1873 / 151 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 28 Jun 1873 18:00:01 GMT) scan diff

sofort den von der Gesundheitspolizei vorgeschriebenen Vorsichts⸗ maßregeln, wie Räucherungen und anderen desinfizirenden Mit⸗ teln, zu unterziehen und von der Berührung mit ber Bevölkerung des Landes auszuschließen.

A. Juni. (B. T B.) Min ghetti ist, gutem Ver⸗ nehmen nach, mit der Neubildung des Ministeriums vom Könige beauftragt worden. Letzterer ist nach Coni (Insel Sardinien) abgereist.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 26. Juni. Der Großfürst Alexis ist am 24. Juni in Irkutsk einge⸗ troffen und wird daselbst bis zum 28. verweilen. .

27. Juni. (W. T. B.) Der „Russische Invalide“ bringt noch Nachrichten vom Kriegsschauplatz in Chiwa über die Avantgardengefechte des Detachements Orenburg. Das⸗ selbe schlug am 24. Mai einen von den Chiwesen unternomme⸗ nen Nachtangriff zurück, griff darauf am 26. Mai seinerseits die aus 500 Thiwesen bestehende Arrieregarde an und zwang sie zum Rückzug. An demfselben Tage fand die Vereinigung mit der Mangyschlak⸗Abtheilung statt. 60900 Chiwesen flüchteten von Ghodjeli und ließen das Lager und Geschütze zurück. Am 27. Mai erfolgte die Besetzung von Ghodieli.

Amerika. Aus West indien trafen im Laufe der Woche folgende Nachrichten ein: Am 9. Juni veröffentlichte die Gazeta“ in Havana ein Dekret des General⸗Kapitäns, welches der Koloni⸗ fationsgesellschaft fast unbeschrankte Macht giebt. Die Chinesen, deren Dienstkontrakte abgelaufen, sind der Gesellschaft zur Ver⸗ fügung und unter deren Aufsicht gestellt worden, bis sie sich zur Unterzeichnung von neuen Kontrakten verstanden haben. Eine spanische Truppenabtheilung verfolgte eine unter dem Befehl von Major Diaz stehende Insurgentenschaar durch fünf Tage und zerstreute dieselbe. Diaz und 29 Insurgenten wurden getödtet und 16 gefangen genommen.

Auf Portorico hat die Regierung die Preßfreiheit pro⸗ klamirt und die Censur abgeschafft.

Ueber den Bürgerkrieg auf San Domingo sind in Havana neuere Berichte eingegangen. Da die Regierungstruppen den Revolutionären an Zahl überlegen waren, so zogen letztere sich von Guajubin zurück, indeß ist es wahrscheinlich, daß sie ihre Macht zu verstärken suchen und dann wieder vorrücken werden.

In Hayti hat sich die Kammer vertagt; zwischen dem Präsidenten und General Dominguez hat eine Konferenz statt⸗ gefunden.

Berichte, welche der Dampfer „Liffey aus Brasi⸗ lien vom 6. Juni überbracht hat, melden von dem Beschlusse des Staatsrathes, nach welchem päpstliche Bullen erst das Placet der Regierung erhalten müussen, bevor dieselben in Brasilien irgend eine Wirkung ausüben können; die Exkommunikationen sollen überhaupt keine eivilrechtliche Wirkung haben. Die Re⸗ gierung von Paraguay weigert sich, mit dem General Mitre zu unterhandeln bevor die Argentiner Gran⸗Chaco geräumt hahen. Die revolutionären Bewegungen in Paraguay und Entre⸗Rios nehmen anscheinend größere Dimensionen an.

Afrika. Von der Westküste bringt die neueste Post die Nachricht, daß die Lage der Dinge in Cape Coast Castle noch immer eine ungeregelte sei und daß die Ashanti's etwa zwei Tagemärsche von der Stadt kampirten. Im Lager der Ashanti's sollen Krankheiten überhand nehmen. In Landana wie in Bonny ist das gelbe Fieber in der Abnahme begriffen. Der Handel besserte sich in allen Häfen. In Lagos hoffte man ein gutes , . weil die Straßen dem inneren Markte aufgeschlossen wurden.

Nr. 25 des Centralblatts für das Deutsche Reich hat folgenden Inhalt: 1) Allgemeine Verwaltungssachen: Mitthei⸗ lungen über das Auftreten der Cholera, über den Stand der Rinder⸗ pest und betr. die Viehausfuhr nach der Schweiz. 2) Münzwesen: Notiz über die Ausprägung von Reichs⸗Goldmünzen. 3) Zoll⸗ und Steuerwesen: Nachweisung der Einnahmen an Zöllen und gemein⸗

schaftlichen Steuern im Dentschen Reiche, sowie der Finnnahmen der Reichs⸗Poft- und der Reiche⸗Telegraphenver waltung für die Zeit vom Posen ordent ; wirthschaftlichen Hauptvereins für den Regierungsbezirk Po sen am

1. Januar bis zum Schlusse des Monats Mai 1873; Mittheilungen,

betreffend die Eröffnung einer Uebergangsstraße für übergangsstener⸗ pflichtige Getränke von Furth a. W. über Prag und Liebau nach Breslau und betr. Aufhebung der Uebergangsstelle in Lohr. 4 Post⸗ die Begründung in tituts auch für die Güter unter einem Taxwerthe von 5000 Thlrn.

wesen: Bekanntmachungen: betr. den Korrespondenzverkehr mit Kap

Natal. Mozambique und Zanzibar; betr., unzureichend frankirte Briefe aus Victoria (Australien); betr. Postverkehr mit 3 nn betr. Er⸗ öffnung der Eifenbahn Metz⸗Amanpillers; betr. Eröffnung der Eisen- bahn zwischen Courcelles an der Nied nd Bolchen (Boulay); betr. Post⸗ und ee, , , n, g, . nach den Inseln Föhr und

ylt; betr. Postverbindung mit Helgoland; betr. Postverbindung mit Norderney.

Das neueste Präjudikat des Reichs⸗Ober⸗Handelsge⸗ richts zu Leipzig lautet: S5. 54 des Gesetzes vom 11. Juni 1870. Der gesetzliche Schadenersatz hat den Charakter einer Strafe. Gedachtes Gesetz fingirt, daß alle vor seiner , ,,. Werke erst während seiner Geltung erschienen seien. irksamkeit des Gesetzes

auf frühere Verträge. Entschuldbarer Rechtsirrthum schließt die Ent⸗

schädigungspflicht nicht aus.

Die Nr. 26 K

reußische Gesetzaebung und Rechtspflege“ zält folgen⸗

. ir reiz des gie nge Ober⸗Tribunals vom 8. Mai 1873: I Der mit elner Anschuldigung wegen Bankerutts befaßte Strafrichter hat die Frage, ob der Angeklagte zur Buchführung verpflichtet war, selbständig zu prüfen, ohne Rücksicht auf civilgerichtliche Entschei⸗ dungen über die Eintragung ins Firmenregister, oder auf die gezahlte Steuer. (Strafgesetzbuch §. 281.5 2) Nach preußischem Verfahren sind bei der eidlichen Manifestatien des Vermögens, auch die der Exe⸗ kution nicht unterliegenden Gegenstände, sowie bedingte oder erst mit dem Tode des Berechtigten fällig werdende Forderungen anzugeben. 3) Die Strafbarkeit eines falsch ausgeschworenen Manifestationseides ist nicht durch die Beobachtung der im & 32 Tit. 22 Th. L. A. G. O. vorgeschriebenen Förmlichkeit bedingt. (Strafgesetzbuch §. 153.) 4) Die fahrläfsige Falschschwörung eines assertorischen Manifestationseides ist strafbar; der entgegenstehende 8. 33 Tit. 22 Th. J. Pr. A. G. O. ist außer Kraft gesetzt. (Strafgesetzbuch 5. 163) ö ;

Die Nr. 26 des „Preußischen Han dels⸗Archivs hat folgenden Inhalt: Gesetzgebung:; Deutsches Reich: Preußen: Or⸗ ganisation der Handelskammer zu Wiesbaden. Desterreich: Um⸗ wandlung des Nebenzollamtes J. Klasse, zu Kozaczowka in Galizien in ein Nebenzollamt II. Klasse. Eingangszollbehandlung der Ani⸗ linfarben. Rumänien: Gesen, betreffend die Erhebung von Schiff⸗ fahrtsabgaben. Rußland: Erhöhung der Accise und Zölle auf Branntwein und Spirituosen. Italien und Portugal: Handels- und Schiffahrtsvertrag zwischen Italien und Portugal. Statistik: Großbritannien: Jahresbericht des Konsulats zu Plymouth für 1372. Jahresbericht des Konsulats zu Bassein, Pegu für 18372. Ruß land: Jahresbericht des Konsulats zu Archangel für 1872. Schwe⸗ den und Norwegen: Jahresbericht des Konsulats zu Malmö für das Jahr 1872. Japan: Jahresbericht des Konsulats zu Niegata für 1877? Vereinigte Staaten von Nordamerika; Der Handels verkehr der Vereinigten Staaten mit dem Auslande in 1871 und 1872. Mittheilungen: Berlin. Görlitz. Savannah. Papeete Tahiti. Bogota.

Im Vilage der Königlichen Geheimen Ober⸗Hofbuchdruckerei (R. von Decker) hierselbst ist soeben das Gesetz vom 1. Mai 1851, betreffend die Einführung einer Klassen⸗ und klassifizirten Einkommen⸗ steuer mit den durch das Gesetz vom 25. Mai 1873 herheige⸗ führten Abänderungen, und das Gesetz vom 25. Mai 1873, be⸗ treffend die Aufhebung der Mahl- und Schlachtsteuer, er⸗

schtenen.

Kunst und Wissenschaft.

Goslar, 24. Juni. In der Zeit vom 18. bis 20. Juli d. J. findet hier das Liederfest der Vereinigten Norddeutschen Liedertafeln statt. ; . .

München, 26. Juni. In der dekorirten großen Aula fand heute Vormittags 11 Uhr die Feier des 5ol jährigen Bestehens der hiesigen Universität statt. Außer sämmtlichen Universitäts⸗Professoren waren die Königlichen Staats⸗Minister von Pfretzschner und Dr. von Lutz, sowie die Vorstände der städtischen Kollegien erschienen. Der Rektor Magnificus Dr. von Planck schilderte in jseiner Festrede den Entwickelungsgang des Prüfungswesens seit dem Bestande der Uni⸗ versitäten. .

Die Bayreuther Festanfführungen der Wagnerschen Nibelungen werden, sicherem Vernehmen nach, erst im Sommer 1875 möglich jein. Finanziell ist das nationale Unternehmen gesichert; in⸗ dessen erfordert die sorgfältige Wahl und künstlerische Heranziehung der ausführenden Kräfte noch längere Zeit. ;

Oppenheim. Eine Anzahl angesehener Bürger hiesiger Stadt richtet einen Aufruf an alle Deutschen in der Heimath und im Aus— lande“ betreffs der Restauration der Katharinenkirche.

Landwirthschaft.

Posen. In der außerordentlichen Generalversammlung des land⸗

10. Juni wurde folgender Beschluß gefaßt: . Die Generalversammlung spricht ihre Ansicht dahin aus, daß sie eines landwirthschaftlichen Kredit⸗

sichen Wirthe für ein Bedürfniß erachtet, und ersucht den Königlichen Staats ⸗Kommissarius der bestehenden Landschaft, in dieser Beziehung die geeigneten weiteren Maßregeln einzuleiten und zu treffen. Ferner bittet der . auptverein den Herrn Ober- räsidenten, dahin wirken zu wollen, daß zur Etablirung eines solchen Kredit instituts aus disponibeln Mitteln der Staatskasse ein Unverzinsliches Kapital von 206 600 Thlr, analog dem der alten Posener Landschaft gewährten Darlehen, hergegeben werde.

London, 27. Juni. (W. T. B. Die Kornernte in, den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird, der Times zufolge, auf 250 Millionen Scheffel geschätzt.

Gewerbe und Handel. ;

Cöln, 2. Juni. ( . T. B.) In der Generalversammlung der Aktionäre des Schaaffhausener Bankvereins ist die Dividende für das Jahr 1872 auf 14 Prozent festgesetzt worden.

Der Nechenschaftsbericht der Deufschen Lebens⸗, Pen⸗ sions- und Renten⸗Versicherungs⸗Gesellschaft auf Ge⸗ genseitigkeit zu Potsdam, berichtet eingehend über eine gründ⸗ liche Organisation resp. Reorganisatisn, welche im verflossenen Jahre durchgeführt ist. Den kleinen, im Allgemeinen weniger gůnstigen Ver⸗ sicherungen ist eine besondere Aufmerksamkeit dadurch zugewendet, daß diese zu einer befonderen Abtheilung formirt und die Prämien hierfür dem Füsiko entsprechend normirt sind. Im Speziellen lagen zur Be= arbeitung vor: 65349 Anträge mit 2,0, 885 Thlr. und 22 Thlr. 4 Sar. jährliche Rente; angenommen wurden davon 5272 Antrãge mit M26, 374 Thir und 22 Thlr. 4 Sgr. jährliche Rente. Der Zu- gang erreichte eine Höhe, wie er in den früheren Geschäfts jahren noch nie erreichs ist und überstieg namentlich das Jahr 1871 um 1986 Anträge mit Sog, 5g Thlr. Von dem ult. 1871 verbliebenen Ver- sicherungsbestand uud dem neuen Zugang erloschen im Laufe des Zahres 1727 Versicherungen mit 6613367 Thaler. Der Versicherungs⸗ Festand alt, 1872 beträgt: 135397 Versicherungen mit 263,933 und 112 Thlr. 21 Sgr. jährliche Rente., Es hat mithin ein effektiver Zugang stattgefunden von 3545 Versicherungen mit 13646507 Thlr. und W Thür. 4 Sgr. jährliche Rente. Die Prämien- Einnahme betrug 152751 Thlr. 29 Sgr. 6 Pf. also 38, 151 Thlr. 17 Sgr. 6 Pf. mehr als im vergangenen Fahre. Die Prämienreserve vermehrte sich gegen das Vorjahr um 463515 Thlr. 28 Sgr. 9 Pf. und erreichte hierdurch eine Höhe von 115,413 Thlr. 27 Sgr. 3 Pf. Die Verwaltungskosten betrugen 50,181 Thlr. 23 Sgr. 11 Pf. .

Faris, N. Juni. (W. T. B.) Sämmtliche Administra⸗ toren des Cré dit foneier suisse sind heute verhaftet wor⸗ den. Dieselben sollen Obligationen ausgegeben haben, ohne dazu

ermächtigt zu sein. Verkehrs ⸗Anstalten. . Liverpool, 27. Juni. (W. T. B) Der fällige Dampfer aus Rio de Janeiro, Cuzeo“ ist von Liffabon mit 19,25 Pfd. Sterl.

an Kontanten hier eingetroffen. J ö New-⸗York, 27. Juni. (W. T. B) Der, Postdampfer des baltischen Liäyd „Franklin“, Kapt. Dehnicke, ist gestern wohlbe—

halten hier eingetroffen.

Aus dem Wolff'schen Telegraphen⸗Bureau.

Wien, Sonnabend, 28. Juni. Die Kaiserin Augusta hat nach ihrem gestrigen fünfstündigen Aufenthalte im Welt⸗ ausstellungsgebäude, bei welchem auch die englische, französische, nordamerikanische, belgische und schweizerische Abtheilung in Augenschein genommen wurden, im Künstlerhause auch noch die Kunstausstellung besucht. Um 6 Uhr fand bei den öosterreichischen Majestäten in Schönhrunn das Familiendiner statt, an welchem die Kaiserin Augusta, sämmtliche Erzherzöge, Prinz und Prinzessin Ludwig von Bayern, die Herzöge von Braun⸗ schweig und Coburg⸗Gotha, sowie eine große Anzahl anderer Fürstlichkeiten theilnahmen. Abends fand eine Festvorstellung im Hofoperntheater (Mignon) statt. . . .

Rom, Sonnabend, 28. Juni. Der König hat sich in Folge eines leichten Unwohlseins nach Valdieri, nicht nach Coni, auf Sardinien, begeben. Die Beauftragung Minghetti's mit der Bildung eines neuen Ministeriums wird von der „Opinione bestätigt; die Konstituirung desselben dürfte indeß erst in einigen Tagen zu erwarten sein. Das Verbleiben des Kriegs- Ministers Ricotti in seiner Stellung gilt aus dem Grunde als wahrscheinlich, weil die von demselben be⸗ gonnene Armee⸗Organisatisn noch nicht vollständig durchgeführt sst. Der Handels⸗Minister hat ein Cirkular erlassen, welches den Altiengesellschaften, die um Konzessionirung nachsuchen, strengere Verpflichtungen als seither auferlegt, namentlich aber

im Interesse der Erhaltung, . Förderung des Standes der bäuer⸗

auch anordnet, daß die bestehenden Aktiengesellschaften alle von

ihnen ohne Genehmigung der Regierung ausgegebenen Scheine zurückziehen müssen.

Weltausstellung 1873 in Wien. Chemische Industrie auf der Wiener Welt— aus stell ung.

II.

(Vergl. Nr. 7 des Wiener Weltausstellungs⸗Berichts.)

Die Fabrikation von Mineralölen und Paraffin aus Braunkohlen ist eine fast ausschließlich der preußischen Provinz Sachsen angehörige Industrie. Die ersten Versuche, diese Stoffe dar⸗ aus herzustellen, fallen in die Jahre 1855 und 1856, nachdem der Braunkohle verwandte organische Körper in Deutschland bereits mehrere Jahre zu gleichem Zweck verwendet waren, so der bitu⸗ minöse Schiefer des Siebengebirges und die englische Boghead⸗ kohle, ersterer von der Gesellschaft Wiesmann C Co. zu Veul bei Bonn, letztere von Noblee & Co. zu Hamburg. Un⸗ kenntniß und Unerfahrenheit führten zu der Annahme, daß jegliche Braunkohle für die in Rede stehende Industrie gleich gut zu verwenden sei, ein Irrthum, der bald genug theuer bezahlt werden mußte. Ein großer Theil der zuerst gegründeten Mineralõl⸗ und Paraffinfabriken mußte bald nach Eröffnung des Betriebes wieder geschlossen werden, weil Ausbeute und Qualität der gewonnenen Produkte nicht entsprach. Ja, es zeigte sich bald, daß nur verhältnißmäßig wenige Braun⸗ kohle geeignet zur Mineralõl⸗ und Paraffinfabrikation war, und diese fand sich fast ausschließlich in dem Regierungsbezirk Merse⸗ burg, in der Nähe der Orte Halle, Weißenfels und Zeitz. Für die Provinz Sachsen ist der fragliche Gewerbszweig, nachdem er lange um seine Existenz gekämpft, von der größten Wichtigkeit geworden. Die Jahresberichte der Halleschen Handelskammer erwãhnen denselben etwas ausführlicher zuerst im Jahr 1862 und geben die Produktion im Jahr 1861 auf 15,000 Ctr. Paraffin und ca. 64000 Etr. Mineralöle an. Nach denselben Berichten wurden im Zahr 1871 109,000 Ctr. Paraffin, 300,000 Ctr. Mineralöle (Brennöle) und ea. 90 000 Ctr. Nebenprodukte, meist Paraffinöle zur Schmier⸗ und Gasfabrikation mit einem Handelswerth von ca. 4 Millionen Thaler gewonnen. Wenn diese Zahlen für die ungemein schnelle

Die schnellere Aufeinanderfolge, mit der die Berichte und Mit⸗ theilungen über die Wiener Weltausstellung gegenwärtig eingehen, ver⸗ aalaßt uns, dieselben von jetzt ab nicht mehr in eine wächentliche Ertrabeilage zu sammeln, sondern fortlaufend im Feuilleton des Hanprtblattes und, soweit es zweckmäßig erscheint, in der Bes. Bei age m Abdruc zu bringen.

und großartige Entwickelung des Industriezweiges sprechen, so wird es ein Zeugniß für die kolossalen Fortschritte derselben ab⸗ legen, wenn angeführt wird, daß die im Jahr 1871 dargestellten Fabrikate im Jahr 1861 mindestens einen Handelswerth von ca. 63 Millionen Thaler (gegen 4 Millionen Thaler im Jahr 1871) gehabt haben würden, und dabei arbeiteten die betreffen⸗ den Fabriken im Jahr 1871 mit größerm Gewinn als im Jahr 1861. Die ungeheure Differenz in den Preisen und Einnahmen ist also durch Ersparnisse im Betrieb, durch die Resultate fort⸗ während neuer Erfindungen gedeckt worden. Außer Dr. B. Hübner ist es insbesondere Dr. Rolle, technischer Direktor der Fabriken der sächsisch⸗ thüringischen Aktiengesellschaft für Braunkohlenver⸗ werthung, der sich auf wissenschaftlichem und praktischem Gebiet, und Kommerzien⸗ Rath A. Riebeck, der sich auf letzterm große Verdienste um die Paraffinfabrikation erworben hat.

Nachdem die technischen Schwierigkeiten, die sich anfänglich der Industrie entgegenstellten, überwunden waren, hatte dieselbe hauptsächlich unter dem Drucke der amerikanischen Konkurrenz des Petroleum zu leiden, welches zuerst mit Beginn der 1869er Jahre nach Deutschland kam. Die heimischen Mineralöle, im Allgemeinen geringer an Qualität als die amerikanischen, sanken enorm im Werthe und wurden für den größern Markt fast be⸗ deutungslos. Jetzt werden dieselben fast ausschließlich in nächster Nähe der Produktion konsumirt.

Je mehr man einsah, daß die Zukunft der Braunkohlen⸗ Industrie in dem Paraffin liege, desto mehr beeilten sich in den letzten Jahren alle tüchtigen Kräfte, Fortschritte in der Paraffin⸗ Fabrikation zu erzielen. Höhere Ausbeute und billigere Dar⸗ stellung waren das Resultat dieser Bemühungen, neue Gesichts⸗ punkte für die Fabrikation wurden aufgefunden, und es können mit ziemlicher Gewißheit weitere bedeutende Fortschritte in Aus⸗ sicht genommen werden. Je weniger aber die Rentabilität der Mineralöl⸗ und Paraffin⸗Fabriken in Zukunft von der Miueralöl⸗ Fabrikation abhaͤngig, je wichtiger die Rolle werden wird, die das Paraffin spielt, desto mehr ist auf eine weitere Ausdehnung der Braunkohlen⸗Industrie zu rechnen, da das Vorkommen von genügend paraffinhaltiger Kohle bei Weitem häufiger ist, als das von solcher, die zugleich brauchbares Mineralöl liefert.

Den anderen großen Industrien Deutschlands, z. B. der Zuckerindustrie gegenüber, spielt die Mineralöl⸗ und Paraffin⸗

Fabrikation zwar nur eine untergeordnete Rolle, desto wichtiger

aber ist sie fur die Provinz Sachsen, wo sie in erster Linie wesent⸗ lich zur Hebung und Entwickelung des Braun kohlen⸗Bergbaues

(sie konsumirte im Jahre 1871 allein 12890, 852 111 Kohlen) bei⸗ 2ßtragen hat. Eine große Anzahl Maschinenfahriken, Eisen⸗ gießereien und Kesselschmieden wird durch sie heschäftigt. Sie konsumirt zu Reinigungszwecken jährlich ca. 80 900 Ctr. Schwefel⸗ säure und ca. 15.000 Ctr. Aetznatron, große Mengen von Kisten, Fässern, Glasballons, Papieren zum Verpacken der Fabrikate ꝛc. Direkt dienten der chemischen Braunkohlen⸗Industrie (exkl. der Bergleute) im Jahre 1871 2668 Menschen. ö.

Die Brennöle werden fast ausschließlich in der Nähe des Gewinnungsortes, im Königreich Sachsen und in Oesterreich konsumirt und namentlich sendet die Dr. Hübnersche Fabrik nach letztem Staate große Quantitäten von deutschem Petroleum, das erfolgreich mit dem amerikanischen konkurrirt. Die Paraffin⸗ öle werden in heller und dunkler Farbe zur Schmierfabrikation in ganz Deutschland und in Oesterreich verbraucht; in neuerer Zeit aber vielfach und mit Vortheil zur Gasfabrikation verwendet. Sie liefern pro 30 Ctr. Kbm, eines 3 bis 4 Mal heller leuch⸗ tenden Gases als die Steinkohle. Die Einrichtungen zur. Ver⸗ gasung des Paraffinöls sind bei Weitem weniger kostspielig, als die zur Vergasung der Steinkohle. Das gewonnene Paraffin (Schmelzpunkt 30 bis 60 C) wird nur zum Theil in Deutsch⸗ land verbraucht. Ctwa die Hälfte des dargestellten Quantum wird nach England, Italien, Desterreich, Frankreich, Dänemark: ausgeführt. Die härteren Sorten werden in der Hauptsache zur Kerzenfabrikation, die geringeren vornehmlich als Zusatz zu Wachs und Stearin verbraucht. Auch in anderen Industrien findet es Verwendung, so in der Schwefelholz⸗Fabrikation zum Tränken der Hölzer, in der Zuckerfabrikation an Stelle der Butter in den Saturationspfannen, in der Spielwaaren⸗Fabrikation bei Her⸗ stellung der Puppenköpfe, resp. des wachsartigen Ueberzuges der⸗ selben ꝛc.

Redaktion und Rendantur: Schwieger.

Berlin, Verlag der Expedition (Kesseh. Druck: H. Heiberts.

Vier Beilagen sleinschließlich der Börsen Beilage)

zum Deutschen Reichs⸗Anz

6 151.

Königreich Preußen. Gesetz, betreffend die Erbschaftsfteuer. Vom 30. Mai 1873.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden, König von Preußen ꝛc. verordnen, unter Zustimmung beider Häuser des Landtages, für den i n der Monarchie, mit Einschluß des Jadegebietes, jedoch mit Ausschluß der Hohenzollernschen Lande, was folgt:

S. J. (Gegenstand der Erbschaftssteuer) Der Erbschaftssteuer sind nach Vorschrift dieses Gesetzes und des anliegenden (a von Uns vollzogenen Tarifes unterworfen, ohne Unterschied, ob der Anfall In⸗ ländern oder Ausländern zukommt:

1 Erbschaften, Vermächtnisse und Schenkungen von Todeswegen (mit Einschluß der remuneratorischen und der mit einer Auflage be⸗ lasteten Schenkungen);

2 Lehns⸗ und Fideikommißanfälle;

3) die Anfälle von Hebungen aus Familienstiftungen, welche in le Todesfalles auf den vermöge stiftungsmäßiger oder gesetzlicher

uccessionsordnung Berufenen übergehen.

sz. 2. (Fideikommiß⸗ und Familienstiftungen). In Betreff der von Fideikommiß und von Familienstiftungen zu entrichtenden Werth— stempelabgabe bewendet es bei den bestehenden Vorschriften mit fol ö. n e, ö.

Die Ermittelung tempelpflichtigen Werthes erfolgt na den Bestimmungen in den §§. 12 bis 19 dieses Gesetzes, jedoch 3 64 . 6 ö

bei Fideikommiß und Familienstiftungen von Todeswegen ist der Werthstempel binnen 6 Monaten nach dem Todesfall . und kommen wegen der Verhaftung für die Entrichtung deffelben die Bestimmungen der §§. 27 und 28 dieses Gesetzes zur Anwendung.

S. 3. Als Fideikommißstiftungen im Sinne dieses Gesetzes sind alle von Todeswegen oder unter Lebenden getroffene Anordnungen anzusehen, kraft deren gewisse Vermögensgegenstände der Familie . immer oder Für mehr als zwei Generationen erhalten bleiben sollen.

S. 4. Schenkungen unter Lebenden) Schenkungen unter Lebenden insbesondere auch die remuneratorischen und die mit einer Auflage belasteten Schenkungen unterliegen, wenn eine schriftliche Beur⸗ kundung derselben stattfindet, einer Werthstempelabgabe von dem Be— trage der Schenkung.

Der erforderliche Werthstempel bestimmt sich nach den Vor— schriften des anliegenden Tarifes und der S5§. 9 bis 19 dieses Gesetzes, indem an Stelle der Verhältnisse des Erblässers, beziehungsweise des Erwerbers des Anfalles, die Verhältnisse des Gebers, beziehungsweiße des Beschenkten berücksichtigt werden.

Im, Uebrigen finden auf die Werthstempelabgabe von Schenkungen die Bestimmungen wegen des Urkundenstempels Anwendung.

S. 5. (Erbschaftssteuerpflichtidg? Masse Die Erbschaftssteuer wird von dem Betrage entrichtet, um welchen diejenigen, denen der Anfall zukommt, durch denselben reicher werden.

Es sind daher der steuerpflichtigen Masse alle zu derselben gehörige aus⸗ erf Forderungen, auch die, welche der Erwerber selbst zur Masse . oder die ihm erst mit dem Anfall erlassen werden, hinzu— zurechnen.

Dagegen kommen von der steuerpflichtigen Masse in Abzug alle Schulden und Laften, welche mit und wegen derselben übernom⸗ men werden. Hierzu werden bei Erbschaften auch gerechnet die Kosten der letzten Krankheit und des Begräbnisses des Erblassers, die gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten der Nach—m laßregulirung und der im Interesse der ie geführten Prozesse, nicht aber der Betrag der Erbschaftssteuer selbst und nicht die Kosten der zwischen den Erbinteressenten in deren besonderem Interesse ge⸗ führten Prozesse.

§. 9. Zuwendungen zur Vergeltung übernommener Leistungen.) Insoweit eine Zuwendung zur Vergeltung für Leistungen bestimmt ist welche mit dem Anfall übernommen werden und welche im Geldwe ch zu veranschlagen sind, kommt der Werth dieser Leistungen von der Zu— wendung in Abzug.

§. J. (Stiftungen, Vermögen, welches zur Begründung einer angeordneten, oder einem Erben, Vermächtnißnehmer u. s. w. aufge⸗ tragenen Stiftung mit Ausschluß der Fideikommiß⸗ und der Fa⸗ milienstiftungen (5. 2) gewidmet ist, wird hinsichtlich der Ver⸗ steuerung ebenso behandelt, als ob dasselbe der schon begründeten Stif- tung angefallen wäre, vorbehaltlich der anderweiten Feststellung und Nachforderung oder Erstattung der Steuer, falls die Stiftung nicht. oder nicht in der angeordneten Weise zur Ausführung gelangt. Für die eintretenden Falles nachzuerhebenden Steuerbeträge kann Sicher⸗ heitsbestellung gefordert werden.

: Zuwendungen zu milden ꝛc. Zwecken Sind ohne Be⸗ gründung einer Stiftung Zuwendungen zu milden, gemeinnützigen oder öffentlichen Zwecken angeordnet oder einem Erben, Vermächtniß⸗ nehmer ze, Leistungen zu gleichen Zwecken ö so werden die⸗ selben hinsichtlich der . ebenso behandelt, als ob zu dem⸗ selben Zwecke eine Stiftung im Betrage der Zuwendung beziehungs—⸗ weise Leistung angeordnet wäre.

Die auf solche Zuwendungen entfallende Steuer ist von den mit der Zuwendung Belafteten zu entrichten und kann, wenn dieserhalb keine andere Anordnung getroffen ist, auf die Zuwendung beziehungs⸗ weise Leistung selbst angerechnet werden.

. In Auslande befindliches Vermögen) Grundstücke und Grundgerechtigkeiten, welche d,. Landes liegen, gehören nicht zur steuerpflichtigen Masse. Anderes im Auslande ben e. Ver⸗ mögen eines Erblassers, welcher bei seinem Ableben Inländer war, unterliegt der Versteuerung, falls davon im Auslande keine, oder eine geringere Erbschaftssteuer, als nach Vorschrift dieses Gesetzes, zu ent⸗ richten ist. Im letzteren Falle findet die Anrechnung der im Auslande erweislich gezahlten Erbschaftssteuer auf die diesseitige Steuer statt.

§. 10. (Im Inlande befindliches Vermögen.) Von dem Anfall inländischer Grundstücke, Grundgerechtigkeiten oder deren Nutzungen ist die Erbschaftssteuer zu erheben ohne Unterschied, ob der Erblasser In⸗ länder oder Ausländer war, und ob derselbe seinen Wohnsitz im In⸗ lande hatte oder nicht. . .

Anderes im Inlande befindliches Vermögen eines i n. welcher bei seinem Ableben Ausländer war, unterliegt der Versteue⸗ rung nicht, wenn in dem Staate, wohin dasselhe verabfolgt werden n die gleiche Rücksicht hinsichtlich des Nachlasses diesseitiger Ange⸗

öriger beobachtet wird.

§. 11. (Vertheilung der Schulden und Lasten.) ,. und Lasten, welche nur auf einem nach §§. 9 und 10 steuerfreien oder steuerpflichtigen Theile der Masse haften, kommen bei Berechnung der Steuer nur bei demjenigen Theile in Abzug, auf welchem sie 83

Schulden und Lasten, welche sowohl auf dem steuerfreien, als auf dem steuerpflichtigen Theile der Masse haften, kommen von letzterem nur nach dem Yig ell dieses Theils zur gesammten Masse in

zug.

Hypothekarische Schulden, für welche der Eigenthümer zugleich persönlich haftet, gelten als zunächst das Grundstück belastend, und kommen nur rücksichtlich des durch das Grundstück nicht gedeckten Be⸗ trages bei der übrigen Masse in Anrechnung. .

§. 12. (Ermittelung des Werthes der Masse) Die Ermittelunz des Betrages der Masse ist, ohne Rücksicht auf die für andere Zwecke vorgeschriebenen Abschätzungsgrundsätze, auf den gemeinen Werth zur Zeit des Anfalls zu richten. . .

§. 13. Bei immerwährenden Nutzungen und Leistungen wird das Zwanzigfache ihres . Betrages, bei . und Leistun⸗ gen von unbestimmter Dauer, sofern nicht die Vorschriften in den

Erꝛtsste Beilage

Sonnabend, den 28. Juni

8 14 und 15 Anwendung finden, oder anderweite die längste Dauer egrenzende Umstände nachgewiesen werden, das Zwölfundeinhalbfache des einjährigen Betrages alg Kapitalwerth angenommen. S. 14. Der Werth von Leibrenten, , ver auf Le⸗

benszeit und anderen auf die Lebenszeit des Berechtigten, oder einer anderen Person beschränkten Nutzunzen oder Leistungen bestimmt sich nach dem zur Zeit des Anfalles erreichten Lebensalter der Person, bei deren Tode die Nutzung oder Leistung erlischt, und wird bei einem Lebensalter derselben

von 15 Jahren oder weniger auf das 16fache,

über 3 Jahre bis zu 3 Jahren 15

* 5 .

r 55 = 65 = 75 = 80

2 2 2

der einjährigen Nutzung

2 2 * * 2

8

des Werths beziehungsweise Leistung ange⸗

jedo ie Nutzung oder Leistung schon innerhalb eines Jahres nach dem Anfang erloschen, so wird der Werth derselben nur nach 6 ihrer wirklichen Dauer bestimmt, und das Zuvielgezahlte erstattet.

S. 15. Ist die Dauer der Nutzungen oder Leistungen von der Lebenszeit mehrerer Personen dergestalt abhängig, daß beim Tode der zuerst versterbenden die 2 Leistung erlischt, so ist für die nach 5§. 14. vorzunehmende erthermittelung das Lebensalter der ältesten Person maßgebend. Wenn die Nutzung oder Leistung bis zum Tode der letztversterbenden Person fortdauert, erfolgt die Berechnung nach dem Lebensalter der juͤngsten Person.

5. 16.. Bei auf bestimmte Zeit eingeschränkten Nutzungen oder

Leistungen ist der Kapitalwerth der gesammten Nutzungen beziehungs— weise Leistungen für den Zeitpunkt des Anfalls unter Zugrundelegung eines fünfprozentigen Zinsfußes nach der als Anlage beigefügten Hülfs— tabelle zu ermitteln. Ist jedoch die Dauer der Nutzung oder Leistung noch außerdem durch die Lebenszeit einer oder mehrerer Personen be⸗ dingt, so darf der nach §§. 14 und 15 zu berechnende Kapitalwerth nicht überschritten werden. 5. 17. Nutzungen eines Kapitals sind zu fünf vom Hundert jährlich zu veranschlagen, soweit nicht eine die anderweite Verfügung über das Kapital ausschließende Beschränkung auf einen geringeren Prozentsatz nachgewiesen wird.

TX 18. Den Werth aller anderen Gegenstände anzugeben, liegt den Steuerpflichtigen beziehungsweise den im §. 35 bezeichneten Ver⸗ pflichteten ob. Wer der Verpflichtung zur Angabe des Werthes auf ergangene Aufforderung der Steuerbehörde nicht genügt, hat die durch amtliche Ermittelung desselben entstehenden und mit der Steuer ein zuziehenden Kosten zu tragen.

§. 19. Trägt die Steuerbehörde Bedenken, die Werthangabe G: 18) als richtig anzunehmen, und findet eine Einigung hierüber mit den Steuerpflichtigen nicht statt, jo ist die Steuerbehörde befugt, selbständig den Werth zu ermitteln und danach die Steuer zu erheben. Die Kosten der Werthsermittelung fallen dem Steuerpflichtigen zur Last, wenn der ermittelte Werth den von dem Steuerpflichtigen ange—⸗ gebenen Werth um mehr als 10 Prozent übersteigt. Die etwa ge⸗ . Kosten werden erstattet, wenn im Verwaltungswege oder im

echtswege (8. 40) die Ermäßigung des Werthes auf einen nicht zum Kostenersatz verpflichtenden Betrag erfolgt.

S 20. Bedingter Erwerb.). Vermügen, dessen Erwerb von dem Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, unterliegt der Be⸗ steuerung erst bei dem Eintritt der Bedingung. Die Steuerbehörde kann jedoch Sicherstellung der alsdann zu entrichtenden Steuer for⸗ dern. Unter einer auflösenden Bedingung erworbenes Vermögen mit Ansnahme der Nutzungen von unbestimmter Dauer, welche ledig- lich nach den Bestimmungen in den §5§. 13 bis 16 zu behandein sind ist wie unbedingt erworbenes zu versteuern. Beim Eintritt der Bedingung wird aber die gezahlte Steuer bis auf den der wirk- lichen Bereicherung entsprechenden Betrag erstattet.

5§. 21. Bedingte Belastung) Den Werth der steuerpflichtigen Masse vermindernde Lasten und Leistungen werden, soweit sie vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängen, nicht berücksichtigt. Beim Eintritt der Bedingung ist das Zuvielgezahlte von der Steuer⸗ behörde zu erstatten. ;

Lasten, deren Fortdauer von einer auflösenden Bedingung abhängt mit Ausnghme der Leistungen von unbestimmter Dauer, deren 2 ener Werth nach den Bestimmungen in den §§. 13 bis 16 sich erechnet werden wie unbedingte in Abzug gebracht. Beim Ein⸗ tritt der Bedingung ist derjenige Steuerbetrag nachzuerheben, wescher mehr zu entrichten gewesen sein würde, wenn der m des Ein⸗ tritts der, Bedingung bei Berechnung der Steuer bekannt gewesen wäre. Die Steuerbehörde kann Sicherstellung dieses Anspruchs fordern.

§. 22. Die in den 5§5. 20 und 21 enthaltenen Bestimmungen sind gleichmäßig auch auf, die von einem Ereigniß, welches nur hin sichtlich des Zeitpunktes seines Eintrittes ungewiß ist, abhängigen Er⸗ werbungen, Lasten und Leistungen anzuwenden.

§. 23. (Unsichere Forderungen). Unsichere Forderungen und an⸗ dere zur sofortigen Werthermittelung . geeignete Gegenstände kommen mit einem muthmaßlichen Werthe in Rechnung, den der Steuerpflichtige in Vorschlag bringt. Findet keine Einigung statt, so kann die Steuerbehörde von dem angegebenen Werthe die Steuer ein- ziehen und die Berichtigung des Werthansatzes, sowie die entsprechende Nachforderung oder Erstattung der Steuer bis zum Ausgange derje⸗ nigen Verhandlungen vorbehalten, von welchen die Bezahlung der For⸗ derung, beziehungsweise die Werthsermittelung abhängt.

„Sind bei Berechnung der Steuer ungewisse oder noch unbekannte An— sprüche an die Masse außer Berücksichtigung geblieben, so wird, wenn dieselben später zur Verwirklichung gelangen, das Zuvielgezahlte von der Steuerbehörde zurückerstattet.

5 24. (Betrag der Lehns⸗ und . Lehns⸗ und , sie mögen in Gütern oder Kapitalien be— stehen, sowie Anfälle aus Familienstiftungen werden . Maßgabe des Werths der einjährigen Nutzung und des Lebensalters des Erwer⸗ benden nach Vorschrift des 8. 14 versteuert.

25. (Erwerb der Subftanz ohng die Nutzung.) Ist einem Erben, Vermächtnißnehmer u. s. w. Vermögen angefallen, dessen Nutzung einem Dritten zusteht, so wird dasselbe um den nach Vor— schrift der 5§. 13 ff. berechneten Werth der Nutzung geringer ange⸗ chlagen, wenn der Erwerber der Substanz die Versteuerung bei dem Anfall bewirkt. Wird die Aussetzung der Versteuerung der Substanz bis zur Vereinigung der 4 mit der Substanz be⸗ antragt, so findet der vorstehend angeordnete Abzug nicht statt. Vielmehr erfolgt alsdann die Besteuerung na HFa5 n e der bei Beendigung der Nutznießung des Dritten obwaltenden Ver⸗ hältnisse, und wenn inzwischen eine weitere Vererbung der Substanz eingetreten sein sollte, ohne Entrichtung einer Steuer für die dazwischen liegenden Anfälle ker r b als ob der in die Nutzung eintretende Erwerher der Substanz das Eigenthum unmittelbar von dem ursprüng⸗ lichen Erblasser erworben hätte. Bei Aussetzung der Versteuerung ist die Steuer auf Verlangen der Steuerbehörde aus der Masse auf Kosten des Erwerbers der Substanz sicher * stellen.

Bei fideikommissarischen Substitutionen wird der Fiduziar als Nießbraucher und der Fideikommislar als Substanzerbe des herguszu⸗ ebenden Vermögens behandelt, Ist jedoch das Fideikommiß auf das⸗ . beschränkt, waz beim Tode des Fiduziars noch vorhanden sein

eiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

1873.

werde Cauidquid supererit), so haben sowohl der Fiduziar von vollen Betrage des Anfalles, als der Fideikommissar . dem n des an ihn herausgegebenen Vermögens, nach ihrem Ver— wandtschaftsverhältniß zum Erblaffer die Erbschaftssteuer zu entrichten.

S. 26. (Berechnung der Steuer) Die Erbschaftssteuer wird nach dem ganzen Antheile jedes einzelnen Erwerbers eines Anfalles für diesen besonders berechnet. Haben Ehegatten in einer gemein⸗ schaftlichen letztwilligen Verfügung Verwandte des einen oder' beider Ehegatten zu Erben eingesetzt oder mit Zuwendungen bedacht, und ir tige felgen von welchem der beiden Ehegatten der Anfall er— folgt ist, o wird angenommen, daß der Anfall von dem dem Steucr⸗ pflichtigen am nächsten verwandten Ehegatten erfolgt sei, soweit der Nachlaß des letzteren reicht. Kann der Betrag des Jlachlaffes des zuerst verstorbenen Ehegatten nicht ermittelt werden, so ist derselbe behufs Berechnung der Steuer auf die Hälfte des beim Tode des letztlebenden Gatten vorhandenen Vermögens anzunehmen. Bleibt jedoch nur in Betreff einzelner Vermögensgegenstände zweifelhaft zu welchem Nachlaß sie gehören, so wird angenommen, daß diefe lben zum Nachlaß jedes Ehegatten zur Hälfte gehören.

9 27. (Haftung für die Steuer. Die Erbschaftssteuer trifft den Erwerber des stenerpflichtigen Anfalles. Für dieselbe haftet die er ft r r. . 6. . . auch auf Erfordern

rung bedingter Anfälle Sicherheit

33. ö. 3 9 cherheit bestellt werden muß

Erben und Miterben sind bis auf Höhe des aus der Erbscha Empfangenen für die von allen den lg betreffenden . ö entrichtende Er schaftssteuer solidarisch verpflichtet.

Hinsichtlich der in diesem Gesetze den Echen und Miterben auf⸗ gelegten Verpflichtungen werden Erwerber eines Universalvermächtnisses der eines Vermächtnisses unter einem Universaltitel den Erben und ö glesg gen fg. ö.

; esetzliche Vertreter und Bevollmächtigte der Erbinteres— senten, Testamentserekutoren und lacht een . sowie die 6e walter. von Familienstiftungen, dürfen die Erbschaft, einzelne Erbtheile, Vermächtnisse oder Schenkungen, beziehungsweise die Hebungen aus der Familienstiftung, nur nach Berichtigung oder Si erstellung der darauf treffenden Erbschaftssteuer ausanfworten und bleiben im ent— gegen e ggten alle für die Steuer verhaftet.

Sz. 29. (Verwaltung der Steuer. Die Verwaltung des Erb⸗ Harn e, , wird unter Leitung des Finanz⸗Ministers von den

rovinzigl- Steuerbehörden durch die Erbschafts-Steuerämter geführt, welchen innerhalb der ihnen von dem Finanz⸗Minister n gn ,. Geschäftsbezirke die Feststellung und Einziehung der zu erhebenden Erbschafts⸗Steuerbeträge und die Aufsicht über die Beobachtung der Vorschriften dieses Gesetzes obliegt. Dieselben erhalten nach Vor— schrift der betreffenden Ministerien von denjenigen, welchen die Führung der Todtenlisten obliegt (Pfarrern, e,, . u. s. w.), perio⸗ dische Auszüge aus letzteren nach Maßgabe der für diesen Zweck an— . Formulare, ingleichen von den Gerichten beglaubigte Ab— chriften der eröffneten letztwilligen Verfügungen und der Todes— n, g .

5. 50. nmeldung des Anfalles) Jeder, dem ein steuer⸗ pflichtiger Anfall (5. I) zukommt, ist verpflichtet, denselben binnen drei Monaten, nachdem er davon Kenntniß erlangt hat, dem zustän⸗ digen Erbschafts⸗Steueramte schriftlich anzumelden, ohne Unterschied, ab die Erwerbung des Anfalles bereits stattgefunden hat oder nicht. Ist der Verpflichtete in, außereuropäischen Ländern oder Gewässern abwesend, so werden die vorstehende und die im 8. 33 bestimmte zweimonatliche Frist auf sechs Monate verlängert.

Es wird vermuthet, daß Hãtestens am 30. Tage nach dem Ein⸗ tritt des Anfalles der zur Anmeldung Verpflichtete, wenn er in Europa sich aufhält, Kenntniß von dem Anfalle erlangt hat, vor⸗ behaltlich des der Steuerbehörde obliegenden Beweises eines früheren und des dem Steuerpflichtigen obliegenden Beweises eines späteren Zeitpunktes.

S. 31. Theilnehmer an einer Erbschaft, sowie die zu Hebungen aus einer Familienstiftung Berufenen werden von der n, pflicht 8 30) befreit, wenn die ihnen zukommenden Anfälle von einer der im §. 28 bezeichneten Personen oder einem Mitberechtigten recht⸗ zeitig angemeldet werden.

F. 32. Der Empfang der Anmeldung ist von dem Erbschafts⸗ Steueramt auf Verlangen auf einem vorzulegenden Duplikate kosten—⸗ und (, . zu bescheinigen.

5. 33. (Verzeichniß und Deklaration.) Innerhalb einer ferneren zweimongtlichen Frist nach Ablauf der Anineldungsfrist (5. 30 muß dem zuständigen , ein vollständiges und richtiges, zugleich die erforderlichen Werthangaben enthaltendes Verzeichniß (In⸗ ventarium) über die gesammte steuerpflichtige Masse und alle derselben zuzurechnende oder davon in Abzug zu bringende Gegenstände vorgelegt werden. Hiermit ist eine schriftliche Deklaration der die Sest kinn der e fh aft f ener bedingenden Verhältnisse zu verbinden und ein⸗ zureichen.

Eine Verlängerung der Frist ist auf Antrag zu bewilligen, sofern besondere Gründe es erforderlich machen, und muß insbesondere ge⸗ währt werden, wenn der Berufene den Anfall noch nicht erworben hat und dies anzeigt.

Hinsichtlich der Einrichtung des . und der Deklaration sind die nach Bedürfniß von dem Finanz⸗Minister zu erlassenden nähe⸗ ren Vorschriften zu beobachten.

5. 34. Bei Erbschaften, an denen kein steuerpflichtiger Erbe Theil nimmt, sondern bei denen nur steuerpflichtige Vermãächtnisse, Schenkungen u. s. w. vorkommen, kann das n , und die De⸗ klaration (5. 33) auf die, steuerpflichtige Anfälle betreffenden, Gegen⸗ stände und Verhältnisse beschrankt werden.

8. 35. Die Verpflichtung zur Vorlegung des Verzeichnisses und der Deklaration liegt ob; . .

1) bei Erbschaften in Bezug auf alle den Nachlaß betreffenden n,, . Anfälle wenn ein Testamentsvollzieher oder Nach- aßverwalter vorhanden ist, diesem, sonst den Erben, ohne Unterschied, ob sie selbst von den ihnen zukommenden Anfällen Erbschaftssteuer zu entrichten haben oder nicht. Andere Theilnehmer (Vermächtnißneh⸗ mer u. s. w.) sind in Betreff des ihnen zukommenden Anfglles zur Vorlegung des Verzeichnisses und der Deklaration nur auf Aufforde—⸗ rung des Erbschafts⸗Steueramts innerhalb der ihnen bekannt zu ma⸗ chenden Frist verpflichtet;

2) bei den im . J unter 2 und 3 bezeichneten ö jedem Stenerpflichtigen hinsichtlich des ihm zukommenden Anfalles.

Für Bevormundete, unter Kuratel oder väterlicher Gewalt stehende oder juristische Personen und für Konkursmassen ist die vorerwähnte Verpflichtung und die Verpflichtung zur Anmeldung (§. 30 ff) von deren gesetzlichen Vertretern zu erfüllen.

. 36. (Fernere Ermittelungen) Das Erbschafts-Steueramt hat die Richtigkeit und Vellständigkeit der vorgelegten Verzeichnisse und Deklarationen zu prüfen und die Verpflichteten (5. 35) zur Er- ledigung der ihnen bekannt gemachten Erinnerungen innerhalb der zu bestimmenden Frist anzuhalten. eder, dem ein der Erbschaftssteuer unterworfener Anfall (5. 1) zukommt, ist zur Ertheilung der von dem Erbs . Steueramt erforderten Auskunft über die auf den Anfall bezüglichen thatsächlichen Verhältnisse, soweit sie auf die Festsetzung der Steuer für den an ihn selbst oder an andere Theilnehmer an der e u. s. w. gelangenden Anfall von Einfluß sein können, ver⸗

ichtet.

Auf Verlangen müssen dem Erbschafts-Steueramte die den Anfall betreffenden Urkunden zur Einsicht vorgelegt werden, insbesondere letzt= willige Verfügungen, iwer n ner. und die Beweismittel über