1874 / 17 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 20 Jan 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Bayern. München, 18. Januar. Wie bereits telegraphisch gemeldet, ist der König gestern Nacht kurz vor 12 Uhr in hie⸗ siger Stadt mittelst Extrazuges aus Hohenschwangau eingetroffen. Die Begrüßung der Kaiserin von Oesterreich durch den König, der die Uniform seines österreichischen Regiments ange⸗ legt hatte, erfolgte heute Nachmittag kurz vor 35 Uhr im Hotel zum bayerischen Hofe. Der König wird die Kaiserin von Oester⸗ reich bis Simbach begleiten und von dort sofort nach Hohen⸗ schwangau zurückkehren. Die Ankunft des Kaisers von Oester⸗ reich und des Kronprinzen Rudolf in München zum Besuche der Prinzessin Gisela ist, dem „Korr. v. u. f. D.“ zufolge, vorläufig auf künftigen Sonnabend angesagt.

Der König hat, wie schon telegraphisch gemeldet, den Frhrn. v. Stauffenberg zu dessen heutigem 25 jährigen Jubi⸗ läum als erstem Präsidenten der Kammer der Reichsräthe in den Grafenstand erhoben und denselben durch ein Handschreiben beglückwüͤnscht, das ein Königlicher Flügel⸗Adjutant heute Vor⸗ mittag dem Jubilar überbrachte. Die Kammer der Reichsräthe ließ ihrem ersten Präsidenten durch einen Deputirten eine Adresse überreichen. Die Glückwünsche der Kammer der Abgeordneten wurden dem Jubilar heute Mittag durch die beiden Präsidenten und den ersten Sekretär der Kammer überbraͤcht, und ebenso hatten sich die Königlichen Prinzen und andere Mitglieder der Reichsraths⸗Kammer, viel Hof⸗ und Staatsbeamte 2c. zur Be⸗ glückwünschung des Grafen v. Stauffenberg eingefunden.

Sachsen. Dresden, 19. Januar. Bei der Berathung des auf Aufhebung des §8. 92 und der Schlußbestimmung des 5. 103 der Verfassungsurkunde der Zweiten Kammer gegen⸗ Über gerichteten Antrags der Abgg. Pr. Minckwitz und Genoffen hatte die letztere Kammer bekanntlich durch Annahme eines An⸗ 26 des Abg. Mannsfeld mit einem Amendement des Abg. Haberkorn beschlossen, die Regierung um Vorlegung eines Ge⸗ setzentwurfs zu ersuchen, durch welchen die erwähnten Bestim⸗ mungen der Verfassung überhaupt, jedoch unter Ermächtigung der Krone zur Ernennung von Mitgliedern der Ersten Kammer in beliebiger Anzahl, aufgehoben werden sollen.

Die Erste Kammer beschäftigte sich in ihrer heutigen Sitzung mit diesem Beschlusse, über welchen von ihrer 3. Deputation durch den Präsidenten v. Criegern Bericht erstattet worden ist. Die Deputation beantragt, dem Beschlusse der andern Kam⸗ mer den Beitritt zu versagen. Sieben Redner, Präsident v. Zehmen, von der Planitz, Graf Rex, Bürgermeister Hirschberg, Graf Hohenthal, Bürgermeister Dr. Koch und der Referent spra⸗ chen gegen den Beschluß der Zweiten Kammer, für denselben nur Professor Dr. Fricke, auch dieser jedoch nur insofern, als er sich für einfache Aufhebung des 8. 935 und des Schluß⸗ passus von 5§. 103 erklärte, während er ebenfalls das Mittel des Pairsschubes entschieden verwarf. Die übrigen Redner be⸗ kämpften sämmtlich die Tendenz, deren sie übereinstimmend den Beschluß ziehen, das verfassungsmäßige Gleichgewicht der gesetz⸗ gebenden Faktoren zu verrücken, die Stellung der Regierung zu schwächen, die Erste Kammer in ihrer Unabhängigkeit und Wider⸗ standsfaähigkeit nach oben und unten zu brechen, die Majorität der Zweiten Kammer zur entscheidenden Macht im Staatsleben zu erheben. Der Deputationsantrag wurde mit allen Stimmen gegen die eine des Professors Dr. Fricke angenommen.

19. Januar. (W. T. B.) Die hiesige gemeinnützige Gesellschaft hat, wie das „Leipziger Tageblatt“ meldet, den Jahrestag der Gründung des Deutschen Reichs durch ein glän⸗ zendes Festmahl gefeiert. Prof. Zarncke, Pastor Dreydorff und Ober⸗Handelsgerichts⸗Rath Goldschmidt brachten Trinksprüche auf

„Kaiser und Reich“, auf „Fürst Bismarck“ und auf „das wider die inneren Feinde des Reichs kämpfende deutsche Bürgerthum“ aus, welche mit stürmischem Beifall aufgenommen wurden.

Leipzig, 19. Januar. Nach der „Leipziger Zeitung“ werden der König und die Königin im Laufe nächster Woche die hiesige Stadt mit einem mehrtägigen Besuche beehren. Ihre Majestäten gedenken Mittwoch, den 28. d. M., Nachmittags zwischen 2 und 3 Uhr auf dem hiesigen Leipzig⸗Dresdner Bahn— hof einzutreffen, woselbst feierlicher Empfang stattfindet, und werden Sich sodann nach dem Königlichen Palais begeben und daselbst Wohnung nehmen. Während der Anwesenheit Ihrer Majestäten werden mehrere Hoftafeln und zwei große Assembl en für Herren stattfinden. Außerdem wird der König an zwei Ta— gen in der hiesigen Umgegend Jagd abhalten. Die Abreise Ihrer Majestäten erfolgt Sonntag, den 1. Februar, Vormittag.

Mecklenburg. Schwerin, 19. Januar. Die heutigen „Meckl. Anzeigen“ äußern sich über die Frage, betreffend die Modifikation der bestehenden Landesverfassung, wie folgt:

Nachdem die Wahlen zum Reichstag beendigt sind, wendet sich das allgemeine Interesse des Landes mit erneuter Lebhaftigkeit der schwebenden Frage über die Modifikation der bestehenden Landesverfas⸗ sung zu und wird der voraussichtliche Inhalt der in Betreff der Ver fassung zu erwartenden neuen Verlagen der Regierungen in den ver— schiedensten Kreisen zum Gegenstande der privaten wie öffentlichen Erörterung gemacht, Ersprießlicher als ein Eingehen auf die Gerüchte und Vermuthungen über diesen Punkt ist es, sich der in dem Schwerinschen Landtagsabschied gemachten Andeutung bewußt zu bleiben, wonach die Herstellung einer einheitlichen Vertretung des Landes unter Beseiti⸗ gung des pattimonialen Charakters der bestehenden, Verfassung be— absichtigt ist. In Gemäßheit dieser Andeutung erscheint die Annahme als berechtigt, Faß nach den Intentienen der Regierung künftig nicht mehr eine gesonderte Vertretung der verschiedenen Landestheile oder eine Vertretung der bisherigen landständischen Korperationen statifinden und ebensowenig ein patrimoniales Recht der Landstandschaft beibe⸗ halten bleiben, vielmehr eine einheitliche Vertretung des Landes auf ausschließlich publizistischer Grundlage geschaffen werden soll! Dem⸗ nach ist schon das in dem Landtagsabschied über die Röchtung der künftigen Vorlage Angedeutete von der umfassendsten Bedeutung und wird ja im Uebrigen binnen kürzester Frist Auiklärung über die weitere Ausführung des ganzen Planes durch die Erklärungen der Regierungen bei Eröffnung des bevorstehenden außerordentlichen Landtages zu er— warten sein. . .

Neustrelitz, 14. Januar. Der heutige „Off. Anz.“ ent⸗ hält die landesherrliche Verordnung, durch welche das Werth verhältniß der bisher bei Zahlungen in Gold üblich gewesenen Goldmünzen, nämlich der Mecklenburgischen Friedrich⸗Franzd'or, der hannoverschen und braunschweigischen Pistolen und der Dänischen Ehristiand'or und Frederikd'or, zu den Reichsgoldmünzen, nach ihrem durchschnittlichen Feingehalt wie 100 Rth. Gold gleich 332 Mark 490 Pfennige in Reichs⸗ goldmünzen oder wie 5 Thaler Gold gleich 16 Mark 62 Pfen⸗ nige in Reichsgoldmünzen festgestellt werden.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 19. Januar. Gestern Nachmittag kam die Prinzessin Marie von Mei⸗ ningen zu einem Besuche am Großherzoglichen Hofe hier an.

Schwarzburg⸗Rudolstadt. Ru dol stadt, 17. Januar. In Beziehung auf die Erklärung der Abgeordneten, welche ihr Mandat niedergelegt haben, sind, wie die ‚„Leipz. Ztg.“ mittheilt, Gegenerklärungen erfolgt, in welchen nur von Bedeu—⸗

tung ist, daß die betreffenden Auseinandersetzungen nicht in einer Ausschußsitzung, sondern in einer vertraulichen Sitzung geschehen sind.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 19. Januar. Sämmtliche Landtage haben nunmehr vorgestern ihre Thätigkeit geschlossen, und wird übermorgen der Reichsrath seine Sitzungen wieder be⸗ ginnen.

Schweiz. Bern, 19. Januar. (W. T. B.) Der Bun⸗ desrath hat heute den Beschlüssen des Ständeraths, daß die öffntlichen Spiel häuser bis Ende 1877 sämmtlich geschlossen und alle kantonalen Eingangsgebühren bis Ende 1890 ohne ö aufgehoben werden sollen, seine Zustimmung ertheilt.

Belgien. Brüssel, 16. Januar. Am nächsten Dienstag wird die Repräsentantenkammer die Friedhofsfrage be⸗ rathen. Veranlassung ist eine von dem klerikalen Vorstande einer Gemeinde des Landes beschlossene Verordnung, welche in entschiedenem Widerspruche mit dem noch immer in Kraft be⸗ stehenden, aus der Zeit der französischen Herrschaft stammenden Kirchhofsgesetze steht.

Großbritannien und Irland. London, 17. Januar. Dem Hofjournal zufolge wird die Königin mit den jüngeren Mitgliedern der Königlichen Familie am 14. Februar Osborne verlassen und nach Schloß Windsor zurückkehren, um den Herzog und die Herzogin von Edinburgh nach ihrer Ankunft von Rußland zu empfangen.

Im Woolwicher Arsenal fanden vorgestern im Bei⸗ sein englischer und auswärtiger Offiziere weitere Versuche mit Kapitän Moncriesh's hydro⸗pneumatischer Lafette für die 64pfün⸗ dige Kanone statt, die dem Vernehmen nach recht befriedigend aussielen. Die nächsten Versuche sollen in größerem Maßstabe in Shoeburyness stattfinden.

Der Premier⸗-Minister Gladstone ist von Schloß Ha⸗ warden nach der Hauptstadt zurückgekehrt.

Frankreich. Paris, 17. Januar. Der Graf von Paris hat das Schloß d'Eu als seinen Antheil an den vom Staat den Orleans zurückgegebenen Gütern erhalten und wird in Zukunft dort residiren.

Die Münz⸗Konferenz ist nun folgendermaßen zu⸗ sammengesetzt: Delegirte für Frankreich: die HH. Dumas, Mit⸗ glied des Instituts, ehemaliger Minister, Prästdent; von Parieu, Mitglied des Instituts, ehemaliger Minister, Vice⸗Präsident; von Soubeyran, Abgeordneter; Dutilleul, Abtheilungs⸗Direktor im Finanz⸗Ministerium. Für Belgien: Jakobs, ehemaliger Minister; Bounder, Legations⸗Sekretär. Für Italien: Magliani, Rath an der Rechnungs kammer; Reßmann, Legations⸗Sekretär. Für die Schweiz: Feer-Herzog, Nationalrath; Lardy, Legations⸗Sekretär. Die Herren Clavery und Marquis von Laizer vom Ministerium des Aeußern führen das Protokoll.

Aus Toulon wird berichtet, daß mehrere Truppentheile

Befehl erhalten haben, sich zu einer überseeischen Expedition bereit zu halten, die gegen die Forboas von Ton⸗Kin gerichtet sein wird. Dieser Stamm hat sich bekanntlich an der Ermor⸗ dung des Geographen Garnier betheiligt. 19. Januar. (W. T. B. Das Journal „Univers“ ist wegen der in seiner letzten Nummer erfolgten Publikation des Hirtenbriefes des Bischofs von Perigueux, sowie wegen der in derselben Nummer enthaltenen Artikel auf zwei Monate suspendirt worden.

Versailles, 19. Januar. (W. T. B.) Die National⸗ versammlung setzte heute die Berathung des Mairegesetzes fort. Ein vom linken Centrum beantragtes Amendement zum Art. 2, nach welchem nur im Falle der Demission oder der Ab⸗ berufung eines Maire ein Nichtmitglied des Munizipalraths zu diesem Amte soll ernannt werden dürfen, wurde mit 363 gegen 337 Stimmen abgelehnt und darauf der Artikel mit unbedeu⸗ tenden Modifikationen, denen die Regierung ihre Zustimmung ertheilte, mit 363 gegen 328 Stimmen angenommen. Die vom Deputirten Haentjens eingebrachte Interpellation über die innere politische Lage wurde vom Interpellanten zurückgezogen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 18. Januar. Wie der „Golos“ meldet, sind Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen des Deutschen Reichs und von Preußen der General⸗A Adjutant Albedinski und der Flügel⸗ Adjutant Graf Lansdorff und dem Herzog von Sachsen—⸗ Coburg der General⸗Adjutant Kuschelow und der Flügel⸗ Adjutant Fürst Lopuchin⸗Demidow attachirt. Alle vier sollten sich heute an die Grenze begeben, um die Hohen Gäste zu empfangen, deren Eintreffen in St. Petersburg in Kaiserlichen Waggons am 20. Januar erwartet wird. Dem Prinzen von Hefsen ist der General⸗Major der Suite, Fürst Manwelow, beigegeben.

Der Gesandte des Emirs von Buchara ist, nach dem „Golos“ am 14. d. Mts. in Ssamara angelangt und so⸗ gleich nach St. Petersburg weitergereist.

Das Edikt an den dirigirenden Senat, betreffend die Sinführung der allgemeinen Wehrpflicht lautet:

Nachdem Wir am heutigen Tage das neue Statut über die Militärpflicht bestäti t, befehlen Wir:

Dicses Statut im ganzen Kaiserreiche und im Königreich Po— len in Wrksamkeit treten u lassen, mit Aussgluß:

1) Der Kofakenbevölkerung, weiche die Militärpflicht nach einem besonders festgesetzten Modus leistet, und

2) der nachst hend benannten Gegenden und Bevsölkerungstheile, für welche der Modus zur Leistung der Milisärpflicht in der Folge durch besondere Bestimmungen den örtlichen Eigenthümlichkeiten ge— mäß regulirt werden wird und zwar; a. Transkaukasiens, des Gebiets Turkestans, des Küsten⸗ und Amurgebiets, der Bezirke Ssrednekolymek, Werchojanek und Wiljui, des Gebiets Jakutsk, der Bezirke Turu— chansk und Beguischanek des Gouvernements Jenisseiek, des Bezirks Togurek des Gogvernements Tomek und der Bezirke Beresowsk und Srurgutek des Geuvernements Tebolsk, und b. der fremdländischen Brvölkerung des nördlichen Kaukasus, des Gouvernements Astrachan, der Gebiete Turgaisk und Uralst und aller Gonvernements und Ge— biete West⸗ und Ostsiblriens, welche bis jetzt die Rekrutenpflicht weder in natura noch in Geld geleistet haben, sowie der im Kreise Mesen des Gouvernements Archangelsk ansässigen Samojeden.

II. Mit der Heranziehung der Baschkiren und Teptjaren zur Milizämpflicht sind dieselben von der Zahlung der besonderen Steuer ven 60 Kepeken pro Kopf, welche ihnen durch die Verordnung vom 14. Mai 1863 auferlegt worden, zu befreien.

. III. Die Vergünstigung der Befreiung von der Militärpflicht mit den bei der Ansi dlung vorhandenen Söhnen bleibt g-wahrt: a, lebenslänglich: den Rußnaken, die sich im Jahre 1854 in Rußland niedergelassen; den ausländischen Emigranten, welche sich auf Grund⸗ lage des am 18 Dezember 1861 von Uns bestätigten Gutachtens des Reichsraths auf guteherrlichem Boden niedergelassen haben und in den russischen Unterihanenverband getreten sind; den in den füdwest— lichen Provinzen angesiedelten Tichechen, auf welche die durch das ge— nannte Reichsraths⸗Gutachten festgesetzten Rechte und Prärog ative aug—⸗ gedehnt worden sind; den Ausländern, welche sich bis zum 1. Januar

1872 im Königreich Polen niedergelassen und die russische Unterthanen⸗ schaft angenommen haben, und endlich den russischen Ansiedlern aus den inneren Gouvernements, die sich auf Staateländereien in der Nähe der Festung Nowogeorgiewek niedergelassen haben; b. für die Dauer von 290 Jahren vom Zeitpunkte der Uebersiedelung an: den Mennoni⸗ ten, die sich in neuen Kolonien nach den Bestimmungen vom 19. No- vember 1851“ im Kaiserreiche niedergelassen haben, sowie auch den Mennoniten, welche sich auf Grundlage des am 18. Dezember 1861 ven Uns bestätigten Gutachtens des Reichsraths auf gutsherrlichen Ländereien angesiedelt und die russische Unterthanenschaft angenommen haben; E. für die Dauer von 20 Jahren vom 31. März 1860 an gerechnet: den Kleintürgern der Stadt Wladikawkas, die bis zum Er— scheinen dieses Edikts bei dieser Stadt angeschrieben worden sind, und den Bewohnern der früheren Städte Anapa und Neworossiigk, die der Hafenstadt Temrjuk zugezahlt worden sind, und d. für die Dauer von sechs Jahren vom Tage des Erscheinens dieses Edikts: allen den im Kaiserreiche ansäßigen Mennoniten, welche von der unter Punkt b dieses Artikels eiwähnten Vergünstigung ausgeschlossen sind.

LI. Von den Familien der Personen, die während des letzten Aufstandes im Königreich Polen und in den westlichen Provinzen ihrer Treue für Thron und Gesetz zum Opfer gefallen, sind drei Glieder einer jeden solchen Familie ven der Mililarpflicht zu befreien, und . zunächst die Söhne des Verstorbenen und dann seine leiblichen Fnkel.

XV. Von der Militärpflicht zu befreien sind die Personen, welche bis zum Tage der Erlassung dieses Edikts bei der Warschau-⸗Wiener, Warschanu ⸗Bromberger, Warschau⸗Terespoler Bahn und der Lodzer Fabrikbahn im Dienste standen und nach Artikel 15 der Unserem Manifest vom 26. Juni (8. Juli) 1868, betreffend die Rekrutirung im Königreich Polen, beigefügten Bestimmungen über die von der Rekrutirung ausgenommenen Stände und Personen von der Rekruten pflicht dispensirt waren.

VI. Während der, fünf ersten Aushebungen nach Einführung des Statuts über die Militärpflicht ist eine vierjährige Fristung des Eintritts in den Militärdienst nach gezogenem Lobs Mitgiiedern ce Familien zu gestatten, welche auf einen Gilde⸗ oder Gewerbe chein Handels, Fabrik! oder Gewerbe-⸗Etablissements unterhalten, mit Ausschluß der Etablissements für den Detailverkauf von Spiri⸗ tuosen (Getraͤnkereglement Art. 30! Forts. von 1869 und Anmerk. zu dems.), selbst wenn diese Personen sich bei einem arbeitsfähigen Vater oder Großvater befinden ünd Brüder, jedoch unter sechszehn Jahren, besitzen. Diese Fristungen sind weder bei der aktiven noch bei der Reser ve Dienstzelt anzurcch zen.

VII. Die Organisation der Einberufungsdistrikte nach den in Art. 67 und ffg. des Statuts über die Militärfraze angegebenen Bestim— mungen ist allenthalben im Laufe dreier Monate vom Tage des Ein— treffens dieses Edikts im Gouvernement zu Ende zu führen.

VIII. Den Personen, welche bei der ersten Aushebung nach dem neuen Statut über die Militärpflicht einzuberufen sind, d. h. den= jenigen, welche im Jahre 1873 das zwanzigste Lebenejahr erreicht haben, ist für die Eingabe der Anmeldungen zur Anschreibung bei den Einberufungsdistrikten nach den Art. 95 und des genannten Statutg eine halbjährige Frist vom Tage der Erlassung dieses Edikts anzu—= beraumen.

IX. Als zum Dienste in der Landwehr verpflichtet sind außer den nach den Art. 19 und 154 des Statuts über die Militärpflicht für denselben bestimmten Personen bis zum vierzigsten Lebensjahre alle Diejenigen nicht im Milstärdienst stehenden zu betrachten, (mit Aus schluß der in den Art. IV. und V. dieses Edikis Benannten) welche zum 1. Januar 1874 über einundzwanzig Jahre alt sind, sowie auch die gegenwärtig im Dienste Stehenden, welche vor Erreichung des vierzigsten Lebensiahres aus demselben entlassen werden.

Die durch Unser Manifest vom 22. November 1873 an⸗ geordnete Rekrutirung vom 15. Januar bis zum 15. Februar 1874 ist, nach den in diesem Manifest dargelegten Bestimmungen auszu—⸗ führen. Die nach Ausführung dieser Ausbebung auf den Rekrutirungz—= distrikten verbleibenden Rekrutenschuldantheile aber und alle Rekruten—⸗ rückstände überhguyt sind zu streichen.

XI. Hinsichtlich der Rekruten⸗Anrechnungsquittungen, welche nach Ausführung der im vorhergehenden Artikel erwähnten Rekrutirung des Jahres 1874 im Verkehr verbleiben könnten, sind folgende Bestim— mungen zu beobachten:.

a, die genannten Quittungen sind spätestens bis zum 1. Oktober 1574 je nach, Hingehörigkeit den Kreis, Bezirks⸗ oder Stadtsessionen für die Militärpflicht einzureichen, welche dieselben entweder gegen Quittungen neuer Form eintauschen, oder sie mit einem Vermerk über die Einlieferung der Quittung versehen;

b. eine jede der Kreis⸗, Bezirke⸗ oder Stadtsession eingereicht: Quittung wird auf den Namen einer Person nach Wunsch des In—= , eingetragen und darf sodann nicht mehr in andere Hände über⸗ gehen; ; U 4 !

8, die Quittungen werden bei der Einberufung zum Militärdienst nur für diejenige Person zur Anrechnung angenommen, auf deren Na— men sie eingetragen worden, oder für deren leiblichen oder Stiefbruder oder auch Vetter;

d. die binnen obiger Frist zum Einwechseln nicht eingereichten Anrechnungsquittungen verlieren ihre Gültigkeit;

e. der Inhaber einer Quittung kann dieselbe beim Fiskus einrei⸗ chen und vierhnndertfünfundachtig Rubel in Empfang nehmen, und

f. der Modus und die Fristen für den Auskauf der Quittungen werden vom Finanz⸗Minister bestimmt werden, sobald die Zahl der beim Volke im Verkehr befindlichen Quittungen in Erfahrung ge— bracht worden. 4

Der dirigirende Senat wird nicht unterlassen, zur Ausführung dieses die erforderlichen Anordnungen zu treffen.

Das Original ist von Seiner Kaiserlichen Majestät Höchsteigen—⸗ händig unterzeichnet:

St. Petersburg, am 1. Januar 1874. Auf dem Original steht von Seiner Kaiserlichen Majestät Höchst⸗ eigener Hand verzeichnet: l

Alexander.“

Dem sei al so.“ St. Petersburg, am 1. Januar 1874.

19. Januar. (W. T. B.) Der Statthalter von Polen, General⸗Feldmarschall Graf Berg, ist gestern hier an der Lun⸗ genentzündung gestorben.

Aus Veranlassung des Kaiserlichen Reskripts, betreffend den öffentlichen Unterricht, hat der Adel von Mos kau dem Kaiser eine Erwiderungsadresse überreicht, in welcher die vollste Uebereinstimmung mit den Grundsätzen des Reskripts aus⸗ gesprochen wird.

20. Januar. (W. T. B). Der „Regierungsanzeiger“ veröffentlicht das Reichsbudget für das Jahr 1874. Bas⸗ selbe veranschlagt die Einnahmen auf 539,851,656 Rubel, die Ausgaben auf 536,683,836, weist also eine Mehreinnahme von 3,167,820 Rubel nach.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 15. Januar. Am Sonnabend starb hierselbst der Hofmarschall, Ritter des Schwertordens, Freiherr Claes Reinhold Rudbeck in einem Alter von 83 Jahren.

19. Januar. (W. T. B.) Der Reichstag ist heute vom Könige eröffnet worden. In der Thronrede wird der freundschastlichen Beziehungen Schwedens zu den auswärtigen Mächten gedacht und als ein Zeichen des besonders freundlichen Verhältnisses zu dem Deutschen Reiche der Besuch des Kron⸗ prinzen des Deutschen Reichs und von Preußen hervorgehoben. Von neuen Gesetzvorlagen werden angekündigt: ein Handels- und Schiffahrtsgesetz für den Verkehr zwischen Schweden und Nor⸗ wegen, eine Vorlage betreffs Bewilligung von Theuerungs⸗ zulagen an die Staatsbeamten, eine fernere Vorlage wegen Fort⸗

etzung des Baues von Staatseisenbahnen, sowie der Plan, der

züglich der Reorganisation des Heeres und der Flotte ausge⸗ arbeitet worden ist. Die hiermit eng zusammenhängende Frage über das Aufhören der militärischen Grundsteuern wird noch von der Regierung berathen und in der jetzigen Session nicht mehr zur Vorlage gelangen.

Amerika. Washington 19. Januar. (W. T. B.) Morrison Waite ist zum Oberrichter am obersten Gerichts⸗ hofe ernannt worden.

(A. A. C.) Aus Pernambuco wird unterm 2. d. M. gemeldet, daß der dortige Bischof verhaftet und wegen Mangels an Achtung und Gehorsam vor den Gesetzen und der Verfassung in den Anklagezustand versetzt worden ist.

Zwischen Rio de Janeiro, Bahia, Pernam bu co und Para ist eine unterseeische Telegraphenverbindung hergestellt worden.

Asien. Das wöchentliche Telegramm des Vice⸗Königs von

Indien betreffs der bengalischen Hungersnoth meldet,

daß sich die allgemeinen Aussichten durch den Regenfall am 11. d. M. ein wenig gebessert haben. Die Reiseinfuhr hält in großem Maßstabe an, und die Mittel zur Vertheilung der Vor⸗ räthe in den nothleidenden Bezirken erweisen sich als hinlänglich. Die Gesuche um Unterstützung mehren sich, in Folge dessen eine ausgedehnte Hülfsorganisation in der Bildung begriffen ist. Lokalausschüsse kommen der Regierung zur Hülfe, und in Cal⸗— cutta ist ein Centralausschuß in der Vorbereitung.

Unterm 16. d. M. wird der „Times“ aus Calcutta ge⸗ meldet: ‚Der Vice⸗König hat im Konseil beschlossen, Simla nicht zu besuchen. Geld wird rasch knapp und die Kassenbilanzen sind sehr klein. Die intensive Kälte hält an.“

7

Landtagsangelegenheiten.

Berlin, 20. Januar. In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten erklärte der Justiz-Minister r. Leonhardt in der Diskussion über den Gesetzentwurf, betreffend die Beur⸗ kundung des Personenstandes ꝛc. zu §. 36:

Meine Herren! Ich bin der Ansicht, daß der §. 36, wenn sein Inhalt so verstanden wird, wie ihn der Hr. Abg. v. Malliuckrodt ver— standen wissen will, abgeändert werden muß, denn in jenem Sinne quadrirt der §. 36 nicht mit dem §. 337 des Strafgesetz uches. Ich werde mich asso mit dem Antrage des Hrn. Abg. Miquel, welchen er zu §. 386 angekündigt hat, einverstanden erklären. Damit würdt, wie ich meine jede Stütze für den Antrag des Hrn. Abg. v. Mallinckrodt weg fallen. Was nämlich in der Bestimmung, welche beantragt wird, anzuerkennen ist, kann sehr wohl im Wege der Ausführung des Ge— setzes festgesetzt werden, aber als gesetzliche Norm empfiehlt sich diese Bestimmung gewiß nicht, denn dieselbe ist nach mehreren Richtungen hin dunkel, und es ist möglich, daß man sagen könnte, die Vorschrift enthalte eine wesentliche Form fuͤr die Eheschließung, und deshalo werde jede Eheschließung Ungültig, wenn gegen dieselbe verstoßen sei; das kann ich nimmermehr für richtig halten und glaube, daß es sich nicht empfiehlt, derartige Vorschriften, die offenbar Ausführungsvor⸗ schriften sind, in das Gesetz aufzunehmen.

Zu §. 51 Inkrafttreten des Gesetze nach dem Abg. v. Mallinckrodt:

Der Piragraph wird aus ufüllen sein durch den Zeitpunkt, wel⸗ chen man für geeignet wält! als Beginn der Inkrafttretung des Ge—⸗ setzes zu gelten. Bei der Vorlage des Entwurfs konnte man nicht wissen, welcher Zeitwunkt der geeignete sein würde; ich möchte anheim⸗ geben, den ersten Oktober zu wählen. ̃

Die Schwierigkeiten, welche von dem Hrn. Abg. v. Mallinckrodt hervorgehoben wurden, sind an sich nicht zu vermeiden; ich wüßte wenigstens nicht, wie sie vermieden werden können, selbst, von Je⸗ mandem, welcher eine größere Umsicht auf die Ausarbeitung des Gesetzes verwendet, als von uns geschehen sein soll. Ich bemerke übrigens, daß dies nur theoretische Schwierigkeiten sind; praktisch werden sie nicht in Frage kommen. Es ist ja richtig, daß das Aufgebot nach diesem Gesetze erlassen werden muß, wie die Eheschließung selbst. Dag Gesetz trägt aber Fürserge, daß das Aufgebot wegfallen kann, es gestattet nämlich, daß durch Königliche Dispensationen das Auf— gebot erlassen wird. Wenn das Aufgebot in der letzten Zeit vor dem Eintritt des Gesetzes auf kirchlichem Wege bewirkt worden ist, so liegt es nahe, daß ein ferneres Aufgebot nach dem neuen Gesetze er— laffen würde durch Königliche Verfügung Damit würde die Sache ganz einfach erledigt.

Nach dem Abg. Miquel: . ö

Ich erlaube mir, dem Hrn. Abg, Miguel zu erwidern, daß das Gesetz keineswegs übereilt gearbeitet ist, wie ich auch nicht finde, daß die Berathungen dieses Hauses übereilt sind. ĩ Das Gesetz bietet atzer sowohl für die erste Bearbeitung, wie für die Berathung ganz außexordenttiche sachliche Schwierigkeiten; die= selben hängen wesemlich mit dem Mangel einer entsprechenden Be— hörden⸗Organis nien zustimmen. Deshalb Baben wir Bedenken gehegt, und Sie verschiedene Ansichten gehabt. Das ist Alles ganz natürlich,

von Uebereilung der Sache kann nach keiner Richtung hin die

Rede sein.

Auf eine Erwidernng des Abg. v. Mallinckrodtt

Meine Herren! Ich glaube, es genügt vollständig, wenn für die betreffenden Ausnahmefälle die Dispensation eintritt; das ganze U glück wäre, daß Jemand 14 Tage auf die Eheschließung warten müßte. Diejenigen Personen, welche eine Ehe eingehen wollen, wissen im Vor— aus, wenn der Zusatz in Kraft tritt, und können ihre Vorbereitungen hier⸗ nach treffen. Es würde nichts Ungeheures sein, wenn innerhalb 14 Tagen eine Eheschließung nicht stattfin den könnte, auch nichts Nenes, da es auch jetzt geschlossene Zeiten giebt, während welcher Trauungen nicht stattfinden.

In der Diskussion über die Anträge der Abgg. Grafen v. Wintzingerode 26. nahm der Vice⸗Präsident des Staats⸗-Mini—⸗ steriums, Finanz⸗Minister Camphausen, nach dem Abg. Frhr. v. d. Reck das Wort: .

Meine Herren! Die Staatsregierung hat bei Einbringung der Vorlage die Frage, die das Haus so, lebhaft, beschäftigt, nicht zum Austrag bringen wollen, sie ist, der Ansicht, daß über diese Frage sich doch eingehend erst wird urtheilen lassen, wenn man die Erfahrung kennt, wenn man weiß, in welcher Weise das zu beschließende Gesetz wirken wird, welche Ver— hältnisse sich daraus entmwickeln werden, welche Härten oder welche Un— billigkeiten durch das (zesetz hervorgerufen werden könnten. Sobald wir diese Erfahrungen kennen, werden Sie darauf rechnen dürfen, daß dasjenige, was die Landesvertretung für billig erachtet, auch wobl bei der Staatsregierung ein wohlwollendes Gehör finden wird. Es liegt ung ja sehr fern, mit Härte gegen einzelne Schichten der Bevölkerung, gegen einzelne Stände vorgehen zu wollen. Andererseits, meine Her— ren, muß es uns aber auch fern liegen, unbestimmte Engagements zu übernehmen, deren Tragweite sich nicht übersehen läßzt. 1

Soweit die Resolmien oder eine der Resolutionen darauf gerichtet ist, die thatsächlichen Verhälnnisse zu ermitteln, dann die Möglichkeit zu statusren, daß der Staat helfend einschreiten müsse, das Maß dieser Möglichkeit aber näwer zu erwägen und in Vorschlag zu bringen, nachdem man die thatsächlichen Verhältnisse kennt: in diesem Sinne, meine Herren, würde die Staatsregierung einer Resolution vollkommen zustimuen können.

Der dem Hause der Abgeordneten vorliegende Ent⸗ wurf eines Gesetzes über die Verwaltung erledigter

katholischer Bisthümer hat folgenden Wortlaut:

Wir Wilhelm, i. . . verordnen mit Zustimm mg beider Häuser des Landtages, für den Um—

fang der Monarchie, waz folgt:

§. 1. In einem katholischen Bisthume, dessen Stuhl erledigt ist, dürfer die mit dem bischöflichen Amte verbundenen Rechte und geist⸗ lichen Verrichtungen, insgesammt oder einzein, soweit sie nicht die Güterverwaltung beireffen, bis zur Einsetzung eines staailich anerkann- ten Bischofs nur nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Gesetzes ausgeübt werden. . ö

5§. 2. Wer bischöfliche Nechte oder Verrichtungen der im S. 1 bezeichneten Art ausüben will, hat dem Oher⸗Präsidenten der Provinz, in welcher sich der erledigte Bischofssitz befindet, hiervon unter Angabe des Umfanges der auszuübenden Rechte schriftliche Mittheilung zu machen, dabei den ihm ertheilten kirchlichen Auftrag darzuthun, sowie den Nachweis zu führen, daß er die persönlichen Eqgenschaften besitzt, von denen das Gesetz vom II. Mai 1873 (Gesetz-Samml. 1873 S. 191) die Uebertragung eines geistlichen Amtes abhängig macht. Zu— gleich hat er zu erklären, daß er bereit sei, sich eidlich zu verpflichten, dem Könige treu und gehorsam zu sein und die Gesetze des Staates zu befolgen. .

§. 5. Innerhalßh zehn Tagen nach Empfang der Mittheilung kann der Ober -Präsident gigen die beanspruchte Ausübung der im 5. 1 genannten bischöflichen Rechte oder Verrichtungen Einspruch erheben. Auf die Erhebung des Einspruchs finden die Vorschriften des §. 16 des tesetzes vom 11. Mai 1873 (Gesetz-Samml. S. 191) mit der Maß⸗ gabe Anwendung, daß die Berufung bei dem Gerichtshofe für kirch⸗ liche Angelegenheiten nur innerhalb zehn Tagen zulässig ist.

Wenn kein Einspruch erhoben oder der Einspruch von dem Ge— richtshofe für kirchliche Angelegenheiten verworfen worden ist, erfolgt die im 5. 2 vorgeschriebene eidliche Verpflichtung vor dem Ober⸗-Prä⸗ sidenten oder einem ven demselben ernannten Kommissarius.

§. 4. Wer vor der eielichen Verpflichtung hischöfliche Rechte oder Verrichtungen der im 5. 1 bezeichneten Art ausübt, wird mit Gefäng— niß von sechs Monaten kis zu zwei Jahren hestraft. ö

Dieselbe Strafe trifft den persönlichen Vertreter oder Beauftrag⸗ ten eines Bischofs (Generalvikar, Offizial u. s. w.), welcher nach Er—⸗ U digung des biscköflichen Stuhles fortfährt, bischöfliche Rechte oder Verrichtungen auszuüben, ohne anderweit in Gemäßheit der §5§. 2 und 3 die Befugniß zur Ausübung derselben erlangt zu haben.

Die vorgenommenen Handlungen sind ohne rechtliche Wirkung.

§. 5. Kirchendiener, welche auf Anordnung oder im Auftrage eines stagtlich nicht anerkannten oder in Folge gerichtiichen Erkenntnisses aus seinem Amte entlassinen Bischefs oder einer Person, welche bischöfliche Rechte oder Verrichtungen den Vor— schriften dieses Gesetzes zuwider ausübt, oder eines von diesen Personen ernannten Vertreterz Amtshandlungen vornehmen, werden mit Geldstrase bis zu 100 Thlr. oder mit Haft oder mit Gefängniß bis zu einem Jahre und, wenn auf Grund eines solchen Auftrags bischöfliche Rechte oder Verrichtungen ausgeübt sind, mit Gefängniß von sechs Monaten bis zwei Jahren bestraft.

§. 6. Wenn die Stelle eines Bischofs in Folge gerichtlichen Urtheils erledigt worden ist, hat der Ober-Präsident das Domkapitel zur sofortigen Wahl eines Blsthumsverwesers (Kapitelsvikars) auf⸗— zufordern.

Erhält der Ober ⸗Präsident nicht innerhalb zehn Tagen Nachricht von der zu Stande gekommenen Wahl, oder erfolgt nicht binnen wei— terer vierzehn Tage die eidliche Verpflichtung des Gewählten, so er⸗ nennt der Miaister der geistlichen Angelegenheiten einen Kommissarius welcher das dem bischöflichen Stuhle gehörige und das der Verwal— tung desselben oder des jeweiligen Bischofs unterliegende bewegliche und unbewegliche Vermögen in Verwahrung und Verwaltung nimmt. Zwangsmaßregeln, welch erforderlich werden, um das Vermögen der Verfügung des Kommissars zu unterwerfen, trifft der Ober⸗Ptäsident.

Derselbe ist befugt, schon vor Ernennung des Kommissars und selbst schon bei Erlaß der Aufforderung an das Domkapitel das im Vorstehenden bezeichnete Vermögen in Verwahrung zu nehmen und die hierzu erforderlichen Maßregeln nöthigenfalls zwangsweise zu treffen.

§. 7. Die Bestimmungen des §. 6 finden gleichfalls Anwendung

[) wenn in einem Falle, in welchem die Stelle eines Bischofs in Folge gerichtlichen Urtheils erledigt ist, der Bisthumsverweser aus seinsm Amte ausscheidet, ohne daß die Einsetzung eines neuen staat⸗ lich anerkannten Bischofs stattgefunden hat, und

2) wenn in anderen Fällen der Erledigung eines bisschöflichen Stuhls bischöfliche Rechte oder Verrichtungen von PVersonen aus— geübt werden, welche den Erfordernissen der S§8. 2 und 3 uicht ent— sprechen.

ö 5§. 8. Die Bestimmungen des §. 6 über die Bestellung eines Kommissarius zur Verwaltung des dort bezeichneten Vermögens, sowie über die Beschlignahme dieses Vermögens finden ferner in allen Fällen Anwent ung, wenn ein erledigter bischöflicher Stuhl nicht innerhalb eines Jahres nach der Erledigung mit einem staäatlich anerkannten Bischofe wiederbesetzt ist. e ö ;

Der Minister der geistlichen Angelegenheiten ist ermächtigt, die Frist zu verlängern. . . .

§. Die Verwaltungsbefugnisse des Bischofs gehen auf den Kommissarius über. ;

Die Kosten der Verwaltung werden aus dem Vermögen vorweg entnommen. . .

Der Kommissarius vertritt den bischöflichen Stuhl oder den Bischof als solchen in allen vermögensrechttichen Beziehungen nach Außen. Er führt die dem Bischef zustehende obere, Verwallung und Aufsicht über das kirchliche Vermögen in dem hischöftichen Sprengel, ein schliezlich des Pfarr⸗, Vlkarles, Kaplanei⸗ und Stiftungsvermögens aller Art.

Der Kommissarius wird Dritten gegenüber durch die mit Siegel und Unterschrift versehen: Ernennungsurkunde auch in den Fällen legi⸗ timirt, in welchen die Gesetze eine Spezialvollmacht- oder eine gericht— liche, notarielle oder anderweitig beglaubigte Vellmacht erfordern.

§. 19. Die Verwaltung des Kommissars endet, sobald, ein in Gemäßheit der Vorschriften dieses Gesetzes gültig bestellter Bisthums— verweser (Kapitelsvikar) die Bisthumsverwaltung übernimmt, oder so—- bald die Einsetzung eines staatlich anerkannten Bischofs statt— gehabt hat. ;

Der Kommissarius ist für seine Verwaltung nur der vorgesetzten Behörde verantwortlich, und die von ihm zu legende Rechnung unter— fegt der Reviston der Königlichen Ober⸗Rechnungskammer in Gemäßheit der Vorschrift des 8. 10 Nr. 2 des Gesetzes vom 27. März 1872 (Gesetz Simml. 1872 S. 278). Eine anderweite Verantwortung oder Rechnungélegung findet nicht statt.

§. 11. Der Ober⸗-Präsident bringt die nach den Vorschriften dieses Gefetzes erfolgte Bestellunz des Bisthumsverwesers, sowie die Ernennung des Kommissarg unter Angabe des Tages, an welchem ihre Amtsthätigkeit begonnen hat, ingleichen das Erlöschen der Amts— thaͤtigkeit und den Tag desselben dutch den Staat ⸗Anzeiger, sewie durch sämmtliche Amts- und Kreisblätter, welche in dem bischöflichen Sprengel erscheinen, zur öffentlichen Kenntniß.

§. 12. Die Anwendung der §S5§. 6 bis 11 wird dadurch nicht ausgeichlossen daß das Domkapitel für die Dauer der Erledigung des bischöflichen Stuhles einen bejonderen Vermögens⸗Verwalter (Ocko— nomen) bestellt oder selbst die Verwaltung übernsmmen hat, oder daß eine besonrere bischöfliche Behörde für dieselbe besteht.

§. 13. Kommt in den Fällen der SS. 6 und 7 nicht innerhalb der gesetzten Frist die Wahl eines Bisthumeverwesers zu Stande, oder erfolgt rächt binnen weiterer vierzehn Tage die eidliche Verpflichtung des Gewählten, so verfügt der Minister der geistlichen Angelegenheinen die Einbehaltung der zum Unterhalt der Mitglieder des wahlberechtig- ten Domkaprels bestimmten Staatsmittel, bis ein Bisthumsverwes er nach den Vorschriften dicses Gesetzes gültig bestellt oder ein staatlich anerkannter neuer Bischof eingesetzt ist. .

Der Mintfter ist jedoch befugt, einzelnen Mitgliedern des Dom— kapitels das Staatsgehalt fortzahlen zu lassen.

14. in 3 Fällen der F§. 6 und 7 ist Dersenige, welchem auf Grund des Patröͤnats oder eines senstigen Rechtskfitels in Betreff eines erledig⸗ ten Jgeistlichen Aitz das Präsentations- (Nomination, Vorschlags)

Recht zusteht, befugt, das Amt im Falle der Erledigung wieder zu besetzen und für eine Stellvertretung in demselben zu sorgen.

Während der Dauer einer kommissarischen Verwaltung

5§. 15. Macht der Berechtigte von dieser Befugniß Gebrauch, so kommen die Vorschriften des Gesetzes vom 11. Mai 1873 (Gesetz= Sammlung S. 191) zur Anwendung. Die im 5. 22, Absatz 1, da⸗ selbst dem gessftlichen Oberen im Falle gesetzwidr ger Amtsũbertragung angedrohte Strafe trifft in gleichem Falle den Berechtigten.

§. 16. Wenn der Berechtigle innerhalb zwei Monaten vom Tage der Erledigung des geistlichen Amts, und falls die Erledigung vor Geltung des gegenwärtigen Gesetzes erfolgt, vom Tage dieser Geltung an, für eine Stellvertretung nicht sorgt, oder innerhalb Jahresfrist nach Erledigung der Stelle dieselbe nicht wiederbesetzt, so geht seine Befugniß auf die Pfarr⸗(Filial⸗, Kapellen⸗ u. s. w.) Gemeinde über. Die Gemeinde hat die im 5§. 14 bezeichneten Befugnisse in allen Fällen, in welchen ein Präsentationsberechtigter nicht vorhanden ist.

3. 17. Liegen die Voraussetzungen des §. 16 vor, so beruft der Landrath (Amtmann) auf den Antrag von mindestens zehn groß⸗ jährigen, im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befindlichen, männlichen Gemeindemitgliedern, welche nicht einem mitwählen⸗ den Familienhaupie untergeordnet sind, sämmtliche diesen Erfordernissen entsprechende Mitglieder der Gemeinde zur Beschlußfassung über die 4 der Stellvertretung oder über die Wiederbesetzung der Stelle.

Zur Gültigkeit der Beschlüsse ist erforderlich, daß mehr als die Hälfte der Erschienenen dem Beschlusse zugestimmt hat.

p fdr näheren Bestimmungen über das Verfahren erläßt der Ober- räsident.

§. 18. Kommt eine gültige Wahl zu Stande, so ist nach Maß— gabe des §. 17 ein Repräsentant zu wählen, welcher die Uebertragung des Amts an den gewählten Geistlichen auszuführen hat. Für das Verhalten und die Verantwortung des Repräsentanten gelten die Vor- schriften des §. 15.

§. 19. Wird in den Fällen der §8§. 14 bis 18 vom Ober⸗Präsi= denten kein Einspruch erhoben oder der erhobene Einspruch von dem Gerichtshofe für kirchliche Angelegenheiten verworfen, so gilt der Geist— liche als rechtsgültig angestellt.

5.20. Wenn vor dem Tage, an welchem dieses Gesetz verkündet wird, die Stelle eines Bischofs in Folge gerichtlichen Urtheils erledigt worden ist. so finden die Vorschriften dieses Gesetzes ebenfalls, jedoch mit der Maßgabe Anwendung, daß der Ober⸗Präsident sofort 2 der Verkündung die im S. 6 vorgeschriebene Aufforderung an dat Domkapitel er läßt. ;

8. 21. Wo in diesem Gesetze von einem Bischofe, bischöflichen Stuhle, Amte, Sitze u. s. w. oder einem Bisthum die Rede ist, sind darunter auch ein Erzbischof, Fürstbischof, sowie deren Stühle, Aemter, Sitze, Bisthümer u. s. w. zu verstehen.

Unter den mit dem bischöflichen Amte verbundenen Rechten und geistlichen Verrichtungen im Sinne dieses Gesetzes sind sowohl die in dem bichöflichen Amte als solchem enthaltenen, als auch die auf Dele—= gation beruhenden Rechte und Verrichtungen begriffen.

5. 22. Der Minister der geistlichen Angelegenheiten ist mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt.

Urkundlich 2c.

Der Entwurf eines Gesetzes wegen Deklaration und Ergänzung des Gesetzes vom 11. Mai 1873 über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen (6. S. 1873 S. 191) lautet:

Wir Wilhelm ꝛc. verordnen mit Zustimmung beider Hãuser des Landtages Unserer Monarchie, zur Deklaration un Ergänzung des Gesetzes über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen vom 11. Mai 1873 was folgt:

Art. 1. Das Gesetz vom 11. Mai 1873 wird dahin deklarirt, daß die Uebertragung eines geistlichen Amtes, sowie die Genehmigung einer solchen Uebertragung auch dann den Vorschriften der §5§. I biz 3 dez Gesetzes zuwider sind, wenn dieselben ohne die im 8. 15 da— selbst vorgeschriebene Benennung des Kandidaten oder vor dieser Be— nennung oder vor Ablgzuf der im §. 15 für die Erhebung des Eln« spruchs gewährten Frist erfolgen.

Art. 2. Die Strafe des 5 23 des Gesetzes vom 11. Mai 1873 trifft einen jeden Geistlichen, welcher Amtshandlungen vornimmt, ohne den Nachwels führen zu können, daß er zu einem hierzu ermächtigen⸗ den Amte oder zur Stellvertretung oder zur Hülfsleistung in einem solchen Amte unter Beobachtung der 5§. 1 bis 3 des genannten Ge— setzes berufen worden sei. .

Art. 3. Nach Etledigung eines geistlichen Amts ist der Ober— Präsident befugt, die Beschlagnahme des Vermögens der Stelle zu verfügen, wenn

I) das erledigte Amt den Vorschriften der 8§. 1 bis 3 des Gesetzes vom JJ. Mai 1873 zuwider übertragen wird, oder

2) wenn Thatsachen vorliegen, welche die Annahme begründen, daß die Uebertragung des Amtes nicht unter Beobachtung dieser Vorschriften erfolgen werde.

Der Beschlaznahme unterliegt das gesammte Vermögen der Stelle, einschließlich aller Nutzungen, Hebungen und Leistungen. Der Ober⸗Präsident ernennt einen Kommissarins, welcher die Beschlagnahme ausführt und bis zur gesetzmäßigen Wiederbesetzung der Stelle be⸗ ziehentlich bis zur gesetzmäßigen Einrichtung einer einstweiligen Ver— tretung das Vermögen für Nechnung der Stelle verwaltet. Zwange—⸗ maßregeln, welche zur Ausführung der Beschlagnahme erforderlich sind, werden im Verwaltungswege getroffen. Der Kommissarius übt alle vermögensrechtlichen Befugnisse des berechtigten Stelleninhabers mit voller rechtlicher Wirkung aus.

Die Kosten der Verwaltung werden aus den Einkünften der Stelle entnommen.

Urkundlich ꝛc.

Die Ausgaben des Ministeriums der auswärtigen An⸗ gelegenheiten (Kap. 55) sind auf 157,299 Thlr., 1600 Thlr. höher als pro 1873 ausgeworfen worden. Die Mehrausgabe (31060 Thät.), welcher die Ersparniß der Bureaukosten des einzuziehenden Genetai⸗ Konsulats in Hamburg (1500 Thlr.) gegenüberstehen, sind durch Er⸗ höhung der Lokglzulagen der Leggtienskanzlisten in Karlsruhe, Darm⸗ stadt und Hanmhurg um je 300 Thlr. und in München um 209 Thlr., sowie durch Nenanstellung eines Kanzlers bei der Gesandtschaft in Hamburg nothrzendig geworden.

Die Einnahmen des Gesetz Sammlung s- Debits⸗Komtoirs in Berlin (Kap. 28) sind durch die verstärkte Auflage der Gesetz= Sammlung gegen 1873 um 155650 Thlr, auf 55, 400 Thlr. gestsegen; die Ausgaken (Kap. 34) haben sich durch Vermehrung der Druckkosten um 13,580 Thir, auf 61,9750 Thlr. erhöht. Die Verwaltung erfor⸗ dert demnach 6oß0 Thlr. ( 260 Thlr. Zuschuß.)

Die Einnahmen des Dentschen Reichs‘ und Königlich Preußischen Staats-Anzeig ers“ (Kap. 29) sind in Folge der Erhöhung des Abonnements und JInsertionspreises auf 92,5600 Thir. ( 26,800 Thlr) vęranschlagt worden. Für die Ausgaben ist ein besonderes Kapitel Gö) gebilzet, welches wit 5,300 Thlr. (4 26,3300 Thlr.!) schließt. Der, Zuichuß beträgt 4299 Thir,, wozu die Dentsche Reichskasse 14009 Thlr. und die preußische Staäͤatskasse 2800 Thlr. ( 600 Thlr.) beiträgt.

Der Etat des Bure gus des Staats, Ministe rium s (Kap. 44 ermäßigt sich auf 90,690 Thlr., um 65, 800 Thlr, hauptsächlich weil der Znschuß für den Dentschen Reichs- und Königlich Preußischen Stants⸗Anzeiger (67 7090 Thlr) in Folge der Einrichtung eines be⸗ sonderen Kapitels für dieses Institut hier in Wegfall gekommen ist.

Der Etat für die Staate⸗Archive (Kap. 45) erhöht sich ven 52484 Thir auf 60,850 Thlr., also um 8366 Thlr. Darunter be⸗ finden sich 3200 Thlr. mehr (jetzt 4000 Thlr.) zur Erwerbung von Ar⸗ chivalien. An einmaligen und außerordentlichen Ausgaben sind (Kap. 2) 244690 Thlr, zweite Rate für das Archivgebäude zu Düssel⸗ dorf, zum Ansatz gebracht.

Im Etat der General-Ordens-Kommission (Kap. 46. 4502 Thlr.) sind wegen Verminderung des Ehrensolds für. In— haber des Eisernen Kreuzes durch Heimfälle Minderausgaben im

Betrage von 4599 Thlr. gegen den Etat 1873 möglich gewesen.