1874 / 26 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 30 Jan 1874 18:00:01 GMT) scan diff

garantie des Staats für das Anlagekapital einer Eisenbahn von Halle über Nordhausen nach Heiligenstadt. Dann setzte das Haus die Berathung des Etats des Ministeriums der geist lichen u. s. w. Angelegenheiten fort. ö

Zu Kapitel 123 (Universitãten) lagen folgende Anträge und Resolutionen der Budgetkommission vor:; .

1) Zu Tit. I, 3 und 5 bei den Universitäten Königsberg, Bres— lau und Kiel die Remuncration der Universitäts kuratoren von 800 Thlr. in die Kolonne der künftig wegfallenden Zahlungen wieder auf—

unehmen. . ĩ ö. ; ö Zu Tit. 7. Bei der Universität Marburg eine ordentliche

Professur für National ⸗Dekonomie mit. einem Besoldungsbetrage von 1400 Thlr. in die Kolonne der künftig wegfallenden Ausgaben zu übernehmen. . .

3) Demnach die Kolonne „künftig wegfallend in folgender Weise zu beschließen: In Tit. 1 mit 6500 Thlr., in Tit. 3 mit 4150 Thlr., in Tit. 5 mit 3520 Thlr, in Tit. 7 mit 2859 Thlr.

4) Im Uebrigen die Tit, 1— 13 zu bewilligen.

55 Ju Tit. J. Die Königliche Staatsregierung aufzufordern: bei Vorlegung des nächstjährigen Etats eine vergleichende Nachweisung über die Kur“ und Verpflegungskosten, Löhne und andere Ausgaben bei den klinischen Anstalten der Universitäten vorzulegen.

6) Zu Tit. 6. Die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, mit dem Etaͤtsentwurf pro 1875 eine Denkschrift über die Entstehung, den rechtlichen Charakter und den Umfang der Verbindlichkeiten des han⸗ noverschen Klosterfonds dem Hause vorzulegen.

7) Zu Tit. 9). Die Königliche Staatsregierung aufzufordern: durch Verstärkung des Staatszuschusses auf eine Erhöhung der Aus⸗ gaben für die Paulinische Bibliothek an der Akademie zu Münster im Etat pro 1875 Bedacht zu nehmen.

8s) Zu Tit. 1—5. Die Königliche Staatsregierung aufzufordern: im nächsten Etat dafür Sorge zu tragen, daß die Minimalgehalte der außerordentlichen Professoren angemessen erhöht werden.

Nachdem der Abg. Dr. Virchow als Referent der Budget⸗Kom⸗ mission diese Anträge motivirt hatte, sprach der Abg. Krech seine Freude darüber aus, daß endlich auch die Universität Greifs⸗ wald einen Staatszuschuß erhalte; es wäre schon Vieles ge— leistet, es wäre aber noch mehr zu leisten, denn die meisten In⸗ stitute und besonders die Bibliothek entsprächen durchaus nicht den Bedürfnifssen. Es wäre zu wünschen, daß Greifswald in dem künftigen Etat noch höher bedacht würde.

Nachdem die Regierungs⸗Konimissarien Geheimer Ober⸗ Regierungs-⸗Rath Knerk und Professor Dr. Geppert dem Refe⸗ rent erwidert hatten, daß die Regierung sich damit befasse, Ver⸗ besserungen überall möglichst eintreten zu lassen ergriff der Minister der geistlichen u. s. w. Angelegenheiten Dr. Falk das Wort, um speziell für die Universität Marburg die Beibehaltung der Professur für Nationalökonomie zu befürworten; darauf ver⸗ theidigte sich der Finanz⸗Minister Camphausen dem Referenten gegenüber gegen den Vorwurf der Kärglichkeit. Nachdem der Abg. Miguel darauf aufmerksam gemacht, daß die Universität Göltingen sehr ungünstig gestellt sei, ergriff der Abg. Dr. Lasker das Wort, um dem Finanz⸗Minister Camphausen zu antworten, daß allerdings gegen früher mehr ge⸗ schehen sei für Universitäten; daß aber noch viel mehr dafür geschehen müßte, wenn nur einigermaßen den Ansprüchen genügt werden sollte. Nach einigen berichtigenden Bemerkungen Fes Finanz-Ministers und des Ministers der geistlichen Auge— legenheiten sowie des Referenten genehmigte das Haus die Titel mit allen Anträgen der Kommission. Bei Schluß des Blattes trat das Haus in die Diskussion eines Antrages des Abg. Virchow:

die Königliche Staatsregierung aufzufordern, in Erwägung zu ziehen, ob nicht die landwirthschaftlichen Anstalten zu Eldena, und Poppels⸗ dorf in eine unmittelbare Verbindung mit, den Universitäten zu Greifs—⸗ wald und Bonn zu bringen und unter die Verwaltung des Ministers der geistlichen, Unterrichts und Medizinal⸗Angelegenheiten zu stellen sind.

= Die Sammlung des Deutschen Gewerbe⸗Museums hat durch Herrn Wilhelm Borchert eine gal vanoplastische Nach⸗ bildung von 30 Stücken des Hildesheimer Silberfundes aus der Fabrik von Christofle in Paris zum Geschenk erhalten. Dieselbe umfaßt alle künstlerisch ausgestatteten Theile des Schatzes und ist mit Zuhülfenahme der von Küsthardt in Hildesheim gemachten Gipsabgüsse auf das Sorgfältigste hergestellt.

Da galvanoplastische Nachbildungen über Originale noch nicht hergestellt sind, so sind die Christofle'schen Arbeiten die besten vorhandenen Kopien dieses berühmten Schatzes, welcher in dieser vollständig zusammengesetzten und ergänzten Nachbildung ein besonders glänzendes Gesammtbild gewährt.

Pots dam, 30. Januar. Am 2J. d. Mts. starb hierselbst der Königliche Ober⸗Regierungs-Rath und Dirigent der hiesigen Regierungsabtheilung für indirekte Steuern, Rudolph Gustav Bamihl.

Bayern. München, 28. Januar. In der heutigen Sitzung der Kammer der Abgeordneten beantwortete der Minister⸗Präsident von Pfretzschner die jüngst vom Abgeordneten Stenglein gestellte Interpellation wegen Fortsetzung der Kronacher⸗ bahn nach Norden dahin, daß er nicht sagen könne, ob und wann das Bahnprojekt zur Ausführung gelange, das betreffende Konsortium habe die zur Kaution hinterlegte Summe zurück⸗ verlangt, und eine gesetzliche Verpflichtung zum Bau dieser Bahn auf Staatskosten liege nicht vo. Eine Interpellation des Ab⸗ geordneten Julius Knorr: ob noch diesem Landtag ein Gesetz⸗ entwurf über die Ausscheidung der Kompetenzen der Polizei⸗ direktion, des Magistrats und der Lokal⸗Baukommission München vorgelegt werde, wurde vom Minister von Pfeufer bejaht. Der Wasserbau⸗Etat wurde nach den Anträgen des Ausschusses an⸗ genommen, darunter auch die Summe für die Herstellung eines Staatshafens und Ländebaues am Main bei Würzburg. Der Bau⸗Etat des Finanz-Ministeriums wurde ebenfalls nach den Ausschußanträgen genehmigt. Heute Abend wird über das pro⸗ visorische Steuergesetz berathen werden.

Der Finanzausschuß der Kammer der Abge⸗ ordneten hat den gestern von der Staatsregierung wegen der zu erwartenden Vertagung des Landtags eingebrachten Gesetz⸗ entwurf bezüglich der provisorischen Steuererhebung und vor⸗ läufigen Bestreitung besonderer Ausgaben für 1874 (und zwar bis zum 30. Juni d. J) schon gestern Abend erledigt. Der Ausschuß beantragte mit nicht wesentlichen Aenderungen die An⸗ nahme des Gesetzentwurfs, durch welche auch die Theuerungs⸗ zulagen der Beamten, sowie sie die Kammer bei der bisherigen Budgetdebatte beschlossen hat, bewilligt werden sollen. Sobald über den Gesetzentwurf Gesammtbeschluß beider Kammern erzielt ist, was wohl bis Freitag oder Sonnabend der Fall sein wird, erfolgt die Vertagung der Kammern. Nach Beilage X. zu die⸗ sem Gesetzentwurf erhalten als Jahresbeitrag der Theuerungs- zulagen: X. Präsidenten der Appellgerichte, dann Klasse J. und? IJ. des Regulativs von 1872, sowie die betreffenden Be⸗ amten gleicher Kategorien 429 fl., B. III. und I. Klasse 359 fl., 6. V. bis VIII. Klasse 280 fl., B. X. und X. Klasse 10 fl. In der Beilage B. ist eingestellt: Für die Pensionisten: für einen

Pensionsbetrag unter und bis inkl. 609 fl. 20 Proz. Zulage, für einen Pensionsbezug von 601 fl. bis 1209 fl. 15 Proz. Zulage und für einen Pensionsbezug von 1201 fl. bis 1800 fl. 10 Proz. 2) Für die Wittwenpensionen unter und bis 200 fl. I) Proz. von 201 = 400 fl. 15 Proz, von 401 600 fl. 19 Proz. Zulage. 3) Für Doppelwaisen: für den Bezug unter und bis 60 fl. 20 Proz, von 61 - 120 fl. 15 Proz., von 121 —180 fl. 10 Proz. 4) Für einfache Waisen, für den Bezug unter und bis 45 fl. 25 Proz. von 41 80 fl. 15 Proz. und von SI - 120 fl. 10 Proz. Zulage.

29. Januar. (W. T. B.) Die Zweite Kammer be⸗ schloß heute, die Staatsregierung zur Forterhebung der Steuern nach den gegenwärtigen RKormen bis zum 30. Juli

d. J. zu autorisiren, auch dieselbe zur Erhöhung des Tarifs für

den Personentransport auf den Staatseisenbahnen und zwar um 155 Prozent in erster, um 15 Prozent in zweiter und um 105 Prozent in dritter Klasse zu ermächtigen.

50. Januar. (W. T. B.) Der Kaiser von Oester⸗ reich ist heute Morgen zum Besuch seiner Tochter, der Prin⸗

zessin Leopold von Bauern im strengsten Inkognito hier ein⸗ getroffen. En

rer, Sachsen. Leipzig, 28. Januar. Der König und die Königin sind heute Nachmittag hier eingetroffen und von der Bevölkerung in enthusiastischer Weise empfangen worden. Schon Tage lang vorher war an einer ebenso sinnigen als geschmack⸗ vollen Ausschmückung vornehmlich der Straßen und Plätze, welche das Hohe Königspaar bei seinem Einzuge passiren würde, gearbeitet worden. Von der Bürgerschaft war die ausgedehnteste Thätigkeit in der Ausschmückung der Häuser und Geschãftsge⸗ wölbe entfaltet worden. In den Handlungen waren kostbare Stoffe sinnig zu Tableau und Gruppen vereinigt und mit den Büsten und bez. Portraits Ihrer Majestäten geschmückt. Vor dem Haupt-Portal des Rathhauses war eine Estrade errichtet und mit Flaggen, Wappen, Emblemen, Laubwerk ꝛc. reich verziert, während das Rath⸗ haus selbst in vollem Schmucke prangte. Der Königliche Extra⸗ zug lief um 12 Uhr in den Dresdener Bahnhof ein, woselbst sich zur ehrfurchtsvollen Begrüßung der Majestäten eingefunden hatten: die Herren Kreisdirektor v. Burgsdorff, Stadtkommandant General ⸗Major v. Montbé, Bürgermeister Hr. Koch, Vice Bürger⸗ meister Pr. Stephani, Polizei⸗Direktor Dr. Rüder, Stadtverord⸗ neten⸗Vorsteher Dr. Georgi, der derzeitige Rector magniticus, der Reichs-Oberhandelsgerichts-Präsident, der Bezirksgerichts⸗ Direktor, die Staatsanwalte, mehrere Räͤthe der Kreisdirektion und des Bezirksgerichts, der Ober⸗-Postdirektor, die Vorstände der Gerichtsämter J. und II., der Universitätsrichter, der Amts⸗ hauptmann, der Direktor der Landeslotterie, die Direktoren der Leipzig⸗ Dresdener Eisenbahn-Compagnie u. s. w. Beim Eintritt in den Empfangssalon richtete Bürgermeister Dr. Koch an Ihre Majestäten eine Ansprache.

Nach der offiziellen Begrüßung Ihrer Majestäten nahmen

dieselben in dem bereit gehaltenen Hofwagen Platz, und es er— folgte nunmehr unter Glockengeläute der festliche Einzug durch die Bahnhofsstraße, Augustusplatz, Grimmaische Straße, Markt, Katharinenstraße, Brühl und Goethestraße zum Palais in folgender Ordnung: Dem Zuge voran xitt eine Kavalkade von freiwillig zu diesem Zwecke vereinigten Herren, ihr folgten der zugführende Wagen (Stadtrath Peucker), der Wagen mit dem Bürgermeister und den Stadtverordnetenvorstehern, der Wagen des Kreisdirektors, der Wagen mit den Majestäten (zu beiden Seiten xitten der Königliche Ober- Stallmeister und der Stadt⸗Kommandant, General⸗Major v. Montbé), die Wa⸗ gen des Königlichen Gefolges und die Wagen der Empfangs⸗ Deputationen. Schutzmänner und Feuerwehrleute schlossen den Zug, der vom Austritt der Majestäten aus dem Bahnhof bis zum Eintritt in das Palais von dem Jubel der Bevölkerung begrüßt. Äls die Hohen Herrschaften bis an die große Ehrenpforte am Augustusplatze und am Eingange zur Grimmaischen Straße angelangt waren, traten fünfzig weißgekleidete Jungfrauen, den besten Familien der Stadt angehörend, hervor, deren Führerin den König begrüßte. Auf dem Marktplatze hatten die Studentenschaft, sowie die Militärvereine und die Innun⸗ gen und Korporationen sämmtlich mit den Fahnen sich aufgestellt und Spalier gebildet. Als der Zug vor dem Rath⸗ hause selbst angelangt war, traten die Herren Vice⸗Bürgermeister Dr. Stephani Und Stadtverordneten⸗Vorsteher Dr. Georgi an den Wagen, von denen der Letz ere eine Ansprache an die Ma⸗ jestäten hielt. Dann setzte der Zug seinen Weg fort, überall von Hochrufen begleitet. Mittags 13 Uhr wurden die Mitglieder des Raths und die Stadtverordneten in pleno empfangen.

Der erste Besuch der Majestäten galt dem typographischen Institut von Giesecke und Devrient. Nach der Rückkehr Ihrer Majestäten ins Palais fand daselbst große Tafel statt, zu welcher die Vertreter der Königlichen und städtischen Behörden und die hiesigen Konsuln Einladungen empfangen hatten. Mit dem Einbruche der Dunkelheit strahlten die öffent⸗ lichen Plätze, namentlich aber, das Rathhaus und der Platz vor dem Palais im vollsten Lichterglanze. In den späteren Abendstunden aber brachten die hiesigen Gesang⸗ vereine den Majestäten einen Fackelzug nebst Serenade.

29. Januar. Heute Morgen 76 Uhr fuhr der König und der Prinz Georg nebst Gefolge in Hofequipagen zur Jagd auf Ehrenberger Revier. Morgen Vormittag zwischen 9 und 10 Uhr findet auf dem Augustusplatz vor Sr. Majestät große Parade des hier garnisonirenden achten Infanterie⸗Regi⸗ ments Prinz Johann Georg Nr. 10 statt.

Württemberg. Der „St. ⸗A. f. W.“ vom 29. Januar theilt die Verlobung des Herzogs Wilhelm Eugen von Württemberg mit der Großfürstin Vera wie folgt mit:

„Stuttgart, 27. Januar. Mit Zustimmung der beidersei⸗ tigen Hohen Eltern und mit gnädigster Genehmigung Sr. Ma⸗ jestät des Königs, sowie Sr. Majestät des Kaisers von Rußland, als der Oberhäupter der beiden Höchsten Häuser, hat heute in den Appartements Ihrer Majestät der Königin die feierliche Verlobung Sr. Königlichen Hoheit des Herzogs Wilhelm Eugen von Württemberg, einzigen Sohnes des zu Carlsruhe in Schlesien wohnenden Herzogs Eugen Erdmann und der Herzogin Mathilde, geb. Prinzessin von Schaumburg⸗ Lippe, mit der Nichte Ihrer Königlichen Majestäten, der Groß⸗ fürstin Vera, Tochter Seiner Kaiferlichen Hoheit des Groß⸗ fürsten Constantin von Rußland und der Großfürstin Alexandra, geb. Prinzessin zu Sachsen⸗Altenburg, stattgefunden.

Durch die Verbindung des Ihren Majestäten so nahe ver⸗ wandten Herzogs mit der Frau Großfürstin Vera, welche Höchstdieselben ftets wie Ihre eigene Tochter betrachtet haben, ist die ganze Königliche Familie mit innigster Freude erfüllt wor⸗ . 6 sicher auch im Lande einen frohen Wiederhall fin⸗

en wird.“

Baden. Karlsruhe, 26. Januar. Nach der gestrigen Bürgerausschußsitzung folgte eine Besprechung über den Städteordnungs-Entwurf. Die Versammlung ersuchte die amwesenden Abgeordneten, in ihrer Fraktionssitzung zu er⸗ klären, daß erstere die Vertagung der Berathung dieses Ge⸗ setzes in den Kammern als nothwendig erachte.

HSessen. Darm stadt, 27. Januar. Auf Befehl des Großherzogs ist den Ständen ein Gesetzesentwurf wegen Reviflon der Bestimmungen über Versetzung der Eivil⸗ beamten in den Ruhestand zur verfassungsmäßigen Zu⸗ stimmung vorgelegt worden. Ebenso wurde den Ständen auf Allerhöchsten Befehl ein Gesetzesentwurf wegen Aufhebung des Gesetzes vom 14. August 1867 über die Aufbringung der Ko sten für das zur Erbauung von Eisenbahnen erforder⸗ liche Gelände vorgelegt.

Mecklenburg. Schwerin, 29. Januar. Der Erb⸗ großherzog und der Fürst Windischgrätz nebst drei Prin—⸗ zessinnen Töchtern sind gestern Nachmittag bez, heute früh hierselbst eingetroffen.

Sach sen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 29. Januar. Der Fürst Reuß j. L. Heinrich XVI. kam heute zu einem Besuch am Großherzoglichen Hofe hier an.

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 26. Januar. (R. u. J. Bl.) In der heutigen öffentlichen Sitzung des Landtags wurde der Antrag, betreffend die Einführung von Tagesjagdkarten, bei nochmaliger Abstimmung abgelehnt. Der von der Staatsregierung eingebrachte, aus 17 Paragraphen be—⸗ stehende Entwurf eines Gesetzes, Abänderungen der Feldpolizei⸗ Ordnung vom 1. April 1854 betreffend, gelangte, nach Bericht⸗ erstattung durch den Abg. Reinhardt, zur Annahme. Das Ge— setz hat den Zweck, mancherlei Uebelstände, die sich aus der äl⸗ teren Feldpolizei⸗Ordnung nach den seit ihrem Erlasse eingetre⸗ tenen wichtigen Veränderungen in den thatsächlichen und recht⸗ lichen Verhaͤltnissen auf dem betreffenden Gebiete herausgestellt haben, zu beseitigen. Ueber den aus 3 Paragraphen bestehenden und von einer ausführlichen Darlegung der Motive begleiteten Gesetzentwurf, betreffend die Abänderung des §. 7 des Gesetzes vom 10. März 1852 über die gerichtliche Zuschreibung, berichtete Abg. Helmkampf als Vorsitzender der Deputation für Rechts⸗ pflege. Dem Antrage der Deputation gemäß wurde dem Gesetz⸗ entwurfe die verfassungsmäßige Zustimmung im Ganzen ertheilt.

28. Januar. In der heutigen offentlichen Landtags⸗ n wurde die Petition mehrerer Gemeinden der Unterherr⸗ schaft, sowie der Antrag des Abgeordneten Weberstedt, beide darauf abzielend, daß den Gemeinden gegen Gewährung der ge⸗ setzlichen Lehrergehalle die Benutzung der zu den Schulstellen gehörigen Landgrundstücke u. s. w. üͤberlassen werde, nach län⸗ gerer Debatte abgelehnt. Sodann wurden in geheimer Sitzung, deren Protokoll aber zu veröffentlichen beschlossen wurde, der Staatsregierung 25,000 Thlr. zur Aufbesserung der Beamten⸗ gehälter zur Verfügung gestellt. Sodann beschloß der Landtag, die Fürstliche Regierung zu ersuchen, daß den öffentlichen Die⸗ nern der Eintritt in die Direktion oder den Verwaltungsrath von Aktiengesellschaften untersagt werde.

Lübeck, 29. Januar. Die „Lüb. Anz.“ publiziren fol⸗ genden vierten Nachtrag zu dem Gesetze vom 29. September 1866, das Unterrichts wesen im Lübeckischen Freistaate betreffend:

Der Senat hat, im Einvernehmen mit ver Bürgerschast, Le schloffen und bringt hiermit zur öffentlichen Kunde:

Dem Art. 4f des Gesetzes vom 29. September 1866, das Unter⸗ richtswesen im Lübeckischen Freistaate betreffend, wird die folgende veränderte Fassung gegeben:

Ärt. 41. Die Schuipflichtigkeit beginnt mit dem auf das voll= endete sechfte Lebensjahr nächstfolgenden Ostern, beziehungsweise Mi⸗ chaelig, und erstredt sich bis zu dem auf das vollendete vierzehnte Lebensjahr folgenden Ostern, sofern nicht ausnahmsweise eine Dispen⸗ sation durch das Ober⸗Schulkollegium ertheilt ist.

Gegeben Lübeck, in der Versammlung des Senates, am 26. Ja nuar 1874.

Oesterreich⸗ Ungarn. Wien, 28. Januar. Der P. Lloyd“ meldet: Die Kaiserin wird am 2. Februar von Ofen nach Wien und der Kaiser in den nächsten Tagen von Wien nach München zum Besuch der Erzherzogin Gisela fahren. Für den 4. Februar ist ein Hofball in Wien angesagt, auf welchem Beide Majestäten erscheinen; einige Tage später tritt Se. Majestät die Reise nach Petersburg an.

In der heutigen Sitzung des Herrenhauses wurden

»die auf der Tagesordnung stehenden Gesetzentwürfe den Kom⸗ missionen zugewiesen. Fuͤrst Schwarzenberg begründete seinen Antrag auf Ausdehnung der Steuerfreiheil auf Bauten in klei⸗ nen Städten und auf dem flachen Lande, worauf der Finanz⸗ Minister bemerkte, daß er einen solchen Gesetzentwurf bereits im Abgeordnetenhause eingebracht habe; der Antrag ward der Finanz⸗ kommission zugewiesen. Sodann fanden die Kommissions⸗ wahlen statt.

Ueber den am 28. d. M. in Zürich verstorbenen General Freiherrn Ludwig von Gablenz eutnehmen wir der, N. Fr. Pr.“ Folgendes: Der Verstorbene war von Geburt kein Oesterreicher. Seine Wiege stand in Jena, wo er 1814 als der Sohn eines sächsischen General⸗Lieutenants geboren wurde. Von. frühester Jugend auf für das Militär bestimmt, besuchte er anfänglich die Dresdener Ritter-Akademie, trat später in die sächsische Armee und wurde Lieutenant in dem Garde⸗Reiter⸗Regiment. Seinem Drange nach Thaten bot aber die vaterländische Armee keinen Spielraum, und so suchte und fand er denn in der Folge Auf⸗ nahme in die österreichische Armee, der er seit jener Zeit, 1833, ununterbrochen angehörte und zu deren hervorragendsten Führern er zählte. An Gablenz Namen knüpfen sich viele der stolzesten Erinnerungen des Kaiferlichen Heeres. Seine erste Feuerprobe legte Gablenz in Italien ab, wo er in zahlreichen Schlachten, Gefechten und Scharmützeln kämpfte und Lorbeeren errang. 1848 wurde Gablenz aus Italien, wo er es schon bis zum Major gebracht hatte, zurückberufen, und nach der Einnahme von Wien ersolgte seine Ernennung zum Generalstabs⸗Chef des gegen Ungarn operirenden Schlickschen Corps. Hier war es, wo Gablenz sich durch seinen verwegen erkämpften Uebergang über die Theiß und durch den Sieg über die weit überlegenen Insurgenken bei Kaschau die höchste militärische Auszeichnung, das Theresienkreuz, errang. Von Ungarn wurde Gablenz nach Wien berufen und nun wie⸗ derholt vom damaligen Minister-Präsidenten, dem Fürsten Schwarzenberg, zu diplomatischen Missionen verwendet, welcher Aufgaben er fich mit Geschick und Takt entledigte. Im Jahre 1854 rückte er zum General-Major vor und ward Brigadier beim siebenten Armee⸗Corps. Als solcher nahm er auch an dem Kriege des Jahres 1859 Theil. Die glänzendsten Erfolge und große,

allgemeine Popularität errang Gablenz während des Winterfeld⸗

zuges gegen Dänemark, den er als Führer des Kommandos über das sechste Armee⸗Corps mitkämpfte und in welchem Ruhm und Sieg sich an die Fahnen seiner Truppen hefteten. Als nach dem Friedensschlusse das Gros der Truppen mit Gablenz an der Spitze nach Oesterreich zurückkehrte und in Wien seinen Einzug hielt, da kam die Beliebtheit, deren sich der Feldherr bei dem Volke erfreute, zum lebhaftesten Ausdrucke. Der Gemeinderath ernannte Gablenz einhellig zum Ehrenbürger von Wien. Zwei Jahre lang weilte hierauf Gablenz als Statthalter in Schleswig⸗ Holstein und kehrte erst wieder nach Oesterreich zurück, um an dem Feldzuge von 1866 theilzunehmen. 1867 trat Gablenz aus Gesundheitsrücksichten in Disponibilität und verblieb in derselben bis zum Jahre 1869, wo er zum Kommandirenden in Ungarn ernannt wurde. Hier ward Gablenz die schwierige Aufgabe, ver— mittelnd und wohl auch versöhnend zwischen der Reichsarmee und den neugeschaffenen Honveds zu wirken. Es ist dies auch seinem Takte glücklich gelungen. 1871 ging Gablenz mit dem Range eines Generals der Kavallerie in Pension.

Seit 1867 war Gablenz Pair von Oesterreich. In dieser Eigenschaft fand er oft Gelegenheit, seine liberale Gesin⸗ nung und seine Verfassungstreue zu bethätigen. Als fast stän⸗ diges Mitglied der Delegationen entfaltete Gablenz auch in den einzelnen Sektionen eine bemerkenswerthe Thätigkeit und führte mehrere wichtige Referate. Baron Gablenz war seit 1853 mit Helene Baronin von Eskeles vermählt. Dieser Ehe entstammen zwei Söhne im Alter von 16 und 17 Jahren und eine Tochter, die gegenwärtig 14 Jahre zählt. Gablenz domicilirte abwechselnd in Wien und Graz. Die Rachricht von der schweren Erkrankung seines Bruders rief ihn vor wenigen Tagen nach Zürich, wo ihn, der in voller Gesundheit und Rüstigkeit zu stehen schien, ein unerwarteter Tod ereilte.

Pesth, 28. Januar. Im Eisenbahn⸗ und Finanzausschusse wurde die Ostbahnvorlage mit vierzehn gegen vier Stimmen mit dem Zusatze angenommen, daß die eingeleitete Untersuchung durch Annahme des Gesetzentwurfes nicht präjudizirt werde. Die Deak⸗Partei beschloß mit großer Majorität, für den Gesetz⸗

entwurf zu stimmen.

In der Sitzung des Abgeordnetenhauses inter⸗ pellirte Ernst Simonyi die Regierung wegen des Umstandes, daß die Konzessionsurkunde der Ostbahn, ohne der Legis⸗ lative vorgelegt zu werden, der Allerhöchsten Sanktion unter⸗ breitet wurde; ferner, daß die wechselgerichtliche Protokollirung der Firma dieser Bahn ohne vorhergängige. Inartikulirung der Statuten vorgenommen wurde; er verlangte die Vor— lage der bezüglichen Aktenstücke. Gorovpe, als Präßdent des In⸗ compatibilitätsausschusses, erklärte, daß die Mitglieder desselben zum großen Theile in anderen Ausschüssen in Anspruch genom⸗ men und dadurch an der Erfüllung ihrer Aufgabe verhindert seien; das Haus möge daher entscheiden, ob eine Neuwahl vor⸗ junehmen sei oder die Berathungen des Ausschusses aus einige Zeit fuspendirt werden könnten. Die Majorität entschied sich für die Vertagung der Ausschußberathungen. Sodann wurde der Bericht des Eisenbahn- und Finanzausschusses über den Ostbahn⸗ Gesetzentwurf vorgelegt und den Sektionen überwiesen; der⸗ selbe gelangt wahrscheinlich übermorgen zur Verhandlung.

30 Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Centralausschusses erklärte der Minister-Präsident v. Szlapy, er habe bisher die Annahme des Gesetzentwurfs über die Ostbahn nicht als eine Kabinetsfrage bezeichnet, um keine Pression auszuüben; es sei ihm aber unmöglich anzunehmen, daß man im Falle der Ablehnung des Entwurfs ihm die Fort⸗ führung des Portefeuilles zumuthen könne. Ein Minister, der in Tutlande sein Ansehen verloren habe, dürfe nicht länger an der Spitze der Regierung bleiben.

Schweiz. Bern, 29. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung des Nationalraths wurde vom Bundespräsidenten Schenk und dem Bundesrathe Ceresole betreffs der am 27. d. M. eingebrachten Interpellation konstatirt, daß allerdings Umtriebe stattgefunden hätten, um eine Intervention Seitens einer fremden Macht zu Gunsten der Ultramontanen herbeizuführen. Der Bundesrath habe indeß die erforderlichen Maßregeln dagegen getroffen. Zum Verfasser des von dem Journal „Confedersé“ (in Freiburg) veröffentlichten bezüglichen Memoriales habe sich der Nationalrath Vuilleret bekannt, und der Abbé Callet, bei welchem sich ein Packet mit Interventionsgesuchen vorgefunden, sei verhaftet worden. Nationalrath Vuilleret erklärte, er habe das gedachte Memorial in seiner Eigenschaft als Advokat ver⸗ faßt. Nach längerer Debatte wurde der Antrag, die Mißbilligung der im Memoriale Vuillerets kundgegebenen Ansichten auszu⸗ sprechen, in der Erwartung zurückgezogen, daß Vuilleret seinen Sitz im Nationalrathe aufgeben werde, und der Uebergang zur Tagesordnung beschlossen.

30. Januar. (W. T. B.) Der Urheber und die Ver⸗ breiter des in Bar le Due gedruckten Aktenstücks, welches die Intervention der Mächte zu Gunsten der Ultramontanen anruft, werden, gutem Vernehmen nach, vor die eidgenössischen Assisen verwiesen werden.

Niederlande. Haag, 26. Januar. Eine heute Nach mittag hier ausgegebene Extrabeilage des „Staats-Courant“ brachte folgende Mittheilung: „Nach einem heute Morgen ein⸗ getroffenen vorläufigen Berichte des niederländischen Konsuls in Penang ist der Kraton von Atchin mit sehr geringem Berluste genommen worden.“ Mit Blitzesschnelle verbreitete der Telegraph diese Freudenbotschaft nach allen Hauptorten des Reichs, ünd schon geht von allen Seiten die telegraphische Mel⸗ dung ein, daß die Kunde von diesem, den vollständigen Erfolg des Feldzuges entscheidenden Ereignisse allerorts den größten Jubel hervoörrief; überall wurde fofort auf den Staats⸗ und Gemeindegebäuden die nationale Flagge zur Feier des ruhm⸗ reichen Sieges aufgehißt; besonders enthusiastisch waren die Freudenbezeugungen in Amsterdam und Rotter⸗ dam; fast undurchdringliche Menschenmassen wogten dort unter dem Gesange patriotischer Lieder und mit wehenden Fahnen durch die Hauptstraßen, und auf den Marktplätzen wur⸗ den Feuerwerke abgebrannt; von Rotterdam wurde sofort Na⸗ mens der Societät „Amicitia“ an den General van Swieten ein Beglückwünschungs⸗Telegramm abgefertigt. In der Residenz, dem Haag, war der Volksjubel nicht minder lebhaft; unablässig war der Zudrang zu dem Hotel des Marine⸗Ministeriums zur Begluͤckwuͤnschung des Ministers Fransen van de Putte; im Königlichen Theater stimmten vor dem Beginne der Vorstellung das Srchester und mit ihm das Auditorium den „Wilhelmus“ und die Nationalhymne an, der Enthusiasmus war allgemein.

Das Wochenblatt „De Nederlandsche Industrieel“ theilt mit, es sei beschlossen worden, ein besonderes Ministerium für Wasserbauwesen und öffentliche „Arbeiten zu er—⸗ richten; an die Spitze dieses Departements würde Herr Hubrecht, Generalsekretär im Departement des Innern, oder Herr Klerck, Chef der Eisenbahn⸗Abtheilung im Departement des In⸗

nern, gestellt werden; wie man weiter vernehme, werde das De⸗ partement der Marine mit dem der Kolonien vereinigt werden.

Großbritannien und Irland. London, 29. Januar. (W. T. B. Glad stone ist, dem Vernehmen nach, für den Fall, daß die Neuwahlen zum Parlament eine gar zu geringe Masorität für das dermalige Kabinet ergeben sollten, entschlossen, von seinem Posten zurückzutreten und Lord Granville als Premier in Vorschlag zu bringen. Das Amt als Kanzler der Schatz⸗ kammer würde Gladstone in diesem Falle eventuell beibehalten.

Frankreich. Paris. 29. Januar. Der Conre⸗Admiral Marttneau du Ehenetz, Direktor des Personals der Marine, hat an die See⸗Präfekten folgendes Rundsch reiben erlassen;

Herr Präfekt! Es ist mir über politisch Umtriebe berichtet werden, deren sich auf mehr oder weniger offene Weise einige Offiziere der verschiedenen Corps der Marine schuldig gemacht haben. Obgleich sich diese Tendenzen nur hei einer geringen Anzahl kundgegehen haben, so haben dieselben ungeachtet dessen doch einen⸗ ungesetzlichen Charakter. den es zu bezeichnen gut ist, wie es auch nützlich ist, alle Militär= Beamten über die Haltung aufzuklären, welche ihnen in solchen Dingen auferlegt ist. Ich fordere Sie deshalb auf, die Offiziere und Beamten der verschiedenen Corps der Marine, welchen Grad sie auch haben mögen, daran zu erinnern, daß die Pflicht eines Offiziers heute mehr denn je die ist, fich einer jeden politischen Kundgebung zu enthalten. Die Kund⸗ gebungen dieser Art sind gefährlich, weil sie ein offenes Vergehen ge— gen die ersten Vorschriften des Gesetzes vom 27. Juni 1872 konstitui⸗ ren, welchtz von dem Wahlrecht alle bei den Corps stehenden Qilitärs ansschließt. Indem sich die unter Ihren Befehl gestellten Offiziere und Beanten dieser Kundgebungen enthalten, welchen sie durch ihren Grad, ihre Stellung und ihre Intelligenz eine große Wichtigkeit geben würden, werden sie sich in einem gesunden Geiste der Disziplin nur nach dein Verbot betreffs des Votums richten, das eine der wesent— lichsten Grundlagen des neuen Militärgesetzes bildet. Ich habe ꝛe.

Martineau du Chenetz.

(W. T. B.) In der Sitzung des Munizipal⸗ rathes wurde heute von 35 Munizipalräthen beantragt, für die Repräsentation der Stadt Paris die Summe von ho, 00 Franes auszusetzen. Der Munizipalrath Metivier stellte darauf den Antrag, 40 000 Franes für die Familien und Frauen der deportirten Kommunemitglieder zu bewilligen. Der Präsident des Kollegiums, Vautrain, verlangte die Beseitigung dieses Antrages durch Annahme der Vorfrage; es wurde in⸗ dessen beschlossen, den Antrag zur Abstimmung zu bringen, und derselbe darauf abgelehnt. Vautrain hat aus Veranlassung diefes Vorfalls seine Entlassung eingereicht und der Seine—⸗ Präfekt darauf die Schließung der Sitzungen des Munizipal⸗ rathes verfügt. .

Verfailles, 29. Januar. (W. T. B.) Die National⸗ versammlung genehmigte ohne jede Debatte die Zusatzkon⸗ vention zu dem Handelsvertrage mit Großbritannien. Der An⸗ trag Loisels, das Budget pro 1875 durch die Budget-Kom⸗ miffion und durch die Kommission für das Heerwesen gleich⸗ gleichzeitig prüfen zu lassen, wurde, von Gambetta unterstützt. Gambetta äußerte, daß die augenblickliche Lage Europas und

das Interesse Frankreichs geböten, die militärischen Hülfsmittel

mehr zu entwickeln, und meinte, daß es besser sei, etwas zu viel zu thun, um zu haben, was man nothwendigenfalls bedürfe. Der Antrag Loisels wurde abgelehnt.

Spanien. Madrid, 27. Januar, Das Memorandum an die auswärtigen Mächte, über welches der Ministerrath sich vorgestern schlüssig gemacht hat, ist in der amtlichen Zeitung veroͤffentlicht. Es verbreitet sich über den Ursprung und das Wesen der fetzigen Regierung, deren politisches Programm in der Aufrechthaltung der Verfassung von 1869, mit Ausnahme des durch die Thronentsagung des König Amadeo's hinfällig gewordenen Art. 33, und in der Beibehaltung der vorge⸗ fundenen Organisation der Staatsgewalt bestehe. Die von dem früheren Ministerium ausgeübte Diktatur habe die neue Regierung übernommen und werde, einstweilen ohne den Beistand eines Parlaments, alle Mittel zur Beendigung des Bürgerkrieges und zur Unterdrückung der leidenschaftlichen Ausschreitungen der Demagogie aufbieten. Befreit von der. Unruhe, welche die nothwendige Folge der Auf⸗ stände und der Tyrannei bewaffneter Volkshaufen sei, werde der Wille des Volkes alsdann zu gelegener Zeit seinen Ausdruck durch die zu wählenden Cortes sinden. Die durch die Abdankung des Königs entstandene Lücke werde die Regierung ausfüllen und in der Verfassung die als unabweisbar erkannten Verbesserungen einführen. Sie stehe fest zu den Prinzipien und Ergebnissen der Revolution von 1868, deren politische Bedeutung in der Amtsführung der vollziehenden Gewalt zu Tage treten werde.

= Nach einem der „Indépendance belge“ aus San Se⸗ ba stian unterm 29. Januar zugegangenen Telegramme ist an der Mündung des Nervion, westlich von Bilbao, eine kleine Flotille angekommen, um Bilbao zu helfen und dem General Moriones zur Unterstützung zu dienen. Der Fluß selbst ist durch Torpedos unschiffbar gemacht. Die Carlisten hatten die Auswechselung der 900 Gefangenen angeboten, die sie in Por⸗ tugalete gemacht hatten. Dem General Moriones, der sein De⸗ mifsionsgesuch zurückgezogen hatte, waren beträchtlicher Verstäãr⸗ kungen zugegangen. Derselbe hatte bereits seine Operationen in Biscaya' begonnen, und hieß es, es sei ihm gelungen, über Du⸗ rango vorzudringen und Bilbao zu entsetzen.

Italien. Rom, 24. Januar. Nach einer Turiner De⸗ pesche ist in dem Zustande der Herzogin von Ao sta eine kleine Besserung eingetreten.

Der Justiz⸗Minister gedenkt in seinem Entwurfe des neuen Strafgesetzbuchs auch einen Paragraphen aufzunehmen, welcher die Staatsbeamten betrifft, die öffentliche Urkunden ohne Erlaubniß der Regierung zu Privatzwecken benutzen.

Gestern haben sich der Finanz⸗Minister und die zur Prüfung und Berichterstattung über den die Papiergeld⸗ Emission betreffenden Gesetzentwurf niedergesetzte Kommission über alle Artikel desselben verständigt. Heute Mittag ist die Kommission noch einmal zusammengetreten, um dem Berichte des Abgeordneten Mezzanotte ihre förmliche Zustimmung zu geben; demnach soll er der Kammer vorgelegt werden.

Die österreichisch⸗ ungarische Regierung hat dem italienischen Kabinet vorgeschlagen, dem zwischen beiden Ländern abgeschlossenen Auslieferungs⸗-Vertrage einen Zusatzartikel beizufügen, wonach gerade wie in Folge der zwischen Italien und der schwei⸗ zerischen Eidgenossenschaft getroffenen Uebereinkunft, alle Staats⸗ beamten, welche sich Unterschlagungen anvertrauter Gelder haben zu Schulden kommen lassen, ausgeliefert werden müssen.

Die italienische Regierung wird, wie die „Italie“ mit⸗ theilt, nicht allein den mit Frankreich, sondern auch die mit andern Ländern abgeschlossenen Handels⸗Verträge einer Reyvision unterziehen und mit Berücksichtigung der durch die industrielle Unterfuchungs⸗Kommission ermittelten Angaben einen General-Zolltarif aufstellen, der ihr zur Grundlage für die neuen Vorschläge dient, welche sie den anderen Regierungen zu machen gedenkt.

In der Deputirten-Kammer wurde heute der die Rekrutirung der 1854 geborenen Militãrpflichtigen betreffende Gesetzentwurf vertheilt. Die Zahl der Rekruten erster Kategorie ist wie im vorigen Jahre auf 65,000 Mann festgestellt; die Re⸗ gierung behält sich aber die Bestimmung des Zeitpunktes noch vor, wann sie unter die Fahne berufen werden sollen. Die heutigen Verhandlungen betrafen das Gesetz über den obligato⸗ rischen Elementarunterricht; die Kammer genehmigte ohne be⸗ sonders bemerkenswerthe Debatte die vier ersten Artikel.

Die ehemalige päpstliche Accademia di San Luca ist durch ein Dekret des Ministers des Unterrichts aufgehoben und eine Königliche Kunstakademie nach den Grundsätzen der modernen Anschauung und damit ein neues Lehrerpersonal an ihre Stelle gefetzt worden. Professor Filippo Prosperi wurde als Direktor auf drei Jahre am Dienstag feierlich bestellt.

Dem Quaͤstor in Livorno war schon seit einiger Zeit die Anzeige gemacht worden, daß der sozialdemokratische Arbei⸗ terbund daselbst an der Spitze der internationalen Bewegung in Toscana steht. Am 21. Januar nahm der Quästor nun im Einver⸗ ständniß mit der Justizbehörde gegen dreißig Haussuchungen in bem Lokal des sozialdemokratischen Arbeiterbundes, in dem des Guerazzivereins und bei anderen Gesellschaften, sowie in den Privatwohnungen bekannter Agenten und Vereins ⸗Präsiden⸗ ten ꝛc. vor. Dabei fielen der Polizei Papiere in die Hände, welche die Verzweigung der Internationalen über ganz Itatien beweisen und die Ramen und Zahl ihrer Mitglieder in den ver⸗ schiedenen Provinzen angeben.

Wie die „Sentinella“ von Brescia berichtet, sind auf verschiedenen Punkten der Provinz Brescia Heuschrecken⸗ schwärme derselben Art niedergefallen, welche im vergangenen Jahre die Felder der Insel Sardinien abgefressen haben.

Letzter Tage ist die Legung von zwei neuen Telegra⸗ phenkabeln zwischen Ganzirri und Cannitello in der Meerenge von Messina beendet worden. Das eine hat einen und das andere zwei Telegraphendrähte, so daß nun einschließ⸗ lich der bereits früher gelegten vier Drähte sieben telegraphische Kommunikationen mit der Insel vorhanden sind.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 27. Januar. Heute brachten das diplomatische Corps, das Gefolge der aus⸗ sändischen Fürstlichen Gäste, die Damen des Hofes und die hof⸗ fähigen Damen den Hohen Neuvpermählten ihre Glück⸗ wünsche dar, die von Zarskoje-Sselo nach der Residenz ge⸗ kommen waren. Bei der Kaiserin fand zu Ehren der Nent— vermählten ein Frühstück statt, welchem auch die deutschen Kronprinzlichen Herrschaften beiwohnten, nachdem sie vorher eine Schlittenfahrt unternommen hatten. Zum Diner versammelten sich die Sohen Gäste bei Ihrer Majestät. Abends war Rout bei dem großbritannischen Botschafter Lord Loftus.

Hente Nachmittag um 5 Uhr hatte die Deputation der hiesigen Angehörigen des Deutschen Reichs, unter Führung des Herrn Uthemann, die Ehre, von Ihren Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessindes Deutschen Reichs und von Preußen in dem Palais der Eremitage empfangen zu werden in Gegen⸗ wart des deutschen Botschafters Prinzen Heinrich VII. Reuß, des Botschaftsraths Baron von Alvensleben, des Konsuls hr. Busch und den übrigen Herren der Botschaft, des Militärbevollmächtig⸗ ten, Generals von Werder, sowie der Damen und Herren des Gefolges, der Gräfin von Brandenburg, der Gräfin von Brühl, des Generals der Kavallerie Hann von Weyhern, des Hof⸗ marschalls Grafen von Eulenburg, des Kammerherrn Grafen von Seckendorff und der Adjutanten Oberst Mischke und Ka⸗ pitän von Liebenau (s. die Adresse unter Berlin).

Wie die „St. Pet. Ztg.“ erfährt, werden die deutschen Kronprinzlichen Herrschaften von Moskau nicht über Warschau, sondern über Ssmolensk, Witebsk und Dünaburg die Rückreise antreten.

Ueber die Vermählungsfeier am 23. Januar ent—⸗ nehmen wir russischen Blättern noch Nachstehendes:

Um halb 12 hr setzte sich der Hochze tszug von den inneren Gemächern des Winterpalastes nach der Kapelle in Bewegung. An demselben nahmen nebst dem Kaiser Alexander und der Kaiserin Maria Alexandrowna folgende Fürstliche Personen Theil: der Großfürst Thronfolger Alexander Alexandrowitsch, die Großfürstin Cesarewna Maria Feodorowna, der Prinz und die Prinzessin von Wales, der Kronprinz und die Kronprinzessin des Deutschen Reichs und von Preußen und der Kronprinz von Dänemark, der Herzog von Edinburgh und die Großfürstin Marig Alexandrowna, Prinz Arthur von Großbritannien, der regierende Herzog von Sachsen⸗Coburg⸗ Gotha, die Großfürstin Wladimir Alexandrowirtsch, Alexander Alexandrowitsch, Sergii Alexandrowitsch und Paul Alexandrowitsch; der Großfürft Konstantin Nikolajewitsch, und die Großfürstin Alexandra Josefowna; die Großfürstin Nikolai Konstantinowitsch, Kon⸗ stantin Konstantinowitsch, Dimitri Konstantinowitsch und Wiatscheslav Konftantinowitsch; der Großfürst Nikolai Nikolajewitsch. d. Ae. und die Großfürst n Alerandra Petrowna; die Großfürstin Nikolai Niko⸗ lasewitsch d. J. und Peter Nikolajewitsch; die Großfürstin Maria Nikola sewna; die Großfürstin Katharina Michailowag und Se. Groß⸗ herzogliche Hoheit der Herzog Georg von Mecklenburg⸗Strelitz; die Fuürsten Romanowski, Herzoge von Leuchtenberg, Jewgenii, Sergii und Georgii Maximilianowitsch; die Prinzessin Maria Maximilianowna von Baden, Prinz Peter von Oldenburg, Prinz Alexander von Hessen, Prinz Alexander und Prinzessin Jewgenja Maximilianowna von Ol⸗ denburg, Prinz Konstantin von Oldenburg,

Zunächst nach den Kaiserlichen Majestäten schritten die drei Thron⸗ folgellunen von Rußland, Großbritannien und dem Deutschen Reiche, ebenfalls in russischem Kostüm und mit langen Schleppen. Ihnen folgten ihre drei Gemahle und der Kronprinz von Dänemark, hierauf die' übrigen Mitglieder der Kaiserlichen Familie und die fremden Fürst⸗ lichkeiten. Als der Hohe Bräutigam, in der Uniform eines englischen Obersten, mit der Kette des Andreas⸗Ordens und dem Bande des Alexander ⸗Newski⸗Ordens geschmückt, die Kirche beirat, so ergriff Se. Majestät die Hände des Braut⸗ paares und führte sie unter dem Gesange: „Es frohlockt meine Seele, o Herr‘. zu dem erhöhten Platze, wo, der Trauungsaltar errichtet war. Dort stand, sie erwartend, der Beichtvater Ihrer Ma⸗ jestälen, der Oberpriester Bashangw, mit vier Hofgeistlichen und zwei Dberdiakonen. Die höhere Geistlichkeit nahm den Platz am Altar ein. Auf dem Haupte trug sie den Brautkranz und die Großfürstliche Krone in Diamanten. Ihr Kleid war von Silberbrokat, mit silbernen Bouquets gestickt, von den Schultern fiel der Großfürstliche Mantel von Purpursammet, und Hermelin, getragen von drei Kammerherren und einem Stallmeister. Se. Majestät der Kaiser, die Mitglieder der Kaiserlichen Familie, der deutsche sowie der dänische Kronprinz, der Herzeg von Sachsen⸗Coburg und der Prinz von Hessen trugen russische Uni⸗ form mit der Andreas Ordenskette um den Hals und dem Großkorden bes Alcxander⸗Newski⸗Ordeng; der Prinz von Wales die rothe eng— lische Generalsuniform mit dem Alexander⸗Newskibande, Prinz Arthur die schwarze Uniform der Riflemen, auf welcher nichts Glänzendes oder Metallisches zu sehen. Sieben Hosenbandritter, kenntlich an den weißen Schleifen auf beiden Schultern, waren bei der Ceremonie anwesend; Se. Majestät der Kaiser, der deutjche Kronprinz, die drei! englischen Prinzen, der Herzog von Co- burg⸗Gotha und Lord Sidney, der Vertreter der Königin Victoria.

Die Krone über der Hohen Braut hielten die Großfürsten Wla— dimir und Alexei Alexandröwitsch, über dem Herzog von Edinburgh der Prinz Arthur und der Großfürst Ssergei Alexandrowitsch. Zwei