1874 / 11 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 14 Jan 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Bezüglich der zur Erhebung der Zölle dienenden Einrich⸗ tungen ist auf der Basis des vom 11. Juni 1869 ab in Kraft getretenen Vereins⸗Zollgesetzes weiter gebaut. Es ist dabei den auf Vereinfachung und Erleichterung der zollamtlichen Abferti⸗ gung gerichteten Wünschen des Handelsstandes entgegengekom⸗ men, soweit es ohne Gefährdung der Sicherheit des Zollinteresses thunlich erschien. Von diesem Gesichtspunkte aus ist in dem Jahre 1870 ein neues Begleitschein⸗ und Niederlage⸗Regulativ, ein Regulativ für die zollamtliche Behandlung des Güter⸗ und Effekten⸗Transports auf den Eisenbahnen, ferner ein Re⸗ gulativ für Privatläger und Theilungsläger erlassen. Dagegen ist die den Weingroßhändlern früher zugestandene Vergünstigung eines Zollerlasses von 20 Prozent vom 1. Januar 1872 ab beseitigt worden, da dieselbe zu Mißbräuchen Anlaß gab, auch ein ferneres Bedürfniß einer solchen Bewilligung um so weniger anzuerkennen war, nachdem in Folge des Vertrages mit Oester⸗ reich vom 9. März 1868 der Weinzoll von 4 Thlr. auf 2 Thlr. 20 Sgr. für den Centner herabgesetzt war. Zugleich ist jedoch den Weinhändlern durch die Gewährung von Weintheilungs⸗ lägern die Möglichkeit gegeben, sich in die Lage zu setzen, daß nur die wirklich in den Verbrauch übergehende Weinmenge zur Verzollung gelangt.

b. Rübenzuckersteuer.

Die Besteuerung der Rübenzucker⸗ Fabrikation im Zoll⸗ verein datirt vom Jahre 1841. Die Steuer wurde Anfangs auf 10 Sgr. für den Centner Rohzucker oder 10 Pf. für den Centner verarbeiteter Rüben festgesetzt. Vom 1. September 1844 ab trat eine Erhöhung auf 1 Thlr. für den Centner Rohzucker oder 1 Sgr. 6 Pf. für den Centner verarbeiteter Rüben ein. Dieser Satz wurde bis zum 1. September 1850 beibehalten. Inzwischen nahm die Rübenzucker⸗Industrie einen bedeutenden Aufschwung; zum er⸗ heblichen Nachtheil für die Zoll⸗Intraden verdrängte der Rüben⸗ zucker einen großen Theil des Kolonialzuckers. Dies gab zur Erhöhung der Steuer vom 1. September 1850 auf 3 Sgr. für den Centner Rüben Veranlassung. Vom 1. September 1853 wurde der Satz auf 6 Sgr., vom 1. September 1858 auf 74 Sgr., vom 1. September 1869 endlich auf 8 Sgr. für den Centner Rüben erhöht, welcher Satz noch jetzt besteht. Durch das Gesetz vom 26. Juni 1869 wurde zugleich der Eingangszoll für Zucker anderweit normirt. Danach unterliegt raffinirter Zucker aller Art, sowie Rohzucker, wenn letzterer den nach Anleitung des niederländischen Standart Nr. 19 und darüber zu bestimmenden Mustern entspricht, einem Zoll von 5 Thlr., anderer als der bezeichnete Rohzucker dem Zolle von 4 Thlr. Bei der Ausfuhr von Zucker wird eine nach dem Grade der Polarisation verschieden bemessene Ausfuhr⸗Vergü⸗ tung gewährt, nämlich für Rohzucker von mindestens 88 Prozent Polarisation 3 Thlr. 4 Sgr., für Kandis und für Brodzucker 3 Thlr. 25 Sgr., für allen übrigen Zucker in Krystall⸗, Kruͤmel⸗ oder Mehlform von mindestens 98 Prozent Polarisation 3 Thlr. 18 Sgr.

Im Laufe der Zeit ist die mächtig entwickelte Rübenzucker⸗ Industrie dazu gelangt, nicht allein den Kolonialzucker vom in⸗ ländischen Markte fast ganz zu verdrängen, sondern auch erheb⸗ liche Mengen nach dem Auslande abzusetzen.

Nach der anliegenden Uebersicht belief sich die Zahl der Rübenzucker⸗Fabriken

im Jahre 1870 im Zollverein auf 303, in Preußen auf 226, JJ n n 1872 7 1 1 324, 1 1 n 243. Im Jahre 1873 sind einige neue Fabriken im ⸗Entstehen begriffen.

Die Menge der versteuerten Rüben betrug: . darnnter in mit einem Steuerertrage e, e , .

Ctr. Ctr.

Ctr. im Jahre 1370 51,689,431 37,870,215 12,569, 398 1871 58,769,712 43, 174, 198 12,522, 640 18727 52,390 900 39 236, 783 13,463, 414 Eingeführt wurden in den Zollverein: an raffinirtem Zucker: Rohzucker: im Jahre 1570 28,913 Ctr. 48,9235 Ctr. ö 60730, 150,367 „j . . 570, 181 Ausgeführt gegen Steuervergütung wurden: an raffinirtem Zucker: Rohzucker: im Jahre 1870 205,760 Ctr. 61, 955 Ctr. J . 183,923 , . k 131,838 237,966

Die vermehrte Einfuhr von fremdem Zucker und die Min⸗ derausfuhr im Jahre 1872 findet theils ihren Grund in der schlechten Rübenernte, welche eine Verminderung der inländischen Zuckerproduktion zur Folge hatte, theils hat zur Vermehrung der Einfuhr von Raffinade, welche sich namentlich bei der Ein⸗ fuhr aus Frankreich zeigt, der Umstand beigetragen, daß die französischen Raffinadeure, welche durch künstliche Färbung des Rohzuckers in Bezug auf die in Frankreich zu entrichtende Steuer eine niedrigere Klassifizirung des Rohzuckers, als dessen Raffinationswerth entspricht, zu erreichen wußten, faktisch eine Aus fuhr⸗Prämie genossen.

Gegen die Beibehaltung des jetzigen Systems der Zuckerbesteue⸗ rung in Deutschland sind in neuerer Zeit gewichtige Bedenken er⸗ hoben. Es ist anzuerkennen, daß sowohl die Polarisation, von deren Ergebniß die Höhe der Ausfuhrvergütung abhängt, als das Typen⸗ system, nach welchem der Zoll bei der Einfuhr von Rohzucker bemessen wird, sehr unvollkommene Mittel zur Beurtheilung des wahren Raffinationswerths des Rohzuckers sind. Indem man sich mit Rücksicht hierauf bei der optischen Prüfung (der Polari⸗ sation) mit der Feststellung von zwei Minimalwerthen begnügte, hat sich das dem Interesse der Staatskasse nicht entsprechende Resultat ergeben, daß der inländische Zuckerfabrikant vorzugs⸗ weise geringwerthige Produkte ausführt, weil die Vergütung bei 88 Prozent Polarisation eben so hoch ist, wie bei 98 Prozent.

Die Beurtheilung nach Typen aber, welche von vornherein

1 1

n f

zusammen: 77, 838 Ctr. ,, S72, 194

zusammen: 267,715 Ctr.

nicht unerheblichen Bedenken unterlag, ist völlig unhaltbar ge⸗

worden, seitdem in Frankreich zur Taäͤuschung der Behörden die künstliche Färbung des Zuckers durch Karamel oder andere Mittel in Gebrauch gekommen ist. Bei der großen finanziellen Wichtigkeit der Zuckerbesteuerung ist es der Gegenstand sorgfäl⸗ tiger Erwägung der Regierung, ob nicht zu einer für den Zoll⸗ dienst praktisch verwendbaren sicheren Methode für die Bestim⸗ mung des Raffinationswerthes des Rohzuckers zu gelangen ist. Von dem Ertrage der Rübenzuckersteuer verbleibt nach

5. 38 der der heren der Kasse der einzelnen betheiligten undesstaaten nur die Vergütung, welche nach den jeweiligen Beschlüssen des Bundesraths für die Kosten der Ver⸗ waltung zu gewähren ist. Nach den früheren Verabredun⸗ gen unter den Zollvereinsstaaten wurden nur die Kosten vergütet, welche durch die Beaufsichtigung der Rüben⸗

zucker⸗ Fabriken entstanden, und speziell liquidirt werden mußten; für die Erhebung der Rübenzuckersteuer durften dem Verein keine Kosten aufgerechnet werden. ierin ist auf dies⸗ seitigen Antrag eine für Preußen finanziell nicht unwichtige Aenderung eingetreten. Durch einen Beschluß des Bundesraths ist bestimmt, daß vom 1. September 1871 ab die spezielle Li⸗ quidation der Beaufsichtigungskosten von Rübenzucker⸗Fabriken wegfallen solle, und dagegen den Bundesstaaten eine auf die Einnahme in Anrechnung zu bringende Verwaltungskosten⸗Ver⸗ gütung von 4 Prozent des erhobenen Brutto⸗ Ertrages der Steuer gewährt werde. Es erlangt Preußen hierdurch einen ausreichenden Ersatz für den ihm erwachsenden Aufwand an Verwaltungskosten; zugleich ist eine sehr wünschenswerthe Ver⸗ einfachung der Liquidation herbeigeführt. Die Preußen gewährte Vergütung hat sich gestellt: im Jahre 18790 auf 270, 0983 Thlr. 18374 , 417.973 1872 , 418,539 ,

7 9 1 9.

N eichstags⸗ Angelegenheiten.

Berlin, 14. Januar. Die amtlichen Meldungen über die Ergebnisse der Reichstagswahlen am 10. d. M. sind bis zum Schlusse des Blattes so unvollständig eingegangen, daß erst für wenige größere Wahlkörper die Resultate ganz zu über⸗ sehen sind. Indem wir dieselben nachstehend mittheilen, behal⸗ ten wir uns die Veröffentlichung des vollständigen Verzeich⸗ nisses der gewählten Abgeordneten bis zu den nächsten Ta⸗ gen vor. (6 bedeutet Wiederwahl.)

Berlin. J. Wahlkreis: agen Stadtältester und Bankdirektor zu Berlin. 2. Wahlkreis: Klotz, Kreisgerichts Rath zu Berlin. 3. Wahlkreis: Freiherr von Hoverb eck. 4. Wahlkreis: Dr. Eberty, StadtgerichtsRath zu Berlin. 5. Wahlbezirk: Franz Duncker“, Buchhändler zu Berlin. 6. Wahlbezirk: Engere Wahl. ö Großherzogthum Mecklenbur g⸗Schwerin. Landwehr⸗ Compagniebezirke Hagenow und Grevesmühlen: Dr. Ih nch Reg⸗Rath und Geh. Legations⸗Rath a4. D. in Schwerin. Landwehr⸗Compagniebezirke Schwerin und Wismar: Haupt, Bürgermeister. Landwehr ⸗Compagniebezirke Parchim und Ludwigslust: Dr. Wigger s. * Landwehr⸗Compagniebezirke Malchin und Waren: Pogge,“ Ritter⸗ gutsbesitzer in Roggow bei Lalendorf. ; . Compagniebezirke Rostock und Doberan: Dr. Baum⸗ garten. Landwehr⸗GCompagniebezirke Güstrow und Ribnitz: Büsing,“ Advokat in Schwerin. . ; Großherzogthum Mecklenburg⸗Strelitz. Großherzogthum Mecklenburg-Strelitz: Pog ge,“ Rittergutsbesitzer in Blankenhof hei Neu⸗Brandenburg. . Fürstenthum Schwarzburg⸗Rudolstadt. . 3, Schwarzburg⸗Rudolstadt: Hoffmann, Stadtrichter in Berlin. . Fürstenthum Schmarzburg ⸗Sondershausen. Fürstenthum Schwarzburg⸗-Sondershausen: Valentin, Justizrath, in Kreischa bei Dresden. ñ Fürstenthum Lippe. 1. Fürstenthum Lippe: Hausmann“, Stadtrichter in Gera. Freie Stadt Bremen. 1. Freie Stadt Bremen: A. G. Mosle“, Kaufmann in Bremen.

Soviel bis jetzt feststeht, werden in folgenden Wahlkreisen engere Wahlen stattfinden:

6, Berlin. (Schulze⸗Delitzsch, Hasenelever). 1. Brom⸗ berg. (oon Klitzing⸗Dziembowo, Propst Kwiatowski) 4. Hannover. (von Mallinckrodt. Struckm ann). 8. Hannover. Dr. Ewald, Laporte) 3. Minden. (Freiherr Bruno von Schrötter, Kaufmann Kisker in Halle). 6. Wiesbaden. (Dr. Lasker, Sonnemann). 2. Düsseldorf. (DOr. Stader, Hasfel— mann). 3. Düsseldorf. (Klöppel, Freiherr von Schorlemer— Alst). 23. Königreich Sachsen.

Statistische Machrichten.

München, 12. Januar. Von gestern bis heute Abend sind dahier an Cholera 28 Erkrankungen und 12 Todesfälle vorgekommen. Die Gesammtzahl der seit Beginn der Cholera vorgekommenen Todesfälle hat gestern die Zahl 1069 überschritten (1005); der Gesammtstand der Erkrankungen beträgt 2186.

Im Königreich Sachsen starben nach dem „Dritten Jahres bericht des Landes⸗Medizinal⸗Kollegiums über das Medizinalwesen im Königreich Sachsen auf das Jahr 1869 (Dresden, in Kommission hei C, Hinrich)“ im genannten Jahre 72,718 Einwohner, fast ebensoviel wie im Jahre vorher (134424). Von der Bevölkerungsziffer bildet die der Gestorbenen 29,s pro Mille; von 10,000 Lebenden starben 297. Geboren wurden im genannten Jahre auf 16009 Lebende 424 (1868: 421). Die Dichtigkeit der Bevölkerung auf dem Lande bewirkt für das Königreich Sachsen bekanntlich eine Ausnahme von der Regel, daß die Sterblich— keit der Bevölkerung auf dem platten Lande und in den kleineren Städten geringer, als in den graßen Städten, und die Tabellen für das Jahr 1869 bestätigen jene Ausnahme wieder. Unter den 20 Städten Sachsens mit mehr als 890090 Einwohnern haben die ungün⸗ stigsten Sterblichkeitsverhältnisse: Crimmitschau 341 (von 10,000 Le⸗ benden), Frankenberg 3495, Meerane 363 und Werdau 373. Dagegen weisen unter den Sterblichkeitsziffern die 122 Amtsbezirke, mit Aus⸗ schluß jener Städte, die folgenden 21: Brand 389. Burgstädt 379, Colditz 373. Geringswalde 365, Augustusburg 342, Chemnitz 343, Limbach 362, Oederan 344, Zschopau 393, Schwarzenberg 355, Wil⸗ denfels 347 Zwickau 358, Annaberg 358, Scheibenberg 344, Auer⸗ bach 356. Treuen 351, Hohenstein⸗Ernstthal 346, Lößnitz 400, Bern⸗ stadt 350, Ostritz 376 und Zittau 340, dieselben ungünstigen und noch ungünstigere Sterblichkeit s verhältnisse auf. i

„Die geringste Sterblichkeit unter den größeren Städten haben Reichenbach 236, Plauen 245, Leipzig 254 und Bautzen 264 gehabt. Unter den 122 Amtsbezirken finden sich nur 6: Großenhain 229, Strehlen 228, Markneukirchen 207, Kamenz 231, Königsbrück 224,

und Pulsnitz 202, welche rücksichtlich der Sterblichkeit noch günstiger

gestellt sind, als Reichenbach.

Was die Geburten anbetrifft, so hat deren von den Städten von mehr als 10000 Einw. Meerane die meisten: 593 auf 10,900 Lebende auf⸗ zuweisen. Von den Amtsbezirken hatte nur einer, Zwickau 597, eine noch höhere Ziffer erreicht. Die wenigsten Geburten in den gößeren Städten haben in Bautzen stattgefunden, 297 auf 10000 Lebende. In den Amtsbezirken ist 299 (Stolpen) die niedrigste Geburtsziffer.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Hannover, 12. Januar. Bekanntlich sind bereits seit längerer Zeit Arheiten im Gange, welche die Wiedervervollständigung der auf dem großen Domhofe in Hildesheim befindlichen Bernward's⸗ Säule bezwecken. Es handelt sich bei derselben zunächst um Her— stellung eines neuen Kapitäls. Auf Grund eingehender Studien, welche für die Bildung des neuen Kapitäls in den romanischen Kirchen Hildesheims gemacht worden sind, ist nunmehr im vorigen Monate das Thonmodell in wirklicher Größe in Angriff genommen worden, und darf man sich, der „N. Hann. Ztg.“ zufolge, der Hoffnung hin⸗ e enn daß dasselbe, welches einiger Zeit zur Austrocknung hedarf, bis onde d. M. soweit vollendet sein wird, um der Säule selbst oder einem vorhandenen Gypsabgusse derselben aufgepaßt zu werden. Der Bronceguß soll alsdann derartig beschleunigt werden, daß im Mai d. J. spätestens das neue Broncekapitäl auf den alten Schaft der in

funsthistorischer Beziehung besonders wichtigen Bernward's⸗Säule als Abschluß derselben gelangen wird.

. Der Dichter des „Ekkehard“ und „Trompeter von Säckingen“, Victor Scheffel, ist von dem König von Bayern durch Ver⸗ leihung des Ritterkreuzes eister Klasse des Verdienstordens vom heiligen Michael ausgezeichnet worden.

Die Nr. 4 der Wissenschaftlichen Beilage der Leip⸗ iger Zeitung vom 11. Januar hat folgenden Inhalt: Der Fürst eopold von Dessau und die Universiät zu . (Schluß) Die Wiener Gesellschaft für vervielfältigende Kunst. Recensionen und Besprechungen.

Darm stadt. S8. Januar. Am 3. d. M. trat das Gesammt—⸗ Kemits für Errichtung eines Landes denkmals zu Ehren der hessi. schen Krieger vem letzten französischen Feldzug unter dem Vorhsitz des Fürsten Bruno von Ysenburg · Büdingen in , . zusammen, zu⸗ nächst um den Bericht seines Geschäftsführers über den Spruch ent⸗ gegenzunehmen, welchen das Preisrichter Kollegium bezüglich der Oert- lichkeit gefällt. woselbst das Denkmal am Geeignetsten seine Stelle zu finden habe. Das Komite entschied sich für die Wahl des Paradeplatzes und wird demmnächst mit dem Konkurrenzausschreiben hervortreten. Die we g für das Denkmal beziffern sich bis jetzt auf die Summe von

Die Akademie der Wissenschaften in Moskau hat den Astro— nomen Facch ini in Modena eingeladen, die rusfische Expedition zur 1 des Durchgangs der Venus im Dezember 1874 mitzu⸗ machen. . ö

Stockholm, 10. Januar. Unter den ausländischen Männern der Wissenschaft, welche sich jetzt schon als Theilnehmer an dem 1874 in Stockholm stattfindenden archäologischen Kongreß gemeldet haben, befinden sich nach Mittheilung der „Post ö. Inr. Tid.“: der Anthropologie, Professor H. Schaaffhausen in Bonn; der Verfasser des ausgezeichneten Werkes „Ancient Stone Implements of great Britain“, John Ewans zu Nash Mills in der Nähe von London; der Sekretair der schottischen antiquarischen Gesellschaft Joseph Anderson in Edinburgh ; Ernest Chantre in Lyon; Professor Camillo Marineni in Caserka bei Neapel; Graf de Eigalla auf Santorin im griechischen Archipelagus; Graf Wurmbrand in Steier⸗ mark; Professor Villanova in Madrid; J. da Silva; Ignacio de Vilheng Borboza und der Abbé Antonio Bamazo de Souza e Castro

aus Lissabon. . Gewerbe und Handel.

Die jetzt wöchentlich (ieden Donnerstag) erscheinende „Zeit schrift für Gewerbe, andel und Volkswirthschaft, Organ des Oberschlesischen Berg⸗ und hüttenmännischen Vereins“, redigirt von Dr. Ad. W. Frantz zu Beuthen O.-S., enthält in Nr. 1 des XIII. Jahrgangs 1874: Rückblicke, An! und Aussichten. Gesetz⸗ gebung, Justiz; Verwaltnng, Polizei (Personalnachrichten; Bestimmun.« gen, betreffend die Annahme von Muthungen; Bekanntmachung der Königlichen Regierung zu Oppeln vom 29. Dezember 1873, betreffend die Konzession zu gewerblichen Anlagen, Legitimationsscheine und Karten für Handlungsreisende, Entscheidungen des ieder dn ger elsgerichts; Erläuterungen zum Haftpflichtgesetz; Handelsverträge der Tückei).'— Produktion, Handel, Verkehr. (Perein der deutschen Eisenindustriellen; Eisenbahntarif⸗Erhöhung; das Eisengeschäft im Jahre 1873; Versandt von Steinkohlen aus dem Zwickauer Revier; Enzlands Situation am Jahresschlusse; zur Geschäftslage in Nordamerika; die Emissionen des Jahres 1873). Literarische und technische Mittheilungen. General-Anzeiger des Oberschlesischen Industrie⸗Bezirks. Außerdem liegt bei: 1, Uebersicht von Preußens Bergbau, Hätten⸗ und Salinen⸗ betrieb im Jahre 1872. Nach der amtlichen Statistik zusammengestellt von Dr. Ad. Frantz.

Verkehrs⸗Anstalten.

Die Nr. 3 der „Zeitung des Vereins Deutscher Eisen« bahn⸗Verwaltung en“ hat folgenden Inhalt: Curhavener Eisen bahn⸗ Dampfschiff⸗ und Hafen ⸗Aktien⸗Gesellschaft (Stand und Fort⸗ gang der Bauarbeiten am Hafen und an der Bahn). Die im Bau befindlichen Strecken der Bairischen Staats⸗Eisenbahnen. Vereinsgebiet: Berliner Briefe. Rheinische Eisenbahn. Prag-Duxer Eisenhbahn, Mährisch⸗Schlesische Centralbahn und Ebensee⸗Ischl-Steger Bahn (General ⸗Versammlungen). Ausland: Rußland (Pferdebahn von Uralsk nach Samara). Garantirte Zinsen der Gisenhahn⸗Aktien. Juristisches: Rechtsfall, betreffend Schadensersatz sür verspätet gelieferte Felle. Die Frequenz und Einnahmen der Oesterreichisch⸗Ungarischen Eisenbahnen im November 1873. Literatur: Die geometrische Kon⸗ struktion von Weichenanlagen für Eisenbahngeleise, von L. Pinzger. Coursbuch der Deutschen Reichs⸗Post⸗Verwaltung, Januar 1874. Per⸗ . Coursblatt vom 31. Dezember 1873. Eisenbahn⸗

alender. New⸗York, 13. Januar. (W. T. B.) Der Postdampfer „Franklin“ des baltischen Lloyd ist heute nach Antwerpen abge⸗ gangen. Der Dampfer ‚Washington“ folgt am 20. Januar.

Aus dem Wolff'schen Telegraphen⸗Bureau.

Madrid, Dienstag, 13. Januar, Abends. General Lopez Dominguez ist heute mit seinem Generalstabe in Cartagena ein⸗ gerückt. Ein Theil der bei der Belagerung verwendeten Truppen ist bereits in der Richtung nach Valencia abmarschirt, um die Operationen gegen die Carlisten in den Provinzen Valencia und Arragonien zu beginnen.

Königliche Schauspiele.

Donnerstag, 15. Januar. (Opernhaus.) 14. Vorstellung. Die Zauberflöte. Oper in 3 Abtheilungen von Schikaneder. Musik von Mozart. Königin der Nacht: Frl. Grossi. Pamina: Frl. v. Bretfeld. Sarastro: Hr. Fricke. Tamino: Hr. Schott. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Schauspielhaus. (4. Vorstellung) Das Stiftungsfest. Schwank in 3 Akten von G. v. Moser. Vorher: Am Klavier. Lustspiel in 1 Aufzug, nach dem Französischen bearbeitet von M. A. Grandjean. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Donnerstag, 15. Januar. Im Saal⸗Theater des Königlichen Schauspielhauses. Neunte Vorstellung der französischen Schau⸗ spieler⸗Gesellschaft. Troisiséme représentation de: Ghez avo- cat. Comédie en une acte, en vers libres, par Mr. Paul Fer- rier. Troisième représentation de: Dianah. Comédie en deux actes, en prose, par Mr. Théodore Barrière. Troisièeme repré- sentation de: Les Forfaits de Pipermans. Comédie-Vaudeville en un acte par MM. Duru et Chivot.

Freitag, 16. Januar. Opernhaus. (15. Vorstellung.) Lohengrin. Romantische Oper in 3 Akten von Richard Wagner. Elsa: Fr. Mallinger. Ortrud: Frl. Lammert. König Heinrich: Hr. Krolop. Lohengrin: Hr. Niemann. Telramund: Hr. Betz. Anfang halb 7 Uhr. Hohe Preise.

Schauspielhaus. (IH. Vorstellung; Nathan der Weise. Dramatisches Gedicht in 5 Abtheilungen von G. G. Lessing. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preif e.

Die in den Händen der Schauspielhaus⸗Abonnenten ver⸗ bliebenen Abonnements⸗Billets werden von der Theater⸗Haupt⸗ Kasse gegen Erstattung des bezüglichen Betrages zurüͤck⸗ genommen.

*

Redaktion und Rendantur: Schwieger.

Berlint Verlag der Expedition (Kessel). Druck: W. Elsner. Zwei Beilagen leinschließlich Börsen⸗Beilage.)

zun Deutschen Reichs⸗Anzeiger

M 11.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 14. Januar. In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten nahm der Zustiz⸗Minister br. Leonhardt in der Disküssion über den Etat des Justiz⸗ Ministeriums in Betreff des Hauckschen Antrags, die An⸗ stellung von nur 2 Professoren sstatt 4) bei dem Ober⸗Tribunal zu billigen, nach dem Abg. Dr. Bähr das Wort:

Melne Herren! Ich bin in der eigenthümlichen Lage Sie bitten zu müssen, den Vorschlag der Königlichen Regierung abzulehnen, da— gegen den Antrag des Herrn Abg. Hauck anzunehmen. Es beruht nämlich auf einem Mißverständniß meiner Anficht, wenn die Worte in den Justizetat gekonimen sind, wie sie jetzt lauten. Ich habe nämlich nur die Absicht gehabt; daß mir eine Ermächtigung dabin ertheilt werde, nach Befinden für eine Richterstelle zwei außerordentliche Pro⸗ fessoren im Nebenamt berufen zu können. Diese Einrichtung hat früher bestanden beim Ober⸗Tribunal. Es waren Mitglie⸗ der des Ober-Tribunals, insbesondere die Professoren Heffter und Homeyer. Davon, daß dieser Zustand Uebelstände, herbei⸗ geführt habe, habe ich nichts gehört. Weiter zu gehen, und zwei Stellen in dieser Weise zur Disposition des Ministers zu brin- gen, halte ich für bedenklich, wie ich offen gestehe, weil bei einer grö— ßeren Anzahl von Nebenämtern allerdings die geschäftliche Seite des Gerichts Schaden leiden könnte, wie der Herr Abg. Bähr richtig hervorgehoben hat. Ich glaube, daß der Herr Abg. Bähr doch zu sehr auf den Standpunkt der Theorie sich stellt, und daß er nicht davon ausgeht, daß im Zweifel der Justiz-Minisier ein verständiger Mann sei. Der Herr Abg. Bähr sagt, der Grund des Vorschlages sei, daß man, eine lebendige Verbindung von Theorie und Praxis herbeiführen wolle. Das ist gewiß richtig, man will in dieser Weise den Gerichten und auch den Universitäten nützen. Kann das erreicht werden, so ist das gewiß wünschenswerth. Der Herr Abg. Bähr legt nun Gewicht gewiß auf die Personenfrage und meint, es könne nicht förderlich sein für die Rechtspflege eines obersten Gerichtes, wenn Männer an das Gericht berufen würden, um die Praxis kennen zu lernen. Justiz⸗Minister ist in der Lage, Professoren zu berufen, die das prak⸗ tische Leben recht gut kennen, vielleicht lange Zeit praktisch thätig ge—⸗ wesen sind. Der Herr Abg. Bähr braucht ein Bild, das Bild hat aber doch seine großen Schattenseiten. Er sagt: was würde man sa⸗ gen, wenn man zum Bette eines Kranken einen Professor berufen würde, der . nie praktisch kethätigt hat. Das Bild würde nur passen, wenn Professoren zu selbständigen Einzelrichtern gemacht werden sollten. Es ist aber hier nur in Frage, Professoren zu Mitgliedern eines gro— ßen Kollegiums wählen zu können. Ich glaube, daß es manchen Aerzten unter Umständen doch sehr wünschenswerth sein möchte, wenn sie einen Professor zuziehen können, welcher nicht längere Zeit prak⸗ tisch thätig gewesen ist. Der Abg. Bähr glaubt, daß die Professo⸗ ren keine Befriedigung finden würden in der Thätigkeit beim Gericht. Ich glaube, das ist ein Punkt, welchen die Professoren selbst zu prüfen haben. Wenn sie glauben, eine solche Befriedigung in dem Gerichte nicht finden zu können, jo werden sie die. Stelle ablehnen. Ich fürchte auch nicht, daß Professoren die Geschäfte des Gerichts nicht interessant finden würden; wenigstens wenn ich von mir aus urtheilen darf, würde ich das nicht annehmen. Ich bin auch seit meiner Vorbereitung für den Justizdienst nie als Richter praktisch thätig gewesen, habe mich mehr mit anderen Sachen und zwar recht interessanten beschäftigt, aber ich muß doch bekennen, daß mir meine Geschäftsthätigkeit, 4 Jahre als Vizepräsident in dem Ober⸗Appellationsgericht zu Zelle und als erster Piäsident J Jahre im Appellationsgericht, durch und durch interessant und erfreulich gewesen ist. Es wird den Professoren wahrscheinlich in ähnlicher Weise ergehen.

Dem Abg. Reichensperger, welcher hierauf erwiderte, ent⸗ gegnete der Ju stiz⸗Minister:

Ich will nicht verkennen, daß Manches von demjenigen, was der Herr Abg. Reichensperger bemerkte, seine Berechtigung hat; aber diese Berechtigung scheint mir doch nur eine relative zu sein. Das Bemerkte würde Bedeutung haben, wenn es sich darum handelte, einen Professor als Einzelrichter anzustellen. Der Professor soll in einem Kollegium Sitz und Stimme haben, in welchem neben ihm mindestens sechs andere Personen sitzen. Ich glaube, daß es bei einem Kollegium, welches mindestens mit sieben Personen besetzt ist, recht gut ist, wenn verschiedene Ansichten zur Geltung gelangen. Ich lege hier auf theore— tische Untersuchungen weniger Gewicht, als auf Erfahrungen, die man im Leben gemacht hat. Der Herr Abg. Reichensperger hat bereits bemerkt, daß die Erfahrungen, welche er gemacht habe, nicht gegen den Antrag sprächen. Es ist bekannt, daß die Professoren guch in andern Ländern an der Rechtsprechung Theil nehmen, ich darf insbesondere hervorheben, daß das Ober⸗Appellations⸗ gericht für die thüringischen Staaten in Jena theils mit Pro⸗ fessoren, theils mit andern rechtsgelehrten Juristen besetzt ist, ich habe nie gehört, daß die Rechtssprechung des Ober⸗ Appellationsgerichts in Jena eine mangelhafte sei. Die Professoren haben ferner Gelegenheit zu praktischer Thätigkeit in den Spruch— kollegien und den Schöffenstühlen. Wenn der Herr Abg. Reichensperger bemerkt hat, daß es wohl innere Gründe gewesen seien, welche die

Juristen und Fakultäten und Schöffenstühle immer weiter verdrängt

hätten, so kann ich dem nicht beitreten. Dieser Umstand hängt ledig- lich mit äußeren Gründen zusammen, mit der Entwickelung der Ge— richtsorganisation in den einzelnen Staaten, insbesondere aber mit dem mündlichen Verfahren. Das mündliche Verfahren besteht dem Prinzip nach darin, daß der Rechtsstreit sei es eine Straf⸗ oder Civil sache unmittelbar vor dem zu seiner Entscheidnng berufenen Rich— ter verhandelt wird. Mit diesem Grundsatz der Mündlichkeit ist der Rechtsspruch der Juristen⸗Fakultäten und Schöffenstühlen natürlich ganz unpereinbar.

Bei dem Kapitel „Kriminalkosten“ brachte der Abg' Berger die Zunahme der Verbrechen gegen Personen zur Sprache, indem er den Wunsch aussprach, die Justiz möchte schneller und 6 geübt werden. Der Justiz⸗Minister erklärte hierauf:

Die Wichtigkeit des Gegenstandes wird von mir in keiner Weise verkannt, die Verhältnisse liegen jedoch nicht so, daß der Justiz-Mi— nister in erheblicher Weise Abhülfe schaffen könnte. Was in dieser Beziehung geschehen kann, das ist geschehen. Schon im Januar vorigen Fahres ist ein Reskript an die Staatsanwaltschaft eclassen, welches diese anweist, darauf hinzuwirken, daß die Gerichte von korrekteren Gesichtspunkten bei der Strafabmessung ausgehen. Ich habe mich in diesen Tagen veranlaßt gesehen, ein weiteres Reskript an die Staate⸗ anwaltschaft zu erlassen; dasselbe wird in dem nächsten Justiz- Ministerlalblatt morg en oder übermorgen veröffentlicht werden. Auf die Gerichte kann ich in einer weiteren Weise, als durch die Staatsanwaltschaft, nicht einwirken. Es ist mir sehr zweifel—⸗ haft, ob es richtig ist, wenn gesagt wird, daß die Strafgesetze nicht scharf genug seien; ich möchte, mich eher der Ansicht anschließen, daß die Gerichte zuweilen nicht von richtigen Grund⸗ sätzen bei der Abmessung der Strafe ausgehen, daß sie nicht immer die Individualität des Falles berücksichtigen, viemehr in einen todten Schematismus verfallen. In wie weit das bei den Gerichten der Fall ist, vermag ich nicht zu übersehen, kann die einzelnen Fälle auch nicht beurtheilen. Ich habe jedoch für geboten gehalten, daß, wo die Gewohnheit einreißt, auf zu milde Strafen zu erkennen, die Staat anwaltschaft zu dem an sich rreilich immer nicht glücklichen Mittel greife, durch die Berufung richtigere Grundsätze in Betreff der Straf⸗

Das Letztere ist gir nicht nöthig, denn der

Beilage

Mittwoch, den 14. Januar

abmessung zur Geltung zu bringen. Ob das weiter führen wird, ich will es hoffen; aber ein großer Uebelstand scheint mir darin zu liegen, daß die Juristen mitunter sich zu sehr dem Leben ent⸗ fremdet haben. Ob in dieser Richtung durch eine andere Or⸗ ganisation geholfen werden kann, durch eine volksthümliche Strafrechtspflege, steht dahin. In Betreff der Antragsvmergehen habe ich schon früher geäußert, es ist in der That nicht zu verkennen, daß die Theorie der Antragsvergehen mit großen Mängeln behaftet ist, das sind Folgen von sehr weitgehenden Anträgen, die im Reichstag zu dem Entwurf des Strafgesetzbuches gestellt sind. Dieser Punkt wird von der Königlichen Regierung im Auge behalten. Auch hat die Königliche Regierung wiederholt in Betracht gezogen, ob nicht in der Weise zu helfen sei, daß, wenn Je— mand den Antrag in frivoler Weise zurückzieht, dem Antragsteller die Kosten zur Last zu legen seien; sie hat jedoch geglaubt, daß in dieser Richtung dem Deutschen Strafgesetzbuch gegenüber selbst im Wege der Landesgesetzgebung Nichts gethan werden könne. In dem Entwurf der Strafprozeßordnung für das Reich ist Abhülfe getroffen.

Bei der Berathung über die einmaligen Ausgaben für Bauten von Gerichtsgebäuden äußerte der Ju stiz⸗Minister:

Ich kann die Erklärungen meines Kommissars nur wiederholen; es wird in keiner Weise durch die Annahme der Regierungsvorschläge der künftigen Gerichtsorganisation vräjudizirt.

Ich bin erfreut, diese Gelegenheit ergreifen zu können, um Fol⸗ gendes öffentlich hervorzuheben. Es scheint im Lande eine große Un⸗ ruhe in Betreff der Sitze der Königlichen Gerichte zu herrschen. Das ist sehr erklärlich; ich will aber bemerken, daß das Justiz⸗Ministerium Beschlüsse irgend einer Art in dieser Beziehung noch nicht gefaßt hat. Alle Versuche, wie sie nicht selten unternommen werden, auf Beschlüsse einzuwirken oder angeblich gefaßte Beschlüsse rückgängig zu machen, sind ganz unnütz. Die Justizverwaltung ist zur Zeit noch gar nicht in der Lage, auch nur provisorisch in dieser Beziehung Beschlüsse zu fassen. Dieselben sind abhängig von der Organisation, wie sie durch die Reichsgesetzgebung festgeseßt werden wird. In Betreff dieser Or— ganisation sind Vorschläge gemacht; ob dieselben Beifall finden wer— den, steht dahin. Die Organisation des Reichs ist insonderheit ab— hängig von den Beschlüssen über die Rechtsmittel; ob das eingeschla— gene Rechtsmittelsystem in Civil⸗ und Strafsachen den Beifall der Reichsgesetzgebung finden wird, steht dahin; es handelt sich hier um sehr wichtige, tief eingreifende Bestimmungen.

Der dem Hause der Abgeordneten vorgelegte Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Geschäftsfähigkeit Minderjähriger und die Aufhebung der Wiederein—⸗ setzung in den vorigen Stand wegen Minderjährig⸗ keit, hat folgenden Wortlaut:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc0, verordnen mit Zustimmung der beiden Häuser des Landtags Unserer Monarchie für den ganzen Umfang derselben, was folgt:

§. 1. Minderjährige, welche das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet haben, sind zur Vornahme von Rechtsgeschäften nicht fähig. S. 2. Minderjährige, welche das siebente Lebensjahr vollendet haben, sind ohne Genehmigung des Vaters, Vormundes oder Güter pflegers nicht fähig, durch Rechtsgeschäfte Verbindlichkeiten zu über—⸗ nehmen oder Rechte aufzugeben, jedoch fähig, durch Rechtsgeschäfte, bei welchen von ihnen keine Gegenleistung übernommen wird, Rechte zu erwerben oder von Verbindlichkeiten sich zu befreien.

§. 3. Die wegen fehlender Genehmigung unwirksamen Geschäfte werden wirksam, wenn der Minderjährige nach erlangter Selbständig⸗ keit sie anerkennt. Durch Zeitablauf werden sie nicht wirksam.

§. 4. Derjenige, mit welchem der Minderjährige ein wegen feh— lender Genehmigung unwirksames Rechtsgeschäft‘ abgeschlossen hat, ist an dasselbe gebunden; er wird jedoch von seiner Verbindlichkeit frei, wenn der Vater, Vormund oder Güterpfleger die Genehmigung zu dem abgeschlossenen Rechtsgeschäft verweigert. .

Der Verweigerung steht es gleich, wenn auf ergangene Aufforde⸗ rung der Vater, Vormund oder Güterpfleger oder der Minderjährige nach erlangter Selbständigkeit die Genehmigung innerhalb einer Frist von zwei Wochen nicht ertheilt.

F 5. Hat der Vater oder unter Genehmigung des Vormund schaftsrichters der Vormund den selbständigen Betrieb eines Erwerbs— geschäftes dem Minderjährigen gestattet, so ist letzterer zur selbständi⸗ gen Vornahme derjenigen Rechtsgeschäfte fähig, welche der Betrieb des Erwerbsgeschäftes mit sich bringt.

Zu einzelnen innerhalb dieses Betriebs vorkommenden Rechtsge⸗ schäften bedarf der Minderjährige der Genehmigung des Vormund⸗ schaftsrichters in gleicher Weise, wie nach den bestehenden Vorschriften der Vater oder Vormund dieser Genehmigung bedürfen würde.

F. 6. Hat der Vater oder Vormund seine Genehmigung ertheit, daß der ,, in Dienst oder Arbeit trete, so ist letzterer selbständig zur Eingehung und Auflöfung von Dienst⸗ oder Arbeits⸗ verhältnissen der genehmigten Art befugt. .

Dem Vater oder Vormund steht es frei, eine solche Genehmigung zurückzuziehen oder einzuschränken, soweit dadurch Rechte Dritter nicht beeinträchtigt werden. . . .

§. J. Hat sich ein Minderjähriger fälschlich für geschäftsfähig ausgegeben und einen Anderen ohne dessen Verschulden zur Vornahme eines Rechtsgeschäfts verleitet, so kann letzterer den Exsatz des hier durch ihm zugefügten Schadens aus dem Vermögen des Minderjähri— gen verlangen. . . .

§. 8. Die Fähigkeit der Minderjährigen zur Eingehung einer Ehe oder eines Verlöhnisses, sowie zu letztwilligen Anordnungen wird von diesem Gesetze nicht berührt. . .

§. 9. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Min⸗ derjährigkeit findet gegen die nach Erlaß dieses Gesetzes vorgenomme⸗ nen Rechtsgeschäfte nicht statt. ö .

Dies gilt auch von den Rechtsgeschäften der den Minderjährigen gleichgestellten Personen.

§. 10. Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1875 in Kraft.

Urkundlich ꝛc.

Dem Hause der Abgeordneten liegt ferner folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die evangelische Kirchengemeinde und Synodalordnung vom 10. Sep⸗ tember 1873 für die Provinzen Preußen, Branden⸗ burg, Pom mern, Posen, Schlesien und Sachsen, vor:

Wir Wi lhelm ꝛe. verordnen mit Zustimmung der beiden Häuser des Landtags der Monarchie für die Provinzen Preußen, Branden⸗ burg, Pommern, Posen, Schlefien und Sachsen, was folgt:

Art. 1. Die Vertretung der evangelischen Kirchengemeinden, so—⸗ wie die Verwaltung des Kirchenvermögens geht vom J. April 1874 ab nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen auf die in der Kir⸗ chengemeinde und Synodalordnung vom 109. September 1873 be⸗ stimmt en Organe über. J w -

Art. 2. Der Gemeinde ⸗Kirchenrath übt die ihm in der Gemeinde⸗ Ordnung zugewiesenen Rechte in Betreff

1) der Verfügung über die Kirchengebäude (58. 15) ;

2) der Vertretung der Gemeinde⸗Interessen in Vezug auf die Schule (5. 16), ) . ; ;

3) der Vertretung der Gemeinde in be genere gsf Bezie⸗ hung und bei Verwaltung des Kirchenvermögens, einschließlich des Vermögens der kirchlichen . sowie des Pfarr⸗ und Pfarr⸗ wittwenthumsvermögens (55. 22 —-· 24), ö 4) der Vertretung der Gemeinde bei Parochial⸗Veränderungen

G. 25).

; und Königlich Preußischen Staats⸗Anzeiger.

187M.

Die zur Ausübung dieser Rechte erforderlichen Beschlüsse werden nach 5. 11, Abs. 2 und 3 gefaßt und Dritten gegenüber nach §. 11, Abs. 5 und §. 22, Abs. 2, festgestellt.

Die Verwaltung der Kirchenkasse richtet sich nach 5. 24.

Art. 3. Die Rechtsverhältnisse des Patrons in Betreff der Ver⸗ mögensverwaltung werden durch §. 23 bestimmt.

Wenn jedoch ein Patron, welcher für die Kirchenkasse im Fall ihrer Unzulänglichkeit ganz oder theilweise einzutreten hat, zu Aus— gaben aus dieser Kasse, für welche sie bisher nicht bestimmt gewesen ist, seine Zustimmung verweigert, so darf die Einwilligung nicht durch die vorgesetzte Aufsichtsbehörde ergänzt werden.

Art. 4. Die Gemeindevertretung (8. 27, Abs. 1 und 2, 5. 42, Abs. 2, §. 45, Abs. 3, übt die ihr in dem §. 31 zugewiesenen Rechte. Die zur Anzũbung derselben erforderlichen Beschlüsse werden nach S5. 29 und 30 gefaßt. ;

Beschlüsse über Umlagen auf die Gemeindeglieder können im Wege der Staatsverwaltung erst dann vollstreckt werden, wenn sie von der Staatshehörde für vollstreckbar erklärt worden sind.

Diese Erklärung ist insbesondere zu versagen, sofern Bedenken hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Auferlegung, der Angemessen⸗ heit des Beitragsfußes oder der Leistungsfähigkeit der Pflichtigen be⸗

stehen.

Art. 5. Die Rechte, welche nach den Art. —4 dem Gemeinde⸗ Kirchenrath und der Gemeindevertretung in einzelnen Gemeinden zu⸗ stehen, werden in den Fällen der 85. 2 Abs. 2 und 3 der Gemeinde⸗ Ordnung den vereinigten Gemeinde⸗Kirchenräthen und Gemeinde⸗ Vertretungen für die gemeinsamen Angelegenheiten beigelegt.

Art. 6. Die Kreis⸗ und Provinzialsynoden und deren Vorstände üben die ihnen in dem §. 53 Nr. 5, 6, 7, 8, dem S. 55 Nr. 6 und dem 5. 65 Nr. 5 und 6 zugewiesenen Rechte. .

Zur Feststellung statutarischer Ordnungen, welche die Kirchen⸗ gemeinde⸗ und Synodal⸗-Ordnung ergänzen oder modifiziren (8. 46, 8. 53 Nr. 8, §. 65 Nr. 5) bedarf es der vorgängigen Anerkennung Seitens der Staatsbehörde, daß die entworfene Bestimmung den in Art. 1—6 staatsgesetzlich genehmigten Vorschriften nicht zuwider sei.

Wegen der übrigen, den Kreis- und Provinzialsynoden und deren Vorständen zugewiesenen Rechte bleibt die nl e neee Re⸗ gelung, soweit es deren bedarf, bis zum Abschluß der General⸗Syno⸗ dal⸗Ordnung vorbehalten. - ;

Art. 7. Auf die Beschlüsse der Kreissynoden über Vertheilung der für die Kreis⸗Synodalkosten erforderlichen Beiträge der Kirchen⸗ kassen und Gemeinden findet der letzte Absatz des Art. 4 gleichfalls Anwendung. .

Art. 8. Die Bestimmungen der §5§. 71 —- 74 über die Kosten für die Bildung und Wirksamkeit der. Gemeinde Kirchenräthe und Gemeindevertretungen sowie für die Kreissynoden kommen vom 1. April 1874 zur Anwendung. k

Die Entscheidung über Aufbringung der Kosten für die Pro⸗ a. bleibt der künftigen Gesetzgebung (Art. 6 Abs. 3) vor⸗ zehalten. ĩ

Art. 9. Alle diesem Gesetz und dem ersten Abschnitt der Kirchen⸗ gemeinde und Synodal-Ordnung entgegenstehenden Bestimmungen, mögen dieselben im Allgemeinen Landrecht, in Provinzialgesetzen oder in Lokalgesetzen und Lokalordnungen enthalten oder durch Observanz oder Gewohnheit bezründet sein, treten mit dem 1. April 1874 außer Kraft.

Die Motive zu dem (in Nr. 10.8. Bl. abgedruckten) Ge⸗ setz⸗Entwurf, betreffend die Aufnahme einer An⸗ leihe in Höhe von 50,600,000 Thalern zur Erweiterung des Staatseisenbahnnetzes lauten: .

Bereits bei Berathung des unterm 11. Juni d. J. Allerhöchst voll— zogenen Gesetzes, betreffend die Aufnahme einer Anleihe von 129 Mil— lionen Thalern zur Erweiterung des Staatseisenbahnnetzes ist die fernere Ausdehnung des letzteren zur ausführlichen Erörterung ä. men. Mit Rücksicht auf das in dieser Beziehung bestehende Bedürf⸗— niß, sowie auf die bezüglichen, in der letzten Session der Landes⸗Ver⸗ teetung gefaßten Resolntionen wird der Bau folgender Eisenbahnen vorgeschlagen:

I) von Insterburg nach Proftken,

2j von Laskowitz über Graudenz nach Jahlonowo, ;

3) von Gokietniee über Schneidemühl nach den Häfen der Hinter— pommerschen Küste,

4) von Dittersbach über Neurode nach Glatz.

Diese vier Bahnen sind, dazu bestimmt, Glieder durchgehender Verkehrsrouten zu werden, beziehungsweise die Verbindung zwrischen solchen zu vermitteln und die wirthschaftliche Entwickelung der östlichen Provinzen zu fördern. Außerdem wird zur Vermehrung des Ertrages und der Conecurrenzfahigkeit bestehender oder doch bereits genehmigter Staatsbahnen die Anlage von noch zwei weitere Bahnen in Vorschlag gebracht, nämlich:

5) von Cassel Helsa nach Waldcappel und 6) von Dortmund nach Oberhausen resp. Sterkrade. Zur Begründung der einzenen Projekte ist Folgendes zu bemerken: 1) Insterburg⸗Prostken. ;

Seitdem die Kaiserlich russische Regierung den Anschluß der, ost⸗ preußischen Bahnen an das Ruffische Bahnnetz bei Grajewo , gestattet hat, stellt sich die Bahn Insterburg-Prostken, welche ohne diesen An⸗ schluß überwiegend den Charakter einer Lokalbahn haben würde, dar als ein Mittelglied zwischen der Bahn von Memel über Tilsit nach Insterburg, und den russischen Bahnen von Grajewo nach Biglystock und von dort nach Warschau, nach Brest-Litewski und den in südöstlicher Richtung weiter gelegenen Stationen. Sie hat also neben dem Lokal verkehr eines fruchtbaren Landes und einer Reihe kleinerer Städte, darunter Darkehmen, Goldap, Oletzko auch auf den Durchgangsverkehr zu rechnen, welcher sich zwischen dem Hafen von,. Memel und den füdlich gelegenen Theilen. des ru ssischen Reichs bewegen wird. Voraussichtlich dürfte dieser Verkehr schen vom Anfang an ein bedeutender sein und in dem Maße wachsen, wie sich das Eisenbahnnetz im Innern Rußlands entwickelt, und in Folge dessen die Massenprodukte dieses Reichs dem Auslande zuströmen können. Welchen Einfluß schon zur Zeit die Eröffnung der russischen Grenze auf den Verkehr ausübt, zeigt deutlich das Wachsen der Einnghmen der ostpreußischen Südbahn seit der Betriebseröffnung der an e n Bahnen bis Grajewo. Diese Betriebseröffnung hat am 15. Juli cr. stattge funden. Während

im Jahre 1872 im .

Monat Jull die Einnahmen der ostpreußischen Südbahn 53,ů954 Thlr. August h; . 64,825 , September, . (688.

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mehr, als in den entsprechenden Monaten des Jahres 1872. . Bekanntlich, sind bisher fast alle Vorausherechnungen über die

Rentabilität solide fundirter Bahnen von der Wirklichkeit. übertroffen,

und viele Behnen, deren Rentabilität bei der ursprünglichen Anlage

in Zweifel gezogen wurde. haben später eine gute Rente abgeworfen.

Es braucht nur auf die Ostbahn hingewiesen zu werden, bei welcher

n n / in ö n