigen Zwischen⸗ räumen zur Jeit des größten Blattreichthums entlaubt, aus diesem Laube ein vorzügliches Heu, und nach Abfütterung der Blätter in dnn trockenen Zweigen ein schätzbares Brennmaterial gewinnt. .

Obwohl der Boden Westschlesiens der Obstkultur sehr günstig zu sein scheint (denn sogar in den Einschnitten der Chausseen durch die Basalthügel der Ober⸗Lausitz gedeihen die Apfelbäume in dem leicht Derwitternden Fels sehr kräftig), und dort auch viel Obstbau getrieben wird, so findet dort doch an manchen feineren Sorten Kernobst einiger Mangel statt, und es sind deshalb in den letzteren Jahren von einge⸗ wanderten Thüringern und Märkern nicht allein aus dem obstreichen Thüringen, sondern auch aus der nördlicheren Neumark feinere Obst⸗ sorten eingeführt worden. . .

Außerordentlich belebt wird Westschlesien dur seine vielen Fa⸗ briken, nicht allein in eder bei Städten, sondern auch in vielen Dör⸗ fern, besonders am Eulen⸗ und Riesengebirge, sowie durch die vielen Rübenzuckerfabriken und den großartigen Gemüse⸗ und Handels gewächsbau in der reichen westschlesischen Ebene, Gleichfalls bringt der zwar nicht wie in dem südöstlichen Oberschlesien vielseitige, aber doch bedeutende Bergbau auf Kohlen im Waldenburger Gebiete, ferner bringen die Marmor und anderen Steinhrüche in einigen Hügel⸗ gebieten, die Glasfabrikatien und Glasschleiferei im Gebirge, zahllose Ziegeleien, Drains⸗ und Thonwaarenfabriken c. in der Ebene, die Porzellanmanufakturen in Waldenburg und Altwasser, sowie endlich der bedeutende Handel und der ungeheure Transit vielfältiges Leben und vielen Gewinn. ; .

Daher haben die Eisenbahnen und anderen Kunststraßen, abge⸗ sehen von dem Strome der Fremden in der Kur⸗ und Reisezeit, einen sehr lebhaften Personenverkehr, und wegen des trotz der starken Bevöl⸗ kerung bedeutenden Ueberflusses an landwirthschaftlichen, bergmännischen und anderen Ratucprodukten, sowie an vielerlei Kunstprodukten einen sehr großen Güterverkehr. Vorzugsweise stark ist der Export, unter welchem in der Menge Kohlen und Getreide, hingegen im Werthe Schlesiens Wolle, die feinste und berühmteste der Erde, nebst deren , ,. sowie Flachs und dessen Fabrikate einen besonders hohen

ntheil haben. . . Betriebsamkeit und der praktische

Der Gewerbefleiß, die : aktiscl Sinn der Bewohner zeigt sich aber besonders in der sorgfäl⸗ An den größeren und auch

tigen Benutzung der Wasserläufe. 1 g9r an manchen kleineren Bächen sieht man Schöpfräder das gehobene Wasser ausgedehnten Bleichen zuführen, deren in der Sonne blendende weiße Flächen sich grell auf dem saftig grünen Grunde abheben. Dlese vielen gewerblichen Benutzungen der oft nur winzigen Bäche überraschen den Fremden um so leichter, als sie sich hier nicht oder selten, wie fast überall in den nördllcheren Provinzen, schon von Wei⸗ tem durch verschwenderisch aufgestaute, oft große Wasserflächen kenn⸗ zeichnen, die dort durch Rücstau und Verhinderung der Entwässerung . und Tausende von Morgen Landes durchnäfsen und entwerthen, ondern meist ungeahnt vor Augen treten, da der für sie nöthige Ka⸗ nal, oft nur eine schmale, mit Gras überwucherte, oft theils verdeckte, oft versteckt hinter Gebäuden fortlaufende Rinne, sich dem Auge entzieht. Denn während die Wassermühlen des Nordens oft nur wenige Mo⸗ nate im Jahre, oder im Sommer einige Stunden des Tages kaum ausreichendes 1 haben diese kleinen Gebirgsmuͤhlen fast immer ausreichendes Wasser, weil ihre Erbauer bei ihrer Anlage nicht das schnell verlaufende Dochwasser, sondern die gewöhnliche Wasser⸗ menge berücksichtigt haben. ;

Aber nicht allein zu gewerblichen Zwecken, sondern, wo Boden und Terrain es gestatten, auch zu Kunstwiesen benutzt der Schlesier sorgfältig feine vielen Wasserläufe, und nicht blos die größeren Bäche, sondern selbst die kleinsten Quellen und sogar die nur periodischen Regenwasser macht er sich dienst= und nutzbar. ;

Die Natur hat Westschlesien bei dem allgemeinen Reichthume an Quellen auch eine ganze en von Heilquellen am Riesengebirge entlang verliehen. Diese mit ihrer schönen und romantischen Umge- bung, wie namentlich Salzbrunn mit Fürstenstein, und Warmbrunn mit dem Hirschberger Thale und dem nahen Hochgebirge, sowie die Westschlesien eigenthümlich verschönenden isolirten hohen Aussichtspunkte, Fesonders die Landskrone, der Zobten, der Gröditzberg, der Greifenstein, ziehen alljährlich einen Strom von Kurgäͤsten und anderen Fremden in diesen herrlichen Landstrich. k .

Auch da, wo die Natur einzelne Bezirke dieses Landstriches we⸗ niger mit Schönheit der Bodenformation oder mit Bodenreichthum bedacht hat, schafft sich der Westschlesier . Intelligenz und un⸗ ermüdlichen Fleiß selbst den Segen allseitiger hoeher Kultur und he⸗ haglichen Wohlstandes. Deshalb giebt es in i,, nur sehr wenige und meist kleine Bezirke, die auf den Reisenden den Eindruck der Sede oder des Mangels an Kultur machen.

Weltausstellung 1873 in Wien.

Internationaler Kongreß zur Erörterung der Frage des Pat entschutzes. Que stionnaire.

J. Internationale Gestaltung des Erfinderrechts; Erfindungs- und Einführungspatente im All⸗ gemeinen.

Empfiehlt sich unter der Voraussetzung gleichartiger Normen für den Patentschutz in allen Ländern Das Prinzip der eziprozitãt, wonach das in dem einen Lande ertheilte Erfindungspatent dadurch assein schon internationale Geltung, d. h. aufrechten Bestand in allen anderen Ländern erlangen würde e

3 Nach einer Abhandlung in der Illustr. Zeitschrift für Länder⸗ und Völkerkunde Globus (Dezember 1872) Nr. , Bd. XXII.

Oder genügt die Beseitigung der territorialen Beschränkung des

Patentschutzes. welche derzeit allseitig Regel ist in der Weise, nur der ausländische Patentinhaber zur Erlangung eines Ein

führungspatentes in allen anderen Staaten berechtigt, die Ertheilung von Einführungspatenten an andere Persenen, als an den betreffenden auslaͤndischen Patentinhaber aber gleichmäßig aufgehoben wird?

Im Falle der bejahenden Beantwortung der zweiten Frage:

PD) Unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen soll ein solches 8 an einen ausländischen Patentinhaber ertheilt werden?

2) Soll die Erwirkung eines solchen Einführungspatentes durch einen ausländischen Patentinhaber binnen einer gewissen Zeit bei son⸗ stiger Verwirkung des betreffenden Rechtsschutzes in den übrigen Län⸗ dern obligatorisch sein, um auf diese Weise die Benützung der Er⸗ findung der Gesammiheit in jedem Falle zugänglich zu machen?

3) Welche Grundsätze . überhaupt fur die Ertheilung von Einführungspatenten festgehalten werden? .

II. Grenzen des Patentschutzes.

1) Welche Erfindungen sollen als patentfähig erklärt, welche aus⸗ geschlossen werden? k

2) Genügt die Eintheilung der amerikanischen Gesetzgebung:

Waaren, Maschinen, technische Prozesse und Fabrikationsmethoden 266 eine weitergehende Unterscheidung und Klassifikation wünschens⸗ werth? 3) Sollen im Allgemeinen auch neue Verbesserungen an Ma schinen, Fabrikaten oder Kompositionsmethoden patentfähig sein oder foll die Patentfähigkeit von Verhesserungen während der Patent⸗ dauer nur zu Gunsten, resp. über Zustimmung des Patentinhabers ausgesprochen werden?

II. Verfahren bei Ertheilung von Patenten.

Welches von den beiden Systemen: Vorprüfungs⸗ oder Auf⸗ gebotsverfahren verdient nachdem das bloße Anmeldungsverfahren durch den Gesichtspunkt einer internationalen Vereinbarung aus— geschlossen erscheinen dürfte den Vorzug, oder empfiehlt sich eine entsprechende Kombination beider Systeme?

a. In Bezug auf das Vorprufungsverfahren: 1) Durch welche Mittel ließe sich den Schwierigkeiten begegnen, welche sich der Sicher⸗ heit und Verlaͤßlichkeit der Prüfung der Neuheit einer Erfindung ent⸗ gegenstellen? J . .

2) Welche Gesichtspunkte und Grundsätze sollen für die materielle Vorprüfung maßgebend sein? . - .

Soll die Vorprüfung sich auf die Neuheit beschränken, oder etwa auch auf die Nützlichkeit und Wichtigkeit des zu patentirenden Gegenstandes ausdehnen? 36 .

4) Wie ift der Begriff der „Neuheit einer Erfindung, mit Rück sicht auf die überaus mannigfaltige Auffassung dieses Begriffes in den verschiedenen Patentgesetzgebungen zu definiren? ;

5) Welche Tragweite bezüglich der Alterirung der Neuheit der Erfindung in dem einen Lande soll der Veröffentlichung eines bezüg⸗ lichen Druckwerkes in dem anderen Lande beigelegt werden? ö.

b. In Bezug auf das Aufgebotsveifahren; I) In welcher Weise soll das Aufgebot erfolgen und welche Frist soll für die Erhebung des Einspruches festgesetzt werden? .

Y Soll die Ertheilung des Patentes dem Aufgebot, oder. soll das Kufgebot und der Ablauf der Einspruchsfrist der Ausfertigung des Patentes vorangehen?

IV. Erlöschung und Aufhebung von Patenten.

1) Soll die fast in allen Gesetzgebungen normirte Erlöschungs⸗ ursache der Nichtgusübung eines ertheilten Patentes innerhalb einer gewissen . beibehalten werden? Welche Grundsätze empfehlen si in dieser eziehung für Erfindungspatente, welche für die Einführungs⸗ patente?

2) In welchen Fällen und von welchen Gesichtspunkten aus wann von Amtswegen und wann über Einschreiten von Parteien. soll, je nachdem für die Ertheilung das eine oder das andere Verfah⸗ ren nbrmirt ist, die Aufhebung eines bereits ertheilten Patentes aus⸗ gesprochen werden können?

3) Soll die Aufhebung oder die Nichtigkeitserklärung eines er⸗ theilten CErfindungspatentes auch die Nichtigkeit des in den anderen Staaten ertheilten Einführungspatentes zur Folge haben?

V. Dauer der Patente.

Soll die Dauer eines ertheilten Patentes der Wahl des Patent⸗ werbers überlassen werden, oder empfiehlt es sich, daß die Gesetzgebung , ein Maximum der Dauer ausspreche?

I) Soll das dem ausländischen Patentinhaber zu ertheilende Ein⸗ führungspatent für die Dauer des betreffenden Erfindungspatentes er⸗ theilt werden, das heißt, mit dem Erfindungspatente zugleich er⸗= löschen, oder sollen solche Einführungspatente auch für kürzere Dauer ertheilt werden können?

27) Soll eine Erneuerung ertheilter Patente vor Ablauf ihrer Dauer innerhalb des Maximums zulässig sein?

VI. Kostenzdler Patentertheilung; Taxen.

1) Entspricht es der Natur des Patentwesens, dasselbe zu einer Steuerquelle für die Staatsverwaltung zu gestalten, oder soll die Ab⸗ gabe für die Ertheilung eines Patents nur ein Aequivalent für den mit der Patentertheilung verbundenen Kostenaufwand Seitens der Staatsverwaltung bilden? .

Im Falle der bejahenden Beantwortung des ersten Theiles dieser

Frage:

2 Cmpfiehlt sich eine ,, einmalige Abgabe für die ganze Patenkdauer, oder soll diese Abgabe eine je nach der Dauer progressiv steigende sein? .

3) Welche Normen empfehlen sich in Bezug auf die Taxen für die einem ausländischen Patentinhaber in den anderen Staaten zu er⸗ theilenden Einführungspatente?

VII. Patentbehörden.

) Welche Organisation empfiehlt sich je nach dem bei Be⸗ antwortung der Frage III. acceptirten Systeme in Betreff der in allen Ländern gleichmäßig zu organisirenden Patentbehörden, und zwar:

a. für das Vorverfahren,

b. für die Vorprüfung, .

e, für die Entscheidung über erhobene Einsprüche. d. für die Earl en in fen rn n enn,

2) Innerhalb welcher Grenzen erscheint die staatliche Administra⸗ tion zur Mitwirkung . berufen und welches Ausmaß von Inter- 3 soll auf diefem Gebiete der staatlichen Justiz vorbehalten

eiben 3) Erscheint die Mitwirkung eines Rathes von Sachverständigen oder einer fachmännischen Jury als ein geeignetes Mittel, um ein exaktes und schleuniges Verfahren herbeizuführen? In welchen

tadien soll diese Mitwirkung eintreten und wie soll eine solche Jury organisirt sein? ,

VIII. Insternationale Vereinbarung.! 8 Belche Mittel und Wege wären die geeignetsten, um eine inter. nationale Eini 5 über die gleichmäßige Reform des Erfinderrechtes auf der, . eantwortung der vorstehenden Fragen gewonnenen Basis herbeizuführen? ; 42, Praterstraße. 20. Mai 1873. Wien. Der Präsident der Kaiserlichen Kommission: Erzherzog Rainer.

Der General⸗Dircktor: Freiherr von Schwarz⸗Senborn.

Wien, 25. Mai. (W. A. C. Die General Dit ektion sieht sich veranlaßt, jene 5 Aussteller, welche trotz wiederholter, an sie ergangener Einladung die Installatien ihrer Objekte noch immer nicht vollendet und zum Theile ihre angemeldeten Aus⸗ stellungsgegenstände noch nicht eingebracht haben, aufmerksam zu machen, daß vom Sonnabend, den 31. d. M., an, kein Ausstellunge⸗ objekt mehr zur Aufstellung zugelassen wird.

Von den im Ausstellungsrayon befindlichen Telegraphen⸗ statienen wurden in der Zeit vom 3. bis 18. Mai 5097 Depeschen befördert, und zwar auf den internen Linien 2322, durch den Staate telegraphen 1497, durch den Lokaltelegraphen 796 Depeschen.

Die Fabrikanten H. Frank und Vos in Berlin kaben auf der Weltausstellung (11. Gruppe = 12, Nr. 3417) ausgestellt: 3 größere Kragencartons, 3 größere Manschettencartons, 2 Cigarrencartonẽ, 1 Lagercarton mit Klappe für Waarengeschäfte von lackirter Pappe mit und ohne Blechrand. Die selben eignen sich besondert zum Export, schmutzen nicht und werden mit einem feuchten Lappen gereinigt. Dabei sind sie so haltbar, daß der Preis hierdurch zu den gewöhnlichen Pappcartens ausgeglichen wird. Die runden Carton werden nur in der ausgestellten Größe, dagegen die anderen in jeder beslebigen Größe mit und ohne Klappe angefertigt.

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Die Bielefelder Kollektiv⸗Ausstellung in Wien.

(Aus der Zeitschrift „Der Leinen⸗Industrielle.“)

An dem internationglen Weltstreite auf dem Gebiete, der In⸗ dustrie, welcher auf die Aufforderung des österreichischen Kaiserstaates in diesem Jahre in Wien stattfindet, wird sich auch der Bielefelder Gewerbfleiß in reger Weije betheiligen. ;

Hat die Bielefelder Industrie den Fachmann auf den Weltaus⸗ stellungen in Tzondon 1563 und mehr noch in Paris 1867 einen all' mählich fortschreikenden Umwandlungsprozeß erkennen lassen, so wird sie den Besuchern der diesjährigen Ausstellung beweisen, daß sie ihre Sturm⸗ und Drang⸗Periode glücklich überwunden und nun eine Stel⸗ lung auf dem Welkmarkte errungen hat.

Sieben und zwanzig Firmen haben sich vereinigt, eine Kollektiv⸗ Ausstellung herzustellen, welche die Leinen⸗Industrie Bielefelds in allen ihren Phasen vorführen soll. ;

Vhran die Ravensberger Spinnerei mit ihren rohen Flachs⸗ Werg- und gebleichten Garnen und den Jutegespinnsten ihrer Filiale in Wolfenbüttel; ferner die Spinnerei ‚Vorwäͤris“ mit Flachs Werg, und gebleichten Garnen. Diesen schließt sich dis imechanische Weberei an, welche mit geklärten und ungeklärten Kreas-Leinen, Handtuch⸗ und Militar⸗Srellen die Ausstellung beschickt.,! -Nach den drei größen Aktien⸗Etablissements folgen zwei Damastfabriken mit gebleichten seinenen Facquard- und Damast-Gewehen, welche letztere zum Theil extra für die Wiener Ausstellung angefertigt worden, um neben der bekannten Güte der hiesigen Damaste auch die fortschreitende Voll⸗ 66 in der Komposition und der Eleganz der Muster zur Anschauung zu bringen.

Hierauf folgt sich eine Anzahl Leinen und Wäschefabrikanten. Ein reiches Sortiment von „Bielefelder Leinen“ wird vorgeführt, das zwar nicht aus Handgespinnst, sondern aus den besten Maschinengarnen fabrizirt ist. Da präsentixen sich rohe und gebleichte Leinen in gre⸗ ben, mittleren und feinen Geweben, letztere bis zu 150 und 180 Gän⸗ en; das ist die Werkarbeit, welche den Stolz der Ravensberger eineweber bildet. .

Die Bielefelder Wäschefabrikanten haben es sich kesownders ange⸗ legen sein lassen, den wohl begründeten Ruf ihrer Fabrikate aufs Neue zu bethätigen. Hier dominirt die Nähmaschine, welche eine förm—⸗ liche Revolution in diesem Geschäftszweige hervorgebracht hat. Zabl⸗ reiche Artikel der Wäsche⸗Branche sind vertreten; billige, mit eil iger Rabel auf der Maschine genähte Einsätze, die 1 Thlr., das Dutzend kosten, bis zu den feinsten Phantasie⸗Arbeiten, bei welchem man er⸗ staunt, wie innig sich Hand⸗ und Maschinen⸗Arbeit verschmelzen; elegant gestikte Einsätze bis zu 150 Thaler das Dutzend, für welchen Preis die Göttin Florg ihr ganzes 53 ausgeschüttet; Kragen und Manschetten in allen möglichen Formen; Hemden, vom billigen Export-Hemd bis zur reichverzierten Ball⸗Garnitur.

Die Kosten, welche die Kollektiv⸗Ausftellung aufwendet, sind nicht unbedeutend und belaufen sich auf circa 5000 Thaler, während sich der Gesammtwerth der ausgestellten Fabrikate auf ungefähr 25, 6060 Thaler beläuft. Die Aus tellungs-⸗Schränke wurden nach der Zeich⸗ nung des Baumeisters Huwendiek in der Bautischlerei der Herren Vorderbrügge & Stenner gefertigt; sie lehnen sich an die Formen des Ausstellungs⸗Gebäudes an und sind im Renaissance⸗Styl gehalten. Die Vertretung und das Arrangement der Kollektiv⸗Ausstellung ist Herrn Dr. Grothe in Berlin anvertraut, welcher die vorigjährige deutsche Au stellung in Moskau leitete, und sind daher alle Vorbe— dingungen vorhanden, daß die Bielefelder Industrie auch auf der Wiener Weltausstellung sich würdig präsentiren wird.

St. Gotthardbahn.

Ueber den Stand der Arbeiten an der, St, Gotthardbahn werden in dem vom 30. April datirten fünften Monatsbericht des Schweizer Bundesraths folgende Angahen ene h. Der Richtstollen bei Göschenen ist im Laufe des Monats April um 305 Meter gefördert worden, bei Airolo um 12 Meter, und betrug am 30. April die Länge desselben bei Göschenen 117.6 Meter, bei Airolo 177, Meter. Die Auswei⸗ tung des Richtstollens bei Göschenen betrug am 30. April 620 M. (gegen 690 M. am 31. März) bei Airolo 164,5 M. (gegen 1656.4 M. am 31. März). Die Gewölbemauerung schritt bei Airolo im Laufe des Monats um 418 M. vorwärts und betrug am Ende des Mongtt im Ganzen 1459 M. Die Zahl der durchschnittlich beschäftigten Arbeiter stellt sich bei Göschenen auf 302, bei Airolo auf 348.

Bei Göschenen bohrt man fortwährend durch Granit oder granit⸗ harten Gneiß. Die mechanische ö hat im ersten irak ihrer

Anwendung noch keinen großen Fort ritt ermöglicht, was leicht be= greiflich ist, wenn man bedenkt, i Arbeiter mil dem Gebrauch der neuen Bohrmaschinen erst vertraut gemacht werden mußten. Je—⸗

doch wuchsen die . in dem 6 als die Geschicklichkeit

der Arbeiter zuna pro Tag erreicht. ; ; Bel Llirolo fanden sich die Glimmerschichten hin und wieder mit erdigen Materien durchsetzt und mit Wasser erfüllt, was der Festig⸗ keit des Gesteines und damit dem Fortrücken der Arbeit wesentlichen Eintrag that. 172 M. vom Eingange entfernt, stieß man auf Gra— nitkrystalle von ziemlich umfänglichen Dimensionen. Die Tempexatnt der, Luft betrug im Innern 160 C., im Freien dagegen nur go C. n,, . . are, n, en,, ist mittlerweile n und wird die mechanische Bohrung demmä ie

ser Seite ins Leben treten ere. ; ti r, nn

m und sind jetzt a aximum bereis 1,5, Meter

Redaktion und Rendantur: Schwieger.

Berlin, Verlag der Expedition (Kessel. Druck: H. Heib erg.

Drei Beilagen (einschließlich der Böͤrsen · Beilage).

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

M 127.

Deutsches Reich.

Nach wei sung ö der Einnahmen an Wechselstempelsteuer im Deutschen Reiche . für die Zeit vom 1. Januar bis zum Schlusse des Monats April 1873.

se des

vom Beginn de zum Schlus en genannten Monats. Zeitraume 4.

h Einna

Ober ⸗Post⸗ Direktions⸗Bezirk.

April. Vormonaten. s hme des Voriahres in demselben (Spalte weniger.

Einnahme in den h

Einnahme res bis

J

Ja

2 3 Einnahme im Monat

*

4

J. Im Reicks⸗ Postgebiet. z Königsberg 5,405 2) Gumbinnen .. 762 3) Danzig 4785 4 Berlin.. 30,950 5) Potsdam 11209 6) Frankfurt a. / O.. 2,545 7 Stettin.. 3,767 S) Cöglin 695 3 Posen 4 M0 10 Breslau 7.920 11) Liegnitz 3,643 19 Oppeln.. 2796 13) Magdeburg. 4716 14 Halle a /G... 2545 1 3, 252 155 , 1,617 17) Hannover. 2422 18) Münster . 2621 19) Arnsberg. 6,986 2 Cassel .. 1,B335

rankfurt a. / M. 10,856 1 23) Coblenz 11114 24 Düsseldorf 14400 ,, 819 26 Dresden. 3,817 27) Leipzig 10,514 28) Karlsruhe 088 29) Konstanz. 1M 30) Darmstadt ; 3, 376 315 Schwerin i / M. 914 32) Aldenburg 1,420 33) Braunschweig. 1,204 w 657 35) Bremen —. 8, 105 36 Hamburg.. 26,927 37 Straßburg i. / E. 4,966 195479 , 925 4,299

4645 11 055 145611 36039 1550 29, 136 14.646 105745 21 89h 9. g5zz 116061 8715 160 456 9.569 25, 397 6.138 55 94 39 333 4337 53, 4h 239587 14 155 41112 16, 345 4714 13, 19 5 055 5. 157 6.235

2754

31 356 358. Jh

Summa J ids 425. 6s, 383 816, So 6 , 9.515 30, 102 39,717 III. Württemberg 5,6351 17,380 23,015 Ueber haupt zI5, 575 665, Ss5 9 540) 712,749 Berlin im Mai 1873. . Kaiserliches Statistisches Amt.

K ///

Reichstags ⸗Angelegenheiten.

Berlin, 30. Mai. In der gestrigen Sitzung des Reichs⸗ tags entgegnete in der Diskussion, betreffend das Reichs⸗ Etisenbahn⸗Amt, der Königlich bayerische Bundesbevollmãch⸗ tigte Staats-Minister Dr. Fäusthe dem Abg. Dr. Mayer in Betreff der bayerischen Reservatrechte:

Ich glaubte, nach dem bisherigen Gange der Verhandlungen keine Veranlassung zu haben, für die hayerische Staatsregierung eine Erklä⸗ rung abzugeben. Nachdem mich indeß der. Herr Abgeordnete für Donauwörth förmlich provozirt hat, jo will ich eine solche Aeußerung schon deshalb nicht unterlassen, damit nicht mögliche Mißdeutungen gegen die bayerische Vertretung aufkommen.

Ich habe bisher nach dem Gange, den die Verhandlungen über das Gesetz, betreffend das Reichs-Eifenbahn⸗Amt, genommen haben, die Ansicht gehabt, daß volle Uebereinstimmung des Hohen Hauses darüber herrfcht, daß das bayerische Reservatrecht durch das vorliegende Gesetz unberührt bleiben soll, und daß insbesondere der S8. 3 Absatz 2 des Gesetzes, insbesondere die Worte; innerhalh der durch die Ver⸗ fassung bestimmten Zuständigkeit des Reichs“ gerade diesen auf Bayern bezüglichen Sinn haben. Als bayerischer Vertreter glaube ich daher eine weitere Erörterung unterlassen und lediglich die Beschlüsse des Hohen Hauses abwarten zu sollen, um danach bemessen zu können, ob das bayerische Reservatrecht irgendwie alterirt worden ist oder nicht.

Auf eine nähere Anglhse des Wortes „leider“! in der Rede des Herrn Abg. Dr. Elben mich einzulassen, habe ich keinen Beruf. Bayern ist durch ein kern e e ih Recht geschützt und die bayerische Vertretung hält es für ihre Pflicht, an diesem Rechte nach seinem vollen Umfange festzuhalten.

Rücksichtlich des Verhältnisses des Bundesraths⸗Aus⸗ schusses für das Eisenbahnwesen zu dem Reichs⸗Eisenbahn⸗Amt äußerte der Präsident des Bundesraths, Staats⸗Minister Del⸗ brück, nach dem Abg. Lamey zu 5. 3 der Vorlage:

Meine Herren! Ich nehme zunächst das Wort; um eine von dem 65 Vorredner wiederholte, wie mir scheint, mißverständliche Auf⸗ assung hinsichtlich der Thätigkeit zu berichtigen, welche die Bundes⸗ raths⸗Ausschüssclhaben. Ich glaube, es ist schon gestern bei Gelegen⸗ ö. derfelben Diskussion von einem andern Herrn lbgeordneten das⸗ Abe Mißverständniß ausgesprochen. Ich möchte konstatiren, daß die Bunde raths⸗Ausschtssse durchaus nicht Behörden sind, daß sie keine Verwaltungs ⸗Funktionen haben, daß t eben nichts sind als ein Stück des Bundesraths selbst, welches er zildet, um seine i über ewisse technische Dinge vorzubereiten. In diesem Sinne hat der Bundesraths⸗Ausschuß, dem zugleich das Tisenbahnwesen obliegt, das⸗ ig 6 er bisher im Stande war, gethan. Der Bundesraths⸗

1 cn jat vorbereitet, die nachher vom Bundesrathe e n beiden Reglements über den Betrieb und über die Polizei; der Bun⸗ desraths⸗Ausschuß hat auch in einzelnen Detailfragen Gelegenheit ge⸗ habt, sich gegen den Bundesrath zu äußern, aber eben nur immer in der verfasfsungsmäßigen Grenze einer für den Bundesrath vorbereitenden und begutachtenden Instanz. Es ist also ein Irrthum, wenn be⸗

auptet wird, durch das Cisenbahngmt, mit dessen Crrichtung Sie ich beschäftigen, würde die Thätigkeit des Bundesraths⸗ usschusses

Freitag, den 30. Mai

brach gelegt. An der Thätigkeit des Bundesraths⸗Ausschusses in den Eisenbahn⸗ Angelegenheiten wird durch diese Behörde absolut gar nichts geändert. So weit der Bundesrath allgemeine Reglements zu erlassen hat, werden die nach wie vor durch den Bundesraths⸗Ausschuß, wenn auch vorbereitet von dieser nenen Behörde, an ihn gelangen. Das, was der neuen Behörde zufällt. ist ein Theil dessen, was jetzt im Reichs kanzler⸗ Amte besorgt wird. Wenn die Herren sagten, es wird ein Stück des Reichskanzler⸗Amtes dadurch brach gelegt, dann haben sie Recht, aber nicht, wenn sie sagen, es wird ein Theil des Bundes⸗ raths⸗Ausschusses brach gelegt. .

Ueber den Antra selbst möchte ich nur eine Bemerkung machen, eigentlich nur formeller Natur. Das, was der Herr Abgeordnete in Beziehung auf die Staatseisenbahnen will, steht, wenn ich die Vor⸗ lage richtig verstehe, sehr viel korrekter ausgedrückt in der Vorlage selbst, und es ist eine, wie ich glaube, im Interesse des Herrn Vor⸗ redners selbst mangelhafte Korrektur der Vorlage, wenn er sie in dem von ihm vorgeschlagenen Sinne machen will.

An den Schluß der Vorlage beantragte Abg. Blum folgenden * 6 zu setzen: .

Bei Beschwerden gegen. Eisenbahnverwaltungen auf Grund der Reichsverfassung oder sonstiger Gesetze und Vorschriften des Rei⸗ ches, dürfen diese Bestimmungen nur in sgweit in Anwendung kom⸗ men, als auch der Beschwerdeführer oder Verletzte den gleichen Be⸗ stimmungen unterworfen ist.

Nachdem der Antragsteller diesen Antrag motivirt hatte,

erklärte der Staats⸗Minister Del brück:

Meine Herren! Ich für meinen Theil bin mit den Grundsätzen, die der Herr Ahgeordnete für Heidelberg hier eben entwickelt hat, ganz einverstanden. Weil ich das aber bin, möchte ich es . das, was er sagen will, hier nicht zu sagen; denn es folgt in der That, wie ich glaube, und wie er auch im Eingange seiner Rede dargelegt hat, aus allgemeinen Rechtsgrundsätßzen von selbst. Will man etwas was aus solchen ,, von selbst folgt, ausdrücklich sagen, jo kommt man, wie sich das hier schon in den zwei verschiedenen Fassungen zeigt, sofort auf sehr erhebliche Redaktiensschwierigkeiten. Man kommt in die Lage, sich sehr genau vergegenwärtigen zu müssen, ob man nicht zu viel fagt oder zu wenig sagt. Dieses glaube ich, ist ein genügen— der Grund, etwas, was sich eben aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen von selbst versteht, nicht zu sagen. Der Herr Vorredner hat Bezug genommen auf das Verhältniß bei dem Unterstützungswohnsitz, Ich habe das Gesetz, durch welches das norddeutsche Gesetz über den Un— terstützungswohnsitz in Baden und Württemberg eingeführt wurde, nicht dor mir, wenn mich aber mein Gedächtniß nicht ganz täuscht, hat man damals es durchaus nicht für nothwendig gehalten, in diesem Gesetze zu fagen, es findet nur auf die Angehörigen solcher Bundes⸗ stagten Anwendung, in welchen das, Gesetz gilt. Es wäre das ebenso nöthig gewesen, dieses bei der Einführung des Unterstützungswohnsitz⸗ gesetzes zu jagen und ebenso überflüssig, als es hier nöthig oder über⸗ flüffig ist. Ich glauhe, man thut am besten, die an sich ja schwierigen und in mancher Beziehung delikaten Fragen, die sich aus den bestehenden Reservatrechten herleiten, weder posttiv noch negativ hier im Gesetze zu behandeln, sondern sich darauf zu verlassen, daß nach dem Gesetze, so weit es hier angenommen iht würde das ja zutreffen sowohl bei dem Reichs⸗Eisenbahn⸗Amt, als weiter bei dem Bundesrath das richtige Verständniß dafür obwalten werde.

In der zweiten Berathung des von den Abgg. Windt⸗ horst (Berlin) und Genossen gestellten Antrags auf Erlaß eines Reichsgesetzes über die Presse gab der Bundes⸗Kommissar, Ge⸗ heimer Regierungs⸗Rath Starke folgende Erklärung ab:

Meine Herren! Der Herr Vorredner hat bereits auf die Erklä⸗ rungen - hingewiesen, die ich vor Ihrer Kommission abzugeben die Ehre hatte, indem ich darlegte, welche Gründe für mich bestimmend sein mußten, bei den Berathungen Ihrer Kommission eine zurückhaltende Stellung einzunehmen. Meine Herren, diese Gründe bestehen auch heute noch fort. Ich erlaube mir, mit Bezug auf die gegenwärtige Lage der Verhandlungen, bei den verbündeten Regierungen zu bemerken, daß die Königlich preußische Regierung auf Grund Allerhöchster Ermächtigung nunmehr einen Antrag auf Erlaß eines Preßgesetzes bei dem Bundesrath eingebracht hat. Der Bundesrath wird also gegenwärtig in die Berathung dieser wichtigen Materie eintreten, und es ist zu erwarten, daß diese Berathung bald ihren

Abschluß finden werde, so daß möglicher Weise noch in dieser, spä⸗

testens aber in der nächsten Session eine Vorlage an das Hohe Haus gelangen wird.

Der Abg. Wiggers äußerte hierauf, daß diese Erklärung den Reichstag nicht veranlassen könne, von der Berathung des in der Kommisston vorberathenen Gesetzentwurfs abzulassen, vielmehr sei die Fortsetzung der Berathung der einzig mögliche Weg, noch in dieser Session zu einem Preßgesetz zu kommen. Wolle man die Vorlage des Bundesraths abwarten, so würde in den höchstens vier Wochen, welche der Reichstag noch tagen würde, keine Zeit übrig sein, um sich über die unzweifelhaft vor⸗ handenen Differenzpunkte mit dem Bundesrath zu verständigen.

Demnächst nahm der Reichskanzler Fürst v. Bis mar ck das Wort:

Durch die Erklärung des Herrn Reichskommissars sind die Her⸗ ren benachrichtigt, daß gleichzeitig mit der hier schwebenden Verhand⸗ lung eine über denselben Gegenstand im Bundesrath stattfindet. Ich

gebe es Ihnen anheim, zu erwägen, ob nicht die Verständigung, die zum Zustandekommen des Preßgesetzes erforderlich ist, erschwert wird, wenn beide zur Mitwirkung, berufene Körperschaften in der Art pa— rallel verhandeln, daß die eine ihre Entschließungen festlegt, während die anders noch im Stadium der Berathung ist, was ein autoritatives Mitreden nicht gestattet. . . . J

Der Antrag der preußischen Regierung ist erst heute an den Bundesrath gelangt. ch bedaure, daß das nicht früher der Fall ge⸗ wesen ist, aber die Verhandlungen im preußischen Staats⸗Ministerium, die der Stellung des Antrgges vorausgehen mußten, sind nicht früher zum Abschlusse gelangt. Wenn nun jet t mit der zweiten Berathung vorgegangen wird vielleicht auch mit, der dritten = ,,, der Bundesrath seinerseits, wie ich hoffe, mit möglichster Beschleunigung die Sache berathen wird, so wird immerhin der Bundegrath nicht in der Lage sein, durch seine Mitglieder und Vertreter eine bestimmte Erklärung, die auf Beschlüssen des Bundesraths beruht, abgeben zu können. Wenn Sie ihm aber so weit Zeit lassen, daß wenigstens der Inhalt sei⸗ ner Vorlage die Vorlagen, die an den Bundesrath gelangen, pflegen ja auf Wegen, die nicht bekannt sind, sehr rasch in die Oeffenllichkeit zu ge⸗ langen * bekannt ist, der Reichstag und seine Mitglieder ihrerseits sich ein UÜrtheil über die Tendenzen des preußischen Antrags bilden können, wenn Sie dem Bundesrathe Zeit lassen, sich in seinen Beschlüssen, was ja meines Erachtens in kürzerer Zeit als in 14 Tagen gesche⸗ hen kann, foweit zu entwickeln, daß er Ihre Berathungen zu begleiten und sich an densel ben in einer anderen Weise als durch ledigliches Aussprechen der persönlichen Ansicht Einzelner zu betheiligen vermag, dann glaube ich, daß wir doch mehr Chancen haben, zu einer Ver⸗ ständigung zu gelangen, als wenn der Reichstag seine Vota nun hegt Ez wird dann viel schwerer sein, über etwa divergirende Ansichten, zu denen der Bundegrath sich vereinigt, noch zu einer Verständigung zu gelangen. Ich glaube daher, daß es im Interesse der Sache liegt, wenn der Reichstag auch nicht auf die

Verhandlung der Preßfrage in dieser Session verzichtet, daß er dem

1873.

Bundesrathe doch so viel Zeit läßt, wie nach der wahrscheinlichen Dauer der Sitzungen noch abgelassen werden kann, ohne daß die Zeit zur definitiven Beschlußnahme, die nachher übrig bleibt, zu stark beschränkt wird. Daß der Reichstag in vier Wochen geschlossen sein könnte, so sanguinisch sind meine Hoffnungen allerdings nicht. J

bedauere es mit Ihnen, meine Herren, ich strebe mit Ihnen nach Frei⸗ heit aus dem Stadtleben, aber wir werden schwer fertig werden bis dahin. Ich bin sehr dankbar nach meinen persönlichen Empfindungen, wenn wit früher unfere Arbeiten soweit beendigen können, daß wir zu einem Abschlusse gelangen. Aber selbst wenn der Herr Vorredner mir auch nur ein bis zwei Wochen zugiebt und Sie lassen dem Bundes- rath eine Dekade Zeit, um sich über diese heutige preuzische Verlage zu verständigen, so würden Sie immen doch noch gegen vier Wochen behalten, um die beiden ausstehenden Lesungen des Preßgesetzes, wenn Ihnen die Pundesräthliche Haltung nicht konvenirt und Sie vom selbständigen Vorgehen nicht abhält, um die zum Ab⸗ schlusse zu bringen, und den Uebelstand, den der Herr Vorredner fürchtet, daß die ganze Sitzung ohne die Verhandlung üher die Preßfrage vorübergeht, zu verhllten. Es ist ja nicht nothwendig, daß Sie den vollen Abschluß der Bundesrathsverhardlungen abwarten. Wenn Sie etwa, wie mein Wunsch wenigstens sein würde, die heutige Zweite Berathung absetzten und sie auf, acht bis zehn Tage hinauschö⸗ ben, hat dann der Bundesrath sich nicht so beeilt, daß er in Ihrer Berathung mitwirken kann, so bleibt Ihnen jedenfalls noch Zeit, die Feiden ausstehenden Lefungen dieses Gesetzes selbständig zu absolviren.

Nach dem Abg. Herz ergriff der Reichskanzler Fürst v. Bis⸗ marck noch einmal das Wort:

Der Herr Vorredner, wenn ich ihn recht verstanden habe, hat ge⸗ sagt, es sei ihm von dem Herrn Kommissarius und mir nicht mit der wünschenswerthen Aufrichtigkeit entgegengetreten. Dieser Vorwurf waͤre nicht begründet, wenn er ausgesprochen ware. (Präsident Dr. Simson bemerkt: Ich glaube sagen zu dürfen, er ist nicht ausgesprochen worden.) ;

Dann habe ich wegen der Entfernung und der Tragweite der Stimme mißverstanden.

Der Herr Kommissarius und ich haben vielleicht von der Schnel⸗ ligkeit, mit der der Bundesrath arbeitet, eine verschiedene Schätzung, ich habe diese Schnelligkeit höher taxirt, wie mein Herr Nachbar. Das ist, glanbe ich, die einzige Nüance zwischen unseren Auffassun— gen. Ich habe siie vielleicht deshalb höher taxirt, weil ich den sehr lebhaf⸗ ten Wunsch habe, daß ein Preßgesetz zu Stande, kommt und zwar noch in dieser Session, ein Wunsch, der schwerlich allseitig getheilt wird, und dessen Verwirklichung einigermaßen davon abhängt, ob ich in der ö dieses Wunsches Beistand im Reichstage finde oder nicht.

Der Herr Vorredner hat seine Ansichten ausgesprochen, daß, wenn die Regierungen überhaupt zu einer Ansicht über ein Preßgesetz hät en kommen wollen, fie dazu eben so gut vor drei bis vier Wochen hätten kommen können, wie jetzt, und wenn es vor drei bis vier Wochen nicht geschehen wäre, so,. würde es auch jetzt nicht geschehen. Ich glaube, Sie beurtheilen die Entwickelung der Geschäfte in den mini⸗ steriellen Stadien doch idealistischer, als sie in der That ist. Sie entwickelt fich menschlich in derselben Weise, wie in dem Reichstag e aus den Verständigungen verschiedener Fraktionen, aus der Ausglei⸗ chung, die durch verschiedene Amendements bewirkt wird, von denen Eins dem Anderen entgegenkommt so auch sind unter den Mini⸗ stern und Regierungen Mein ungsverschiedenheiten und Ausgleichungen.

Der erste Eindruck des jetzt Ihnen vorliegenden Preßgesetzes war, ich glaube bei der Mehrzahl aller Regierungen: dieses Gesctz geht so⸗ weit in seinen ö daß wir darauf in keiner Weise eingehen können und wollen; diese Ansicht habe ich meinerseits hekämpft. Der Antrag ist eben ein Vorschlag, und aus Vorschlag und Gegenvorschlag entfteht zuletzt ein Gesetz. Daß dieser Vorschlag soweit außerhalb der gouvernementalen Möglichkeiten, wie sie den Regierungen vorschwebten, gewählt ist, das bedingt nicht, daß er so nothwendig durch den Reichs tag geht, namentlich, wenn eine gemeinsame Arbeit des Reichstags und der Regierungen eintritt. Diese,. Arbeit nun, die erforderlich war, um die Verständigung 6. zu bringen, daß schließlich anstatt einer Vorlage eines Reichsgesetzes doch ein zreußischer Antrag gebracht wer⸗ den konnte, hat allerdings einige . in Anspruch genommen; sie hat mitunter über ähnliche Verhältnisse schon einige Jahre in Anspruch genommen, und ist oft in Ermangelung stärkeren Drucks auf Beschleu⸗ nigung erfolglos geblieben; es hat über Gesetzvorlagen, über Preß⸗ vorlagen und ähnliche, eine Verständigung bis zur Reife nicht stattge⸗ funden. Ich ergreife nun sehr gerne in solchen Materien, wo mir eine Gesetzgebung erwünscht ist, den Ball, der mir entgegengeworfen wird, von welcher Seite es sein mag, namentlich aber von der so sehr und fo gleichmäßig kompetenten des Reichstags, So ist es bei dem Eisen⸗ bahngesetz der Fall gewesen, da hat der Reichstag von seiner Initia⸗ tive zu meiner großen Genugthuung Gebrauch gemacht, und wenn ich bei der Interpellation über die Stellung des Bundesraths dazu gestern gegenwärtig Jewesen wäre Jo würde ich einfach auf meine früheren Auslassungen verwiesen und hinzugefügt haben, daß der Bundesrath sich über die Sache schlüssig machen werde, sobald ihm die Beschlüsse des Reichstages vorliegen, daß aber der Bundesrath ganz nach dem Prinzip handele, was ich Ihnen eben empfehle, keine gleichzeitig konkurrirenden und die Ansich⸗ ten feststellenden Beschlüsse über denselben Gegenstand zu fassen, son⸗ dern in ,, Weise die Beschlüsse des Reichstags abzu⸗ warten. Der Bundesrath würde dies ja auch hier thun, wenn er nicht, wie ich hoffe, durch Betheiligung an Ihren Verhandlungen auf För⸗ derung des Verständnisses mitwirken kann. Die Sache liegt hier doch etwas anders, wie bei der Eisenbahnfrage, wo es sich um eine einfache Ausführung einer Exigenz der Verfassung handelte, und die Ausfüh⸗ rung der Verfassung liegt im Bund esrathe allen Mitgliedern, den Regierungen und deren Vertretern am Herzen. Aber ich will nicht in die vorige Diskussion zurückfallen, sondern nur wiederholen, daß meine Vftte, Tie Sache zu vertagen, von meinem aufrichtigen persönlichen Wunfche, zu einer Verständigung, zu, einem. wirklichen Preßgesetze zu gelangen, eingegeben ist, indem ich mit Bestimmtheit vorgussche, daß die Beschlüffe des Reichstags und des Bundesraths nicht so koinzi⸗ diren werden, daß sich von Hause aus ein Gesetz daraus machen läßt, wenn Sie jetzt allein vorgehen, ohne daß der Bundesrath zu einer förmlichen ll er ln b ung mit Ihnen im Stande ist. Ist das aber nicht der Fall, dann wird doch noch immer eine Rüͤckverhandlung und Rückantwort vom Bundesrath nothwendig jein, und diese werden dann meines Erachtens eine sehr viel längere Zeit, wenn Sie überhaupt zu einem Preßgesetz gelangen wollen, in Anspruch nehmen, als die von mir in Auiesicht gestellten wenigen Wochen. Die einzige Hoffnung auf ein wirkliches Zustandebringen des von mir ge⸗ wünschten Gesetzes in dieser Session beruht nach meiner persönlichen Werthschätzung ich kann mich ja irren, ich kann es ja nicht be⸗ stim mt voraussehen darauf, daß Sie den Bundesrath den Vor⸗ sprung, den Sie in der Berathung bereits gewonnen haben, erst ein⸗ holen lassen, und daß hier erst eine gemeinschaftliche Berathung inso⸗ weit stattfindet, daß man, vielle icht in vierzehn Tagen, eine Ueberzeu⸗ gung darüber gewinnt, ob eine Einigung zwischen beiden e n . len möglich sei. Oder: sie ist nicht möglich; dann ist es nicht noth⸗ wendig, daß wir uns weiter damit quälen, denn dadurch würden wir die Sorgen einer langen Dauer der Session nur vermehren.

Bei Feststellung der Tagesordnung der nächsten Sitzung machte der Präsident Delbrück über das Münzgesetz fol⸗ gende Mittheilung

Meine Herren!

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. Ich habe die Zeitungsnachrichten, auf die der