Rückgange der Hausir⸗Gewerbesteuer im Jahre 1871 allein ist es . die Gesammt⸗Einnahme aus der Gewerbe⸗ steuer (für den stehenden und den Hausir-⸗Gewerbebetrieb) von 5,287, 275 Thlr. im Jahre 1870 auf 3 1871, also um 37,565 Thlr. zurückgegangen ist.
Die Gesammt⸗Einnahme für das Jahr 1872 mit . 5 5/097 Thlr. hat * entsprechenden Betrag für das Jahr 1871 mit 5.254710 Thlr. um 260 387 Thlr., und den für das Jahr 1870 mit 5.287, 274 Thlr. um 227, 823 Thlr. überstiegen.
Durch die Gewerbe⸗Ordnung für den Norddeutschen Bund vom 71. Juni 1869 sind die durch die bisherige Bundes⸗Gesetz⸗ gebung dem Gewerbebetriebe im Umherziehen gezogenen Gren⸗ zen erweitert und ist damit dem Hausirverkehr ein neues Gebiet eröffnet worden. Obwohl in Folge dessen der Hausirhandel mit einzelnen Gegenständen in Preußen steuerfrei gestattet worden ist, lassen sich von der durch die Gewerbe⸗Ordnung zugelassenen Ausdehnung des Hausirhandels auf Gegenstände fast aller Art erhöhte Erträge der Hausir⸗Gewerbesteuer erwarten.
Durch das Gesetz vom 20. März 1872 sind die dem im Laufe der Zeit erheblich veränderten Betriebe des Müllergewer⸗ bes nicht mehr entsprechenden Vorschriften des Gesetzes vom 30. Mai 1820 über die Veranlagung der Mühlen⸗Gewerbesteuer aufgehoben und an deren Stelle Bestimmungen getroffen wor⸗ den, denen zufolge die Gewerbesteuer der Müller je nach dem Umfange des Geschäftsbetriebes in einer der Handelsklassen A.! oder A. II beziehungsweise in der Handwerkerklasse nach den für diese Steuerklassen bestehenden Mittelsätzen zu veranlagen ist. Die Wirkungen dieses Gejetzes, welches, wie für die Muͤller, so auch für die Handwerker Erleichterungen in der Gewerbesteuer herbeizuführen bestimmt ist, werden sich, da das Gesetz mit dem J. Januar 1873 in Geltung getreten ist, erst nach vollständigem Abschlufse der Gewerbesteuer-Veranlagung für das Jahr 1873 übersehen lassen. Die davon für das Müllergewerbe zu erwar⸗ tende jährliche Steuer⸗Erleichterung ist auf etwa 77, 000 Thlr.
zu veranschlagen.
5. Eisenbahn⸗ Abgabe.
Auch die Erträge der Eisenbahn⸗A Abgabe haben sich in
erheblichem Maße gesteigert. Durch die Abgabe ist .
für das Betriebsjahr 1869 ein Betrag von 16, 43,436 Thlr.
. = 1870 ⸗ ⸗ ,,,
. ; 1871 2342, 579 aufgebracht worden. Diese stetige Steigerung des Abgaben⸗ Ertrages ist theils durch die Ausdehnung des Eisenbahnnetzes, theils durch die gesteigerte Rentabilität einzelner Eisenbahnen herbeigeführt worden. Den im Jahre 1869 abgabepflichtigen Eisenbahnen sind im Jahre 1870 die Kottbus⸗-Großenhayner, die Nordhausen⸗Erfurter und die Peine-Ilfelder, im Jahre 1871 die Lübeck⸗Hamburger, die Märkisch⸗Posener und die Pinsberger Zweigbahn hinzugetreten. Die im Jahre 1870 bei der Berlin⸗ Anhalter, der Berlin⸗Potsdam⸗Magdeburger, der Köln-Mindener und der Rheinischen Eisenbahn, und im Jahre 1871 bei der Berlin⸗-Anhalter, der Berlin⸗Hamburger, der Berlin⸗Stettiner, der Köln⸗Mindener, der Magdeburg⸗Leipziger und der Rheini⸗ schen Eisenbahn erzielten, die der betreffenden Vorjahre zum Theil erheblich übersteigenden Einnahmen haben die entsprechende Steigerung der nach den Reinerträgen jedes Betriebsjahres be⸗ messenen Abgabebeträge zur Folge gehabt. .
Die für das Betriebsjahr 1872 zu erhebenden Eisenbahn⸗ Abgaben können erst nach Aufstellung der Verwaltungs⸗AUbschlüsse für jenes Jahr festgesetzt werden.
6. Gesammt⸗Ergebniß.
Die Gesammt⸗Einnahmen aus der Verwaltung der direkten
teuern haben betragen: 3. ö ; . ir n inn von Jahr zu Jahr: r
. Thlr. Prozent. im Jahre 1869 42, 745,026 1870 18198 n öl, 9566 13 1871 43,590,897? 4 393,880 O9 1872 45,684,736 4 2, 093,864 4,
Den Einnahmen stehen an fortdauernden Ausgaben gegen⸗
über: — Mithin Steigerung beziehungsweise Ver⸗ minderung von Jahr zu Jahr: Thlr. Thlr. Prozent: 2093, 507 2,089, 098 — 4409 — 1871 2,105,713 4 16,615 6,3 1872 2282. 581 4 176,868 S8, Nach Abzug der fortdauernden Ausgaben sind von den Ein⸗
nahmen an Ueberschüfsen verblieben: * l e, n nn von Jahr zu Jahr: r
r Thlr. Prozent. im Jahre 1869 40651, 519 1870 41, 107,894 4 456,375 1, 1871 41,485, 159 4 377,265 CO.) 1872 43,402, 155 4 1,916,996 4, Die einmaligen außerordentlichen Ausgaben, im Wesent⸗ lichen in den Aufwendungen für die anderweite Regelung der Grundsteuer in den Provinzen Schleswig- Holstein, Hannover und Hessen-Nassau, sowie im Kreise Meisenheim bestehend, haben betragen: im Jahre 1869. 102,387 Thlr. 203,663 ⸗
1586 ö bio M3
im Jahre 1869 1870
= .
Statistische Nachrichten. ö
München, 10. Januar. Von vorgestern bis gestern Abend sind hier 23 Erkrankungen und 15 Todesfälle, von gestern bis heute Abend 25 Erkrankungen und 8 Todesfälle an Cholera vorgekommen.
— Ueber die Gründungen und Emissionen im Jahre 1873 entnehmen wir dem „Brem. Hdlesbl.“ Folgendes: Die Ansprüche, welche im Laufe des Jahres 1873 an den deutschen Geldmarkt her antraten, waren ganz bedeutend: ihre Gesammtheit beträgt die Summe von 717,875,000 Thlrn. Hierunter ö sich allerdings zwei, große Anleihen, an denen der deutsche Markt den denkbar geringsten Antheil genommen und deren eine sich nur, auf Konvertirung be⸗ zog; doch selbst wenn man die amerikanische und die russische Anleihe völlig in Abzug nimmt, erreicht der Betrag, den der deutsche Geldmarkt wirklich in diesem Jahre aufgebracht hat, noch immer die Höhe von über 300 Millionen. Die Gesammtsumme der in Deulschland im Jahre 1873 negoziirten Anleihen (mit jenen beiden. obengenannten) betrug 459 Millionen Thaler. Die Zahl der Banken, deren Aktien im Jahre 1873 emittirt wurden, ist 5 gegen 63 im Jahre 1872 und von diesen 5, der Deutschen Kreditanstall, der Deutschen Prä⸗ mien⸗Kredit und Rentenbank, der Oesterreichischen Bankgesellschaft, der
amburg Berliner Bank und der Süddeutschen Centralbank mit einem enn von zusammen 33 Millionen haben bereits 2 liquidirt, so daß aus diefem Jahre nur 3 Banken mit emittirtem Aktien⸗Kapital übrig bleiben. Ferner wurden die Aktien von 42 Industrie⸗-Gesellschaften gegen 144 im Jahre 1872 emittirt, und ihr Kapital betrug 51,200 000 Thlr. gegen TZI, 097, 000 Thlr., welche jene Kategorie von Gründungen im Vor⸗ jahr absorbirten. Von diesen 513 Millionen fällt der Löwenantheil auf Bergwerksgründungen, welche 23,200, 000 Thlr, verzehrten. Die gesammte Summe, welche für neue Bahnen gefordert wurde, belief sich auf 145750 000 Thlr.; unter den vier Gesellschaften, welche diesen Betrag aufzubringen suchten, befand sich nur eine deutsche, ferner eine österreichische, eine schweizerische und eine russische. Bedeutender waren die Summen, um welche bestehende Bahngesellschaften ihre Kapitalien theils durch Neuemissionen von Aktien, theils durch Prioritäts-Anleihen , , Sie betrugen insgesammt 90150900 Thlr., Banken vermehrten ihre Kapitalien um 2, 850, 000, Industriegesellschaften nur um 11,930 000 Thlr. Die Summe der emittirten Pfandhriefe belief sich auf 405 Millionen. Außer jener ohen angeführten Ziffer giebt es aber noch eine bedeutende Anzahl von Gesellschaften, die in zwölfter Stunde gegründet, ihre Aktien nicht zu emittiren vermochten. Ihre Zahl ist bereits bis auf 41 angewachsen, darunter 7 Banken und 34 In dustriegesellschaften. Zusammen beträgt die Kapitalsumme dieser Ge— sellschaften, deren Aktien unemittirt bleiben mußten, 43,290, 000 Thlr.
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Berlin. In der 156. Versammlung des Vexeins für die Geschichte Berlins am Sonnabend, dem 10. d. M., wurden fol— gende Vorträge gehalten: 1) Hr. Direktor Dr. L. Freiherc v. Le⸗ debur: Markgraf Christian Ernst von Baireuth unter der Vormund⸗
aft des Großen Kurfürsten, mit besonderer Rücksicht auf Berliner keel. e e f 2) Hr. Geheimer Rath L. Schneider: Das unter⸗ irdische Berlin.
oe Die Nr. 52 der Zeitschrift Kunst und Gewerbe, Wochen- schrift zur Förderung Deutscher Kunst-Industrie“ (. Jahrg.), herausg. von Dr. C. Stegmann, Direktor des bayerischen Gewerbemuseums in Nürnberg, redigirt von Dr. O. ven Schorn (Verlag von Hermann Schultze in Leipzig), hat folgenden Inhalt; Ueber die Verwendung des Wasserglases in der Malerei und zum Anstrich. — Nürnberg; Ger⸗ manisches Museum. — Philadelphia: Zur Weltausstellung 1876. — Für die Werkstatt. — Notizen. ; .
Paris, 8. Januar. Harte fand die feierliche Aufnghme des
3. de Lomenie in die Akademie statt. Derselbe hielt eine ede, in welcher er sich sehr belobend über Guizot und Thiers aus= sprach. Die Aufgabe de Lomenie's bestand in einer Lobrede auf Merimée, seinen Vorgänger. Verkehrs⸗Anstalten. ; e
Die Nr. 2 der „Zeitung des Vereins Deutsch er Eisen⸗ bahn⸗Verwaltung en hat felgenden Inhalt: Verein Deutscher Eisenbahn⸗Verwaltungen; Alzey⸗Kirchheimbolanden eröffnet. Ueber Befrachtung von Güterzügen mittels rollbarer Kasten (Goupeeg) von Güterperrons aus. Die leer auf unrichtiger Route beförderten Wagen und die dafür zu zahlenden Miethen und Transportgebühren, Ver- einsgebist: Verein Deutscher Eisenbahn-Verwaltungen: Entschädigung Deutscher Eisenbahnen für Material⸗Benutzung im Kriege. Berliner Briefe. Aus Sachsen. Württemberg. Tarif Erhöhung. Aachen⸗ Mastrichter Eisenbahn⸗Gesellschaft. Ausland. Rußland: Neue Bahn⸗ Konzessionen. Poti⸗Tiflis. .
Wien, 12. Januar. (W. T. B.), Die hiesige Han dels bank ist auf ihr Gesuch um Ertheilung der Erlgubniß zu Reduktion ihres Aktienkapitals im Wege des Rückkaufs ihrer eigenen Aktien vom Finanz⸗Minister abschläglich beschieden worden.
Aus dem Wolff'schen Telegraphen⸗Bureau.
Metz, Montag, 12. Januar, Morgens. Von den Mit- gliedern des gestern hier zusammengetretenen lothringischen Be⸗ zirkstags haben 18 den vorgeschriebenen Eid geleistet. Der Be⸗ zirkstag, bei dem Vautrain als Alterspräsident fungirte, war ,. beschlußfähig und hat seine erste Sitzung auf heute an⸗
eraumt.
Madrid, Sonntag, 11. Januar, Mittags. Das Fort Atalaya vor Cartageng (nicht das Schloß Atalaya bei Badajoz, wie aus London gemeldet wurde) ist von den Regierungstruppen unter Dominguez genommen worden. Letzterer hat den Insur⸗ 46 eine letzte 24stündige Frist behufs Uebergabe der Stadt gestellt.
Königliche Schauspiele.
Dienstag, 13. Januar. (Opernhaus) 12. Vorstellung. Letztes Auftreten des Frl. Adele Grantzow, vom Kaiserlichen Hoftheater in St. Petersburg. Miscellanea. 1) Morgano. Zweiter Akt. (Eloa: Frl. Grantzow. 2) Die Weiberkur. Dritter und vierter Akt. (Mazourka: Frl. Grantzow.) 3) Die Willys. Zweiter Akt. (Gisela: Frl. Grantzow.) Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.
Schauspielhaus. (12. Vorstellung) Das Glas Wasser, oder: Ursachen und Wirkungen. Lustspiel in 5 Abtheilungen von Scribe. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.
Dienstag, 13. Januar. Im Saal⸗Theater des Königlichen Schauspielhauses. Achte Vorstellung der französischen Schau⸗ spieler⸗Gesellschaft. Quatrièeme reprosentation de: Les vieux Gargons. Comédie en 5 actes, en prose, par Mr. Victorien Sardou.
Mittwoch, 14. Januar. Opernhaus. (13. Vorstellung.) Der Troubadour. Oper in 4 Akten, nach dem Italienischen des S. Camerano. Musik von Verdi. Ballet von P. Taglioni. Leonore: Fr. Mallinger. Acuzena: Frl. Abel aus Wien, als Gast. Lung: Hr. Betz. Manrico: Hr. Niemann. Anfang
7 Uhr. Hohe Preise. Schauspielhaus. (13. Vorstellung) Was ihr wollt!
Lustspiel in 4 Akten von Shakespeare, mit Benutzung der
Schlegel⸗Tieckschen Uebersetzung für die
deutsche Bühne bearbeitet von W. Oechelhäuser. Anfang 7 Uhr.
Mittel⸗Preise.
Königliches Opernhaus.
Der aulidischen „Iphigenia“ von Gluck, welche zur Feier der Vermählung Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Albrecht am 21. April v. J. wieder einstudirt worden war, folgte am vorgestrigen Abend die Aufführung der „Iphigenia in Tauris“. Dieses letzte und größte Werk des ersten deut⸗ schen dramatischen Tondichters ging in Paris am 18. Mai 1779 zum ersten Male in Scene und verschaffte Gluck einen so voll⸗ ständigen Sieg über seinen Rivalen Piccini, den Vextreter der älteren Richtung, daß dessen gleichnamige Oper zwei Jahre spä⸗ ter, ohne Eindruck zu machen, spurlos vorüberging, während Glucks taurische Iphigenie in diesen zwei Jahren gegen 200 Wie⸗ derholungen erfuhr. Allerdings hatte der Komponist auf dieses Werk seine ganze Kraft verwandt; seit dieser Zeit begann er zu kränkeln und erhob sich nicht wieder, obgleich ihm die Freude vergönnt war, den vollen Triumph dieses erhabenen Werks noch zu erleben. Er starb am 15. November 1787 zu Wien im Alter von 73 Jahren. In Wien wurde die „Iphigenie in Tauris“ im Jahre 1781, in Berlin am 24. Februar 1795 zum ersten Male und mit gleichem Erfolge wie in Paris gegeben.
In dieser letzten Oper ist es dem Komponisten, wie in kaum einem anderen seiner Werke gelungen, den reformato⸗ rischen Intentionen vollen Ausdruck zu geben, die er in den be⸗ rühmten Dedikationsworten zu der „Alceste“ an den Großherzog von Toscana und zu der Oper „Paris und Helena“ an den Herzog von Braganza als künstlerisches Selbstbekenntniß niedergelegt
at. Die Gestalten der Iphigenia, des Orest und des Pylades 1. in ihren vollen Umrissen von jener plastischen Rundung, jener hehren Ruhe, jenem edlen Maße in allen Seelenregungen, jenem Adel der Gesinnung, wie sie den Gestalten der antiken Tragödie eigen sind. «* J
Aufs Glücklichste unterstützt wird der Komponist in seinen Bestrebungen durch den Text von Guillard, der in seinem edlen Pathos noch die Traditionen des französischen klassischen Dramas aufweist. Gerade in dem Umstande aber, daß Gluck nur über französische Texte komponirte, liegt für uns ein beklagenswerthes inden, für den vollen Genuß seiner Tonschöpfungen. Er
at bekanntlich zuerst auf die rein sinnliche Schönheit des Gesanges, wie er von der älteren Richtung gepflegt wurde, die ohne charakteristischen Ausdruck sich innerhalb einer gewissen Stimmung frei zu ergehen liebte, verzichtet und, nach rhetori⸗ schem Accent strebend, seinen Melodien den Inhalt der Worte einzuprägen gesucht, so daß er behaupten durfte, er suche beim Komponiren ganz zu vergessen, daß er Musiker sei. Daraus ergiebt sich aber zugleich, daß seine Tondichtung nur über dem Driginaltext zur rechten Wirkung gelangen kann, für den eine Uebersetzung, welche die Verschiebung der Worte nicht immer
vermeiden kann, leider kein Aequivalent bietet. Dieser Mangel kann indessen den Kunstgenuß nicht soweit verkümmern, daß man nicht der hohen dramatischen Wirkung, der gewaltigen Charakterzeichnung, dem stimmungsvollen, instrumentalen Bei⸗ werk bei aller Geringfügigkeit der Mittel, die ihm zu Gebote stan⸗ den, den ganzen Zoll der Bewunderung darzubringen hätte.
Die Koryphäen deutschen Geistes im vorigen Jahrhundert, Herder, Lessing, Wieland, Klopstock, haben deshalb die reorga⸗ nisatorische Bedeutung des Genius Glucks wohl erkannt und sich wiederholt über seine hohe Bedeutung für die Entwickelung der deutschen Oper ausgesprochen. So ruft Wieland aus: „Endlich haben wir die Epoche erlebt, wo der mächtige Genius eines Gluck das große Werk der musikalischen Reform unter⸗ nommen hat, das, wofern es jemals zu Stande kommen kann, nur durch einen Feuergeist, wie der seinige, bewirkt werden müßte.“ Und wenn Herder sagt: „Von jener Herrscherhöhe, auf welcher sich der gemeine Musikus brüstet, daß die Poesie seiner Kunst diene, stieg er hinab und ließ, soweit es der Ge⸗ schmack der Nation, für die er in Tönen dichtete, zuließ, den Worten, der Empfindung, der Handlung selbst seine Töne nur dienen. Er hat ,,, und wirft ihm vielleicht bald Jemand vor: daß er nämlich die ganze Bude des zerschnittenen und zerfetzten Opern⸗Klingklanges umwirft, und ein Odeum aufrichtet, ein zu⸗ sammenhangend lyrisches Gebäude, in welchem Poesie, Mufik, Aktion, Dekoration Eines sind“, so hat er eine Ahnung von dem gehabt, was Richard Wagner, der in Gluck seinen erhabenen Meister verehrt, in neuester Zeit mit Energie und großartigem Erfolge anstrebt. .
In der Aufführung, durch welche am Sonnabend die „Iphi⸗ genia in Tauris“ wieder ins Leben gerufen wurde, bildete Fr. Mallinger in der Titelrolle den Mittelpunkt. Die fleißige Künstlerin, die sich bisher in Rollen eines spezifisch weiblichen duldenden Charakters, wie Elsa, Eva, Margarethe u. s. w. und zwar mit, vollem Erfolge ein Feld für ihre künst⸗ lerische Wirksamkeit erworben, hat sich hier zuerst mit Glück in einer mehr heroischen Partie versucht. Dem Naturell und der stimmlichen Begabung der Sängerin gemäß gelangen ihr deshalb auch am besten diejenigen Stellen, in denen sie die ganze Wucht des Leidens der Iphigenia zum Ausdruck bringen konnte, wie in der Arie: „O laß mich Tiefgebeugte weinen“ und die ganze Opferseene im 2. Akt. Der Genannten würdig zur Seite stand als Orest Hr. Betz, der diese großartigste Charakter- schöpfung Glucks mit seinen herrlichen Stimmmitteln und seinem durchdachten hochdramatischen Spiel, ergreifend verkörperte. Durch ihn, im Verein mit Fr. Mallinger und unterstützt von dem Chor, gestaltete sich die Eumenidenseene und der darauf folgende Dialog mit Iphigenia zu einem Glanzpunkt der
Aufführung. Hr. Diener als Pylades wirkte in dem schönen Duett mit Orest im dritten Akt aufs Glücklichste zusammen und
erwarb sich durch die herrliche Arie: „Nur einen Wunsch, nur
ein Verlangen“ allseitigen Beifall. Die kleine Rolle der Diana sang Frl. Haupt, die kurze undankbare Partie des Thoas Hr. Schmidt.
Das Publikum ehrte die Künstler in den Zwischenakten durch Beifall und Hervorruf.
„Der Boden, das Klima und die Witterung von Ostfriesland, sowie der gesammtenn Norddeutschen Tiefebene in ler zu den
land⸗ und volkswirthschaftlichen Interessen, dem Seefahrtsbetriebe und den Gesundheitsverhältnissen dargestellt von M. A. F. Prest el“, Druck von Th. Hahn Wwe. in Emden. — Die erste, kleinere Hälfte dieses Werkes erschien bereits vor drei Jahren, das ganze, über 30 Bogen Großoktav enthaltende, mit 6. Tafeln in Steindruck versehene Werk ist neuerdings, unter Subvention der ostfriesischen Landschaft ver⸗ öffentlicht worden. Die erste Hälfte des Buches, in welchem der in weitesten Kreisen als Meteorologe bekannte Verfasser die Resultate seiner Studien und Betrachtungen während eines Zeitraums von 36 Jahren niedergelegt hat, behandelt die Beschaffenheit des Bodens der ostfriesischen Halbinsel und ist durch die angeknüpften Ausführungen über die all⸗ . Umgestaltung, welche die Westküste von Mitteleuropa im aufe der Jahrtausende erfahren hat, und diejenigen, welche ihr wahr= scheinlicher Weise noch bevorstehen, von weitgreifendstem Interesse für den Freund geologischer Forschungen. Die zweite Abtheilung des Buches behandelt in 19 Kapiteln: 19 das Luftmeer in seiner chemischen und physikalischen Beschaffenheit, 2) die Temperatur, 3) den Druck der Luft und den Barometerstand, 4 den Wasserdampf im Luftmeere und die Verdunstung, 5) die wässrigen Niederschläge, 6z das Gewitter, 7) das Nordlicht, s) das Ozon, ) den Moorrguch, 10) die Winde. — Da dem PVPerfasser die Gabe zu Gebote steht, mit streng wissenschaftlicher Ausführung eine, populäre, allgemein verstaͤndliche , zu verbinden, so leuchtet . aus den bloßen Kapiteltiteln ein, welcher reiche Schatz der Belehrung außer den eigentlichen Fachgelehrten auch für den praktischen Landwirth, den Techniker, den Schiffahrer und den Arzt in dem Werke niedergelegt ist. Die Ausführungen über das Ozon und seine Bedeutung für die menschliche Gesundheit sind für Jedermann von Interesse, ebenso , über den Moorrauch und die Mittel, diese Landplage völlig zu beseitigen.
*
Redaktion und Rendantur: Schwieger.
Berlin: Verlag der Expedition (Kessel). Druck:
Zwei Beilagen leinschli lich Börsen⸗Beilage.)
W. Elsner.
* M* 2
Landtags⸗Angelegenheiten.
Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Anlage von Sisenbahnen.
(Schluß aus Nr. 8 d. Bl.)
§. 14. (II. Anlage von Privat-Eisenbahnen. 1. Ertheilung der landesherrlichen Konzessien. Die Genehmigung zur Anlage und zum Betriebe von Eisenbahnen, welche durch andere Unternehmer, als den Staat ausgeführt werden sellen, erfolgt auf den Antrag des Staats Ministeriums durch landesherrliche Konzession.
Der Antrag auf Ertheilung derselben ist au den Handels⸗Mini⸗ ster zu richten. Der Antrag muß enthalten:
I) die Bezeichnung des Konzessionsbewerbes und des Sitzes der für das Unternehmen einzusetzenden Verwaltung,
2) die in zwei Exemplaren vorzulegenden Vorarbeiten, sofern die⸗ selben für den Konzessionsbewerber angefertigt sind, oder die Bezeich— nung der bereits von anderen Unternehmern angefertigten und einge— reichten Vorarbeiten,
3) die Bezeichnung der Frist, innerhalb welcher die betriebsfähige Herstellung der Bahn in Aussicht genommen ist,
) die Angabe, in welcher Art die Aufbringung des nach dem Vostenanschlage zum Bau und zur Ausrüstung der Bahn erforderlichen Kapitals beabsichtigt, sowie die Bezeichnung der Frist, welche für den Nachweis der Aufbringung in Anspruch genommen wird,
5). den Prospekt, durch welchen die Aufforderung zur Zeichnung von Aktien erfolgen soll, sofern die Konzession für eine noch zu bildende Aktiengesellschaft nachgefucht wird,
6) die Erklärung des Konzessionsbewerbers über die Annahme der allgemeinen Konzessionsbedingungen.
S. 15. Wird das Konzesssonsgesuch nach Anhörung des Landes—
Eisenbahnraths für genügend begründet erachtet, so sind die Vorarbei⸗ ten einer technischen Revision zu unterziehen und, soweit erforderlich, , oder die Abänderungen dem Konzessionsbewerber auf— zugeben. . S. 16. Nachdem die Vorarbeiten genügend befunden sind, ist das Projekt auf Kosten des Konzessionsbewerbers in der im §. 11 vorge— schriebenen Weise bekannt zu imgchen. Zur Deckung der entstehenden Kosten kann ein vom Handels⸗-Minister festzusetzender Vorschuß von dem Konzessione bewerber eingefordert werden.
Die Bekanntmachung muß enthalten:
. 1). die Bezeichnung des Konzessionshewerbers, sowie der Frist, innerhalb welcher die betriebsfähige Herstellung der Bahn in Aussicht genommen ist, ;
2) die Bezeichnung der allgemeinen Richtungslinie der Bahn,
3) die Angghe der Orte, an welchen innerhalb der unter Num— mer 4 vorgeschriebenen Frist und nach Maßgabe der im 5§. 17 enthal—⸗ tenen Vorschriften die Einsichtnahme der Vorarbeiten gestattet ist,
die Bestimmung einer mindestens vierwöchentlichen Frift, in— nerhalb welcher etwaige Anträge hinsichtlich des Baues und der Rich— tung der Bahn, sowie hinsichtlich der etwaigen besonderen Konzessions— bedingungen hei den Bezirkspolizeibehörden einzureichen sind,
95) die Bezeichnung des Sitzes der für das Unternehmen einzu— setzenden Verwaltung.
5. 17. Während der im §. 16, Nummer 4, bezeichneten Frist, ist je ein Uebersichtsplan für den betreffenden Theil der profektirten Linie bei den Bezirkspolizeibehörden zur Einsichtnahmem offen zu legen.
5. 18. Nach Ablauf der im §. 16 unter Nummer 4 bezeichneten Frist sind die etwa eingegangenen. Anträge von den Bezirkspolizeibe— hörden mit einem gutachtlichen Bericht über das Projekt, wie über die vorliegenden Anträge dem Ohberpräsidenten der Provinz einzureichen, welcher die Anträge und Berichte in gleicher Weife dem Handelsmini— ster überreicht.
§. 19. Nach Eingang der im 8§. 18 vorgeschriebenen Berichte er= folgt, die Prüfung des Konzessionsgesuches in Verbindung mit den etwaigen Konkurrenzbewerbungen, sowie der etwa eingegangenen An— träge durch den Landeseisenbahnrath.
Der Landeseisenbahnrath ist zu hören:
— 7 über die Zulassung oder Ablehnung des Konzessionsgesuchs, 22) über die Feststellung der Konzessionsbedingungen, insbesondere über die Art und den Nachweis der Aufbringung des nach dem Kosten⸗ anschlage zum Bau und zur Ausrüstung der Bahn erforderlichen Ka— pitals 6 21)
§. 20. Wenn mehrere Konzessionsgesuche für dasselbe Eisenbahn⸗ unternehmen oder für verschi- dene Eisenbahnunternehmungen, deren gleichzeitige Zulassung nicht angänglich erscheint, vorliegen, so ist nach Maßgabe des öffentlichen Inkeresses zu entscheiden, welcher der ver— schiedenen Unternehmungen oder welchem der verschiedenen Bewerber der Vorzug zu geben ist. ;
Für letzteren Fall ist insbesondere zu berücksichtigen, wer für die dem Zwecke des Unternehmens entsprechende Betriebsleitung am meisten geeignet erscheint, und von wem die solide und baldige Ausführung des . vorzugsweise zu erwarten ist.
Sz. 21. Die allgemeinen Konzessionsbedingungen werden periodisch nach Anhörung des Landes-Eisenbahnraths festgestellt und der Landes— vertretung zur Kenntnißnahme mitgetheilt. Sie beziehen sich vor— zugsweise auf die Art, den Umfang und die Beaufsichtigung der bau— lichen Ausführung und Ausrüstung der Bahn, auf die Verpflichtung zur Zahlung einer Konventionalstrafe für den Fall der nicht rechtzeitigen plan⸗ und anschlagsmäßigen Vollendung der Bahn, — auf die Bil dung eines Reserve und Erneuerungsfends, — auf die Vorbehalte des Staates bezüglich der Tarife und Fahrpläne, — auf die Bestellung und Qualifikation der Mitglieder des Vorstandes, welchen die Ver— waltung des Unternehmens übertragen werden soll, — auf die Ver—⸗ pflichtungen, welche dem Konzessionsbewerber zu Gunsten der Post—
erwaltung, der Telegraphenverwaltung, der Militärverwaltung und hinsichtlich der Anstellung und Penstonirung der bei dem Betriebe der Bahn anzustellenden Beamten aufzuerlegen sind. Die besonderen Konzessionsbedingungen werden in jedem einzelnen Falle durch den, Handelsminister nach Anhörung des . festgestellt. In denselben ist insbesondere die Firma. und der Sitz der Verwaltung des Unternehmens, die Höhe und die Art der Aufbringung des zum Bau und zur Ausrüstung der Bahn zu verwendenden Kapitals, die Frist für die betriebsfähige Voll. endung und Ausrüstung der Bahn, die im Fall der Versaäumniß der Frist zu entrichtende Konventionalstrafe, sowie die Höhe der etwa zu bestellenden Kantion zu bestimmen.
Wenn die Konzession auf Grund der von einem anderen Unter— nehmer angefertigten Vorgrheiten nachgesucht wird, so ist dem Be— werber zugleich die Verpflichtung aufzuerlegen, dem ersteren eine von dem Handelsminister nach Anhörung des Landeseisenbahnraths festzu— setzende Entschädigung zu zahlen.
In gleicher. Weise, wie Die Festsetzung der Konzessionsbedingungen, erfolgt die Bestimmung der Fristen für die Vorlegung der im 8. 21 Abs. 2 bezeichneten Nachweisungen.
5§. 22. Die, Konzessions⸗Urkunde muß enthalten:
1) die Bezeichnung des Konzessiensberechtigten,
2) die Bezeichnung, der Endpunkte oder der allgemeinen Rich—= tungslinie der Bahn, für welche die Konzession ertheilt wird,
3) die Angabe des zum Bau und zur Ausrüstung der Bahn fest—⸗ gesetzten Anlagekapitals, ; ;
4) die allgemeinen und besonderen Bedingungen, unter welchen die Konzession ertheilt wird, /
5) die etwaige Verleihung des Rechtes zur Enteignung und zur
Beilage
zum Deutschen Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger. S.
Montag, den 12. Januar
vorübergehenden Benutzung fremder Grundstücke nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen.
§. 23. Der Entwurf der Konzessions⸗Urkunde wird dem Kon⸗ zessionsbewerber mit der Aufforderung mitgetheilt, sich binnen einer bestimmten Frist über die Annahme der Konzessionsbedingungen zu er⸗ klären. Erklärt sich der Konzessionsbewerber innerhalb der Frist nicht, so kann das Konzessionsgesuch als zurückgenemmen angesehen werden. Ueber eine von dem Konzessionsbewerber beantragte Abänderung des Entwurfs der Konzessions⸗Urkunde ist der Landeseisenbahnrath noch— mals zu hoͤren. ; ;
§. 24. Die Wirksamkeit der Konzession beginnt nach deren Ver⸗ kündung mit dem im §. 4 des Gesetzes vom 10. April 1872 (Gesetz⸗ Sammlung S. 357) bestimmten Tage.
Vor Veckündung der Konzession ist die Bestellung der nach 5§. Al,
Abs. 2 etwa erforderten Kaution, sowie die Aufbringung des festgesetz⸗.
ten Anlage⸗Kapitals nachzuweisen. .
Wenn die Konzession einer Eisenbahn-⸗Aktien⸗Gesellschaft ertheilt wird, so ist zugleich die Uebereinstimmung des Statuts mit den Kon— zessions⸗Bedingungen, sowie die Eintragung desselben in das Handels⸗ register, desgleichen die Zeichnung des Aktien Kapitals durch Vorlegung beglaubigter Zeichenscheine und die Kreditfähigkeit der Zeichner nach zuweisen. Die Zeichner müssen sich in den Zeichenscheinen der Bedin— gung unterwerfen, daß sie zur Einzahlung der ersten Zwanzig Prozent des Nominalbetrages der Aktien sowohl während des Beftehens der Gesellschaft, als nach deren Auflösung auch von dem Handels⸗Minister ö Wege der administrativen Zwangsvollstreckung angehalten werden önnen.
Bei Ertheilung von Konzessionen an bestehende Eiskabahn · Aktien⸗ gesellschaften kann von dem Nachweise der Aufbringung des Anlage⸗ Kapitals abgesehen werden. .
§. 25. Die landesherrliche Vollziehung der Konzessions-Urkunde ist dem Konzessienshewerber mit der Aufforderung mitzutheilen, die im §. 24 bezeichneten Nachweisungen innerhalb der festgesetzten Fristen (G. 21, Abs. 4) vorzulegen.
Die Prüf ung der vorgelegten Nachweisungen erfolgt durch den Han⸗ dels⸗Minister nach Anhörung des Landeseisenbahnraths. Dieser kann eine Vervollständigung der Vorlagen Seitens des Konzessionsbewerbers oder amtliche Ermitselungen über dieselben anordnen.
§. 26. Werden die im §. 24 bezeichneten Nachweisungen inner⸗ halb der festgesetzten Fristen nicht vollständig vorgelegt, so kann das Konzessionsgesuch als zurückgenommen angesehen werden.
Ergeben sich vor der Verkündung der Konzessions-Urkunde Beden=
ken, ob die Voraussetzungen der Zulassung des Konzessionsgesuchs vor— handen sind, so bleibt dem Handels⸗Minister vorbehalten, die nochmalige Prüfung durch den Landeseisenbahnrath zu veranlassen. ; 8. 27. Bei Verkündung der Konzession ist dieselbe zugleich durch das für die amtlichen Bekanntmachungen der Eisenbahnverwaltung bestimmte Blatt zu veröffentlichen und eine Ausfertigung der Kon— zessions⸗Urkunde dem Bewerber auszuhändigen.
Die Zurücknahme und die Ablehnung von Konzessionsgesuchen wird nach Maßgabe des §. 11 veröffentlicht, sofern die im S. 16 vor⸗ geschriebene Bekanntmachung bereits stattgefunden hat. ;
§. 28. (2. Bau und Ausrüstung der Eisenbahnen.) Die Beauf⸗ sichtigung der baulichen Ausführung und Ausrsstung einer Bahnanlage erfolgt durch den Handels⸗Minister und die ihm nachgeordneten Auf⸗ sichtsbehörden und Aufsichtsbeamten. w
§. 29. Die Bahnlinie in ihrer vollständigen Durchführung durch alle Zwischenpunkte wird auf Grund der von dem Unternehmer einzu— reichenden speziellen Vorarbeiten durch den Handels⸗Minister nach vor⸗ gängiger landespolizeilicher Prüfung festgesetzt. Ebenso erfolgt die Festsetzung der Bauprojekte und der Konstruktiensverhältnisse der an—⸗ zuwendenden Betriebsmittel durch den Handels⸗Minister.
§. 30. Der Ban und die Ausrüsfung der Bahn sind nach Maß— gabe der festgestellten Prosekte und der Grundlagen, auf welchen der Anschlag für die Feststellung des Baukapitals beruht, auszuführen.
31. Ist die Konzession einer Eisenbahn-Aktiengesellschaft er⸗ theilt, so können auf Anordnung des Handels⸗Ministers bis zur Voll— endung des Baues und der Ausrüstung der Bahn auf Grund der in den Zeichenscheinen übernommenen Verpflichtung der Aktionäre die ersten zwanzig Prozent des Nominalbetrages der Aktien im admini⸗ strativen Zwangsverfahren zur Gesellschaftskafse eingezogen und unter Aufsicht der Staatsbehörden für die Bahnanlage verwendet werden.
§. 32. Ergiebt sich nach Vollendung der Bahnanlage eine Ge— sammtersparniß, so sind die Konzessionsinkaber verpflichtet, auf Ver— langen des Handels⸗Ministers den Betrag derselben dem Reservefond der Bahn zuzuführen.
Im Falle der Unzulänglichkeit des in der Konzessions Urkunde fest⸗ gesetzten Anlagekapitals hat der Handels ⸗Minister auf Antrag des Konzessionsinhabers nach Anhörung des Landeseisenbahnrathes die landesherrliche Genehmigung zur Erhöhung des Anlagekapitals nach— zusuchen, wenn die bei der Festsetzung des zum Bau und zur Aus— rüsturg der Bahn erforderlichen Kapitals maßgebenden Grundlagen ohne Schuld des Konzessionsinhabers bei der Bauausführung sich nicht als zutreffend erwiesen oder eine wesentliche Aenderung erlitten haben.
Ist dagegen die Unzulänglichkeit des Anlagekapitals von dem Konzessionsinhaber verschuldet, so kann auf Anirag des Konzessions— Inhabers nach Anhörung des Landeseisenbahnraths die landesherr— liche Genehmigung zur Erhöhung des Kapitals nur nachgesucht wer—⸗ der, wenn im öffentlichen Interesse von der Zurücknahme der Konzes⸗ sion (5. 41᷑ Nr. 3) abzusehen ist. In diesem Falle darf die Bewilli⸗ gung von besonderen Bedingungen abhängig gemacht werden. um die n n. des Kapitals zur rechtzeitigen Vollendung der Bahn sicher zu stellen.
§. 33. Die Bahn darf dem Verkehr nicht eher eröffnet werden, als nach vorgängiger Revision der Anlage vom Handels-Minister die Genehmigung hierzu ertheilt ist. Die Revision erfolgt durch die Eisenbahn⸗Aufsichtsbehörde unter Mitwirkung der Bezirks⸗Polizeibehör⸗ den. Der Termin zur Repision und Abnahme der Bahn wird in der im 5. 11 vorgeschriebenen Weise mindestens 14 Tage vorher ein⸗ mal bekannt gemacht und zu demselben der Unternehmer der Bahn⸗ anlage besonders eingeladen.
Der Unternehmer ist verpflichtet, auf Verlangen des Handels⸗ Ministers betriebsfähig vollendete Bahnstrecken schon vor Ablauf der Baufrist dem Verkehr zu übergeben. ;
§. 34. (3. Abänderungen der Konzessions-Urkunden.) Abände⸗ rungen der Konzessions-Urkunden erfolgen durch landesberrlichen Erlaß und sind vom Handels ⸗Minister nach Anhörung des Landeseisenbahn⸗ raths und nach erfolgter Zustimmung des Staats⸗Ministeriums zu beantragen. Abänderungen der Statuten der Eisenbahn⸗Aktiengesell⸗ schaften sind zur Prüfung der Uebereinstimmung mit den Konzessions—
bedin . dem Handels⸗Minister vorzulegen.
Diese Bestimmungen finden in gleicher Weise Anwendung bei Uebertragung des Eigenthums oder des Betriebes einer Eisendahn an einen anderen Unternehmer, bei der Vereinigung des Eigenthums oder des Betriebes mehrerer Eisenhahnen, sowie bei allen Vereinba⸗ rungen, durch welche die Selbständigkeit eines Eisenbahnunternehmens zu Gunsten eines anderen aufgehoben wird.
Die §§. 24 bis 27 finden bei Abänderungen der Konzessions⸗ Urkunden entsprechende Anwendung. .
385. (14. , der Eisenbahn⸗Konzessionen Die Konzession zum Bau und Betriebe einer Eisenbahn erlischt:
I) durch Verzicht oder Wegfall des berechtigten Inhabers (8. 36), ; . durch den Erwerb der Bahn Seitens des Staates (95. 37
is
3) durch die Zurücknahme der Konzession (55§. 41 und 47.
187M.
Die Erlöschung der Konzession wird in der im 8. I1 vorgeschrie= benen Weise öffentlich bekannt gemacht.
S. 36. Der Verzicht auf die Konzession erfolgt durch Einreichung einer notariell oder gerichtlich beurkundeten Erklärung des Kenzessions— Inhabers an den Handels- Minister.
X 37. Nach Ablauf eines Zeitraumz von 30 Jahren, welcher mit dem Tage der Wirksamkeit der Konzession (8. 24 Abs. I) beginnt, ist der Staat die Bahn nebst den Transportmitteln und allem Zu⸗ behör gegen Entschädigung des Bahneigenthümers zu übernehmen ve⸗ rechtigt. Die Uebernahme kann nur mit dem Beginn eines neuen Be—⸗ triebs sahres und nur nach einer sechs Monate vorher zu bewirkenden Anzeige, daß und mit welchem Zeitpunkte die Uebernahme Seitens des Staates beabsichtigt werde, erfolgen.
§. 38. Erfolgt die Uebernahme der Bahn durch den Staat nach Ablauf eines Zeitraumes vos 90 Jahren vom Tage der Wirksamkeit der ersten Konzessionsverleihung gerechnet, fo erwirbt der Staat das Eigenthum der Bahn nebst sämmtlichem unbeweglichem Zubehör mit Ausnahme der außerhalb des Bahngebiets belegenen, zum Betriebe nicht erforderlichen Immobilien unentgeltlich, das Eigenthum an dem beweglichen Zuhehör einschließlich der Betriebsmittel gegen Zahlung des Schätzungswerthes.
Die Feststellung des Schätzungswerthes erfolgt, in Ermangelun einer Verständigung mit dem Bahneigenthümer, durch ein aus 6 Sachverständigen zu bildendes Schiedsgericht, von denen zwei vom Handels-Minister, zwei vom Bahneigenthümer und einer von dem ersten Präsidenten desjenigen Appellationsgerichts, in dessen Bezirk die Bahnverwaltung ihren Sitz hat, ernannt werden. Sofern der eine oder andere Theil einer Aufforderung zur Benennung der von ihm zu bezeichnenden Sachverständigen innerhalb vier Wochen keine Folge giebt, erfolgt die Benennung derselben ebenfalls durch den ersten Prä— sidenten des bezeichneten Appellationgerichts. Dasselbe findet statt, . Sachverständiger das von ihm erforderte Gutachten nicht abgiebt.
Schulden aus den zu Lasten des Unternehmens aufgenommenen Darlehen gehen nur in so weit auf den Staat über, als die Auf— nahme mit Genehmigung des Staates stattgefunden hat.
§. 39. Erfolgt die Uebernahme der Bahn durch den Staat vor Ablauf, des Zeitraums von 90 Jahren, so ist dem Bahneigenthümer die Entschädigung in einer Rente zu gewähren, welche dem durchschnitt- lichen Betrage der während der letzten 5 Jahre — einschließlich des Jahres, in welchem dem Bahneigenthümer von der beabsichtigten Uebernahme die vorgeschriebene Anzeige gemacht ift — gewonnenen Reinerträge gleichkommt. Die Feststellung der Reinerträge erfolgt, in Ermangelung einer Verständigung mit dem Bahneigenthümer, nach dem wirklichen Betriebsaufkommen der abzutretenden Bahnstrecke durch ein nach 5. 38 zu bildendes Schiedsgericht. Die bezeichnete Rente muß dem Bahneigenthümer bis zum Ablauf des Zeitraums von 20 Jahren gewährt werden. Nach Ablauf dieses Zestraums ist der Bahneigenthümer nur die Entschädigungen nach Maßgabe der Be⸗ stimmungen des §. 38 zu verlangen berechtigt, deren Betrag in Er⸗ mangelung einer Verständigung vor erfolgter Uebernahme der Bahn durch den Staat festgestellt werden muß,
Der Bahneigenthümer ist jedoch berechtigt, bei Abtretung der Bahn die nach 5. 38 festgestellte Entschädigung nach Abzug des mit fünf Prozent Zins auf Zins zu berechnenden Interusuriums und statt der Rente eine Kapitalabfindung zu fordern, welche, mit Zinsen zu fünf Prozent gerechnet, zur Entrichtung der Rente für die Dauer der Konzession ausreichen würde.
§. 40. Wenn der Staat von den ihm im §§. 37 bis 39 einge⸗ räumten Befugnissen Gebrauch macht, so ist der Bahneigenthümer zu verlangen berechtigt, daß auch die übrigen nach Ertheilung der Kon— zessten für die an den Staat abzutretende Bahn ihm konzessionirten und an dieselbe unmittelbar anschließenden Bahnstrecken gegen die in vorstehender Weise zu gewährende Entschädigung vom Staate käuflich übernommen werden.
§. 41. Die Konzession kann zurückgenommen werden, wenn eine der dem Konzessions⸗Inhaber gesetzlich obliegenden oder durch die Konzessions⸗Urkunde auferlegten Verpflichtungen nicht erfüllt wird, insbesondere:
I) wenn die in den Konzessionsbedingungen für die Vollendung der Bahnanlage festgesetzte Baufrist nicht innegehalten wird,
2) wenn bei Ausführung des Baues wesentliche Abweichungen von den festgestellten Projekten stattgefunden haben,
3) wenn vor betriebsfähiger Vollendung der Bahnanlage wegen Unzulänglichkeit der noch vorhandenen Baumittel die Erhöhung des Baukapitals von den Konzessions⸗Inhabern nachgesucht wird, und die beantragte Erhöhung nach den im S§ 32 enthaltenen Vorschriften nicht bewilligt oder die bewilligte Erhöhung des Anlagekapitals nicht auf— gebracht werden kann, .
4) wenn ohne die landesherrliche Genehmigung das Eigenthum oder der Betrieb einer Eisenbahn einem anderen Unternehmer über— tragen, oder mit demselben eine Vereinbarung getroffen ist, durch welche die Selbständigkeit des Unternehmens aufgehoben wird,
5) wenn durch eine Aenderung des Statuts der Eisenbahn⸗Aktien⸗ Gesellschaften die Uebereinstimmung desselben mit den Konzessions—⸗ bedingungen aufgehoben wird.
Vor Zurücknahme der Konzession ist dem Konzessions-Inhaber eine endliche Frist für die Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen zu bewilligen, sofern nicht die Erfüllung derselben unmöglich gewor— den ist. ;
§. 12. Die Zurücknahme der Konzession in den Fällen des §. 41 erfolgt durch landesherrlichen Erlaß. Dieselbe wird nach Anhörung des Landeseisenbahnraths vom Handels⸗Minister beantragt.
5. 43. Wenn die Konzession in den unter Nummer 1 und 3 des §. 34 aufgeführten Fällen erlischt, so ist der Landeseisenbahnrath darüber zu hören, ob die Eisenbahnanlage aufgegeben oder für Rech— nung des Eigenthümers öffentlich versteigert werden soll.
Die Aufgabe der Eisenbahnanlage, bedarf der landesherrlichen Genehmigung, welche vom Handels⸗Minister beantragt und in der im §. 11 vorgeschriebenen Weise bekannt gemacht wird.
War die Konzession einer Eisenbahn ⸗Aktien⸗Gesellschaft ertheilt, so können auf Anordnung des Handels-Ministers auf Grund der in den Zeichenscheinen übernommenen Verpflichtung der Aktionäre die ersten zwanzig Prozent des Nominalbetrages der Aktien zur Staatskasse ein gezogen werden. Die eingegangenen Beträge sind, soweit sie nicht zur Befriedigung von Gläubigern der Gesellschaft erforderlich sind, im Falle der Versteigerung der Bahnanlage dem Ankäufer behufs Ver⸗ wendung für die Bahnanlage unter Aufsicht des Handels⸗Ministers zu überweisen, in allen anderen Fällen anderweit zu Staatseisenbahn— zwecken zu verwenden. z
§. 44. (5. Oeffentliche Versteigerung der Eisenbahnanlagen.) Gegenstand der öffentlichen Versteigerung ist die Bahnanlage, wie sie steht und liegt, nebst allem beweglichen und unbeweglichen Zubehör und 34. vorhandenen, für den Bau oder Betrieb der Bahn bestimmten Vorrãaͤthen.
5§. 45. Die Versteigerung erfolgt am Sitze der bisherigen Ver= waltung der Eisenbahn durch einen im Auftrage des Handels⸗Ministers von dem Landeseisenbahnrath zu bestimmenden Kommifsar.
. 46. Zur öffentlichen Einsicht sind von dem Tage der ersten Bekanntmachung des Versteigerungstermins bis zum Schlusse desselben an dem bezeichneten r gr. auszulegen:
1). eine beglaubigte Abschrift der Konzessionsurkunde, sowie der die Aufhebung der Konzession nachweisenden Ürkunden,
2) eine Beschreibung der Bahn nach ihrer Lage, ihrer Ausdeh⸗ nung und ihrem baulichen Zustande,
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